ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VE R STX N D I O UN 0
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3. Jahrgang 1951/1952
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ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
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ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
3. Jahrgang 1951/1952
HERAUSGEBER: BUND DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E.V.
GESCHÄFTSSTELLE: B O N N , S C H U MAN N STRAS S E 35
/ /
„Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung
Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V.
Verantwortlicher Schriftleiter : Friedr. Wilh. H y m m e n , Bielefeld, Stapenhorststraße 138
Anzeigenverwaltung: Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73
Herstellung: Presse-Druck GmbH., Bielefeld
AUS DEM INHALT
Heft/Seite
1. Gesetzgebung
(Versorgurigsrecht, Fürsorge, Organisationen usw.)
Entziehung der Angesteliten- oder Invalidenrente? Von
Axel Bischoff .; . ..'.;,. . 1/3
„Arbeitsgemeinschaft Deutscher Versehrtensport" . . 1/8
Einweihung einer Biindensi'eülung in Lübeck . . '. . 1/16
Landesversorgjungsamt Schleswig-Holstein eröffnet . . 2/2
Erstes Veirsehrtensportheirri der Bundesrepublik in Süd-
deutschland . . ) ; ..■.''. . . ' . 2/15
Tagung der Deutschen Blindenarbeit 3/8
Wiener Armbinden, mit Eisernem Kreuz 3/8
Gegen 'd^h BtindenWarenschwindel / Ein richtungweisen-
der'Erlaß in Wüfttemberg-Baden. Von Norbert Mahler 4/5
Erfolgreiche Siedlungsfürsorge in Oberfranken. Von
J. Lukas 4/8
Zur Klarstellung (Pflegegeldfrage Kriegs- und Zivil-
blinde). Von Dr. Plein 5/4
Gesetzlicher Blindenwarenschutz 5/11
Neuwahl im Bundesausschuß für Kb.- und Kh. -Fürsorge 5/16
Allgemeine Privat-Haftpflichtversicherung 6/3
Der Kündigungsschutz für Schwerbeschädigte. Von Lan-
desoberinspektor Sielker 6/6
Was erwarten wir von der Sonderfürsorge? (Zehn Grund-
forderungen). Von Christian Wilhelm 6/7
Die Sonderfürsorgevorschriften für Kriegsblinde ... .6/8
Mein Heim - meine Welt,/ Beispiele ans Unterfranken.
Von J. F 6/11
Subvention des Blindenhandwerks in der DDR . . . . 6/13
Die Frage der Soforthilfe-Abgabe der Kriegsblinden . . 7/5
Etwas über unsere Kameraden im Osten. Von Lux . . 7/9
Das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter /
Entschließung des Bundes der Kriegsblinden Deutsch-
lands e. V 8/3
Die Kapitalabfindung. Von Oberverwaltungsrat Seuferle 8/5
Steuererleichterungen für Blinde. Von R. Langermann 9/3
„Haus deT Kriegsopferversorgung" in Berlin .... 9/8
Eine wichtige DBA-Vorstandssitzung 10/2
Krankenscheine für Kriegsblinde 10/2
Das Bundesversehrtensportfest .• 10 / 12
Wichtige Konferenzen in Bonn 11/2
Der Weg zum Eigenheim. Von Christian Wilhelm . . 11/3
Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung . 11/6
Die Sparguthaben Vertriebener ' 11/6
Berliner Bankkonten .11/6
Was sind Vertreibungs-'und was sind Kriegssachschäden? 11/6
Westfälische Blindenbücherei in Münster 11/8
Kriegsblinden-Siedlung in Nürnberg .12/9
Versehrtensport als Heilmaßnahme anerkannt . . . . 12/11
Akten früherer Versorgungsämter . . . . \ . . . 12/12
Heimatortskarteien 12/12
2. Der Bund der Kriegsblinden Deutschlands
Zum Tode von Frau Erna Plein 1/1
Das Bundesversorgungsgesetz — „Unsinn und Ver-
brechen"? Von H 2/5
Bezirksleiterkonferenz des LV Westfalen 2/9
Kriegsblindenjahrbuch 1952 . * 2/15
Heft/Seite
Eindrücke aus dem Kriegsblindenkurheim in Borkum.
Von Dr. Dubitscher 2/18
Gruß aus Borkum. Von Bernhard Thurow 2/18
Kriegsblindentreffen in München (Delegiertenversamm-
lung). Von J. F 3/9
Unser neues Jahrbuch 3/11
Die Weihnachtsfamilie aller Kriegsblinden. Vo P. PI. 4/1
Beispielhafte Werbeveranstaltung in Berlin. Von Paul
Pöhlsen 4/2
Vorstandssitzung des LV Schleswig-Holstein .... 4/7
Rückschau und Ausblick / I. Teil. Von Dr. Peter Plein . 5/1
Erholungs- und Badekuren 1952 5/5
„Erna-Plein-Kriegsblindenkurheim" in Bad Münster am
Stein 5/10
Weihnachten in der Viersektorenstadt. Von P. Pöhlsen 5/12
Aus der Arbeit des Landesverbandes Bayern. Von J. F. 5 / 18
Der Hörspielpreis der Kriegsblinden (Vorbereitung) . .. 5/19
Rückschau und Ausblick / IL Teil Von Dr. Peter Plein . 6/1
Vom Echo des Jahrbuches 6/2
Kritische Betrachtung eines Lesers. Von F. Mezger . . 6/16
„Hörspielpreis der Kriegsblinden" vergeben 7/1
Die Beratungen bei der Bundesbeiratssitzung in Wies- -
baden 8/1
Christian Hutschreuther gestorben . 8/11
Erste Begegnung mit den österreichischen Kameraden . 9/1
25 Jahre Kriegsblindenkurheim Bad Salzhausen. Von
Albert Bierwerth ..'... 9/6
Axel Bischoff 65 Jahre alt. Von Dr. Peter Plein .... 9/6
Rund um die Berolina / Aus der Tätigkeit des LV Berlin.
Von Axel Bischoff 9/7
Neugliederung des LV Schleswig-Holstein 9/8
Bezirksleitertagung in Frankfurt 11/8
Wir gehören zusammen. Von F. W. H ' . . 12/1
Die saarländisch-deutsche Kameradschaft 12/2
Unsere Heime brauchen Bücher. Von Kuno Höfken . . 12/7
Landesverbandstag Schleswig-Holstein 1952. Von H. K. 12/8
Kriegsblindentreffen mit Dichterlesung in Rheinland-
Pfalz . . 12/9
Franz Buchholz gestorben ' 12/10
Die besten kriegsblinden Sportler gesucht 12/11
3. Der Kriegsblinde im Beruf
Die schuldige Achtung 1/2
Faserstoffe für den Bürstenmacher. Von egf 1/10
Telefonistenausbildung sei keine Spielerei! Von Adolf
Fischer ; . . 2/4
Kriegsblinde bei der Bundesbahn 2/6
Handwebersiedlung in Hannover 2/11
Wir weben für dich! Die Arbeitsgemeinschaft kriegs-
blinder Weber 3/5
Perlondraht statt Metalldraht (Versuche in Mecklenburg) 3/13
Kriegsblinder Keramiker. Von Konrad Kotz 3/15
Masseure auf der Schulbank. Von W. A 5/6
Kriegsblinde Organisten. Von Theo Volk ...... 5/20
Kriegsblinde in der Telegrammaufnahme. Von Ober-
postsekretär Schild 6/5
Heft/Seite
Die Arbeit der blinden Abhörer in der technischen Pro-
grammüberwachung des NWDR. Von Prof. Werner
Nestel und Obering. Heinz Ehlers ......... 7/15
Der Kriegsblinde im Rechtsstudium. Von Wolfg. Schmidt 7/18
Umfrage nach neuen Blindenberufen 9/2
Neues Patent eines kriegsblinden Bürstenmachers —
Mathias Schumacher 9/13
Sorgen des Blindenhandwerks 10/1
Er baut Maschinen - für sich und für andere (Dr. Meyer-
Auhausen). Von Erich Büchner 10/8
Telefonistentagung in Kempten 11/2
Ein Ohnhänder-Telefon. Von Günter Schirmer . . . . 11/5
Als selbständiger Kaufmann. Von Kurt Benske . . . 12/6
Neuer Industrieberuf („Wieger" in einer Margarine-
fabrik) . 12 / 12
Neuer Industrieberuf (Demontage von Stromzählern) . 12/15
4. Kriegsblinde über ihr Schicksal
Wir sind Schauende. Gedicht von Friedrich Mezger . . 2/13
Bergfreuden — auch für uns! Von Friedrich Mezger . . 2/20
„überwunden" / Eine Schrift über einen heldenhaften
Kameraden 3/15
Warum sind Kriegsblindenehen glücklicher? Von P. PI. 4/7
Kriegsblinde erleben Weihnachten. Von Harry Barthel . 4/10
Kameradentreue im Lager. Von Adalbert Wattenbach . 4/11
Ausgewandert, aber treu 5/2
Kriegsblinder am Postschalter / Neun Jahre lang erfolg-
reich im Briefmarkenverkauf. Von Erich Theil . . . 5/9
Heroisierung? Von F. W. H 67 1
Haben wir eine Sonderstellung? Von Haule 7/13
War es ein Zufall? Von F. W. H 8/1
Ist Jagen und Fischen für Kriegsblinde waidgerecht?
Von K. Schulz - 8/15
Hast du keine Aufgäbe mehr? Von Günther Ebert . . 9/1
Kriegsblinder erhielt Großes Verdienstkreuz .... 9/3
„Hast du keine Aufgabe mehr?" / Der Mut zur kritischen
Selbstkontrolle. Von Franz Sonntag 10/11
„Haben Sie sich vorher schon gekannt?" Von Harry
Barthel 11/16
5. Hilfen für Blinde
Ratschläge — Medizin '■ — Technik
Die menschliche Stimme als Ausdruck menschlichen
Wesens. Von Dr. Max Simoneit 1/6
Einige wichtige Stimmtypen. Von Franz Feistner ... 1/7
Die Blindenskale. Von Herbert Häring . 1/20
Dein bestes Hilfsmittel. Von F. W. H 2/1
Habt Geduld mit der Technik. Von H 2/1
Ein Dank an Oskar Picht. (Erfinder der Punktschrift:
maschine) 2/2
Ein neues Modell des „Sprechenden Buches" (Das Filmo-
phon). Von Günter Böttcher und Willi Lüdecke ... 2/3
Das Blindenleitgerät der Zukunft? (über das „Optar").
Von Dr. F. L 2/3
Den Bürstenmachern empfohlen (Die Aufnagelmaschine) 2/10
Sprich, daß ich dich sehe! Von. Prof Christian Winkler . 3/3
Stimme oder Sprechweise? Von Dr. W. Mühlensiepen 3/4
Vibration und Schallwellen als Orientierungsmittel.
Von Dr. Kurt Wintterlin 3/5
Eine Zeitschrift für Masseure . 3/13
Unsere Zeitschrift im Lautsprecher? Von Dr. Fischer . . 3/14
Bedenken gegen Spezialbesteck. Von Franz Feistner . . 3/14
Wir basteln zum Weihnachtsfest. Von Franz Feistner . 3/20
Väterliches Patent zum Vorlesen. Von Kurt Krauss . . 3/20
Unser Blindensekretär ist da. Von Alfons Schramm . . 4/3
Die Erleichterungen für blinde Funkamateure. Von Paul
Grywatz 4/4
Ein hervorragendes Werk über den Führhund. Von
Konrad Most - . . 4/5
Nochmals Spezialbesteck. Von Lotte Schütz 4/17
Hat uns der Erfinder der Punktschrift auch heute noch
etwas zu sagen? Von Otto Althauser ...... 5/5
Neuer Reliefglobus ' 6/3
„Doch das Gehör verleiht den rechten Glauben mir"
(Zur Deutung der menschlichen Stimme). Von Thea
von Beckerath '. 7/3
Heft/Seite
Verrät die Stimme den Körperbau? Von Franz Feistner 7/4
Politische Wochenschrift in Blindenschrift 7/5
Dr. Blums Lesegerät .7/5
Zur Verständigung zwischen Mensch und Hund (Ein
Ratgeber). Von Dr. H. Haupt 7/12
Ein Vorschlag zur Führhundbelieferung. Von F. Lewin 7/12
Ein neues Zeichengerät — auch für Blinde. Von Dr.
Johannes Hille 8/6
Wir dürfen nicht blind sein. Von Franz Feistner ... 8/7
Selbstorientieren - aber wie? Von Dr. Kurt Wintterlein 8/20
Zehntausend Blinden-Tastzeichen. Von Friedrich Wil-
helm Gust 9/5
Kleiner Speisezettel über Turn- und Sportarten für
Blinde. Von Dr. K. Wintterlin 9/12
Eine Stenografiermaschine 9/15
Die Kunst, sich helfen zu lassen. Von F. W. H. . . . 10/1
Gegen die Unsicherheit im Großstadtverkehr! (Töd-
licher Unfall eines Hamburger Kameraden) . . . . 10/3
Ist Selbständigkeit selbstverständlich? Von H. Lehmann 10 / 14
Der verräterische Händedruck / Eine ausdruckspsycho-
logische Studie von Dr. Ernst Dorner 11/3
Vom „Sehen" der Kriegsblinden. Von Bodo Schütz . . 11/13
Der kriegsblinde Stenotypist und das Dimafon . . . . 11/14
Vor einer Umwälzung des Blindendruckverfahrens?
(Der „Festpunktdrucker"). Von Otto H. Allen . . . 12/3
Menschenbeurteilung durch Nichtsehende. Von Dr. Otto
Meyer-Anhausen , . . 12 / 3
Kleine Tips, die leider keine Selbstverständlichkeiten
betreffen. Von Hans Lehmann 12/4
Privater Austausch von Tonbändern? Von Ursula Sesink 12/7
6. Internationales Blindenwesen
„Welt-Kriegsteilnehmertag" 1/2
Ergebnis der Pariser Konferenz (Weltrat für Blinden-
wohlfahrt) 1/8
überholtes englisches Gesetz verbietet Hornhautüber-
pflanzung 4/23
Amerikanisches Sprechgerät „Vocoder" für Stumme und
Taubblinde . • ' 4/23
Südtiroler Kriegsblinde ohne Rente. Von Alfons Schramm 5/3
Blindennot in Afrika 5/19
Blindenführhunde in Frankreich im 18. Jahrhundert.
Von Dr. Hans Haupt 7/10
Amerikas Organisation „Das sehende Auge" (Führ-
hunde) 7/16
Kriegsblinden-Lotterie in Österreich 7/16
Weiße Leuchtstöcke in England 8/16
Englische Kriegsblinde betreiben eigenes Ladengeschäft 8/16
Die Kriegsblinden der USA und ihre Ziele. Von Peter
J. McKenna 10/3
Neuartige Augenoperation in England (Künstliche Linse) 10 / 10
Eine außergewöhnliche Ehrung für einen Blinden /
Die Gebeine des Erfinders der Blindenschrift in das
Pantheon überführt. — Deutsche Delegation in Paris 11/1
Blindenstatistik in England und Wales 11/12
Landwirtschaftsschule für Blinde in den USA . . . . 12/13
Ein Gruß aus Österreich / Die Kriegsblinden Vorarlbergs 12 / 13
Interessantes aus Kanada. Von J. J. Friesen . . . . 12 / 16
7. Reportagen, Unterhaltung, Dichtung
Sieg über das Dunkel / Ein amerikanischer Kriegs-
bUndenfilm vor der deutschen Uraufführung .... 1/5
An den Gräbern der gefallenen Brüder. Von F. K 3/1
Der Film „Sieg über das Dunkel" läuft an 3/1
Deutsche Soldatenfriedhöfe im Ausland 3/10
So kam der Mensch auf den Hund (Buchbesprechung).
Von Dr. Walter Wüst 3/16
Der Mensch und sein Hund. Gedicht von Kurt Schulz . 3/16
Der befreite Blick. Von Hans Haule 4/13
Nütze die einsame Stunde. Von Karl Kirchner .... 4/13
Josef in Verlegenheit. Von Friedr. Wilh. Hymmen . . 4/14
Der erste Gast an der Krippe. Von Reinhard Rebensburg 4/14
Blindenfilme — die große Mode 4/19
Zum Jahreswechsel. Gedicht von C. J. H. Burmester . . 4/19
Der Weihnachtsabend. Von Lotte Schütz 4/28
Sehr guter Rat. Gedicht von Gottfried Schwendy ... 5/2
Heft/Seite
Auch so etwas soll's geben. Von Claus Faß 5/20
Du. Gedicht von Rudolf Ferbers -. . 7/1
Darfst du die Stunde rufen? Von Dr. Lotz ..... 7/2
Vom Sichgehenlassen. Von Hans Lehmann . . . . . 7/17
Das Billet der Königin. Von Stefan Andres . . •. . . ' 7/20
„Sieg über das Dunkel" (Premiere in Berlin) 8/11
Vorfrühling. Gedicht von Hans Schmalfuß 8/16
Aus der Ansprache des Dichters Erwin Wickert bei der
Verleihung des Hörspielpreises 8/19
Heft/Seite
Ostergedanken um den Galgenberg. Von K. Schulz . . 8/20
Er wollte sich doch bessern. Von Heinz C. Schwarze . . 9/12
Ein sehr armseliger Blinder (Zu dem Buch „Der Blinde"
von Walter Jens). Von F. W. H 9/20
Ein Kriegsblindenroman („Weg ins Licht" von Maxi-
milian Narbeshuber). Von Hans Schmalfuß . . . . 10/14
Ist Blindsein ein Glück? (Zu Eichs Hörspiel „Blick auf
Venedig"). Von F. W. H 10/15
Mit Tandem und Zelt an die Ostsee. Von Berthold
Schulze .12/15
Register
Heft-Nr.
A. W. . 5
Allen, Otto H 12
Althauser, Otto • .... 5
Andreas, Stefan t . 1
Barthel, Harry . . ' 4, 11
Beckerath, Thea von 7
Benske, Kurt 12
Bierwerth, Albert . ' . . 5, 9
Bischoff, Axel ......... 1, 9
Bloch, Franz 6
Böttcher, Günter ........ 2
Brues, Otto 3
Büchner, Erich 10
Burmester, C. J. H. . 4,9
Dorner, Ernst, Dr 11
Dubitscher, Dr 2
Ebert, Günther 9
egf 1
Ehlers, Heinz, Obering. 7
F., J. • 5, 6
Fass, Claus 5
Feistner, Franz 1, 3, 7, 8
Ferbers, Rudolf 7
Fischer, Dr 3
Fischer, Adolf 2
Friesen, J. J. . . 12
GM., Th 8
Groß, Emil . 9
Gust, Friedr. Wilh 9
H 1
H, F. W 1, 6, 6, 9, 10, 10, 12
Häring, Herbert 1
Halm, Konrad 10
Haule, Hans 4, 7
Haupt, H., Dr 7, 7
Hille, Joh., Dr. 8
Hillmann 5
Höfken, Kuno . 12
Hymmen, Friedrich Wilhelm .... 4
K., F. 3
Kirchner, Karl 4
Kotz, Konrad 3
L„ F., Dr 2
Langermann, Rudolf 9
Lehmann, Hans 7, 10, 12
Lewin, Franz . . . 7
der Autoren
Lotz, Dr 7
Ludwig, Dr 6
Lüdecke, Willi 2
Lukas, J .4
Lux ,7
Mahler, Norbert ........ 4
Martens, Heyko 12
McKenna, Peter J .10
Mezger, Friedrich . . . . . . . . 2, 2, 6
Meyer-Auhausen, Otto, Dr 12
Most, Konrad 4
Mühlensiepen, Wilfried, Dr 3
Nestel, Werner, Prof. Dr. ..... 7
PL, P. 4, 4
Plein, Peter, Dr. . . . ' 5, 5, 6, 9
Pöhlsen, Paul 4, 5
Prager, Gerhard .11
R., R 3
Rebensburg, Reinhard ...... 4
S., H 3
Sesink, Ursula 12
Seuferle, Oberverw.-Rat 8
Sielker, Landesoberinspektor .... 6
Simoneit, Max, Dr 1
Sonntag, Franz 1,10
Schild 6
Schindel, Georg 2
Schirmer, Günther .11
Schmalfuß, Hans . . . 8, 10
Schmidt, Wolfgang 7
Schmitgen, Franz 8
Schramm, Alfons 4
Schütz, Bodo .....'...,. 5, 10, 11
Schütz, Lotte 4
Schulz, K 8, 8
Schulz, Kurt 3
Schulze, Berthold '. . . 12
Theil, Erich 5
Thurow, Bernhard 2
Volk, Theo 5
Wattenbach, Adalbert 4
Wickert, Erwin 8
Wilhelm, Christian . . . . . . . 6, 11
Winkler, Christian, Prof ..'... 3
Wintterlin, Kurt, Dr 3, 8, 9
Wust, Walter, Dr 3
Zellmer, Emil 2
Heft-Nr.
V
*
I
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 1 . 3. JAHRGANG S E PTE M B E R 1951 VERLAGSORT BIELEFELD
Laß der Sonne Glanz verschwinden,
wenn es in der Seele tagt,
wir im eig'nen Herzen finden,
was die ganze Welt versagt
Seelenleiden zu heilen
vermag der Verstand nichts, die Vernunft wenig, die Zeit viel,
entschlossene Tätigkeit alles
GOETHE
AUS DEM
Seite
Zum Tode von Frau Erna Plein
Nachruf — Die Beisetzung — Ein Leben des Dienens . . 1
Die schuldige Achtung 2
„Welt-Kriegsteilnehmertag" 2
Entziehung der Angestellten- oder Invalidenrente? Von Axel
Bischoff 3
„Sieg über das Dunkel" — Ein amerikanischer Kriegsblinden-
film vor der deutschen Uraufführung 5
Die menschliche Stimme als Ausdruck menschlichen Wesens.
Von Dr. Max Simoneit .- 6
Einige wichtige Stimmtypen. Von Franz Feistner 7
Ergebnisse der Pariser Konferenz (Weltrat für die Blinden-
wohlfahrt) 8
„Arbeitsgemeinschaft Deutscher Versehrtensport" .... 8
INHALT
Seite
Faserstoffe für den Bürstenmacher — Herkunft und Verwen-
dung. Von egf 10
Aus den Landesverbänden 13
Rheinländer unterwegs
Kleine Festlichkeiten — Jubiläum — Persönliches .... 15
Kleine Neuigkeiten 16
Für unsere Schachfreunde 17
Der Kritiker am Lautsprecher 18
Programmvorschau für Hörspiele 19
Ernst Lindenbauer — unser Senior des Schachs 19
Lesermeinung 20
Wer will nach Amerika?
Die Blindenskala
Das Foto a u 1 der Titelseite zeigt eine Szene aus dem amerikanischen Kriegsblindentilm „Sieg über das Dunkel" (Universal-
International): Der Kriegsblinde tastet das Gesicht der neugewonnenen Freundin ab. — Das Foto auf der Umschlagrückseite
— „W asserrose" — stammt von Kurt Hege.
37 — 81
10-
45 — 57 — 31—56 — 19 — 4
.Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BVNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
Nr. 1 . 3. Jahrgang . September 1951 . Verlagsort Bielefeld
Zum Tode von Frau Erna Plein
Frau Erna Plein, die verehrte und geliebte
Bundesmutter der Kriegsblinden, ist am
Sonnabend, dem 18. August 1951, im Alter
von 71 Jahren entschlafen. Mit tiefster
Erschütterung vernahmen wir Kriegsblinden
in Nord und Süd diese bestürzende Trauer-
kunde. Jeder von uns, der Frau Erna Plein
gekannt hat oder der ihr auch nur ein ein-
ziges Mal begegnet ist, war von ihrem so
gütigen, feinen und klugen Wesen tief be-
eindruckt. Aber auch alle Kriegsblinden, die
nicht das Glück einer persönlichen Begegnung
mit der Verstorbenen hatten, sind ihr in
großer Dankbarkeit für immer verbunden,
denn ihr Leben und Wirkexi war nichts als
ein selbstloses Dienen und Helfen für die
Gemeinschaft aller Kriegsblinden. Frau Erna
Plein, unsere liebe Verstorbene, war es, die
unserem Bundesvorsitzenden und Kameraden
Dr. Plein immer wieder die Kraft gab, in den
schweren Kämpfen um die Sicherung unserer
Daseinsrechte so unbeirrbar durchzuhalten,
in den Jahren bis 1936 nicht weniger als in
den besonders zermürbenden und schweren
letzten Jahren. Auch ihr kundiger Rat, ihr
Wissen und ihre Menschenkenntnis haben
immer wieder fruchtbarste Wirkungen für
das Gesamtgeschick der deutschen Kriegs-
blinden gehabt, ohne daß diese so beschei-
dene, in ihrem innersten Wesen so vornehme
Frau jemals ihre eigene Person in den Vor-
dergrund gestellt hätte.
Nur zu dienen, das war ihr Bestreben,
und zwar mit einer Unermüdlichkeit und
Energie, die wir besonders in den letzten
Jahren immer wieder bewundern mußten.
Die übermäßige Beanspruchung unseres Bun-
desvorsitzenden wurde von der Verstorbenen
in einer Weise geteilt, die eigentlich die
Kräfte einer Frau, und zumal einer siebzig-
jährigen, weit übersteigen mußten. Allein
die Reisen, die sie an der Seite ihres Gatten
machte, meistens— am Steuer eines Kraft-
wagens, waren außerordentliche Leistungen.
Das Mütterlich-Gütige ihres Wesens haben
schon jene Kriegsblinden im ersten Welt-
krieg mit steter Dankbarkeit empfunden, die
unter der kraftspendenden Obhut der Ver-
storbenen im Umschulungsheim von Frau
v. Ihne in Berlin waren. Hier lernte sie
auch ihren späteren Gatten, unseren Kamera-
den Dr. Plein, kennen, dem sie 1925 die
Hand zum Lebensbund reichte. Wenig später
wurde Dr. Plein der Bundesvorsitzende, und
seine Gattin stand als „Bundesmutter" bald
mitten in unserer Schicksalsgemeinschaft.
Auch für sie galt es, viel Schweres zu tragen,
vor allem bei Ende des letzten Krieges. Die
Gutsherrin von Neudorf am Gröditzberg in
Schlesien verlor nicht nur dort und in Berlin
ihren gesamten Besitz — sie mußte auch zu-
sehen, wie ihre Mutter bei lebendigem Leibe
verbrannte. Der Fluchtweg mit einem Hand-
wagen führte sie und ihren Gatten nach Burg
Mürlenbach in der Eifel, dem Heimatort Dr.
Pleins, wo die Verstorbene nun auch ihre
letzte Ruhe fand.
Ein gesegnetes und segenspendendes Le-
ben fand einen für uns alle, die wir zurück-
bleiben, allzu frühen Abschluß. Mit nie ver-
siegender Dankbarkeit werden die deutschen
Kriegsblinden der Verstorbenen gedenken.
Im Namen aller Kameraden sei aber auch an
Frau Erna Plein, geb. von Rosen, unsere
„Bunclesmutter" , ist am 18. August gestorben
dieser Stelle unserem lieben Kameraden
Dr. Peter Plein die innigste Teilnahme ver-
sichert.
Der Bund der Kriegsblinden Deutschlands
wird die unvergeßliche Verstorbene, von der
wir so viel Liebe und Treue erfahren haben,
stets in gleicher Treue zu den ihrigen zählen.
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V.
/. A.: Philipp Neil
Stellvertr. Bundesvorsitzender
Die Beisetzung
Wohl 180 Kriegsblinde nahmen an der
feierlichen Beisetzung ihrer Bundesmutter am
22. August von der Burg Mürlenbach in der
Eifel teil, darunter fast alle Landesverbands-
vorsitzenden — ein schönes Zeichen für den
kameradschaftlichen Zusammenhalt des Bun-
des und für die Dankbarkeit, die der Ver-
storbenen entgegengebracht wird. Unge-
wöhnlich zahlreich war auch die Teilnahme
seitens der Mürlenbacher Bevölkerung. Die
Trauerfeier auf Burg Mürlenbach, umrahmt
von Blas- und Orgelmusik, schloß mit dem
gemeinsames Lied „Wenn ich einmal soll
scheiden". Dann setzte sich ein Leichenzug
durch das Dorf zum Friedhof auf der gegen-
überliegenden Anhöhe in Bewegung, wie
ihn Mürlenbach noch selten gesehen hat.
Schulkinder mit prächtigen Blumensträußen
in den Händen umstanden das Grab. In sei-
ner Trauerrede rühmte der Pfarrer den vor-
bildlichen Opfersinn der Verstorbenen. Für
die Kriegsblinden sei ihr keine Mühe und
Arbeit zu schwer gewesen. Während der
Sarg ins Grab gelassen wurde, spielten die
Bläser das Lied vom guten Kameraden, ge-
wiß eine seltene Ehrung für eine Frau, und
drunten aus dem Tal iäuteten die Trauer-
glocken.
Frau Regierungsrätin Schulte (Trier) sprach
im Auftrage der Landesregierung von Rhein-
land-Pfalz und auch namens des zur Beerdi-
gung erschienenen Landrats Rudel einen letz-
ten Gruß. Sodann widmete der Vorsitzende
6,?s Landesverbandes Westfalen unserer
Schicksalsgemeinschaft, Kam. Heinrich Schütz
aus Dortmund, der „Schwester Erna", wie
die Verstorbene von den Kriegsblinden des
ersten Weltkrieges allgemein genannt wurde,
einen herzlichen Nachruf. Er gedachte ihres
segensreichen Wirkens in den Jahren 1916
bis 1920 und besonders seit der Zeit von
1925 an, in der sie als Gattin unseres Bundes-
vorsitzenden neben ihren Hausfrauenpflich-
ten auch noch die Aufgaben einer Bundes-
mutter übernommen hatte.
„Herr, gib ihr die ewige Ruhe", mit diesem
Lied, das der Mürlenbacher Kirchenchor zum
Schluß der Feier sang, wandten sich noch
einmal die Herzen all der vielen Trauernden
dieser unvergeßlichen Frau zu, die zu den
Unseren rechnen zu dürfen uns immer mit
Stolz erfüllt hat.
Ein Leben des Dienens
Frau Erna Plein, geb. von Rosen, stammt
aus einer für uns Lebende fast ins Märchen-
hafte versunkenen Zeit. Geboren wurde sie
am 17. Februar 1880, also in der Glanzzeit
des preußisch-deutschen Kaisertums, in Pots-x
dam als zweite Tochter des damaligen Ritt-
meisters bei den 3. Garde-Ulanen, Otto von
Rosen, Herr der Rittergüter Neudorf am
Gröditzberg und Ulbersdorf, Kreis Goldberg
(Schlesien). Ihre Kinder- und Jugendjahre
verlebte sie infolge der glänzenden militä-
rischen Laufbahn ihres Vaters bis zum
Generalleutnant der Kavallerie in den
Garnisonsstädten Potsdam, Berlin, Königs-
berg, Insterburg und Posen. Ihr Großvater
mütterlicherseits lebte als General der In-
fanterie in Potsdam. Sie war eng befreundet
mit den Simsonschen Kindern in Georgen-
burg, und ihrer Eltern ist auch in dem be-
kannten Buch „Die Barrings" Erwähnung ge-
schehen. Die Ferien verlebte sie mit ihren
Geschwistern auf den schönen schlesischen
Gütern. Vorfahren väterlicherseits waren so-
wohl die Freiheitskämpfer aus der Schill-
sehen Familie wie auch aus der Familie der
Grafen Nostiz, dem Adjutanten von Blücher
und späteren Generaladjutanten von Fried-
rich Wilhelm III. Trotz dieses Wohlstandes
wurde sie schlicht und einfach erzogen im
alten Potsdamer Geist der Pflichterfüllung,
der Sparsamkeit und des Dienstes am Volk
und Vaterland. Aus diesem Geiste heraus
wurde sie auch als Röte-Kreuz-
Schwester ausgebildet und widmete sich
sofort nach Beginn des 1. Weltkrieges der
Pflege von Verwundeten im Cecilienkran-
kenhaus in Berlin.
Auf Grund ihrer besonderen Eignung
wurde sie zur Leiterin des im Jahre 1915
von Frau von Ihne in Berlin, Bellevuestiaße,
gegründeten Kriegsblindenaüsbil-
dungsheimes bestellt. Als Oberin die-
ses Heimes erwarb sie sieb besonders infolge
ihrer restlosen Hingabe, ihrer Liebe und
Güte und ihrer unbestechlichen Gerechtigkeit
die Liebe aller ihrer kriegsblinden Schütz-
linge. Schwester Erna war für alle Kriegs-
blinden der Begriff des einfachen, schlichten
Menschen, der ohne Unterschied sich allen
mit derselben Liebe widmete und überall
den Ausgleich gab, wo Spannungen auftraten.
Für ihre Mitschwestern war sie das Vorbild
der Hingabe und des besten Einfühlungs-
vermögens in die besondere Lage der Kriegs-
blinden. Bis zur Auflösung 1920 leitete sie
dieses Kriegsblindenheim. Sie widmete sich
dann der Pflege ihres alten, kranken Vaters,
nD'ie öcliuldige \J\ciiiung
Mit Behörden umzugehen ist keine so ein-
fache Sache. Da schickte der Sachbearbeiter
der „Deutschen Blindenarbeit e. V.", Landes-
verband Württemberg-Baden, an alle Land-
ratsämter seines Gebietes ein Rundschreiben,
in dem höflich darum gebeten wurde, die
Landratsämter möchten doch grundsätzlich
niemand mehr Wandergewerbepapiere für
Blindenwären geben, es sei denn, der An-
tragsteller lege den Ausweis der „Deutschen
Blindenarbeit" vor. Ein vernünftiger Vor-
schlag, der allen Schwindlern höchst -pein-
lich ist!
Als von 51 Landratsämtern 49 positiv ge-
antwortet hatten, fand man vom Landrats-
amt in Tettnang eine Ablehnung vor: eine
solche Maßnahme sei „nach hiesiger Auf-
fassung gesetzlich unzulässig". Der Sach-
bearbeiter der Blindenarbeit legt sich noch-
mals ins Zeug, begründet und beweist die
Richtigkeit des Wunsches. — ohne Erfolg!
„Aus Rechtsgründen", so heißt es wiederum.
Nun platzt — so berichtet die „Stuttgarter
Zeitung" — dem Sachbearbeiter der be-
rühmte Kragen. Es sei, so schreibt er zurück,
seines Erachtens ein Zeichen von Büro-
kratismus, wenn staatliche Stellen dem
Schwindel Vorschub leisten. Auch im Kreise
Tettnang seien genügend Schwindler unter-
wegs.
Nun hätte man im Landratsamt sich , ja
'sagen können: reden wir mit dem Mann mal
in Ruhe, denn sein Anliegen ist wichtig.
Aber statt dessen hält man sich an einen
Paragraphen aus dem Jahre 1879 und gibt
dem eifrigen Sachbearbeiter eins aufs Dach:
„. . . dadurch hat er die einer Behörde
schuldige Achtung verletzt. Es ergeht daher
Beschluß: Gegen den Beschuldigten wird
wegen Ungebühr auf Grund des Art. 3 des
Gesetzes vom 12. August 1879, betreffend
Änderungen des Landespolizeistrafgesetzesv
eine Geldstrafe von 20 DM festgesetzt, an
deren Stelle für den Fall, daß die Geld-
strafe nicht beigetrieben werden kann, der
Beschuldigte mit der Festsetzung einer Haft-
strafe zu rechnen hat."
Ob die Blindenwarenschwindler des Krei-
ses Tettnang ihrem Landratsamt inzwischen
ein Ständchen gebracht haben?
von dem sie auch im Dezember 1920 das
Rittergut Neudorf am Gröditzberg erbte. Mit
der gleichen Verantwortung und mit Plicht-
bewußtsein widmete sie sich der Bewirt-
schaftung dieses Gutes, das durch Krieg und
Verpachtung und die schwierigen Nachkriegs-
verhältnisse außerordentlich heruntergewirt-
schaftet war.
Trotzdem fand sie noch Zeit, einem Rufe
nach Oberschlesien zu folgen, um dort die
Pflege für die verwundeten Oberschlesien-
kämpfer einzurichten.
Mit ihren kriegsblinden Freunden hatte sie
nie die Verbindung aufgegeben und viele
von ihnen, darunter auch ihr späterer Ehe-
mann, Amtsgerichtsrat Dr. Plein, waren
Gäste im landschaftlich schön gelegenen Neu-
dorf. Im Jahre 1925 heiratete sie, und von
diesem Zeitpunkte an war sie ihrem kriegs-
blinden Ehemann nicht nur die beste Lebens-
kameradin, sondern auch, die unermüdlich
tätige Mitarbeiterin sowohl in seiner Berufs-
arbeit als Kursusleiter von Referendarkursen
wie auch in seiner Tätigkeit für die blinden
Akademiker und als Leiter des Bundes er-
blindeter Krieger Deutschlands. Freud und
Leid sowohl persönlicher wie beruflicher Art
und auch in der Kriegsblindenarbeit teilte sie
mit ihrem Gatten und gab ihm überhaupt
Ein riesiger Trauerzug bewegte sich durch das
lieblich gelegene Mürlenbach.
erst die Kräfte und den Ausgleich für seine
Tätigkeit. Als dieser im Jahre 1936 gezwun-
gen wurde, den Vorsitz des Kriegsblinden-
bundes aufzugeben, half sie ihm auch hier
über die schweren 'seelischen Enttäuschungen
hinweg.
Aber die wahre seelische Größe zeigte sich
erst, als sie im Jahre 1945, nach dem
Einmarsch der Russen in Schlesien, frei-
willig und in sicherer Erwartung der Auf-
opferung des eigenen Lebens, mit ihrem
Ehemann den Weg indie. Verschlep-
pung nach Sibirien antrat. Ihrer aufopfe-
rungsvollen Liebe gelang es allein, unseren
Kameraden Dr. Plein, den die Russen trotz
seiner Blindheit (weil er nun einmal zuletzt
noch Leiter des Amtsgerichtes in Goldberg
und Großgrundbesitzer gewesen war) mit so
vielen Tausenden Deutscher in den sicheren
Tod nach dem Osten verschleppten, zu retten
und lebend zurückzubringen. Von all denen,
die mit verschleppt wurden, ist kaum einer
lebend zurückgekommen. Mit ihm teilte Sie
Hunger und Zwangsarbeit in der russischen
Kolchose. Sie mußte noch erleben, wie ihre
Mutter, kurz vor ihrem 118. Geburtstage,
von plündernden Russen lebendig verbrannt
wurde, wie ihr Besitz mit all den Familien-
traditionen von Jahrhunderten zerstört und
die gesamten Einrichtungs- und Erinnerungs-
stücke verbrannt wurden, darunter wertvolle
Andenken an Ferdinand von Schill, eine
Bücherei und ein Archiv mit wertvollen
Urkunden und fast 20 000 Büchern aus dem
18. Jahrhundert. Aber auch dadurch ließ sie
sich nicht niederbeugen, sondern gab sogar
ihrem oft am Leben verzweifelnden Ehe-
mann neuen. Lebensmut und baute mit ihm
auf einer alten Burgruine in der Eifel ein
neues Leben auf, das wiederum der ehren-
amtlichen Kriegsblindenarbeit gewidmet war,
obgleich sie selbst "unter größter materieller
Not litten. Dr. Plein erhielt ja bis 1947 nicht
einmal die kleinste Kriegsblindenrente und
keinerlei Ruhegehalt oder sonstige Vergü-
tung für seine Beamtentätigkeit.
Für sich selbst verbrauchte sie fast kaum ■
etwas, aber für wohltätige Zwecke hatte sie
immer eine offene Hand. Mit ihrer uner-
schütterlichen Gesundheit und ihrer ans
Wunderbare grenzenden Lei-
stungsfähigkeit ermöglichte sie es
überhaupt, daß ihr Ehemann besonders in
den ersten Jahren, als kaum noch irgend-
welche Mittel für die Bundesarbeit der
Kriegsblinden zur Verfügung standen, diese
Arbeit durchführen konnte. Trotz ihres
Alters ertrug sie alle Strapazen und Entbeh-
rungen, wie sie mit den Reisen in der Nach-
kriegszeit verbunden waren. Ganze Nächte
saß sie in den überfüllten Gängen der Züge
auf einem kleinen Köfferchen, um mit ihrem
Mann zu den Kriegsblindentagungen und
-beratungen zu fahren. Manche durchwachte
Nacht auf zertrümmerten Bahnhöfen, kalten
Notunterkünften, hungernd und frierend,
verbrachte sie, um den Dienst an den Kriegs-
blinden durchzuführen.
Um so unerwarteter und unfaßbarer war
es nun für ihren Ehemann und für alle, daß
diese so gesunde Frau, der ein hohes Alter
sicher in Aussicht ~zu stehen schien, durch
eine tückische Drüsenerkrankung am Halse
aus der geliebten Kriegsblindenarbeit inner-
halb weniger Wochen dahingerafft wurde.
Von einer Kriegsblindentagungsfahrt durch
ganz Deutschland, bei der sie, allein am
Steuer sitzend, innerhalb von 8 Tagen
20 0 0 km zurückgelegt hatte, begab sie sich
zur Untersuchung einer kleinen Drüsen-
schwellung am Halse in die Universitäts-
klinik nach Heidelberg, wo ihr aber trotz der
sofort einsetzenden besten Behandlung keine
Hilfe mehr gebracht werden konnte. Ein
Trost ist es nur, daß sie ohne Schmerzen
. friedlich zur ewigen Ruhehinüberschlummerte.
Wer die Ergriffenheit, ja, die tiefgreifende
Erschütterung miterlebt hat, mit der die
Kriegsblinden nun ihre Bundesmutter zu
Grabe getragen haben, der konnte ahnen,
wie groß der Verlust für uns ist.
„ Welt- Kriegsteilnehmertag1'
Das Exekutivkomitee der Internationalen
Föderation der Kriegsteilnehmerorganisatio-
nen (IFWVO) hat den 27. 11. als den Welt-
kriegsteilnehmertag bestimmt, der jährlich in
allen Ländern gefeiert werden soll und auf
dem die Kriegsteilnehmer ihrem Wunsch
nach Frieden Ausdruck verleihen sollen.
Diese Bestimmung wurde von dem aus
7 Personen bestehenden Exekutivkomitee an-
läßlich ihres Treffens in Paris getroffen und
basiert auf einer Resolution, die von dem
amerikanischen Kriegsblindenbund der Kon-
ferenz zur Beratung vorgelegt wurde. Das
Exekutivkomitee der IFWVO besteht aus
Delegierten aus Belgien, Frankreich, Grie-
chenland, Italien, der Türkei, den USA und
Jugoslawien.
Im Sinne des Hauptzieles der IFWVO —
nämlich der Erhaltung des Weltfriedens durch
die Unterstützung der UNO und die Verbes-
serung der Lebensbedingungen der Kriegs-
teiteehmer und Kriegsopfer — wurden ver-
schiedene bedeutsame Resolutionen bei dem
Treffen angenommen. So schlug u. a. der
amerikanische Delegierte bei der Konferenz
die Schaffung eines internationalen Tribunals
für Kriegsverbrechen innerhalb des Rahmens
der UNO vor. Der Vorschlag wurde von
dem Komitee angenommen. Auch eine jugo-
slawische Resolution, die rasche Maßnah-
men in der Belieferung von Prothesen an
solche Länder fordert, die nicht in-der Lage
sind, die Bedürfnisse ihrer Kriegsteilnehmer
selbst zu befriedigen, wurde einstimmig
angenommen.
In einer Presseerklärung, die nach dem
Treffen abgegeben wurde, diskutierte der
Generalsekretär Newcomb das Anwachsen
der IFWVO seit ihrer Gründung im Novem-
ber letzten Jahres. Er betonte, daß die Föde-
ration jetzt Organisationen umfasse, die eine
Gesamtzahl von fast 11 Millionen
Kriegsteilnehmern darstellten, und
er betonte, daß diese Zahl ständig anwachse.
Holländische Organisationen haben
sich kürzlich angeschlossen; und in den Län-
dern, die bereits in der Föderation vertreten
sind, haben sich noch viele bedeutsame
Organisationen, die ursprünglich keine Mit-
glieder waren, angeschlossen. Dies gilt be-
sonders für Italien. Darüber hinaus fin-
den jetzt Diskussionen mit kanadischen, dä-
nischen, luxemburgischen, norwegischen und
portugiesischen Gruppen statt. Spanische
und deutsche Kriegsversehrtenverbände so-
wie tschechische Exilgruppen haben ebenfalls
beantragt, der Föderation beitreten zu
können.
Entziehung der Angestellten- oder Invalidenrente?
Ist der erwerbstätige Kriegsblinde erwerbsunfähig im Sinne der RVO?
In neuerer Zeit mehren sich die Fälle, in
denen einzelne Landesversicherungsanstalten
und auch die Versicherungsanstalt Berlin
dazu übergehen, erwerbstätigen Kriegsblin-
den die Invalidenrenten zu entziehen oder
die Gewährung der I-Rente oder der Ange-
stellten-Versicherungsrente abzulehnen. In
der Begründung zu solchen Bescheiden wird
regelmäßig auf die Bestimmung des § 1254
der Reichsversicherungsordnung (RVO) hin-
gewiesen, nach der nur derjenige als Invalide
gilt, „der infolge von Krankheit oder ande-
ren Gebrechen oder Schwäche seiner körper-
lichen oder geistigen Kräite nicht imstande
ist, durch eine Tätigkeit, die seinen Kräiten
und Fähigkeiten entspricht und ihm unter
billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung
und seines bisherigen Berufs zugemutet
v/erden kann, die Hälfte dessen zu erwer-
ben, was körperlich und geistig gesunde
Personen derselben Art mit ähnlicher Aus-
bildung in derselben Gegend durch Arbeit
zu verdienen pflegen."
Diese Praxis ist nicht neu, es ist alles
schon einmal dagewesen. Bereits nach dem
1. Weltkrieg, und zwar in den Jahren von
1921 ab, gingen die Landesversicherungsan-
stalten dazu über, gewährte Invalidenrenten
wieder zu entziehen, wenn der Blinde
erwerbstätig war und ein bestimmtes Ein-
kommen erzielte. Wir haben uns auch schon
damals sehr entschieden gegen diese Praxis
wehren müssen und zahlreiche Berufungs-
fälle wurden durch die Instanzen bis zum
Reichsversicherungsamt durchgeführt. Damals
wurde in den Entziehungsbescheiden viel-
fach als Begründung angeführt, „daß eine
Gewöhnung an den Zustand eingetreten sei,
weil er seit längerer Zeit Lohnarbeiten ver-
richtet, durch die er ebensoviel verdient wie
andere gleichartige Arbeiter". Diese Praxis
der Rentenentziehung war auch damals schon
bekannt, im Volksmund war sie allgemein
als „Rentenquetsche" bezeichnet und berüch-
tigt. Zwar hoben die Oberversicherungsämter
und auch das Reichsversicherungsamt in zahl-
reichen Fällen die ergangenen Entziehungs-
bescheide wieder auf und sprachen unseren
erwerbstätigen Kameraden die Invaliden-
rente wieder zu, aber in einzelnen Fällen
hat das Reichsversicherungsamt eine gegen-
teilige Haltung eingenommen, so daß also eine
einheitliche Rechtsprechung nicht besteht.
Übereinstimmung in dieser Frage besteht
offenbar zwischen der früheren und der jetzi-
gen Auffassung bei den Landesversicherungs-
anstalten dahin, daß sie die Frage, ob der
erwerbstätige Blinde noch als erwerbsunfähig
gelten kann, nur von fiskalisch-materiellen
Gesichtspunkten aus betrachtet.
Daß es eine „Gewöhnung" an den Zu-
stand der Blindheit überhaupt nicht geben
kann, dürfte einem sehr großen Kreis unserer
sehenden Mitmenschen während des 2. Welt-
krieges verständlich geworden sein, wenn
sie während eines Fliegerangriffs bei völliger
Verdunkelung in den Straßen der Großstadt
zum Luftschutzkeller wanderten und es dank-
bar begrüßten, wenn in mondhellen Nächten
das silberne Mondlicht ihren Weg schwach
erhellte. Eine Vergleichsmöglichkeit zwischen
dem Verlust des wichtigsten Sinnes, des
Gesichtssinnes und dem Verlust eines größe-
ren Gliedes (z. B. Arm oder Bein) ist nicht
möglich. Im letzteren Falle ist nach dem
heutigen Stand der Technik ein weitreichen-
der Ersatz eines fehlenden Gliedes möglich.
Auch das Auge als solches kann ersetzt
werden, aber hier bedeutet das künstliche
Auge niemals mehr als bestenfalls ein Schön-
heitsmittel oder einen Schutz der Augen-
höhle. Das künstliche Auge vermittelt keinen
Lichtstrahl und gibt dem Blinden keine Mög-
lichkeit, sich frei zu bewegen. Auch bei der
Ausübung eines neu erlernten Berufes ist
der Blinde mehr oder weniger auf sehende
Hilfe angewiesen, und selbst die Erreichung
seiner Arbeitsstätte bedeutet für ihn vor
allem im Getriebe der Großstadt eine beson-
dere nervliche Belastung. Die Gewöhnung
an den Zustand scheidet bei einem Blinden
also von vornherein aus. Es bleibt
die Frage übrig, ob der erwerbstätige Blinde
nach den Bestimmungen der RVO weiterhin
als „erwerbsunfähig" gelten muß und da-
mit einen Anspruch auf Weiterzahlung oder
Neugewährung einer Invalidenrente hat.
Die Tatsache allein, daß der Kriegsblinde
nach einer erneuten Umschulung, die noch
dazu unter ganz besonderen Voraussetzun-
gen und Verhältnissen in besonderen Lehr-
gängen und besonderen Schulen, also nicht
mit Sehenden zusammen, durchgeführt wird,
wieder einen Beruf ausübt und damit
einen Verdienst erzielen kann, wie auch der
Sehende im gleichen Beruf, kann unter gar
keinen Umständen als ausreichende Begrün-
dung für die Entziehung einer infolge der
Erblindung gewährten Invalidenrente ange-
sehen werden. Die Praxis hat gezeigt, daß
auch die Unterbringung eines umgeschulten
Blinden auf einen für ihn geeigneten Arbeits-
platz nur mit Hilfe eines besonderen Ge-
setzes (Schwerbeschädigtengesetz) möglich
ist, in vielen Fällen aber sind auch diese
gesetzlichen Vorschriften nicht einmal aus-
reichend, sondern es muß von den Berufs-
fürsorgestellen für Blinde oft genug noch
ein besonderer Druck ausgeübt werden.
Daraus allein ergibt sich schon, daß die
wiedererlangte Erwerbstätigkeit bei Blinden
nur sehr bedingt zutrifft. Es kann gar
keine Rede davon sein, daß der Blinde etwa
auf dem allgemeinen Arbeits-
markt wettbewerbsfähig ist, und nur
daraufkommtes an. Wenn der Blinde
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermit-
telt werden sollte oder sich selbst um eine
Stellung bemüht, so wird sich sofort zeigen,
daß nur die Blindheit der Hinderungsgrund
dafür ist, daß er überhaupt einen Arbeits-
platz erhalten kann. Die Oberversicherungs-
ämter und auch das Reichsversicherungsamt
haben in wiederholten Entscheidungen die-
sen unseren Standpunkt durchaus bestätigt.
Sie haben auch anerkannt, daß nicht nur die
Tatsache der Wettbewerbsunfähig-
Aul einer der Bertiadaburg gegenüber hegenden Höhe tand die feierliche Beisetzung von Frau Erna
Plein statt. Ein Leben stets gebender Liebe fand seinen Abschluß in einer Kundgebung von
Dankbarkeit und Kameradschaft.
k e i t auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für
die Beurteilung der Frage, ob der erwerbs-
tätige Blinde noch als erwerbsunfähig anzu-
sehen ist, ausschlaggebend sein muß, sondern
daß darüber hinaus nicht außer acht gelassen
werden darf, daß der Blinde schon bei der
Erreichung seiner Arbeitsstätte einer frem-
den Führung bedarf und daß er bei der Aus-
übung seines Berufes in mehr oder minder
hohem Maße auf die Mitwirkung
sehender Berufskollegen angewie-
sen ist. Dies gilt auch für alle Berufszweige
und auch dies schließt die Wettbewerbsfähig-
keit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus.
Es soll noch weiter darauf hingewiesen
werden, daß in den Entziehungsbescheiden
sehr häufig die §§ 1294 und 1296 RVO zur
Begründung der Entziehung herangezogen
werden. Diese §§ sprechen von einer wesent-
lichen Änderung in den Verhältnissen,
die zur Gewährung der Invalidenrente führ-
ten. Eine solche Begründung ist nicht halt-
bar, denn in dem Zustand der Blindheit kann
niemals eine wesentliche Änderung eintreten.
Diese unsere Auffassung stützt sich nicht
nur auf unsere Erfahrungen, sie findet auch
eine Stütze in der höchstrichterlichen Ent-
scheidung des 1. Revisionssenats vom
19. Februar 1932 — IIa 5576/31. 7. —/Es
handelt sich hierbei um die Aufhebung einer
Entscheidung eines Oberversicherungsamtes,
welches den Entziehungsbescheid eines Lan-
desversicherungsamtes bestätigte. In den
Entscheidungsgründen heißt es wörtlich: Der
Revison mußte der Erfolg versagt werden,
weil keiner der gesetzlich zugelassenen Re-
visionsgründe vorliegt (§ 1697 der Reichs-
versicherungsordnung). Die Feststellung des
Oberversicherungsamtes, daß eine wesent- .
liehe Änderung in den Verhältnissen des
Klägers im Sinne des § 1304 der RVO nicht
eingetreten sei, ist nicht zu beanstanden.
Wie das Reichsversicherungsamt in ständiger
Rechtsprechung angenommen hat, genügt
zur Begründung einer solchen
Änderung .nicht die bloße Tat-
sache einer Arbeitsleistung oder
der Erzielung eines gewissen
Verdienstes. Es mußte vielmehr
stets ausdrücklich eine wesent-
liche Änderung im geistigen
oder körperlichen Zustand des
Rentenempfängers festgestellt
sein, die die bisherige Invalidität des
Klägers beseitigt hat. Eine wesentliche Än-
derung kann zwar bei schweren Kriegsver-
letzungen der Art, wie sie der Kläger erlitten
hat, auch in einer Anpassung oder Um-
lernung (sogenannter Gewöhnung) gesehen
werden. Das bedarf aber immer eines über-
zeugenden und die Verhältnisse des Einzel-
falles eingehend berücksichtigenden Nach-
weises. Denn, selbst wenn bei so
schweren Verletzungen der höchste
Grad der Anpassung erreicht
ist, kann der Verletzte doch
dauernd in seiner Erwerbsfähig-
keit erheblich beschränkt und
von der Grenze der Invalidität
nicht weit entfernt bleiben (zu vergl. E. 3647
II, II AN 1921 S. 334 = E. u. M. Bd. 13,
S. 264 Nr. 123) . . .
In einer anderen Entscheidung des Reichs-
versicherungsamtes vom 22. 10. 1932 — IIa
6746/31/9 — , in der der Entziehungsbescheid
des Landesversicherungsamtes aufgehoben
wurde, heißt es in den Entscheidungsgründen
unter anderem: „. . . . Diese Voraus-
setzung hat das Oberversiche-
rungsamt im votliegenden Falle
als erfüllt angesehen, jedoch
mit Unrecht, wobei es insbesondere den
in der Entscheidung 2647 II (AN 1921 S. 334
— E. u. M. Bd. 13 S. 264 Nr. 123) für die
Fälle schwerer Kriegsverletzungen nieder-
gelegten Grundsatz nicht genügend beach-
tet hat."
Mit aller Entschiedenheit wenden wir uns
aber auch dagegen, daß man dieses Problem
nur von der rein materiellen Seite
aus betrachtet und dabei ganz außer acht
läßt, daß für den Blinden selbst die Frage
der Erwerbstätigkeit keineswegs nur eine
materielle Frage, sondern in weit höherem
Maße eine seelische Notwendigkeit ist. Die
angestrengten Bemühungen unserer Organi-
sation und auch der amtlichen Fürsorge hin-
sichtlich der Überführung der Kriegsblinden
in das Erwerbsleben haben in erster Linie
den Zweck, diese vom Schicksal so hart Be-
troffenen gerade durch die Arbeit von ihrem
harten Geschick abzulenken, damit sie nicht
der Grübelei verfallen und daß vor allem
Minderwertigkeitsgefühle von ihnen genom-
men werden. Sie werden durch die Aus-
übung einer Beschäftigung wieder zu frohen
und zufriedenen Menschen und sie haben
das Gefühl, daß auch sie wieder als nütz-
Soviel lürsorgliche Hüte wie in Amerika stand den deutschen Kriegsblinden beim Zurechtfinden in
ihrem neuen Dasein nicht zur Verfügung. Der amerikanische Film „Sieg über das Dunkel" spielt
überwiegend in einem Kriegsblinden-Umschulungsheim. Unser Bild zeigt, wie das Tastgeiühl des
Kriegsblinden entwickelt wird. Nach Stoppuhr setzt er verschieden geformte, Hache Bausteine in die
jeweils passende ötinung einer Tatet, ein Zusammensetzspiel, das anfangs nicht einlach ist.
liehe Glieder der menschlichen Gesellschaft
gelten. Die Arbeitsfreude und den Arbeits-
willen dieser Menschen zu fördern, sollte
nicht zuletzt vornehmste Aufgabe einer sozia-
len Gesetzgebung sein und als soziales
Gesetz wird doch die Reichsversicherungs-
ordnung immer wieder hingestellt. Wie will
man es dann aber mit dem sozialen Ge-
danken der RVO vereinbaren, wenn man
durch Entziehung oder Nichtgewährung der
I-Rente einem arbeitswilligen und arbeits-
freudigen Kriegsblinden diese Arbeitsfreude
einfach nimmt und seinen Arbeitswillen
lähmt?
Man komme uns nicht mit dem Einwand,
daß bei einer sozialeren Auslegung des
§ 1254 RVO andere Personenkreise die
gleiche Forderung erheben könnten. Wir
haben hier bereits Vergleichsmöglichkeiten
nach dieser Richtung hin und ich verweise
auf die Erfahrungen in der Versorgungs-
gesetzgebung für . Kriegsbeschädigte. Das
Reichsversorgungsgesetz (RVG) enthielt in
§ 27 die Bestimmung „Blinde erhalten
die Vollrente" und diese Vollrente
wurde ihnen gewährt ohne Rücksicht auf
sonstiges Einkommen. Dies war nicht immer
so, denn beim Inkrafttreten des RVG im Mai
1920 fanden zunächst die Ruhensvorschriften
des. § 63 RVG auch auf berufstätige Kriegs-
blinde Anwendung, wenn sie ein bestimmtes
Einkommen überschritten. Aber der Gesetz-
geber hat damals sehr schnell erkannt, daß
sich diese Ruhensvorschriften auf die Ar-
beitsfreude und den Arbeitswillen der Kriegs-
blinden lähmend auswirkten, und bereits bei
der ersten Novellierung zum RVG im Jahre
1923 wurden diese Ruhensvorschriften nicht
nur für die Kriegsblinden, sondern allgemein
für die Empfänger einer Pflegezulage außer
Kraft gesetzt.
Auch im Bundesversorgungsgesetz (BVG)
ist in § 31 die Bestimmung enthalten, daß
Blinde stets die Vollrente beziehen müssen,
und auch in diesem Gesetz finden die Ruhens-
vorschriften für die Empfänger einer Pflege-
zulage von 100 DM und darüber keine
Anwendung. Dies alles geschah nicht etwa
um unserer schönen Kunstaugen willen oder
aus dem Grunde, weil man in der Renten-
versorgung einen Renommierrentenempfän-
ger schaffen wollte, mit dem man nach außen
hin prahlen konnte, sondern es geschah in
der richtigen Erkenntnis, daß es sich hier
um einen Personenkreis handelt, der infolge
der Art und Schwere seiner Beschädigung
sich nicht in den allgemeinen Rahmen des
Gesetzes einzwängen ließ, sondern für den
gerechterweise Sondervorschriften im Gesetz
selbst oder in den Ausführungsvorschriften
dazu aufgenommen werden mußten. Nur so
konnte den besonderen Verhältnissen Rech-
nung getragen werden, und niemand aus den
Kreisen der Beschädigten sonst hat sich auf
diese Sonderregelung berufen. Ist es eigent-.
lieh für den Träger der Sozialversicherung
so schwer, ähnliche Vorschriften auch in der
Reichsversicherungsordnung zur Geltung zu
bringen und damit wohltuend abzuweichen
von der Auffassung der Landesversicherungs-
ärnter, wie sie in den Entziehungsbescheiden
zum Ausdruck kommt?
Daß die Gewährung der Invalidenrente an
erwerbstätige Kriegsblinde durchaus im Rah-
men auch der gesetzlichen Vorschriften der
RVO möglich ist, wird bewiesen durch die
Tatsache, daß zahlreiche Kriegsblinde nach
dem 1. Weltkrieg die Invalidenrente neben
einem Erwerbseinkommen bis zum Zusam-
menbruch im Jahre 1945 bezogen haben und
daß sich auch die Spruchinstanzen bis hinauf
zum Reichsversicherungsamt in wiederholten
Entscheidungen unserer Auffassung ange-
schlossen haben, nach der ein Kriegsblinder
keineswegs infolge der Ausübung einer Be-
rufstätigkeit wieder erwerbsfähig wird.
Ich frage weiter: Ist es eigentlich für den
Träger der Sozialversicherung so ehrenvoll
4
„£teq übet ?as T)unkel"
Ein amerikanischer Kriegsblinderifilm vor der deutschen Uraufführung
Fotos (3): Universal-International.
Zum erstenmal hat sich der junge Kriegsblinde
von seinem Krankenlager erhoben. Er ist allein
im Saal, noch ungeübt im Orientieren. Ein Leben
ohne Licht scheint ihm unerträglich. Er will den
Tod suchen.
und so lohnend, in einigen hundert Fällen
den Schwerbetroffenen die Invalidenrente
zu entziehen, wenn diese Menschen unter
Aufbietung äußerster Energie und Tatkraft
bestrebt sind, wieder zu nützlichen Gliedern
der menschlichen Gesellschaft zu werden?
Wird hier nicht viel mehr Schaden ange- .
richtet und nur der Nachweis geführt, daß
auch ein soziales Gesetz durchaus unsozial
ausgelegt werden kann? Wir hoffen, daß
dieser Hinweis schon genügen wird, um ent-
weder eine Änderung der gesetzlichen Vor-
schriften in unserem Sinne herbeizuführen,
wenn sich dies als notwendig erweisen
sollte, oder zumindest die bestehenden ge-
setzlichen Vorschriften so auszulegen, daß
sie auch den besonders gearteten Verhält-
nissen, wie sie nun einmal durch die Blind-
heit bedingt sind, Rechnung tragen.
In diesem Zusammenhang verweise ich
noch auf einen Erlaß des Reichsarbeits-
ministers vom 15. 2. 1934 — Aktenzeichen
IIa Nr. 1168/34 — betreffend Entziehung
von Renten der Invaliden-, der Angestellten-
und der knappschaftlichen Versicherung nach
dem Gesetz vom 7. Dezember 1933. In diesem
Erlaß wird zwar eine strenge Nachprüfung
der Renten aus der Invaliden- und anderen
Versicherungen angeordnet, aber es werden
auch hier Blinde ausdrücklich ausgenom-
men. Sie gelten auch nach diesem Erlaß als
dauernd erwerbsunfähig.
Eine andere Frage sei hier noch kurz an-
geschnitten: Hinsichtlich der Anrechnung der
Wartezeiten ergibt sich jetzt eine unter-
schiedliche Behandlung zwischen den Kriegs-
blinden des 1. und 2. Weltkrieges '.insofern,
als bei der Berechnung der Wartezeit bei
den Kriegsblinden des 1. Weltkrieges eine
Invalidenrente gar nicht gewährt werden
konnte, wenn diese Wartezeit nicht erfüllt
war. Es besteht zwar jetzt nach der Ände-
rung des § 1263a RVO die Möglichkeit, auch
diese Kameraden in den Genuß der Inva-
lidenrente zu bringen, merkwürdigerweise
aber findet der abgeänderte § 1263a RVO
. nur Anwendung auf Personen, die nach dem
1. 9. 1939 infolge Kriegseinwirkung invalide
geworden sind. Hier muß unbedingt auf eine
Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf
die Kriegsblinden des 1. Weltkrieges hinge-
wirkt werden. Axel Bischoff '■'
- Es dürfte bisher wohl ein einzigartiger
Fall sein, daß das Drehbuch zu einem Film
auch in Blindenschrift hergestellt wurde. Das
war bei dem Film „Sieg' über das Dunkel"
(amerikanischer Titel: „Bright Victory") nö-
tig, weil amerikanische Kriegsblinde bei die-
sem Film . beratend und mitwirkend tätig
waren. Es handelt sich um einen auch nach
den ersten deutschen Presseurteilen ganz
hervorragenden, künstlerisch einzigartigen
Spielfilm im „Universal" -Filmverleih, „wohl
der bedeutendste unter den amerikanischen
Filmen, die auf den Berliner Filmfestspielen
gezeigt wurden", wie einer der angesehend-
sten Filmkritiker, Friedrich Luft, feststellte.
Der Film stellt dar, wie ein junger amerika-
nischer Kriegsblinder in seiner Lazarett- und
Umschulungszeit durch bittere Konflikte und
Nöte hindurch wieder den Mut zum Leben
gewinnt und wie er sein Schicksal, das ihn
anfangs zu überwältigen droht, schließlich mit
einer mutigen Bejahung anpackt und zu
meistern sucht.
All das, was auch jeder deutsche Kriegs-
blinde erlebt und erfahren hat, kommt in
diesem Film zu ergreifendem Ausdruck, etwa
wenn der junge Kriegsblinde, der als Ser-
geant in Afrika durch eine schwere Verwun:
düng das Augenlicht verloren hat, in ein
Umschulungslazarett kommt und dort nicht
verstehen kann, wie die anderen Kriegsblin-
den um ihn her fröhlich sein und lachen
können. Es verläßt ihn der Lebenswille und
er versucht, diesem Dasein der Qual ein
Ende zu bereiten. Aber die Kameradschaft
der anderen hilft ihm über diese Verzweif-
lung hinweg und er lernt, Vertrauen in die-
ses gewandelte Leben zu gewinnen. Er lernt,
alle verbliebenen Sinne zu äußerster Fein-
heit zu steigern, er lernt all diese so einfach
scheinenden Dinge, bis hin zum sicheren
Gehen und Essen. Aber er erlernt auch die
Punktschrift und andere Fertigkeiten.
Schwer lastet auf ihm noch die Sorge, wie
er seinen Eltern und seiner Braut die Wahr-
heit über sein Schicksal mitteilen soll. Eine
bezeichnende Szene für den Geist dieses
Films ist es, als der Leutnant im Lazarett
den Kriegsblinden auffordert, seiner Mutter
jetzt, da er mit ihr telefoniert, mitzuteilen,
daß er blind ist. Er weigert sich. Da greift
der Leutnant zum Hörer: „Dann werde ich
es ihr sagen!" Da spricht
Larry, der Kriegsblinde,
selbst. Dann aber wirft
er dem Leutnant Gefühl-
losigkeit vor und wendet
sich schließlich mit einem
Schimpfwort ab. In der
Tür stehend sagt er: „Was
versteht ihr von uns?" Da
erhebt sich der Leutnant
hinter dem Schreibtisch:
„Was ich noch sagen
wollte, Sergeant! — ich
bin übrigens auch blind!"
Larry läßt die Türklinke
los, starrt in die Richtung
des Schreibtisches und
sagt nach langer Pause
mit leiser Stimme: „Ver-,
zeihung!"
Diese Szene zeugt von
der Schlichtheit und inne-
ren Echtheit des Films.
Auch Enttäuschungen ge-
hören dazu, etwa jene,
daß nämlich die Braut des
Kriegsblinden, dem Rat
ihres Vaters nachgebend,
die Verlobung auflöst.
Auch jene Enttäuschung,
daß er in der Heimat zwar
viel Liebe erfährt aber
auch jene unerträgliche Last, die sich Mitleid
nennt. Larry gewinnt schließlich die Liebe
eines anderen jungen Mädchens und ent-
schließt sich, zu heiraten und Jura zu
studieren.
Wenn auch dieser Film in manchen
äußeren Dingen nicht den deutschen Ver-
hältnissen, entspricht — in unseren Umschu-
lungslazaretten hatten wir > weit weniger
Möglichkeiten der Hilfe und der praktischen
Einführung in das neue Leben — , so zeugt
er doch mit großer Wahrhaftigkeit von den
menschlichen Nöten und Wandlungen jedes
Kriegsblindenschicksals.
Die Hauptrolle des Films spielt der junge
Schauspieler Arthur Kennedy, der in den
letzten Jahren vor allem auf der Bühne große
Erfolge hatte und der übrigens auch selber
Soldat war. Um sich in die Welt eines
Kriegsblinden ganz einfühlen zu können,
wurden ihm während der Aufnahmen
schwarze Gläser vor die Pupillen gesetzt.
Ein Kriegsblinder, Howard Burton, der in
einem Umschulungslazarett all das erlebt
und an Ausbildung erfahren hat, was der
Film zeigt, wurde nach Hollywood engagiert,
um als Berater für diesen Film zu wirken,
besonders als Beispiel für den Hauptdar-
steller Kennedy, dem er inzwischen zum
engsten Freund wurde.
Sehr interessant ist es, was wir vom
amerikanischen Kriegsblinden-
b u n d über dessen Einstellung zu dem Film
erfahren. Der Film läuft in den Vereinigten
Staten erst seit dem 1. August 1951, so daß
in einem Schreiben vom 22. August noch
nicht ausreichende Erfahrungen über die
Publikumswirkung vorliegen. Die Filmkri-
tiken seien jedenfalls überaus günstig ge-
wesen. Es heißt in dem Schreiben dann
weiter:
„Beamte des Kriegsversehrten-Hilfswerks
haben überall Vorschauen dieses Films ge-
sehen und haben ihn überaus gelobt. Am
17. August wurde der Film bei einer Tagung
des Komitees der Volksbeauftragten der
Körperbeschädigten einer großen Anzahl von
Kriegsversehrten vorgeführt. Am 10. August
wurde der Film einer Anzahl Kriegsblinder
vorgeführt, anläßlich des 6. Jahrestages des
Bestehens der Kriegsblindenvereinigung. Hier
Allmählich lernt der .Kriegsblinde, daß man auch ohne die Augen
eine Menge Dinge selbständig fertigbringen Tcann. Aber alles will
gelernt sein, auch das Essen mit Messer und Gabel.
"3^1l0P&g8S S0HNE
I KLEIDE RFABR
HERFORD
war die Wirkung eine besonders
starke."
übrigens ist der Regisseur des Films,
Mark Robson, erst 37 Jahre alt und einer
der ersten Regisseure, der sich gegen die
süßliche Traumfabrikation stellte und dem
Realismus zum' Durchbruch verhalf. Aller-
dings — in. einer Hinsicht scheint auch, er
sich der Hollywood-Tradition nicht ganz ent-
ziehen zu können: die weiblichen Mitwir-
kenden in seinem Film sind für unseren
Geschmack ein wenig zu verzuckert. Aber
nun — das ist Amerika! überhaupt gibt uns
ja dieser Film einen realistischen, höchst
interessanten Einblick in die Welt, in die
Lebensweise und die Möglichkeiten amerika-
nischer Menschen.
Der Film, der in sehr versöhnlicher Weise
auch die Rassengegnerschaft zwischen Wei-
ßen und Schwarzen anrührt, hatte letzthin
auf den - Filmfestspielen in Cannes und in
Berlin überragende Erfolge zu verzeichnen,
und mit Genugtuung können wir Kriegsblin-
den feststellen, daß hier endlich ein Film
entstanden ist, der auch in künstlerischer
Hinsicht auf sehr hohem Niveau steht. Zur
Zeit wird der Film synchronisiert, also mit
deutscher Sprache versehen. Es ist zu hoffen,
daß die Uraufführung noch im Novem-
ber dieses Jahres stattfinden kann. Er wird
dann in allen deutschen Städten zu sehen
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Die menschlische Stimme als Ausdruck menschlichen Wesens
Angeregt durch die Möglichkeiten der modernen
Schallaufnahmen (Magnetoionband) wendet sich
das Interesse der Psychologen neben der Analyse
der Handschrift mehr und mehr auch der mensch-
lichen Stimme zu. Den Charakter des Mitmenschen
an der Stimme zu erkennen, ist gerade für den
Kriegsblinden sehr wichtig. Leider steckt die
Wissenschaft der Stimmanalyse noch sehr in den
Anfängen. Außerdem ist es schwer, ohne aku-
stische Beispiele allein durch gedruckten Text
aus diesem Themenkreis zu berichten. So waren
zwei Rundfunksendungen gerade für Blinde hoch-
interessant und wertvoll. Die eine Sendung war
im Frühjahr über den Bayerischen Rundtunk zu
hören, der den Psychologen Dr. Gotthard Fliegner
dazu gewonnen hatte. Die andere Sendung ver-
anstaltete der NWDR im UKW- und letzthin auch
im Hauptprogramm, gestaltet von dem bekannten
Psychologen Dr. Max Simoneit. Wenn es auch so
scheint, daß man zunächst über eine Art von
Stimmkatalog noch nicht hinausgekommen ist,
und wenn auch die Beispiele in der Sendung von
Dr. Simoneit nicht gerade glücklich gewählt waren,
so läßt sich doch schon ermessen, daß diese neue
Wissenschaft ein gerade für uns Kriegsblinde
sehr fruchtbares Arbeitsfeld bietet. Die folgenden
Ausführungen, die uns Herr Dr. Simoneit freund-
licherweise zur Verfügung stellte, werden zwar
vor allem für jene Kameraden aufschlußreich sein,
die seine Sendung gehört haben, aber auch für
den Neuling bietet der Text viel Anregung. Wir
hoffen, zu diesem Thema weiterhin Beiträge brin-
gen zu können. Die Schriftleitung.
Die Tragik des Blindseins kann etwas aus-
geglichen werden durch die Verfeinerung
des Lauschens, Das Ohr ist das Organ der
Urgefühle und der Innerlichkeit. Der den
Vollsinnigen immer wieder überraschende
vornehme und starke Charakter der meisten
Blinden hat eine Mit-Ursache im feiner
hörenden Ohr.
Für den Blinden sind seine Mitmenschen
am deutlichsten durch deren Stimmen ge-
geben. In der menschlichen Stimme liegt
viel vom menschlichen Wesen, weil sie ja
unmittelbar aus den lebendigen seelischen
Zuständen kommt, weil die Veränderung die-
ser Zustände j — insbesondere der Stimmun-
gen — sich schnell in Stimmänderungen
kundtut, weil der Mensch auch bei der Be-
mühung um den sozialen Kontakt mit dem
Mitmenschen am stärksten mit der Stimme
wirbt und weil er seine geistigen Erlebnisse,
seine Absichten, sein Hoffen und Glauben
und seine Hingabe durch die Stimme an-
schaulich — oder besser anlauschig — machen
kann. Das Angewiesensein des Blinden auf
die Stimme des Menschen als auf dessen
deutlichstes Erkennungszeichen gibt ihm den
Vorzug, sich in der Deutung des mitmensch-
lichen Wesens besonders üben zu können.
Die wissenschaftliche Sprechanalyse, die
eine von vielen in Deutschland entwickelte
charakterologische Methode ist, vermag da-
für einige Anregungen zu geben.
Das Eigenartige einer menschlichen Stimme
liegt im Klang, in der Tonlage, der Melodie,
der Lautheit, der Artikulation, der Akzen-
tuierung, im Tempo und im Rhythmus. Jedes
dieser Merkmale kann für sich allein beachtet
werden, — alle wirken zusammen und lassen
so ein individuelles Sprechbild entstehen,
das in -uns Gefühle der Sympathie, der
Gleichgültigkeit und der Antipathie erregt.
Der Klang kann vollsonor, halbsonor,
unsonor und dazu metallen, hölzern, seidig
oder silbrig sein; es können in ihm die
Vokalgruppen „a, o, u" oder „e, i," oder „ei,
eu, au" oder „ä" besonders hervortreten.
Eine Fülle weiterer Klangfärbungen macht
die Stimme noch persönlicher.
Die Tonlage steht mit dem Klang in
Wechselwirkung, — eine vollsonore Stimme
— beispielsweise — wird nicht hoch liegen
können. Aber bei den halbsonoren und den
unsonoren Stimmen kann es wesentlich sein,
die Tonlage für sich zu charakterisieren.
Die Melodie entsteht durch die Ände-
rung der Tonhöhe. Kinderstiifimen zeigen
ein vielfaches Auf und Ab der Tonhöhe. Die
Gefühlserregung zeigt sich in einer bewegten
Sprechmelodie. Aber auch unabhängig von
solchen alle Menschen betreffenden Ursachen
gibt es Sprechmelodien als individuelle Zei-
chen, also als Eigenarten, die dem Menschen
immer zugehören.
Die L a u t h e i t des Sprechens ist als Aus-
druck des menschlichen Wesens vor allem
hinsichtlich ihrer Angemessenheit interessant.
Es gibt Menschen, die immer und überall
unangepaßt laut reden müssen und andere,
die nur zu flüstern wagen. Auch sind die
Reize wichtig, unter deren Wirkung eine
Stimme lauter oder leiser wird.
Die Artikulation fügt markante Züge
in das Sprechbild ein. Es kennzeichnet den
Menschen wesentlich, ob er Laute rollen und
„explodieren" läßt oder ob die Laute — ver-
wischt, verwaschen, zerdrückt oder ver-
schluckt — zu keinem besonderen Leben
kommen. Artikulations - Eigenarten hängen
auch vom Stammesdialekt ab, — im Osten
Deutschlands wird stärker artikuliert als im
Westen. Der Dialekt ist keine Fehlerquelle
für die Sprechdeutung, sondern der Grad der
Dialektfärbung gehört zu den individuellen
Merkmalen der Stimme.
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Akzente kann eine Sprechweise durch
Lautheitsstöße oder durch melodische Ver-
änderungen erhalten. Ob das eine oder das
andere geschieht, ist in hohem Grade wesens-
abhängig. Die Soldatensprache akzentuiert
mit Lautheitsstößen, die Dichtersprache mehr
durch Melodie-Änderungen.
Was das Tempo für die Redewirkung be-
deutet, ist dem praktischen Menschenkenner
bekannt.
Der Rhythmus aber ist weniger leicht
zu erkennen. Er entsteht durch die Wieder-
kehr ähnlicher Sprechgestalten nach einer
Regel und kennzeichnet nur selten die
Sprechweise. Aber die Art des Unrhythmi-
schen kann wesentliche Eigenarten andeuten.
Bei der Sprechdeutung kommt es,
weniger darauf an, Regeln der Merkmals- 1
bedeutung einzuprägen, als so- fein und so '
genau wie nur möglich hinhören zu
lernen. Mit dem Gehörten ist die Bedeutung
unmittelbar gegeben. Insofern ist die Sprech- ,
deutung natürlicher als die Deutung des
Schreibens.
Bei folgendem Sprechbild kann man das
Wesen des Sprechers unmittelbar ahnen:
Der Klang ist vollsonor und hart, er
dröhnt, als ob der Sprecher einen Laut-
sprecher in sich trüge. Das Dröhnen ist vom
Sprechinhalt unabhängig. Dieses Dröhnen
kommt nicht aus Leere, sondern aus Tiefe.
Es dominiert der Vokal a. Diese Stimme
kann nicht situationsgemäß leise sein. Die
v Möglichkeiten zu melodischen Veränderun-
gen sind gering.
Eine harte Artikulation bringt in den
stimmhaften Konsonanten klirrende- Härte
hervor. Akzentuierungen werden durch Laut-
heitsstöße hervorgebracht.
Besonders charakteristisch ist die auffal-
lende Regelmäßigkeit des Tempos. Diese
Regelmäßigkeit fließt und strömt nicht, son-
dern sie tönt in abgepreßten regelmäßigen
Kraftmengen, dabei stößt, schlägt und häm-
mert sie, tut dieses aber mit einem so hohen
Grad von Regelmäßigkeit, dajß ein seltener
Sprechrhythmus dabei zustande kommt.
Störungen dieser Stimme äußern sich in
gelegentlicher Gepreßtheit des Klanges und
in einer grollenden Übersteigerung der Arti-
kulation.
Selbstverständlich müßten diese Merkmale
in ihrem lebendigen Nuancen- und Vari-
ationsreichtum gehört werden, wenn sie das
Wesensbild ahnen lassen sollen. In dem vor-
liegenden Falle würde die klirrende Härte
des Sprechens unmittelbar als klirrende
Härte des Menschen erlebt werden, er
würde als Kämpfer erahnt werden, der uner-
müdlich und unversöhnlich — auch ohne Zeit
für Humor — seinen Zielen zustrebt und
dabei unerbittlich in seiner Sache bleibt. Die
Echtheit würde dabei besonders imponieren.
Sie ist eine Haltung des Menschen, die
durch kein anderes charakterologisches Zei-
chen so sicher angezeigt werden kann wie
durch das Sprechen. In dieser Tatsache liegt
auch die hohe Bedeutung begründet, die eine
erfolgreiche Sprechdeutung auch für die Be-
wertung politischer Redner hat.
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Einige wichtige Stimmtypen
Eine interessante Ergänzung zu den Ausführungen von Dr. Simoneit bildet die nachstehende-
Betrachtung eines kriegsblinden Psychologiestudenten, unseres Kameraden Feistner aus Moers.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn unsere kriegsblinden Leser zu diesem Thema Stellung nähmen.
Kann man aus der Stimme den Charakter
bestimmen? Will man diese Frage mit ja
oder nein beantworten, so muß man sich erst
im klaren sein, was die Stimme für den
Menschen bedeutet. Jedem von uns hat die
Natur außer dem Wort auch andere Mittel
gegeben, sich dem anderen verständlich zu
machen oder sein Wesen kundzutun — sei
es durch Mimik, Gesamtkörperhaltung, Gestik
oder durch die Handschrift. Die Mittel sind
jeweils körperliche Funktionen, deren sich
unsere Seele bedient, um sich auszudrücken.
Jede dieser Ausdrucksformen trägt bewußt
oder unbewußt den' Charakter des sich
ausdrückenden Menschen in sich. Aus der
Vielzahl dieser Ausdrucksformen tritt als
primäre Form die menschliche Stimme
hervor. Sie ist es, die uns eine Verstän-
digung im vollen Umfange erst möglich
macht. Sie steht keineswegs gesondert, son-
dern ist unsere höchste Ausdrucksform, in
der sich die Seele ausdrückt und die uns im
besonderen das Gepräge „Mensch" gibt.
Ich will nun versuchen, in das Gewirr von
Stimmen etwas Ordnung zu bringen, um
diese für uns zur Charakterdeutung einiger-
maßen zugänglich zu- machen. Die Stimme
gibt uns Blinden dazu fast die einzige Mög-
lichkeit, da die wichtigsten anderen Aus-
drucksformen nur für Sehende wahrnehmbar
sind. Leider ist die Stimmdeutung noch so
unentwickelt, daß ich nur einige leicht er-
kennbare Typen herausstellen kann. Durch
Übung und Erfahrung, wird aber mancher
von uns dadurch ein ziemlich sicheres Urteil
erhalten können. Bedenken wir doch, daß
wir auf Gedeih und Verderb auf unsere Mit-
menschen angewiesen sind und durch recht-
zeitiges Erkennen des Gegenübers mancher
Enttäuschung ausweichen können. Von einer
schematischen Einteilung der Stimmen möchte
ich absehen, da diese leicht verwirrt. Einige
wichtige Typen, von denen sich andere
ableiten lassen, mögen daher beschrieben
sein:
Nehmen wir zuerst den Gemütsmenschen.
Der ist gutmütig, kann nicht „böse" sein,
verträgt sich mit jedem und ist daher gern
gesehen. Seine Stimme ist melodisch, un-
gekünstelt, meist tief und strahlt eine herz-
liche Wärme aus. Sein Sprechen ist gleich-
mäßig, ohne Stockungen, sozusagen „frei-
weg". In der Erregung wird er selten un-
beherrscht. Die Lautstärke ist mittelmäßig
bis laut.
Diesem Typ steht nun folgender sehr nahe:
Eine meist sehr tiefe Stimme, behäbig, kaum
noch melodisch, aber warm. Die Sprechweise
ist schleppend, aber nicht stockend und oft
sehr schwerfällig. In der Erregung donnert
die Stimme, ist aber nicht hastig. Es sind
Menschen, die die Ruhe weg haben. Sie
kann nichts erschüttern, begreifen aber oft
schwer, behalten jedoch gut, wenn sie be-
griffen haben. Außerdem sind sie treu. Zwar
langsam, aber zuverlässig.
Auf der anderen Seite stehen nun die
„Hitzigen". Sie sprechen bewegt, mit star-
kem Auf und Ab der Tonunterschiede, kön-
nen sich beim Erzählen nicht genug wichtig
tun, wechseln schnell, oft und unvermittelt
das Thema, und man kann bei ihnen schwer
zu Wort kommen. Die Lautstärke wechselt
zwischen ganz leise und überlaut. Diese
Menschen sind ebenfalls nicht zu fürchten.
Sie sind auch gutmütig, fast zu offen und
können meist nicht dichthalten. Geheimnisse
kann man ihnen nicht anvertrauen. Übel
nehmen sie so leicht nichts und sind stets
freundlich. Sie scheuen sich vor keiner Ar-
beit. Von allzu großem Geist werden sie
allerdings meist nicht geplagt.
Alle diese drei Typen legen den Schwer-
punkt der Betonung auf die Vokale. Sie
verschlucken sogar gern die harten Kon-
sonanten, weil sie ihnen unangenehm sind.
Die Höhenunterschiede der Töne werden
fließend überwunden, nicht sprunghaft! Eben-
so ist es mit der Lautstärke.
Die nun folgenden Stimmtypen sind in
ihrer Eigenart weitaus schwerer zu erkennen,
als die vorangegangenen. Bei ihnen treten
die Vokale in der Betonung zurück. Die
Konsonanten werden stärker ausgesprochen.
Nicht mehr die Melodik der Stimme ist herr-
schend, sondern der Rhythmus. Sie sind die
Gegenseiten der bisher behandelten Stim-
men. In ihrer Mitte steht der nüchterne,
sachliche Mensch. Gefühlsduseleien sind ihm
fremd. Für ihn ist die Nützlichkeit vernünf-:
tig. Seine Stimme ist daher auch ruhig,
gelassen und ohne Hast. Diese Menschen
sprechen nicht viel und überlegen sich jedes
Wort. Die Klangfarbe der Summe, ist hell
und fast hart. Die Lautstärke mittelmäßig.
Dieser Typ ist zielbewußt, meist energisch
und läßt mit sich nicht handeln. Sie bestim-
men alles mit dem Verstände und nicht mit
dem Gefühl.
Verwandt mit diesem Typ ist auf der einen
Seite folgender: Eine sehr harte Stimme mit
starker Konsonantenbetonung. Sie klingt
kalt, gefühllos und leer. Die Sprechweise ist
kurz und knapp. Kein Wort zuviel. In der
Erregung kurz zischend und heiser. Die
Worte kommen stoßweise. Höhenunterschiede
der Töne werden ruckartig, nicht fließend
überwunden. Diese Menschen sind schwer
zu behandeln. Meist jähzornig, hart im Füh-
len und Denken bis zur Brutalität. Sie haben
oft keine oder wenig Freunde.
Auf der anderen Seite stehen die Sensiblen.
Sie sind sehr empfindlich und oft Schwär-
mer. Sie haben ein reiches Innenleben, kön-
nen sich aber nicht offenbaren. Sie tragen
alles mit sich herum und quälen sich oft mit
Dingen, die bei einer Aussprache sofort
geklärt werden könnten. Fast immer sind
sie gehemmt und können nie aus sich her-
aus. Ihre Stimme ist zaghaft und sehr ver-
halten. Ein feines Zittern liegt meistens dar-
in. Der Rhythmus der Stimme tritt etwas
zurück, aber auch die Vokale wagen sich
nicht hervor. Selbst im größten Schmerz
versucht die Stimme heiter zu wirken Nie-
mand soll ihr wahres Gesicht sehen. Diese
Menschen sprechen deshalb auch sehr wenig.
Lieber reden sie gar nicht. Ihre Unterhaltung
fährt sich schnell fest. Sie sprechen meist
stockend und versprechen sich sehr oft. Bei
kritischen Fragen weichen sie gern aus, weil
sie sich nicht blamieren oder eröffnen wollen.
Im Streit verstummen sie und gehen weg.
Dieser Typ muß sehr vorsichtig behandelt
werden. Er ist leicht beleidigt, oft durch die
geringste Kleinigkeit. Besitzt aber meist viel
Fähigkeit, ergeben zu lieben. Kunstsinn und
Intelligenz sind meist stark vorhanden.
Zum Schluß möchte ich noch einige Beson-
derheiten in der Stimme, genauer gesagt: in
der Sprechweise aufzeigen. Stottern, Ver-
sprechen und das Suchen nach Worten sind
fast immer Zeichen von Hemmungen. Hinter
schnellem Sprechen, Verschlucken von Silben
und Buchstaben, ungeduldigem Spielen mit
den Worten, verworrenen Zusammenhängen
und auffallend schnellem Atmen beim Spre-
chen verbirgt sich Nervosität. Hohe Fistel-
stimmen deuten oft auf Menschen hin, denen
man am besten nicht zuviel zutraut, über-
mäßiges Geziere in der Aussprache, kind-
liches Spielen mit den Höhenunterschieden der
Töne, manchmal sogar Anstoßen mit der
Zunge oder sonstige lächerliche Eigenarten
machen sich gern Modepüppchen oder hyste-
rische Frauen zu eigen. Egoisten beziehen
in der Unterhaltung alles auf sich und stellen
sich immer in den Mittelpunkt.' Despoten
geben nie einem anderen Recht; sie vertre-
ten hartnäckig ihre oft falsche Meinung.
Um nun. bei der praktischen Anwendung
der Stimmdeutung Erfolge zu erzielen, muß
man sich die angeführten Merkmale genau-
estens einprägen und durch aufmerksames
Hinhören allmählich die Unterschiede her-
ausfinden. Dies braucht einige Geduld und.
geht nicht von heute auf morgen. Die Mühe
wird sich aber lohnen. . _ . Franz Feistnet
7
Ergebnisse der Pariser Konferenz
Unter Zugrundelegung eines vorläufigen Kurzberichtes von Herrn Prof. Carl Strehl über die
Mitgliederversammlung 1951 des Weltrates für die Blindenwohlfahrt geben wir hier die interessan-
testen Vorgänge und Ergebnisse der Sitzungen in Paris wieder, über die wir im Augusthett kurz
berichtet haben.
Am 18. 7. 1951 fand in Paris in der Euro-
päischen Geschäftsstelle der American Foun-
dation for Overseas Blind die 4. Tagung des
Internationalen Ausschusses für die Blinden-
wohlfahrt statt. Der Vorsitzer, Mr. Eagar,
berichtete über die inzwischen unternomme-
nen Schritte zur Eintragung der Satzungen
des Weltrates für die Blindenwohlfahrt ins
Vereinsregister.
Die erste formelle Mitgliederver-
sammlung des Weltrates für die
Blindenwohlfahrt, zu der neben den Mitglie-
dern des Internationalen Ausschusses für die
Blindenwohlfahrt auch eine Anzahl der übri-
gen Delegierten der Oxforder Konferenz vom
Jahre 1949 (aus Deutschland unser Kamerad
Ing. Alfons Schramm, Freiburg i. Br.) erschie-
nen waren, wurde am gleichen Tag von Mr.
Iiagar als Vorsitzer eröffnet. Er begrüßte die
Anwesenden und insbesondere Mr. M.Robert
Barnett, New York, den neuen geschäfts-
führenden Direktor der American Founda-
tion for the Blind und der American Foun-
dation for Overseas Blind, sowie Herrn
Stevan Uzelac, den Vertreter des neuauf-
genommenen Landes Jugoslawien. Spanien,
das ebenfalls seinen Beitritt zum Weltrat
erklärt hat, hatte noch keinen Vertreter ent-
sandt.
i
Zur Tagesordnung übergehend verlas der
Vorsitzer die Liste der Anwesenden mit den
schriftlich eingereichten Stimmenübertragun-
gen der nicht erschienenen Mitglieder der
Mitgliederversammlung. Für Deutschland
stimmten ab: Ing. Alfons Schramm mit einer
Stimme und Prof. Dr. Carl Strehl mit vier
Stimmen (Stimmenübertragung der Herren
Pothmann, Hans F. W. Voigt und Winter).
— Zunächst wurde der Satzungsentwurf Ar-
tikel für Artikel erörtert. Während der Dis-
kussion über den Artikel III bezweifelten die
drei Vertreter der französischen Zivilblinden
die Legalität der Versammlung. Ein von
ihnen diesbezüglich eingebrachter Antrag
wurde von allen übrigen Anwesenden zu
ihren Ungunsten entschieden. Sie verließen
die Versammlung. Zu Artikel VI schlug Prof.
Strehl vor, vorzusehen, daß bei der Ämter-
verteilung Vertreter aus' ebensoviel Natio-
nen gewählt werden, als Ämter vorhanden
sind. Der Vorschlag fand allgemein Zustim-
mung. Die En-bloc-Abstimmung führte zur
einstimmigen Annahme des neuen Satzungs-
entwurfes, der in absehbarer Zeit im Ver-
einsregister eingetragen werden wird.
Am 19. 7. trat die Mitgliederversammlung
nochmals zusammen und wählte zunächst
den neuen Arbeitsausschuß, der sich
nunmehr wie folgt zusammensetzt:
Frankreich: M. Henri Jean Juste A m -
blard ;
Deutschland: Prof. Dr. Carl Strehl;
Großbritannien: Mr. Waldo McG. Eagar;
Italien: Signor Paolo Bentivoglio ;
USA: Mr. Eric Thomas Boulter;
Skandinavien und Finnland: Herr C, Hed-
k v i s t (für die Dauer der Tätigkeit Herrn
Jorgensens bei den Vereinten Nationen);
Benelux- und kleinere Staaten: M. Gerard
ßorre;
Jugoslawien: Herr Stevan Uzelac.
Dazu kamen noch auf Grund der neuen
Bestimmung des Artikels V, Abschnitt 1, als
zusätzliche Arbeitsausschußmitglieder auf
Vorschlag Prof. Strehls Colonel E. A. Ba-
ker als Vertreter Kanadas und auf Vor-
schlag M. Borres Mr. M. Robert B a r n e 1 1
als Nachfolger des bei der Gründung der
internationalen Blindenwohlfahrtsorganisa-
tion so maßgeblich beteiligten Dr. Robert
B. Irwin.
Auf Anregung Mr. Boulters und Mr. Bar-
netts wurde beschlossen, die Mitgliedsländer
des Weltrates nach der Eintragung der
Satzungen in einem Rundschreiben zu er-
suchen, Dr. Irwin, Mr. Eagar, Mr. George
L. Raverat und Dr. Helen Keller zuEhren-
mitgliedern zu ernennen.
Bei der Wahl des neuen Vorstandes setzte
sich die Meinung durch, daß der Vorsitz
einem Blinden zu übertragen ist, und die
Wahl fiel einstimmig auf den von M. Borre
vorgeschlagenen Kriegsblinden Colonel Ba-
ker, Kanada. Als stellvertretende Vor-
sitzer wurden ebenfalls einstimmig gewählt:
Mr. Eagar auf Vorschlag Mr. Boulters und
Prof. Strehl auf Vorschlag M. Borres. Zum
Generalsekretär wurde auf Vorschlag
M. Borres Mr. Boulter und zum Schatz-
meister auf Vorschlag Mr. Barnetts der
Kriegsblinde M. Amblard (Paris) einstimmig
ernannt.
Die in Paris anwesenden Mitglieder des
neugewählten Arbeitsausschusses des Welt-
rates für die Blindenwohlfahrt traten am
19. 7., nachmittags, zur ersten Sitzung zu-
sammen. In Abwesenheit Colonel Bakers
führte Mr. Eagar den Vorsitz.
Mr. E. H. Getliff, Bristol, wurde zu den
Beratungen ohne Stimmrecht hinzugezogen,
um über die bislang getroffenen Vorberei-
tungen für die geplante internationale
Blindenerzieherkonferenz zu be-
richten. Ein kleiner Unterausschuß wurde
eingesetzt, der nach Bestätigung durch den
Arbeitsausschuß des Weltrates voraussicht-
lich im September dieses Jahres zusammen-
kommen wird. Das „National Institute for
the Blind" in London hat es übernommen,
die Sekretariatsarbeiten des Unterausschus-
ses durchzuführen.
Der in Oxford eingesetzte vorbereitende
Ausschuß für die Erzieherkonferenz änderte
sich in seiner Zusammensetzung dadurch, daß
Signor Bentivoglio bat, an seiner Stelle Frau
Romagnoli, Rom, aufzunehmen, und auf An-
trag Prof. Strehls Herr Dir. W. H e i m e r s ,
Hannover-Kirchrode, als Vertreter Deutsch-
lands hinzugewählt wurde.
Mr. Eagar und Mr. Boulter gaben einen
Überblick über die mit den Vereinten
Nationen und deren Fachausschüssen
bislang geführten Verhandlungen. In die von
den Vereinten Nationen errichtete besondere
Sektion für Körperbehinderte wurde als
Sachbearbeiter für die Fragen
des Blindenwesens Herr Ernst Jor-
gensen, Kopenhagen, berufen. Seitens dieser
Sektion wurde in einem Rundschreiben an
die in den Vereinten Nationen vertretenen
Länder zugesichert, daß mit allen maßgeb-
lichen Organisationen im Interesse der- Kör-
perbehinderten zusammengearbeitet werden
wird, im Falle der Blinden mit dem Weltrat
für die Blindenwohlfahrt. Wahrscheinlich i m
Oktober d. J. wird eine Tagung der Ver-
einten Nationen in Genf oder in Paris statt-
finden, bei der ein ganzer Tag für die Be-
sprechung eines geeigneten Programms für
die Ausbildung und Umschulung
der Blinden verwandt werden soll.
Mit Bezug auf den Beschluß der UNESCO
über die zollfreie Ein- und Aus-
fuhr von Blindenhilfsmitteln erklärte Mr.
Boulter, daß er wohl schon von den Vertre-
tern von 22 Nationen gezeichnet ist, aber
erst rechtskräftig werden kann, nachdem ihn
10 Parlamente ratifiziert haben. Da die Rati-
fizierung bisher our in Thailand und Jugo-
slawien erfolgte, bat Mr. Boulter die Arbeits-
ausschußmitglieder, die Angelegenheit in
ihren Ländern zu fördern.
Im Namen des Weltrates für die Blinden-
wohlfahrt wurde ein Schreiben an den Gene-
ralsekretär der UNESCO gerichtet, in wel-
chem um die Fortsetzung der Arbeiten der
Sektion für Punktschriftfragen in-
nerhalb der UNESCO im Jahre 1952 gebeten
wurde.
Die zur Auswanderung nach Kanada aus-
gewählten blinden DPs konnten inzwi-
schen, nicht zuletzt auf Betreiben Colonel
Bakers, ihre neuen Wohnsitze beziehen und
werden dort für einen geeigneten Beruf um-
geschult.
Herr Hedkvist beantragte die Einsetzung
eines Unterausschusses für technische
Fragen (sprechendes Buch, Blindenschrift-
maschinen und sonstige Blindenhilfsmittel).
Nach eingehender Diskussion wurden die
Herren Prof. Strehl (federführend), Barnett
und Colligan gewählt, die in ständiger
schriftlicher Fühlungnahme für die Förderung
der technischen Entwicklung der Blinden-
hilfsmittel arbeiten sollen.
Mr. Boulter teilte auf Anfrage Herrn Hed-
kvists mit, daß die Vereinten Nationen über
einen Fonds verfügen, aus dem Auslands-
studienreisen von Sachbearbei-
tern des Blindenwesens finanziert werden
können. Anträge sind über die Regierung
des eigenen Landes an die Technical
Assistance Administration der UNO in New
' York zu stellen.
Mit einem herzlichen Dank an die Ameri-
can Foundation for Overseas Blind für die
nach wie vor großzügig gewährte finanzielle
Hilfe mit der Feststellung, daß an den bei-
den Verhandlungstagen in Paris wertvolle
Arbeit geleistet wurde,, schloß Mr. Eagar die
Sitzung.
„Arbeitsgemeinschaft
Deutscher Versehrtensport"
In Ergänzung zu unserer Nachricht im
Augustheft über die Gründung der „Ar-
beitsgemeinschaft Deutscher
Versehrtensport" (Sitz: Bonn, Ge-
schäftsstelle: Bad Godesberg, Wurzerstraße 4)
nennen wir die Zusammensetzung des vor-
läufigen Arbeitsgremiums: Herr Min.-Rat
a. D. Dr. Mallwitz (Deutscher Sportärztebund)
wurde zum Vorsitzenden gewählt, Herr Ober-
medizinalrat Dr. Lettenbaur zum ärztlichen
Berater, ferner die Herren Weinmann, Lo-
-renzen, Mende und Brinkmann, dem zunächst
die vorläufige Geschäftsführung übertragen
wurde. Als Publikationsorgan für die rein
sportlichen Belange wurde die Monatsschrift
„Der Versehrtensportler" (Düsseldorf, La-
kronstraße 72), Organ des bisherigen deut-
schen Versehrtensportverbandes, gewählt,
die interessierten Versehrten Sportlern nach
Möglichkeit kostenlos zugestellt werden soll.
Die erste Ausgabe der Zeitschrift ist vor
etwa einem Vierteljahr erschienen. Fach-
wissenschaftliche Fragen sollen in der Zeit-
schrift „Leibesübungen, Sportärzte, Erzie-
hung" (Herausgeber: Dr. Mallwitz und Dr.
Wildt) erörtert werden. Der bisherige
Deutsche Versehrtensportverband sieht seine
Aufgabe nunmehr als erfüllt an. Als Haupt-
aufgaben der Arbeitsgemeinschaft wurden
u. a. außer der Förderung der Breitenarbeit
und der Ausbildung geeigneter Versehrten-
sportlehrer auch die Errichtung von Ver-
sehrtensportheimen herausgestellt,
denen das Bundesministerium für Arbeit die
Anerkennung als Kuranstalt unter ärztlicher
Leitung zugesichert hat. Besonders dieses
letztere Vorhaben ist vor einigen Monaten
auch von unserer Zeitschrift vorgeschlagen
worden, wobei zu hoffen ist, daß in diesen
Sportheimen regelmäßig auch Kurse für
Kriegsblinde durchgeführt werden.
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zusammengetragen, auf den die Arbeiterinnen hinaufsteigen, auf dem Kopf die großen Körbe mit
Kokosfasern. Der Berg wird dann später „im ganzen" verkauft. Fotos (3): DV-Bild.
/
Wer als Bürstenmacher mit Lust und
Liebe bei der Arbeit ist und nicht nur als
„Bürstenzieher" einen möglichst hohen Ver-
dienst bei seiner Tätigkeit herauszuschlagen
versucht, der macht sich auch Gedanken
darüber, woher die Stoffe kommen, die er
täglich verarbeitet und wie die Fasern zu-
bereitet werden Es ist auch gut, zu wissen,
für welchen Zweck sich diese und jene Faser
gut eignet, und umgekehrt: welche Bürsten-
waren aus diesem oder jenem Material nicht
hergestellt werden können. In dem nach-
stehenden Aufsatz wollen wir die bekann-
testen Stoffe behandeln.
Was ist „Fibre"?
F i b r e ist wohl die bekannteste und am
meisten verwendete Pflanzenfaser. Fibre ist
ein Wort lateinischen Ursprungs und heißt
auf deutsch Faser. Was ist nun Fibre? Wäh-
rend der Umschulung lautete die Antwort
auf diese Frage des Lehrers immer: „Fieber
ist eine erhöhte Körpertemperatur!" Das
hatte zwar immer einen Verweis des Lehr-
herrn zur Folge, was uns aber nicht daran
hinderte, beim Abfragen die Antwort zu
wiederholen. Die Fragerei war uns übrigens
verhaßt. Sie geschah immer wieder in der
gleichen Weise und unser Lehrer vermochte
es nicht, uns diese an sich so trockene
Wissenschaft in einer geschmackvollen Ver-
packung anzubieten. Doch nun Scherz bei-
seite! Was ist Fibre? Fibre ist eine Pflanzen-
faser, und zwar eine Faser der Agave und
der Ananaspflanze. Agave und Ananas
wachsen in Mexiko auf nicht zu feuchtem
Boden und in der Hauptsache da, wo der
Boden für andere Gewächse zu karg ist.-
Die Agave wächst wild. Der steigende Be-
darf hat aber dazu geführt, sie nun auch in
Plantagen anzubauen. Vom dritten Jahre
an ist die Agave ertragfähig. Die Blätter der
Pflanze werden zwei- bis viermal im Jahr
geerntet. Sie werden unter reichlicher Was-
serzufuhr zwischen zwei Steinen zerrieben
oder nach moderner Art und Weise durch
Maschinen zerquetscht. Zwölf Agavenblätter
sind notwendig, um ein Kilogramm Fibre
zu erhalten. Die gewonnene Faser wird an
dei Sonne getrocknet und kommt dann zum
Versand. Die Zurichtereien liefern Fibre
doppelt gezogen im Schweif oder auf Län-
gen geschnitten.
Die Ananaspflanze kommt uns schon
etwas bekannter vor. Beim Klang des
Namens Ananas kommt einem unwillkür-
lich die bekannte Ananas-Bowle in den
Sinn. Die Ananaspflanze liefert eine etwas
sprödere Faser, die in der Hauptsache zu
Stricken und Tauwerk verarbeitet wird. Die
feineren und kürzeren Fasern finden Ver-
wendung zur Herstellung von Segeltuch,
Teppichen und Packtüchern. Gekräuselte
Fasern erhält der Polsterer. Die mittellangen
Fasern werden zu Bürsten und Besen ver-
arbeitet.
Die gute Fibre ist zäh und wasserbestän-
dig. Fibre ist aber auch die hitzebeständigste
Faser und sie eignet sich daher gut zur An-
fertigung von Schleifbürsten, sowie für alle
technischen Bürsten, die im Gebrauch der
Hitze ausgesetzt sind. Fibre auf 50 mm
Länge geschnitten, in Teerschrubber einge-
zogen, begeistert die Bedachungsfachleute.
Es gibt kaum eine Bürsten- oder Besenart,
die nicht aus Fibre gefertigt werden könnte.
Glanznbre wird im Gelatine- oder Schmier-
seifebad hergestellt. Die Faser wird dann
auf maschinellem Wege poliert, wodurch
die Faseroberfläche einen borsten- oder
haarähnlichen Glanz erhält. Graue Fibre
erhält man durch die Mischung von wei-
ßer und schwarzer Fibre.
Bassine
In der ersten Zeit nach der Währungs-
reform kam uns die Bassine-Faser oft
in die Finger. Bassine ist eine Palmblatt-
faser und kommt aus Ost-Indien und von
der Insel Ceylon. Sie legt also eine weite
Reise zurück, ehe sie in unsere Hände ge-
langt. Die Palmblätter werden nach der
Ernte getrocknet. Durch Klopfen oder Rei-
ben wird das dürre Fleisch entfernt, so daß
die Fasern zurückbleiben. Bassine sollte nur
zu solchen Bürsten verarbeitet werden, die
feucht gebraucht werden. Schrubber und
kräftige Scheuerbürsten aus Bassine herge-
stellt, haben allerdings nicht das Aussehen
der Ware, die aus Fibre gefertigt worden
ist. Auch in der Haltbarkeit reicht Bassine
nicht an Fibre. Bürsten aus Bassine, die nur
in trockenem Zustand gebraucht werden,
haben keine allzu lange Lebensdauer, weil
die Faser dann leicht bricht. Die Bassine-
faser allein wird kaum noch verarbeitet.
Mit Fibre gemischt begegnet sie aber dem
Bürstenmacher noch oft unter der Bezeich-
nung „Union". Wenn die Fibrefaser für
eine Bürstenart als zu weich befunden wird,
greift man zu Union.
Die Kokosfaser
Ein weiteres Verwendungsgebiet hat auch
die Kokos-Faser. Die Kokos-Faser ist
eine Fruchtfaser. Wir alle haben schon ein-
mal eine Kokosnuß in der Hand gehalten.
Bevor wir die harte Schale der Kokosnuß
knacken konnten, mußten wir eine bis zu
zwei Finger dicke Umhüllung der Kokosnuß
entfernen und hier haben wir die Kokos-
faser in den Händen gehabt. Die Kokos-
palme wächst an den Küsten des Kontinents
Afrika und auf den Inseln in den Tropen.
Sie liefert den Eingeborenen fast alles, was
sie in ihrer primitiven Weise zum täglichen
Leben benötigen. Aber nicht nur für die
Eingeborenen ist die Kokospalme wichtig.
Denken wir nur an das weiße Fleisch« der
Kokosnuß, aus dem die Kopra gewonnen
wird. Ohne Kopra wäre die Fettversorgung
Europas nicht mehr denkbar.
Doch kommen wir zurück zur Kokosfaser!
1000 Kokosnüsse liefern etwa 60 kg Kokos-
fasern. Die Faser kann zu fast allen Bürsten-
und Besenwaren verwandt werden. Doch
soll man darauf achten, daß die Schnittlänge
im allgemeinen 70 bis 80 mm nicht über-
steigt, weil die Faser in größerer Schnitt-
länge leicht verfilzt.
Die Piassava-Sorten
P i a s s a v a ist eine lange, zähe Faser
von verschiedenen Palmarten. Die bekann-
testen Sorten sind: Bahia-, Para- und Afrika-
Piassava. Diese Namen erzählen uns sofort
von dem Herkunftsland der betreffenden
Piassava-Faser. Aus der brasilianischen Pro-
vinz Bahia kommt nicht nur die Samba-
Maria, sondern auch die beste Piassava-
Sorte. Para-Piassava kommt aus der Provinz
Para in Venezuela. Afrika-Piassava ist die
am wenigsten zu verwendende Sorte und
kommt aus Liberia, Sierra-Leone, Benim
und Kamerun. Para-P'assava ist von hell-
bis dunkelrotbrauner Farbe. Die Faser wird
bis zu 1,5 m lang. Sie hat einen rechteckigen
Querschnitt bis zu 3 mm Breite. Die Faser
ist elastisch und von großer Zähigkeit. Die
■ Umhüllung der jungen Palmblätter ver-
wittert zum Teil. Die Fasern bleiben als
meterlange verflochtene Stränge hängen.
Man reißt die Fasern ab, trocknet und
klopft sie, um sie dann anschließend zu
wässern und wieder zu trocknen. Bahia-
Piassava ist schokoladenbraun. Die Fasern
erreichen eine Länge bis zu vier Metern.
Afrika-Piassava ist hell- bis dunkelbraun
und die Fasern erreichen eine Länge von
0,70 bis 1,5 m. Afrika-Piassava ist eine
Blattstengel-Faser von verschiedenen Palm-
arten. Die Palmwedel werden abgeschnitten
und in Wasser so lange eingeweicht, bis
das Fleisch und die Haut sich lösen. Die
übrigbleibenden Fasern werden dann ge-
trocknet, geklopft und gehechelt. Je dunkler
die Farbe der Faser, um so höher ist die
Güte zu bewerten. Je heller und fleischiger
die Faser, um so geringer ist die Qualität.
Die Piassava-Faser wird eigentlich nur zur
Herstellung von Straßenbesen, Stra-
ßehkehrwalzen und Kaminkatzen verwandt.
Lagert man die Faser allzu lange, dann
10
Die Kokoslasern werden, wie auch das größere
Bild zeigt, von Arbeiterinnen gebündelt und
sortiert, nachdem die Fasern mittels einer Art
von Harke, deren sehr lange Zinken mit den
Spitzen nach oben am Tisch befestigt sind, gleich-
sam gekämmt worden sind. Die Spitzen der Harke
müssen immer wieder mit öl bestrichen werden.
wird sie brüchig und spröde. Vor der Ver-
arbeitung muß sie gut eingeweicht werden.
Madagaskar
Wenn einer unserer lieben Mitmenschen
uns einmal unliebsam auf die Nerven fällt,
dann wünschen wir ihn dahin, wo der Pfef-
fer wächst. In eben dieser Gegend wächst
die Palmblattfaser, die ihren Namen nach
ihrem Ursprungsland erhalten hat, der Insel
Madagaskar an der Ostküste Afrikas.
Die Palme, aus deren Blättern die Madagas-
kar-Faser gewonnen wird, wächst also in
einer der heißesten Gegenden unserer
Erde. Keinen besseren Ort für ihre Schwer-
verbrecher wußte die französische Republik
als die Insel Madagaskar. Wir wollen es
uns daher für die Folge überlegen, wenn
wir einem guten Freund diesen Aufenthalts-
ort wünschen. Doch zurück zu unserer Faser!
Madagaskar-Fasern kann man zu Möbel-
und Teppichbürsten verarbeiten. Ja. sogar
zu Kleiderbürsten ist sie brauchbar und
man kann auch Staubbesen und Handfeger
daraus machen. Der Bürstenmacher muß
aber bedenken, daß die Madagaskar-Faser
schon bei 50 Grad Hitze spröde und brüchig
wird. Dagegen verändern Wasser und
Feuchtigkeit nicht ihre Form.
Die Madagaskar-Faser ist in verhältnis-
mäßig knappen Mengen zu haben, und
Waren, die nur in beschränktem Maße er-
hältlich sind, pflegen teuer zu sein. Daher
stellt man eine sogenannte Madagaskar-
Imitation aus feinen Bassine-, Kokos- und
Para-Piassava-Faser her.
Arenka
Die Arenka-Faser ist ebenfalls eine
Palmblattfaser. Die Blätter der Palmen wer-
den abgeschnitten und getrocknet. Durch
Reiben und Klopfen wird das dürre Fleisch
der Palmblätter entfernt und die Faser
bleibt zurück. Arenka hat eine dunkelgraue
bis blauschwarze Farbe und ist glanzlos. Je
kürzer die Faser ist, um so feiner ist sie,
und sie hat in ihrer kürzesten Länge etwa
die Stärke von Roßhaar. Je länger die Faser
angeboten wird, um so gröber wird sie und
gleicht dann in ihrer Struktur der Bassine-
Faser. Verarbeitet man die Arenka-Faser
unveredelt, dann l»t sie. zumal in grober
Struktur, spröde und brüchig, und ihre
spitzen Splitter machen sich den Fingern
des Handwerkers unangenehm bemerkbar.
Man kann die Arenka-Faser aber auch ver-
edeln, indem man sie in Ol kocht. Diese Be-
handlung erhöht die Geschmeidigkeit der
Faser und verleiht ihr ein glänzendes Aus-
sehen. Arenka ist wie Madagaskar nicht
hitzebeständig.
Siam
Auch die Siam-Faser erzählt uns
schon in ihrem Namen ihre Herkunft. Die
Siam-Faser ist eine Blattscheidenfaser und
die Palme, von der die Siam-Faser gewon-
nen wird, wächst in Siam (Thailand), also
in einem Gebiet, das an Indochina grenzt,
sowie auf der Insel Ceylon.
Die Siam-Faser hat in rohem Zustand eine
hellbraune Farbe. Ist sie veredelt, das heißt
geölt, dann wird sie dunkelbraun bis
schwarz. 50 bis 70 cm lang wird die Siam-
Faser und sie ist in rohem Zustand spröde
und brüchig. Man veredelt sie daher durch
mehrstündiges Kochen in öl. Wie die
Arenka-Faser wird Siam dann geschmeidig
und wasserabweisend. Gebraucht man Bür-
sten in der Stärke von Union, an die be-
sondere Anforderungen an Haltbarkeit und
Geschmeidigkeit gestellt werden — grobe
Waschbürsten, Faßbürsten, gedrehte Bürsten-
waren — , dann verwendet man Siam. Die
Verwendbarkeit der Faser geht aber noch
weiter: man fertigt daraus Körbe, Matten,
laue und Hüte.
Reiswurzel
Die Reiswurzel kommt aus Mexiko und
Italien. Die beste Reiswurzel kommt aus
Italien, und „Grenelle"-Reiswurzel ist die
feinste Güte ihrer Art. Leicht ist Reiswurzel
stark verholzt und dabei doch elastisch.
Immerhin sollte man die leicht gewellte
Wurzelfaser nur für solche Bürsten ver-
wenden, die naß oder wenigstens feucht
gebraucht werden. Es empfiehlt sich, Reis-
wurzel vor der Verarbeitung in warmem
Seifenwasser, etwa gebrauchter Wäsche-
lauge, einzuweichen.
Reisstroh, so glaube ich, ist uns allen
noch in der Erinnerung aus den sogenann-
ten Reichsmark-Zeiten. Alle Handwerker
haben sich schon über diesen Einzugsstoff
geärgert und die Hausfrau, die den Schrub-
ber und die Scheuerbürste aus Reisstroh
kaufte, singt dieser Faser ganz gewiß kein
Loblied. Reisstroh, auch Sago- oder Moor-
hirse-Stroh genannt, wird 20 bis 100 cm
lang und trägt am oberen Ende noch die
Rispe, den Fruchtträger. Die Faser wird in
gespaltenem und ungespaltenem Zustand
verarbeitet. Sie ist, vielleicht können wir
uns darüber freuen, fast ganz vom Markt
der Einzugsstoffe verschwunden.
Fasern von damals
Die Alfa-Faser wird aus den Blättern
des Pfriemengrases gewonnen, das in den
Ländern rund um das Mittelmeer wächst.
Die beste Sorte kommt aus Spanien und bat
eine hellgrüne Färbung. Auch die Alfa-Faser
ist fast ganz vom Werktisch des Bürsten-'
machers verschwunden. Alfa bereitete dem
Handwerker keine reine Freude. Die Faser
war nur für Bürsten verwendbar, die naß
oder feucht gebraucht werden. Nach zwei-
stündigem Gebrauch sollten die Bürsten gut
getrocknet werden, bevor sie weiter ver-
wendet wurden. Das war die graue Theorie.
Und der Verbraucher? Wer arbeitet schon
mit einer Bürste und legt gleichzeitig seine
Taschenuhr daneben, um nach einer ge-
wissen Zeit die Bürste zu wechseln?! Nein,
auch der Alfa-Faser wollen wir keine Träne
nachweinen.
Im Reigen der Pflanzenfasern wollen wir
die Quecken-Wurzel nicht vergessen.
Die Faser ist die Wurzel eines Unkrautes,
über das sich der Bauer auf seinem Felde
oft ärgern muß. Die Quecke wächst nicht
auf jedem Feld. Hat sie aber von einem
Acker Besitz ergriffen, dann überzieht sie
Hochbetrieb in einer Kokosiaserlabrik auf der Insel Ceylon im Indischen Ozean. An langen
Tischen stehen die singhalesischen Arbeiterinnen und säubern und sortieren die Fasern zu kleinen
Bündeln, die dfinn schließlich der kriegsblinde Bürstenmacher in Deutschland in die Hand bekommt.
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dje gesamte Ackerfläche und wird dadurch
zur Plage. Als noch keine ausländischen
Faserstoffe für Geld und gute Worte zu
haben waren, hat uns die Quecke oft aus
d£r Not geholfen. Die Wurzel braucht im
Frühjahr, wenn der Bauer seine Felder für
die Aussaat herrichtet, nur aufgesammelt zu
Werden, und der Landmann wird uns dafür
noch dankbar sein. Die Quecke ist noch
lange nicht die schlechteste Faser, weil sie
„nur" aus dem Inland stammt. Jedenfalls
kann sie in ihrer Güte getrost dem Reis-
stroh zur Seite gestellt werden.
Die Quecken-Wurzel wird gut getrocknet
und gebündelt, um dann auf die Gebrauchs-
länge geschnitten zu werden. Es können
natürlich nur Bürsten daraus gefertigt wer-
den, die naß oder doch wenigstens feucht
gebraucht werden.
Dann wären noch das Zittergras und
die Wurzel einer Binsenart zu nennen. Beide
Fasern stammen auch noch aus der Reichs-
mark-Zeit und wir wollen sie gut und gerne
vergessen.
Wir sehen: Durch die Hände des Bürsten-
machers gehen die Faserstoffe aus beinahe
allen Teilen unserer runden und oft so
buckligen Weltkugel, und mit etwas Phan-
tasie sieht der Bürstenmacher vor seinem
geistigen Auge die schwarzen und braunen
und roten Menschen, die für ihn beschäftigt
sind, er hört ihr fröhliches oder ärgerliches
Geschnatter bei der Arbeit und schwitzt mit
ihnen in der glühenden Sonnenhitze in Siam.
und Marokko, in Spanien und auf Madagas-
kar und Ceylon, und ein klein wenig von
dem Ruch ferner Länder. Meere und Küsten
zieht mit den Faserstoffen in unsere stille
Werkstatt. egt.
C^UJ
^^^z^ti^^^erp^^^ny
Rheinländer unterwegs
Der Mensch möchte mal heraus aus dem
immer gleichen Milieu des Alltags, er sucht
immer wieder Freude und Erbauung Einen
solchen besonders für Kriegsblinde be-
gehrenswerten Ausgleich bieten immer wie-
der die Veranstaltungen unseres Bundes. Be-
zeichnend dafür war eine besonders gelun-
gene Sommerfahrt des Bezirks Geldern-
Kleve-Moers, die unsere Kameraden
mit ihren Ehefrauen und auch die Kameraden-
witwen an einem schönen Sonnentag in
einem bequemen Reiseomnibus über den
Rhein hinüber ins Bergische Land und nach
Wuppertal führte. Es war wie ein großes,
schönes Familienfest, als an den einzelnen
Haltepunkten des weiträumigen Bezirks
immer aufs neue Kameraden hinzustiegen.
Die frohen Schilderungen der Frauen ließsn
jeden Kameraden miterleben, was die wech-
selnde Landschaft dem Auge bot. Selbst im
schwerzerstörten Wuppertal fand sich viel
Schönes zu berichten, nicht zuletzt von der
Schwebebahn, die sich in anmutiger Weise
rnter einem eisernen Gerüst über dem Lauf
( .jr Wupper dahinschlängelt. Das erste Ziel
war der Bergbahnhof in Barmen, von wo es
mit der Zahnradbahn hinauf zum Toelle-
Turm ging. Nach einem unterhaltsamen
Frühstück und einem Spaziergang auf der
tannenbewaldeten Höhe kletterte man die
vielen Stufen zur Plattform des Turmes
empor. Es war eine prächtige Heiterkeit
turmauf- und' turmabwärts.
Besonders reizvoll war eine Fahrt mit der
Schwebebahn. Und wenn auch ein trost-
loses Bild von Ruinen links und rechts zu
finden war, so konnten wir doch auch immer
wieder vernehmen, wie fleißige Hände an
Aufbau und Neugestaltung wirkten. So
trümmerreich war einst auch wohl das per-
sönliche Ich, als die sehende Welt über uns
zusammenbrach. Mit eigener Kraft und mit
hilfsbereiten Händen lieber Mitmenschen
hatten auch wir unser Dasein wieder aufzu-
bauen . . .
Nach dem Mittagessen, das mit Hilfe einer
Pianistin auch dem Ohr eine Erquickung
bo;t, wurde als Hauptziel der Reise der Zoo
besucht. Wiederum waren es die Worte
unserer Frauen, die uns anschaulich mach-
ten, was zu sehen war. Aber es drang auch
das Rufen, Kreischen oder Brüllen der Tiere
an das Ohr der Kameraden, und an ihre
Nasen die mehr oder minder angenehmen
Gerüche. Interessant war es, welche Tiere
den einzelnen Kameraden ganz besonders
zusagten. So standen einige dauernd bei
den Ochsen und Mauleseln, und ein anderer
konnte sich nicht von den Störchen trennen.
Ob ihm nur das Geklapper der Schnäbel so
gut gefiel? Immer wieder gab es viel herz-
am
Es
haftes Gelächter, erst recht, als wir
Abend noch gemütlich zusammensaßen
war eine familiäre Geselligkeit mit Tanz und
mit manchen Spaßen, bei denen oft alle mit-
machen mußten. Auch erfreuten einige im-
provisierte Darbietungen von einzelnen Ka-
meraden. Einige hatten auch ihr Akkordeon
mitgebracht.
Noch auf der Heimfahrt herrschte eine
großartige Stimmung, und mit gemeinsamem
Gesang fuhren wir gegen Mitternacht über
den Rhein. Es war fast 3 Uhr in der Frühe,
als die letzten Kameraden in ihren Heimat-
orten an der holländischen Grenze ankamen.
Das goldene Buch der frohen Erinnerungen
ist um ein weiteres Blatt bereichert worden,
und sicherlich werden wir noch oft darin
blättern. H. Sehr.
#
Gleich für zwei Tage hatte der Bezirk
Aachen seine Mitglieder zu einer Rhein-
fahrt eingeladen. Auch hier war das
Wetter dazu angetan, schon zu Beginn eine
gute Reisestimmung hervorzuzaubern, als
man die Autobusse bestieg. Bei Neuenahr
erreichten wir das Ahrtal, und in den schö-
nen Kuranlagen machten wir die erste Rast.
Bald ging es rheinaufwärts auf Koblenz zu.
Kaum ist all die vielfältige Schönheit der
Landschaft zu erfassen und zu schildern. Ein
seltenes Naturschauspiel krönt dieses Er-
leben: die Hitze wird immer drückender und
über den Bergen ziehen schwere Gewitter-
wolken herauf. Grelle Blitze durchschneiden
die Luft, und vielfach hallt der Donner in
den Bergen wider. Als der Regen auf das
Dach unserer Wagen prasselt, nähern wir
uns der alten Feste Ehrenbreitstein, doch
bald wieder begleitet uns strahlender Son-
nenschein, als wir, vorbei an Burg Stolzen-
fels und an Braubach mit der Marksburg,
unserem Tagesziel, Kamp,
entgegenfahren. Bei Mu-
sik, Sang und Tanz beschlie-
ßen wir den ersten Abend
am Rhein.
Am zweiten Tage bleibt
jedem beliebig Gelegenheit,
sich auf eigene Weise zu ver-
gnügen. Manche suchen die
benachbarten Rheinorte auf,
einige Unentwegte steigen
sogar hoch zu den Ruinen
der „feindlichen Brüder".
Nachmittags bringt uns ein
Schnelldampfer rheinabwärts
bis Koblenz, wo uns die
Wagen erwarten und weiter
nordwärts tragen. In Unkel
nehmen wir bei einem Glase
Wein Abschied vom Sieben-
gebirge, über Königswinter,
Bonn geht es der Heimat zu.
Wenn uns auch das Schicksal versagt hat,
die Schönheiten der Rheinlandschaft mit den
eigenen Augen wahrzunehmen, so war es
für uns alle doch ein großes Erlebnis, das
uns Entspannung und Freude brachte Durch
den Mund unserer Frauen auf jede Besonder-
heit aufmerksam gemacht, zog auch an un-
serem geistigen Auge das herrlich wech-
selnde Bild vorüber. Der Alltag aber, der
uns nun wieder in seinen Bann genommen
hat, wird durch die Erinnerung belebt und
durch die Hoffnung, im kommenden Jahr
noch einmal eine solche Fahrt erleben zu
dürfen. J D.
*
Mit ca. 50 Kraftwagen fuhren die Kamera-
den des Bezirks München-Gladbach /
R h e y d t , eingeladen vom ADAC, in das
niederrheinische Gebiet. Zwei „Weiße
Mäuse" führten und begleiteten unseren
Zug. Das Ziel unserer Fahrt blieb unbekannt.
Vor der Abfahrt erhielt jeder einen Zettel
mit der Frage: „Wo geht es hin?" Während
einer ersten Rast in Waldniel wurden die
Zettel in fröhlicher Stimmung ausgefüllt und
eingesammelt. Nach zweistündiger Fahrt
wurde das Ziel, die Gaststätte auf der Glad-
bacher Rennbahn in Neersen, erreicht. Fünf
Kameraden, die das Ziel erraten hatten, er-
hielten Preise für ihre gute Spionage.
Bei der Ankunft am Ziel wurde mit lau-
tem Hallo unser Landesverbandsvorsitzender,
Kam. Otto Jansen, begrüßt. Auch seine
Gattin und sein Neffe Hans waren der Ein-
ladung gefolgt. Die Hauskapelle empfing uns
mit dem Lied „Alle Vögel sind schon da",
und Bezirksleiter Kam. Lambert Hütten
dankte allen, die zum Gelingen dieser Reise
und den noch folgenden Überraschungen bei-
getragen hatten, nicht zuletzt dem Ge-
schäftsführer des ADAC, Herrn Franzen.
Nach dem Kaffee erhielt jede Frau ein süßes
Geschenk. Dann wandte sich Kam. Otto
Jansen mit herzlichen Worten an alle An-
wesenden.
Bei Tanz und froher Unterhaltung ver-
gingen die Stunden, wobei sich vor allem
der junge Hans Jansen immer wieder be-
währte, der für seine humoristischen Dar-
bietungen freudigen Beifall fand. Er war es
auch, der in humorvoller Weise die große
Überraschung des Tages gelingen ließ: mit
unermüdlichem Fleiß hatte unser Kam. Hütten
eine Verlosung zusammengebracht. Wie
gern hätten wir die Gesichter der Frauen und
der Kameradenwitwen gesehen, als sie ihre
schönen Gewinne empfingen. Herzliche Worte
für uns fand der Vorsitzende des ADAC,
Herr Dr. Meyers, der unter stürmischem
Beifall der Kriegsblinden versprach, im näch-
sten Jahr wieder eine solche Fahrt zu ver-
anstalten. Nach Stunden frühester Stimmung
wurde jeder Kamerad von seinem Auto-
fahrer nach Hause gebracht. Herzlichen Dank
all denen, die uns diese Fahrt so schön
gestaltet haben!
Zu einem originellen Vergnügen wurden unsere -Kameraden
aus Böblingen eingeladen — zu einer Fahrt mit .Wasser-Velos".
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Im Schöneberger „Prälaten"
i Unsere Berliner Kameraden können ja lei-
der nicht Fahrten ins Blaue oder Fahrten ins
Grüne unternehmen. Die Bewegungsfreiheit
ist sehr eingeschränkt. Aber trotzdem konnte
ein Sommerfest veranstaltet werden, das
nicht weniger fröhlich verlief, als ob man
eine große Reise gemacht hätte. Man traf
sich im „Prälaten", in Berlin-Schöneberg, zu
heiterem Zusammensein und Tanz, und der
unerwartet starke Besuch bewies, wie aktiv
d,er Zusammenhalt der Kameraden in Berlin
ist.
Ein Samstagnachmittag in Frankfurt
; Die Brauerei Henninger hatte uns einen
riektoliter Bier gestiftet. Zu einem Um-
trunk reichte es, und so lud der Bezirk
Frankfurt a. M. seine Mitglieder zu einem
gjemütlichen Samstagnachmittag ein. Es
waren fast 80 Kameraden mit ihren Ehe-
frauen oder Begleitpersonen, die der Ein-
ladung Folge leisteten. Der kleine Saal des
„Frankfurter Hof" in Frankfurt-Schwanheim
faßte gerade noch diesen Kreis, der von
Kamerad Cyrus, dem Bezirksleiter, herzlich
begrüßt wurde. Bei Bier, Apfelwein und
einem kleinen Imbiß kam bald die ge-
wünschte gemütliche Stimmung auf Zwei
Kameraden meisterten die Quetschkom-
mode, lustige Vorträge und die Versteige-
rung einer ebenfalls gestifteten Flasche
Weinbrand brachten Heiterkeit und frohe
Laune. Alle Kameraden waren frohgestimmt
bei der Sache. Ihre Zufriedenheit fand auch
darin ihren Niederschlag, daß eine große
Anzahl von ihnen die Vierteljahres-Beilräge
bei dieser Gelegenheit unserem stets emp-
fangsbereiten Kassierer Kamerad Degenhardt
ablieferte. Auch wurden, wie immer bei Zu-
sammenkünften, vielen Kameraden erbetene
Auskünfte erteilt.
Eine fröhliche Wasser-Velo-Fahrt
Die kriegsblinden Kameraden des Kreises
Böblingen in Württemberg waren an
einem sonnigen Julisonntag Gäste des Boots-
verleihers am Unteren See der Kreisstadt.
Die Fahrt in diesen neuartigen Wasserfahr-
zeugen machte allen Kameraden viel Spaß
und so entwickelte sich bald ein lustiges
Treiben auf dem feuchten Element. Es wurde
iri die Pedale der Wasser - Velos getreten,
als gelte es, Rekorde aufzustellen. Dann
aber machten sich die „Eckstein-Lungen" leicht
bemerkbar, und man ließ sich eine Weile
treiben, plauderte dabei mit den anderen,
Bootsinsassen und bekam dann und wann,
wenn die bessere Ehehälfte am „Steuer-
knüppel" nicht recht aufpaßte, eine er-
frischende Dusche von dem inmitten des
Sees aufgestellten Springbrunnen.
Als der freundliche Stifter dieser Fahrt er-
kannte, eine wie unerwartet große Freude
er uns gemacht hatte, lud er uns für einen
Augustsonntag nochmals zu einer Freifahrt
ein. Dagegen erhob sich natürlich kein Ein-
spruch . . .
50jähriges Berufsjubiläum
Der Kriegsblinde Wilhelm Kerls aus
Wattenscheid, Freiligrathstraße 12, konnte
am 28. Juli sein 50jähriges Berufsjubiläum
bei den Rheinischen Stahlwerken (Schacht-
anläge Centrum) feiern. Kamerad Kerls hat
vor 50 Jahren als Bergmann seine erste
Schicht auf der Schachtanlage Centrum ver-
ES STARBEN
LANDESVERBAND HESSEN
Ohnesorg, Hermann, Darmstadt-Eber-
stadt, Weingartenstraße 33, geb. am 10. 5.
1882, gest. am 8. 8. 1951.
LANDESVERBAND NORDRHEIN
Zimmermann, Ernst, Wuppertal-Ro.,
Talsperrenstraße 26, gest. am 20. 7. 1951.
Witwe Maria Katharina Hennesen, Wal-
sum a. Niederrhein, Römerstraße 368, gest.
am 9. 8. 1951.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHN!
fahren und schlug, nach Erfüllung seiner
Wehrpflicht als Pionier von 1909 bis 1911,
die Steigerlaufbahn ein und besuchte neben
der schweren Grubenarbeit die Bergschule.
Da karn der Weltkrieg und unterbrach den
Berufsweg. Im Oktober 1916 verlor Kam.
Kerls bei den Kämpfen vor V.erdun sein
Augenlicht. Wenn auch seinem Wollen und
Können seitdem Grenzen gesetzt sind, so
ließ sich Kam. Kerls doch nicht unter-
kriegen und ist nun seit mehr als 30 Janren
in der Verwaltungsabteilung des gleichen
Betriebes tätig und erfreut sich größter Hoch-
achtung seitens seiner Kollegen und Vor-
gesetzten. Auch der Bund der Kriegsblinden
spricht diesem tüchtigen Kameraden die
herzlichsten Glückwünsche zu seinem Ehren-
tage aus, und wir rufen ihm ein frohes
„Glückauf!" zu.
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GOSLAR
PERSÖNLICHES
Unser Kamerad Wilhelm Christmann
und seine Ehefrau Emma, geb. Bolz, wohn-
haft in Remscheid-Lennep, Kölner Straße 97,
konnten am 30. Juli 1951 das Fest der sil-
bernen Hochzeit feiern. — Auch unser Ka-
merad Josef Schmitt und seine Ehe-
frau, Rheinhausen, Krefelder Straße 40,
konnten am 5. 6. 1951 das 25jährige Ehe-
jubiläum begehen.
Beiden Ehepaaren gelten unsere herz-
lichsten Glückwünsche.
Aus dem Bezirk Geldern-Kleve-Moers ver-
mählten sich die Kameraden Hermann van
B e s e 1 , Wetten über rKevelaer, Marien-
straße 77b, am 6. 4., sowie Anton S c h o u -
t e n , Asperden bei Goch (Rhld.), Am Bahn-
hof 87b, am 4. 6. 1951. Wir wünschen den
Kameraden und ihren lieben Frauen von
Herzen alles Gute.
*
Unser Kamerad Willi Riedel, Offenbach
a M., Kraftstraße 12, und Frau Anneliese,
geb. Sielaff, geben ihre Vermählung bekannt.
Wir wünschen Glück und Segen.
*
Ebenfalls heiratete unser Kamerad Emil
Hippler, z. Z. Marbach (Hunsrück). Wir
gratulieren herzlich!
ra
Mit dankbarem Herzen empfing ich die vielen Zeichen wärmster Anteil-
nahme, die mir ein Beweis dafür sind, wie es meiner Frau gelungen
war, sich durch ihre restlos aufopfernde Liebe alle Herzen zu gewinnen.
Ich bitte zu entschuldigen, daß ich bei der Überfülle der Kranz- und
Blumenspenden, aus meiner unsäglichen Vereinsamung heraus, auf
diesem Wege meinen Dank zum Ausdruck bringe
Dr. P. PLE1N
\rlenbach, 28 August 1951 Amtsgerichtsrat
Ungar-Deutsche
kalh., Hausangestellte, 28 Jahre,
sucht die Bekanntschaft eines
kath. soliden Kriegsblinden zw.
späterer Heirat. Zuschriften unt.
W. G. an die Schriftleitung, Biele-
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Kriegerwitwe
Endvierzigerin, sucht Verbindung
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nenslraße 27. Liefere auch am
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15
<~S\iewtc Jxcicuffcecicsi,
Der Krieg in Korea hat, wie wir aus den
Vereinigten Staaten hören, bereits über 40
amerikanischen Soldaten das Augenlicht
gekostet. - .
*
Ein über 40jähriger Kriegsblinder aus
Frankenthal erwarb mit erstaunlichen Lei-
stungen das Goldene Sportabzei-
chen, nachdem er im vorigen Jahr das
Versehrtensportabzeichen erworben hatte.
Schon. für einen Sehenden gehört erhebliche
Energie und ein intensives Training dazu,
das Goldene Sportabzeichen als höchste sport-
liche Auszeichnung zu erringen. Dabei blieb
unser Kamerad durchweg erheblich über den
geforderten Mindestleistungen. So schwamm
er die 300 Meter in 6.45f wo 9 Minuten ge-
nügt hätten. Die 400 Meter lief er in der
hervorragenden Zeit von 62,5 (Mindestfor-
derung: 72 Sek.). Besonders bemerkenswert
ist seine Leistung im 3000-m-Lauf mit 11 Min.
35 Sek. (statt 15 Minuten). Das scheint die
Spezialstrecke unseres Kameraden zu sein,
der beim Hanns-Braun-Gedächtnislauf seiner
Heimatstadt in diesem Frühjahr trotz seiner
Erblindung bei einem 10 Mann starken Feld
als Vierter das Ziel erreichte.
Mit dem von unserem Kameraden Möbius
(Leipzig) entwickelten Stenosystem- der sie-
ben Punkte hat nunmehr als erster Blin-
der der Stenötypist Fritz Hübsch aus Chem-
nitz bei einem Leistungsschreiben eine Ge-
schwindigkeit von 300 Silben je Mi-
nute erreicht. Seine Leistung wurde mit
der Note „Gut" bewertet. Möbius selbst
schreibt zur Zeit mit einer Geschwindigkeit
von 280 Silben je" Minute. Beide Stenoty-
pisten glauben, daß es sich hierbei nicht um
einzelne Höchstleistungen handelt, sondern
daß es auch vielen anderen blinden Steno-
typisten gelingen kann, ähnlich hohe Ge-
schwindigkeiten zu erreichen.
Wir möchten aus diesem Anlaß erneut an
unsere Stenotypisten die Frage
richten, ob sie an der Einführung des
7-Punkte-Systems interessiert sind. Bei ge-
nügender Beteiligung könnte man sicherlich
die Beschaffung von Lehrbüchern und Ma-
schinen in die Wege leiten: Nachrichten
gehen am besten direkt an die Schräftleitung
„Der Kriegsblinde", Bielefeld, Stapenhorst-
straße 138.
Auch der Bund der Hirnverletzten
verfügt nunmehr über ein bundeseigenes
Erholungsheim mit 50 Betten, und zwar im
Luftkurort Braunfels zwischen Taunus und
Westerwald, auf den Höhen der Lahn.
Der Leiter der ärztlichen Abteilung des
Bundesministeriums für Arbeit, Prof. Dr. med.
Dr. phil. Michael Bauer, der in vieler
Hinsicht unserer Arbeit verbunden ist, er-
hielt einen Lehrauftrag für das Fach der
Arbeits- und Versicherungsmedizin an der
Universität Bonn.
*
Im Alter von fast 65 Jahren verstarb am
15. August überraschend der Direktor der
Stuttgarter Blindenanstalt „Nikolauspflege",
Gottlob S a i 1 e r. Der Verstorbene hat sich
im Blindenwesen in vieler Hinsicht sehr
verdient gemacht und war auch innerhalb
des Vereins „Deutsche Blindenarbeit" maß-
geblich tätig.
*
Vierzig blinde Esperantisten aus
14 Ländern nahmen an dem 21. internatioria-
len Kongreß blinder Esperantisten im Rah-
men des Welt-Esperanto-Kongresses teil.
*
Der Pforzheimer Handharmonika-Solist
Willi Blank, ein nach Wurmberg eva-
kuierter Kriegsblinder, -wurde vom Süddeut-
schen Rundfunk erneut zu Tonaufnahmen
verpflichtet. Die in Kürze vom Sender Stutt-
gart zu erwartenden Übertragungen werden
auch eigene Kompositionen unseres
Kameraden enthalten, darunter einen Marsch
- „Auf zum Sommerberg", der als Gruß für
unser Erholungsheim in Wildbad gedacht ist
und auch dort während einer Erholungskur
komponiert wurde. Unter den ebenfalls vom
Rundfunk übernommenen Kompositionen be-
findet sich auch ^ein Walzer „Goldstadt-
perlen", seiner Heimatstadt gewidmet. Kam.
Blank hat für den Rundfunk in diesem Jahr
nun schon zum viertenmal das Tanzinter-
mezzo „Der lustige Hamburger" auf Tonband
gespielt. Wir beglückwünschen unseren Ka-
meraden herzlich zu seinen Erfolgen.
Opfer eines Betruges wurde ein
kriegsblinder Kamerad, der ein Eigenheim
bauen wollte. Er fiel einem neunmal vor-
bestraften Bauingenieur in dier Hände, ^er
ihn um einen erheblichen Baukostenzuschuß
prellte. Das Baugeschäft machte Konkurs
und der Kriegsblinde geriet in bitterste Not,
weil er die Zinsen für das verlorene Geld
weiterzahlen mußte. Die Strafkammer in
Hagen verurteilte den Betrüger zu 14 Mona-,
ten Zuchthaus und vier Jahren Ehrverlust.
Dieses Beispiel lehrt erneut, mit wieviel Um-
sicht und Vorsicht heutzutage ein Bauvor-
haben betrieben werden muß.
*
In Anwesenheit zahlreicher Vertreter der
Kirchen und der Behörden wurde am 5. Au-
Greve & Uhl
OSTERODE
gust das Blindenheim bei Nüm-
brecht (Bezirk Köln), das von der Christ-
lichen Blindenmission im Orient e.V. erbaut
wurde, feierlich eingeweiht. Die Festpredigty
hielt ein erblindeter Pfarrer, die Weiherede
der Biindeswart vom Jugendbund für ent-
schiedenes Christentum. Das Heim, über das
wir in unserer Zeitschrift mehrfach berichtet
haben, bietet 35 bis 40 durch zusätzliche
Leiden behinderten Blinden einen Dauer-
aufenthalt, übrigens feiert der Gründer und
Leiter der Christlichen Blind e n m i s s i o n
i nvO r i e n t (Sitz: Geroldsgrün i. Oberfran-
ken), Pastor Ernst J. Christoffel,, am 4. Sep-
tember in Isfahan (Iran) seinen 75. Geburts-
tag. Im Januar 1951 ging er wieder aufs
Missionsfeld, um die von ihm 1907 gegrün-
dete Arbeit wieder aufzunehmen. 1926 wurde
das erste Blindenheim in Tähris und zwei
Jahre später ein zweites in Isfahan gegrün-
det. Der Islam, der in diesen Gebieten vor-
herrscht, kennt den Blinden gegenüber weder
Liebe noch Erbarmen.
*
In L ü b e c k wurde eine Blindensied-
1 u n g eingeweiht, die außer einenv Ledigen-
heim mit Werkstätte 16 Einfamilienhäuser
umfaßt. Das Bauvorhaben wurde vor allem
mit Hilfe sogenannter „Bausteine", die u.a.
von den Schulkindern Schleswig-Holsteins
vertrieben wurden, finanziert. Auch Mittel
der Soforthilfe fanden Verwendung, die
ebenfalls für den Wiederaufbau und die
Erweiterung des Landes-Blindenheims in
Kiel bewilligt wurden. Dieses Heim soll
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njach der Fertigstellung 100 Blinde äufneh-
rijen. — Auch in Hannover wurde der
GJrundstein zu einem Blindenwohnheim ge-
legt, dessen Bau 210 000 DM erfordert.
*
i Ein Kriegsblinder bestieg in Begleitung
zweier Freunde den Jennergipfel bei
Berchtesgaden, wobei er sich aus dem Ge-
dächtnis so präzise orientieren konnte, daß
eine Hilfeleistung kaum nötig war.
*
Nach einiger Vorbereitungszeit wurde ein
Film über die Arbeit des VdK, „Die
große Gemeinschaft" , fertiggestellt. Die Spiel-
dauer beträgt 23 Minuten. Der Film gibt
einen Querschnitt durch die Arbeit des Ver-
bandes. Ein Mitglied des VdK, Inhauser,
zeichnet für die Gesamtleitung und das Dreh-
buch verantwortlich. Als Sprecher stellte sich
Paul Hartmann zur Verfügung. Der Film
soll in Kürze in allen Landesverbänden des
VdK zum Einsatz kommen.
*
Im Grunde, wenn auch indirekt, ist die
Metallarbeiterfrau Anne Blaine, die in die-
sen Tagen gestorben ist, durch den Krieg
erblindet. Sie lebte in einer kleinen ameri-
kanischen Stadt des Mittelwestens und. las
während des Krieges mit Erschütterung die
Berichte von den Bombardierungen deutscher
Städte. Sehr bald beschloß sie, mitzuhelfen
die Wunden zu heilen. Aber da sie als arme
Frau kein Geld hatte, ging sie daran, Tag
für Tag in allen Schlachtereien Abfälle zu
sammeln und Seife zu kochen. Als die
Nachricht vom Waffenstillstand kam, konnte
sie den amerikanischen Quäkern nicht weni-
ger als 800 kg selbstgekochter Seife zur
Verfügung stellen, die sie auf dem Dach-
boden gestapelt hatte. Die Dünste bei der
Seifenherstellung hatten jedoch schon sehr
früh ein schweres Augenleiden hervorgeru-
fen. Entgegen den Anweisungen des Augen-
arztes hörte Anne Blaine mit der Seifen-
kocherei nicht auf, bis eine zunehmende Er-
blindung ihrer Hilfstätigkeit ein Ende setzte.
' SoIange"sie lebte, blieb diese Wohltäterin
anonym und unbekannt.
3&i .un>ieke SdkackfiiieutteLe
Partie aus dem Slukenbrocker Schachturnier
iür Blinde 1951
Holländisch
Weiß: Uekermann (Herford) —
Schwarz: Unverdroß (Berlin)-
1. d4 e6 2. c4 f5 3. Sc3 (g3 nebst Lg2 ist
hier unbedingt vorzuziehen) 3. — Sf6 4. Lg5
Lb4 (folgerichtiger wäre Le7) 5. Dc2 O — O 6.
e3 b6 7. Ld3 Lb7 8. f3 (erzwungen! Jetzt zeigt
sich, daß Weiß seinen Königsläufer besser
über g2 entwickelt hätte; allerdings kann der
Textzug einem evtl. Bauernvorstoß nach e4
zugute kommen) 8. — h6 9. Lh4 d5? (schwächt
den Bauern e6; stärker ist sofortiges c5) 10.
Sge2 c5 11. O— O (Weiß hat sich eine gün-
stige Basis für das Mittelspiel geschaffen) 11.
— c:d4 12. S:d4 Dd7 13. c:d5 S:d5 14. S:d5
D:d5? (L:d5 mußte geschehen) 15. Lc4! De5
16. L:e6+ (nach 16. S:e6ü droht ein gefähr-
liches Abzugsschach, und Weiß gewinnt
zwangsläufig die Qualität, z. B.: 16. S:e6
Tc8 17. Db3! a5 (La5) 18. Sc7+ usw.) 16. —
Kh8 17. Lf2 Lc5 18. Tadl?? (nun verliert
Weiß eine ganze Figur! Nach 18. Tel hat
Weiß noch nichts zu befürchten) 18. — Lrd4!
(Le6 verliert seinen Beschützer. Schwarz
nimmt nun das Spielgeschehen fest in seine
Hand und gewinnt leicht.)
(Anmerkungen von G. Mertens nach An-
gaben beider Spieler.)
Das Seekadettenmatt
Auf dieses Matt fällt fast jeder herein,
der es nicht kennt. Seinen Namen hat es
nach der Operette „Der Seekadett", in der
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17
in einer lebenden Schachpartie das in der
folgenden Partie gezeigte Mattbild entstand.
Nach langem Warten fand auch ich kürzlich
ein Opfer, dem ich auf diese schöne Weise
den Garaus machen konnte.
Königsgambit
Weiß: Mertens — Schwarz: Greven
1. e4 e5 2. f4 d6 3. Sf3 Sc6 4. Lc4 Lg4 5.
Sc3 h6 6. d3 Sd4 7. Se5! L:dl?? (warum so
habgierig? 7. — d:e5 ist doch auch nicht zu
verachten) 8. L:f7+ Ke7 9. Sd5++.
Der Schwarze soll recht dumm aus der
Wäsche geguckt haben. Ein müheloser
Damengewinn hat zweifellos manches für
sich; man sollte sich aber doch vorhei reif-
lich überlegen, ob man dadurch nicht in die
„letzten Züge" gerät!
Reinfall in der italienischen Partie
Im Vereinsturnier (A-Klasse) des ESV
Turm Köln errang ich mit 10:2 Punkten den
1. Platz und stieg in die Meisterklasse auf.
In einer italienischen Partie fiel ich auf eine
mir bis dahin unbekannte Variante herein
und verlor bereits in der Eröffnung eine
Figur. Verfolgen wir einmal das Spiel bis
zu dem Punkt, wo die Reihe an mir war, ein
nicht gerade klug zu nennendes Gesicht zu
machen.
Weiß: Gratzfeld — Schwarz: Mertens
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Lc5 4. c3 d6 5.
d4 e:d4 6. c:d4 Lb4+ 7. Kfl? (ich war recht
verwundert über diesen schlechten Zug,
ahnte ich doch keine hinterlistige Absicht!)
7. — Sf6? (La5 wäre angebrarcht gewesen) 8.
d5! Se5 9. S:e5 d:e5 10. Da4+L(o.weh! Nun
ist- der gute Läufer futsch! Enttäuscht und
verärgert über meine Kurzsichtigkeit gab ich
bald auf. Beim Nachspielen zeigte sich, daß
der Zug 7. Kfl sehr riskant ist. Geht Schwarz
nicht auf den Leim, so kommt Weiß in Nach-
teil. Ich würde es als Weißer in einer Turnie-
partie nicht darauf ankommen lassen).
Zwei Schachaulgaben
Aufgabe 1, von Kam. F. Steidele
(Bockum-Hövel):
Weiß: Kh5, Se6, Ld6; f5. (4)
Schwarz: Kh8; g7, f6 (3)
Matt in fünf Zügen.
er
6U44
Auf gäbe 2, G. M.:
Weiß: Kd8, La5, Se5; d4. (4)
Schwarz: Kb8, La8, Sc5; b7, c6, dS,
e6. (7)
Matt in zwei Zügen.
Lösungen
zu den Aufgaben im Augustheft:
Aufgabe 1: 1. Tg7 Kf4 2. Kf2 K:f5 3. Ke3
Ke6 4. Kf4 Matt.
Aufgabe 2: 1. Ld6 g6 (g5) 2. Lf8+ +
Gabriel Mertens
Benedict & Dannheisser
G. M. B. H.
Leonische Spinnerei und Weberei
NÜRNBERG- N.
Äußsre Bayreuther Straße 48
T^cc/tcr
Ecce poeta!
Exuperys „Kleiner Prinz" im Hessenlunk
Da kommt einer und zeigt den Leuten vom
Hörspiel, wie viel und wie wenig dazu ge-
hört, die ganze Zauberkraft des Instruments
Rundfunk zu entfesseln! Dabei ist er längst
tot und zu den patentierten Funkautoren hat
ei ohnehin nie gehört. Nichts als ein Dichter
war er — aber wer das ist, hat offenbar
den Routiniers viel voraus. Antoine de
Saint-Exuperys „Kleiner Prinz", jenes nach-
denklich-ironisch-rührende Märchenbuch für
diejenigen unter den großen Leuten, die
nicht vergessen haben, daß sie einmal Kinder
waren, brauchte so gut wie gar nicht verän-
dert zu werden, um sich vor dem Mikrofon
(des Hessischen Rundfunks) als eines der
schönsten und thematisch reizvollsten Hör-
spiele der letzten Zeit zu repräsentieren. Die
besinnlich-verträumten Gespräche zwischen
dem in der Sahara notgelandeten Flieger und
jenem von einem anderen Planeten her-
gewehten Märchenwesen, eben dem „kle.inen
Prinzen", gewannen beim Hören fast noch
stärkere Leuchtkraft als beim Lesen Und
das will viel heißen angesichts der Eindring-
lichkeit dieses Buches, das einem umfassen-
den Wissen um die Höhen und Tiefen
menschlicher Seelenlandschaft sein Entstehen
verdankt. — Harro Umbehrs vorsichtige, ja
ehrfürchtige Bearbeitung wahrte überall den
Zauber des Originals. Mit ihren kaum merk-
lichen Überleitungen und Streichungen und
ihrem Verzicht auf eigenmächtiges Hinzu-
fügen gelang es ihr, den Kern der Dichtung
klar herauszuschälen, wozu Heinz Schröters
einfühlsame Zwischenmusik wesentlich half.
Ein guter Gedanke des Regisseurs Rudolf
Rieth war es, die Rolle des kleinen Prinzen
einer Frauenstimme (Ruth Hellberg) anzu-
vertrauen. Es wäre lohnend, etwas über das
Echo dieser schönen und verdienstlichen Erst-
sendung zu erfahren.
. . Des Bischofs Bettler
Hörspiel im Süddeutschen Rundfunk
Nicht immer muß ein Mensch des anderen
Wolf sein. Der Ziegenhirt, der vom Wagen
des spazierenfahrenden Bischofs überfahren
und dadurch in die Versuchung des Hasses ge-
bracht wird, wächst stattdessen für den Rest
seines Lebens in die Rolle von „des Bischofs
Bettler" hinein: ein ständiges Menetekel für
den Hochmut des mächtigen.. Mannes und
eine lebendige Warnung vor den Fallstricken
geistlicher Selbstgefälligkeit. Der Bischof,
dem zuvor Anblick und Gesuch der Bettler
ein Ärgernis waren, hat es ihm zu verdan-
ken, daß er zum Schirmherrn der Armen
wird, daß er an seiner Seele nicht Schaden
leidet. — Mit solidem, handwerklichem Kön-
nen hat Werner Eiche diese, im Italien der
Aufklärungszeit spielende Erzählung von
Stephan Vincent Benet in ein Hörspiel ver-
wandelt. Das Stück besitzt hinreichend äußere
Handlung, um die gespannte Aufmerksam-
keit wachzuhalten, versäumt jedoch auch
nicht, zugleich den Hörer von Anfang an
auf die eigentliche innere Aussage des Gan-
zen hinzulenken: darauf, daß der Mensch
dem Menschen zur Demut verhelfen soll,
weil er ihm dadurch zur Liebe verhilft. Es
blieb der Eindruck einer handfesten Ge-
brauchsarbeit, deren Sendung lohnend war,
wenn sie auch im dichterischen Schwung
keinen Höhenflug nahm.
Gartenlaube mit Psychoanalyse
Tennessee Williams „Steinerner Engel" im NWDR
Es war zweifellos die bisher eindrucks-
vollste Inszenierung, des Hamburger Regis-
seurs Burmester, dem man so viel diffizile
Töne gar nicht zugetraut hätte, und zugleich
eine der großartigsten Menschendarstellun-
gen durch Gisela von Collande, welcher
Tennessee Williams „Steinerner Engel" seine
intensive Mikrofonwirkung über 90 Minu-
ten hin verdankt. Nimmt man noch Gerda
von Uslars gescheite Bearbeitung hinzu, so
könnte man auf den Gedanken kommen, daß
das Hörspiel, dessen Reize jeden reprodu-
zierenden Künstler bezaubern mußten, nur
Zustimmung herausfordern könne. Indessen
darf man wohl, wenn man ein lebendiges
Gefühl für das Bedürfnis des breiten Rund-
funk-Publikums nach menschlicher Führung
besitzt, nicht nach der Aussage des
Stückes zu fragen vergessen — und die ist
dürftig genug. Vor jenem Hintergrund ver-
sponnener oder verschrobener Kleinstadt-
stimmung, deren Schilderung aus Gartenlaube
und Psychoanalyse gemischt zu sein scheint
und die gänzlich unberührt von den Ge-
schehnissen und Nöten unserer Welt ist,
erlebt man, wie ein unwiderstehlich lieder-
licher junger Mann mit zunehmendem Alter
solide wird, während die süß-kokette mora-
lische Hysterie einer jungen Pfarrerstochter
sich — umgekehrt — im Laufe der Zeit aus
Torschlußpanik zum Bedürfnis nach Prosti-
tution verwandelt. Nach solchen Offenbarun-
gen ist man versucht zu bedauern, daß so
viel Kunst auf so wenig Substanz verschwen-
det wird und daß man das deutsche Pu-
blikum, in welchem fast jeder einzelne tiefere
Schicksalsblicke getan hat, mit so Oberfläch-
lichem geistig zu nähren sucht. Im übrigen
ist nach Aussage der Ärzte in Deutschland
durch die existentiellen Erfahrungen des
letzten Jahrzehnts die Hysterie, sogar pro-
zentual nachweisbar, im Abnehmen begrif-
fen, und die moralische Lockerung nach dem
zweiten Weltkrieg hat .wenigstens den Vor-
teil gebracht, daß das Sexualproblem etwas
aus dem Schwerpunkt unserer Angst-Diskus-
sionen herausgerückt ist. In Amerika scheint
man darin noch auf dem Standpunkt von
1920 zu verharren.
Kolportage und Edelkolportage
Zu Sendungen in München und im NWDR
Das Bedürfnis nach Hingabe an die Krimi-
nalspannung muß zweifellos in der Natur
des Menschen liegen. . Wenn wir nicht irren,
sagt Schiller irgendwo in seiner Pitaval-
übersetzung einmal: wer sich nicht bemühe
den Teufel im Menschen zu entdecken, werde
auch den Engel in ihm niemals auffinden.
Die von Traute Wach übersetzten halbstün-
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Großdruckerei • Buch- und Offsetdruck -Plakate . Prospekte . Kataloge
18
digen Hörfolgen des NWDR „Aus den Ge-
heimakten von Scotland Yard" gehen oft in
ihrer für- dieses Genre wohltuenden Einfach-
heit und ohne krampfhafte Sucht nach Sen-
sation in die Richtung eines solchen Bemü-
hens. Auch die Filme und Hörspiele R. A.
: Stemmles mit ihrer eleganten Glätte der
technischen Macbart bedienen sich oft mit
Erfolg, und ohne daß etwas dagegen einzu-
wenden wäre, der Kriminal-Spannung —
wenn auch in seinem letzten, der „Geheim-
akte CB 200" vom NWDR Berlin, leider ein
kleiner Schönheitsfehler unterlief, weil nicht
glaubwürdig wurde, wie die für den fran-
zösischen Kriminalfall zuständigen Behörden
von der Beichte des Verurteilten in jener
deutschen Zuchthauszelle erfahren haben
konnten. Auch der altbekannte Stoff vom
i „Wasser für Canitoga" ist eine Art Stemmle-
I Stoff. Allerdings wurde er in München von
I Heinz Günther Stamm mit erheblich mehr
! (überflüssigem) Lärm inszeniert, als der über-
; aus effektsichere Stemmle eingelegt hätte. —
1 Alle solche Stoffe sind von jener sogenann-
ten „todsicheren" Wirkung, die außerkünstle-
risch ist und mit zunehmendem Bemühen um
das Todsichere schließlich in Gefahr kommt,
außermenschlich oder - gar unmenschlich zu
werden. Die Grenze, bis zu welcher man sich
in dieser Hinsicht zu gehen gestattet, gibt
ein genaues Kriterium über die Qualität der
Verantwortlichen ab — und leider, auch im
deutschen Rundfunk, nicht immer durchaus
ein positives. So hätte man z. B. auf das
amerikanische Sensations-Hörspiel „Fernamt
bitte!" (nach der Münchener Inszenierung
nun auch im Programm des NWDR an-
gezeigt) lieber verzichten sollen.
Unser Senior des Schachs
Der Vereinsvorstand vom S c h a c h v er-
ein Reutlingen übermittelt uns den
folgenden ehrenden Gruß für einen kriegs-
blinden Meisterschachspieler, den jüngeren
Kameraden zur Ermutigung und zum Vorbild:
„Was bei allen "Lurnierteilnehmern und
Gästen bei unseren Städtevergleichskämpfen
am meisten Staunen und Hochachtung aus-
löst, ist immer wieder das Spiel unseres
• biTnden Vereinskameraden Ernst Linden-
i b.a u e r. Wenn er in stoischer Ruhe an sei-
nem etwas verkleinerten Tastbrett sitzend
den schwitzenden Gegner mehr und mehr in
die Enge treibt, dann folgen ihm viele be-
wundernde Blicke.
Dabei' ist der heute Sechzigjährige immer
im ersten Drittel zu finden. Sein Sieg ist
für uns schon fast etwas Selbstverständliches.
Unsere sicherste Nummer!
Hier hilft kein Deuten und Winken der
Kiebitze. Und wenn — wie es einmal in
einer Nachbarstadt vorkam — sechs Augen-
■jDrogrammvorscItau für j^rörspiele
Durch die freundliche Mitwirkung der deutschen Rundfunksender können wir künftig-unseren
Lesern eine Programmvorschau für den Hörspielplan geben. Wir hoffen, daß unsere Leser
von diesen Tips eifrig Gebrauch machen.
NWDR/UKW-Nord: „Ein klassischer Fall", Kurzhörspiel von Volker Weller
Frankfurt: „Clarissa", nach Lessings Trauerspiel „Miss Sara Sampton", be-
arbeitet von Friedrich Karl Kobbe
München: „Der Windhund", von Klaus Brill
Frankfurt/UKW: „Das Gerücht", Hörspiel von Josef Martin Bauer
NWDR Hamburg: „Europa — Traum oder Wirklichkeit", von Axel Eggebrecht
Südwestfunk: „Europa — Traum oder Wirklichkeit", von Axel Eggebrecht
München und Bremen: „Der Träumer und die Puppen", von Jonquille
NWDR: „Wenn wir alle Engel wären", Hörspiel von Heinrich Spoerl
NWDR/UKW-Nord: „Flüchtlinge", Hörspiel von Hermann Roßmann
NWDR/UKW-Nord: „Der alte Roboter", Hörspiel von Christian Bock
Frankfurt: „Unser Herr Vater", Hörspiel nach Clarence Day, von Just Scheu
Frankfurt/UKW: „Der kleine Prinz", von Antoine de Saint-Exupery, Funk-
bearbeitung: Harro Umbehr
Bremen: „Defiaudanten", nach A. Polgar, von R. A. Stemmle
Südwestfunk: „Das große Messer", von Clifford Odets
Stuttgart: „Johanna von Piennes", von Romain Rolland; Funkbearbeitung:
Hans Sattler
RIAS: „Proteus", Satirspiel von Paul Claudel
NWDR: „Ein Phönix zuviel", von Christopher Fry
München: „Der Tod des Empedokles", von Hölderlin
Frankfurt: „Kirschen für Rom", Funkkomödie von Hans Hömberg
Frankfurt/UKW: „Unterm Birnbaum", nach der Erzählung von Theodor Fon-
tane, bearbeitet von Günther Eich
Südwestfunk: „Der Kampf der Tertia", von Wilhelm Speyer
NWDR: „Aucassin und Nicolette", von Dr. Walter Teich, nach einer alt-
französischen Fabel
Frankfurt: „Hero und Leander", von Egon Jameson
Frankfurt/UKW: „Unser Herr Vater", Hörspiel nach Clarence Day, von Just
Scheu
Südwestfunk: „Unter den Brücken", Hörspiel von Walter Ulbrich
NWDR: „Ich bin 45 Jahre alt", von Heinz Vollmer
Frankfurt: „Zwei Nächte und ein Leben", von Hermann Stahl, nach einem
Kapitel des Romans „Traum der Erde"
Frankfurt/UKW: „Clarissa", nach Lessings Trauerspiel „Miss Sara Sampson",
bearbeitet von Friedrich Karl Kobbe
Stuttgart: „Blau und Rot im Regenbogen", von Walter Bauer.
15.
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19
paare sich? um das Problem bemühen: die
kalte Dusche ist ihnen gewiß.
Ist es nicht erstaunlich, daß der im ersten
Weltkrieg Erblindete, dem kein Schachbuch,
geschweige denn moderne Meisterwerke zu
Gebote stehen, sich noch immer mit unseren
starken Gegnern messen kann? Wie muß es
ihn gefreut haben, als er beim Simultanspiel
dem Großmeister Bogoljubow. ein
Unentschieden abtrotzen konnte!
Dem heute pensionierten Justizobersekre-
tär, der lange Jahre das Protokoll beim
Amtsgericht führte, ist früher das „könig-
liche Spiel" die nötige Erholung und Ablen-
kung gewesen. Darüber hinaus aber half es
ihm, das visuelle Denkvermögen zu erhalten.
Leider gibt es in Deutschland wenige quali-
fizierte Schachspieler. Wie mancher Kriegs-
blinde des zweiten Weltkrieges könnte hier
neue Lebensfreude schöpfen!
Fast drei Jahrzehnte konnte Ernst Linden-
bauer die Geschicke des Reutlinger Schach-
vereins miterleben. Dabei erwarb er sich
viele Freunde. Auch er freut sich über das
neue Aufblühen des Vereins, über das Er-
starken unserer jungen Spitzengruppe und
den Elan unseres Nachwuchses. Und wenn
bei uns Abend für Abend verschiedene
Senioren ihre geistige Spannkraft beweisen,
so wünschen wir auch unserem Ernst Linden-
bauer noch viele Jahre der Freude im Kreise
seiner Vereinskameraden." ß.
Wer will nach Amerika?
Nachstehend meine Meinung zu dem von
Hans Tilly im Augustheft unserer Zeitschrift
zur Diskussion gestellten Artikel: „Wer will
nach Amerika reisen?"
Wer den zweiten Schritt vor dem ersten
tut, gerät leicht ins Stolpern! Mit dieser
Binsenweisheit soll keineswegs der groß-
artige Einfall des Kameraden Tilly herab-
gemindert werden, der uns einen von For-
tuna bewilligten und bezahlten Kuraufent-
halt im Ausland in Aussicht stellt. Bevor
wir daran gehen, neben dem üblichen Kur-
aufenthalt noch die Möglichkeit eines zu-
sätzlichen Kuraufenthaltes zu schaffen, der
— o Glück — ins Ausland führt und —
o noch größeres Glück — nicht einen Pfen-
nig kostet, zuvor sollten wir anstreben,
daß jeder Kamerad seinen obligatorischen
Kuraufenthalt in einem ausländischen Blin-
den-Kurheim verbringen kann.
Dies wäre, so meine ich, dann möglich,
wenn zwei Staaten — sagen wir Frankreich
und Deutschland — in einem Verwaltungs-
abkommen sich verpflichten würden, die
gleiche Anzahl Kriegsblinder in den inlän-
dischen Kurheimen aufzunehmen, die gleiche
Anzahl, die in ausländischen Kurheimen un-
tergebracht werden kann. Dieser Weg hat
den Vorzug, daß er jedem an einem auslän-
dischen Kuraufenthalt interessierten Kamera-
den gangbar ist und nicht nur einigen Glücks-
pilzen vorbehalten bleibt; dieser Weg kann,
wenn wir uns nur mit dem nötigen Nach-
druck für ihn verwenden, durchaus erschlos-
sen werden.
Dies wäre wohl der erste Schritt, um mit
Kamerad Tilly nach Amerika zu reisen. Der
zweite Schritt könnte dann ein durch Aus-
spielung gewonnener zusätzlicher
Kuraufenthalt sein, insbesondere für
solche Reisen, die einen hohen Aufwand
allem für die Fahrtkosten, z. B. nach den
USA, voraussetzen.
Dem Kameraden Tilly sei Dank für seinen
wahrhaft großartigen Einfall, der nicht nur
der Beachtung, sondern der Verwirklichung
würdig ist! Franz Sonntag
Die Blindenskala
Zur Zuschrift des Kameraden Kraus (Stutt-
gart) im Juliheft bezüglich des selbständigen
Zurechtfindens auf der Rundfunkskala möchte
auch ich meine Erfahrungen den Kameraden
nicht vorenthalten Sie sind so einfach und
ohne Unkosten für jeden leicht anwendbar
und bestehen lediglich darin, daß ich mir
von einem Elektriker einfach eine etwas
verlängerte Rundkopfschraube am
Skalenknopf (gleichzeitig zum Festschrauben
des Skalenknopfes) habe anbringen lassen.
Diesen Skalenknopf läßt sich am besten
jeder so anbringen, daß sie bei dem von
ihm am meisten gehörten Sender nach
oben steht, und von da aus ist jeder leicht
in der Lage, durch eine Teildrehung oder
auch eine ganze oder mehrere Umdrehungen
nach rechts oder links sich jeden gewünsch-
ten Sender selbst und ohne jede fremde
Hilfe zu wählen. Wo diese, einzelnen Sender
liegen, wird jeder schon nach wenigen Tagen
herausgefunden haben, und wenn er sich
dann noch die einzelnen Umdrehungen merkt,
kann ihm auch ein Sehender nichts mehr
vormachen.
Ich für meine Person arbeite damit schon,
seit ich im August 1947 wieder im Besitz
eines Rundfunkgerätes bin, und ich bin so
in der Lage, mir mit Leichtigkeit alle deut-
schen Sender einschl. die der Ostzone sowie
auch Wien, Saarbrücken, London usw ohne
jede fremde Hilfe einzustellen. Das Ent-
scheidende hierbei ist, daß der Apparat un-
verändert bleibt und daß (abgesehen von
der Rundkopfschraube, die natürlich über
dem Skalenknopf fühlbar sein muß) die Vor-
richtung kaum etwas kostet. Herbert Häring
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ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 2 . 3. JAHRGANG OKTOBER 1951 VERLAGSORT BIELEFELD
In dieser Werkeltagswelt
kann man freilich nicht alles beisammen haben,
und jeder muß schon mit seinem Los zufrieden sein,
denn mit Murren und Knurren bringt's niemand um ein Haar weiter,
und das Schicksal dreht seine Maschine, ob wir lachen oder greinen.
*
Es gibt doch viele Freuden in unseres Herr Gotts seiner Welt!
Nur muß man sich aufs Suchen verstehen
- sie finden sich gewiß -
und das Kleine ja nicht verschmähen.
FRAU AJA, GOETHES MUTTER
AUS DEM INHALT
Dein bestes Hilfsmittel. Von F. W. H
Habt Geduld mit der Technik. Von H
Ein Dank an Oskar Picht
Landesversorgungsamt Schleswig-Holstein eröffnet
Sportwettkampf unter Schülern
Ein neues Modell des „Sprechenden Buches";
von Günter Böttcher und Willi Lüdecke .
Das Blindenleitgerät der Zukunft? Von Dr. F. L. .
Telefonistenausbildung sei keine Spielerei!
Von Adolf Fischer
Das Bundesversorgungsgesetz ■
Von H
Seite
1
1
2
2
2
„Unsinn und Verbrechen?"
Kriegsblinde bei der Bundesbahn
Aus den Landesverbänden
Bezirksleiter-Konferenz des Landesverbandes Westfalen
Feste der Kameradschaft
Vorbildliche Kreisversammlungen
Die neue Bürsten-Aufnagelmaschine
10
Handwebersiedlung in Hannover
Neue Umschulungslehrgänge in Tegernsee ....
Einbanddecken und Sammelmappen für die Zeitschrift
(Preisangebot)
Lesermeinung
Nach Amerika reisen?
Zum Thema „Radio-Skala"
Das Los eines heimatvertriebenen, kriegsblinden Bauer
Wir sind Schauende. Gedicht von Friedrich Mezger .
Für unsere Schachfreunde
Englands Blinde und die Fußballreportagen .
Kleine Neuigkeiten
Der Kritiker am Lautsprecher
Programmvorschau für Hörspiele ....
Der Rundfunk unterstützt unseren Hörspiel-Preis
Eindrücke aus dem Kriegsblindenkurheim in Borkum.
Von Obermedizinalrat Dr. Dubitscher (Köln)
Gruß an Borkum. Von Bernhard Thurow
Bergfreuden — auch für uns! Von Friedrich Mezger
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11
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Unser Foto auf der Titelseite ergänzt den Aulsatz aul Seite 6: „Kriegsblindebei d er Bundesbah n" . Es zeigt
den Hamburger Kameraden Wilfried Schwarz, dessen feinfühlige Fingerspilzen die winzigste Unregelmäßigkeit bei Kupferstäben
von Elektromotoren zuverlässiger linden als es ein Sehender vermag. (Foto: dpa-Wieselmann). - Das Foto auf der Umschlagrück-
seite- „Herbststimmung" - stammt von Erich Bauer (Karlsruhe).
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.Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E.V.
Nr. 2 . 3. Jahrgang . Oktober 1951 . Verlagsort Bielefeld
Dein bestes Hilfsmittel
Da fand sich kürzlich unter den Briefen an
die Schriftleitung der Notruf eines Kriegs-
blinden: Wenn nicht bald jene in Tages-
zeitungen beschriebenen Geräte zur Ver-
fügung ständen, mit denen nicht nur Druck-
schrift, sondern auch technische Zeichnungen
auf irgendeine Weise für den Blinden wahr-
nehmbar gemacht werden könnten, so sei er
am Ende und wisse nicht mehr weiter. Mit
Eifer war dieser Kamerad den verschieden-
sten Hinweisen nachgegangen, bis hin zu
jenen Berichten aus Amerika, wonach man
versucht, unmittelbar im Sehzentrum 'des
Gehirns, also unter Umgehung des Auges
(das ja nur ein untergeordneter Übermitt-
lungsapparat ist), Seheindrücke mit einer
~ Art Fernsehübertragung zu erreichen. Dieser
_• Kamerad hatte sich also innerlich völlig ab-
'" hängig gemacht von der Hilfe der Technik,
er glaubte, nur noch mit Hilfe komplizierter
■Maschinen sein Dasein meistern zu können.
1 Auf den Gedanken, nicht die verlorenen, son-
K dem die verbliebenen Kräfte zu akti-
vieren, kam er nicht. Er erwartete sein gan-
zes Heil von toten Geräten.
Niemand darf über ihn lächeln! Ist nicht
jeder von uns abhängig geworden von der
Technik? Längst nehmen wir beispielsweise
den Rundfunk als etwas Selbstverständliches
hin, ja, als etwas Lebensnotwendiges, und
wenn unser Empfänger zur Reparatur weg
ist, fühlen wir uns unglücklich und wissen
nichts mehr mit uns anzufangen. Unsere
Schreibmaschine, selbst wenn wir sie im
Beruf nicht benötigen, scheint uns neben
dem Telefon die unentbehrlichste Brücke zur
• Welt zu sein, und mancher Stenotypist, der
Äseit einem Jahr mit dem Dimafon arbeitet,
"■ kann sich überhaupt nicht mehr vorstellen,
• v/ic er früher jemals tätig sein konnte.
Wir müssen dankbar sein für diese Gaben
■' der Technik, und wir sollen alle Hilfsmittel,
»die uns zu Gebote stehen, nach Kräften
»nutzen, aber wir müssen dabei doch immer
wissen, daß es auch gefährlich ist, sich im
'Zentrum des eigenen Lebens so. eng mit der
Technik einzulassen.. . Allzu leicht nämlich
kann es geschehen, daß wir mit der steigen-
' den Abhängigkeit von Geräten innerlich
• ärmer werden, sozusagen ein Anhängsel von
■ Geräten. Es wird uns ja eine Aufgabe nach
der anderen abgenommen, die wir sonst zu
'lösen hätten und in deren Meisterung wir
• J uns zu bewähren hätten. Was bequemer
«und angenehmer ist, ist ja nur selten auch
• im tieferen Sinne heilsam. Es wäre nun
" gewiß zu billig, hier darauf hinzuweisen,
■' daß die Blinden vor hundert Jahren auch
mit ihrem Leben fertig werden mußten und
• daß sie vielleicht nicht unglücklicher waren
«als wir verwöhnten Menschen der Gegen-
i wart; aber besinnen sollten wir uns bis-
*' weilen doch darauf, daß alles, was wir
\ „Glück" nennen, gerade bei einem Erblinde-
. ten nicht von Maschinen herrühren kann,
und daß jeder einzelne selbst, ganz aus der
Kraft des eigenen Wesens heraus, sein
Leben gestalten muß, wenn er ein echtes
Selbstbewußtsein, echte Selbstachtung er-
werben und behalten will.
Die Technik ist jedenfalls ein tückischer
Freund; sie gibt uns vieles und Verlocken-
des, aber sie nimmt uns auch etwas. Um
ein Beispiel zu nennen: manche Ehepaare,
und das gilt auch für Sehende, sitzen des
abends stumm und träge beieinander. Der
Rundfunk enthebt sie jeden Gesprächs, jeder
aktiveren Gemeinsamkeit,, sei es auch nur,
daß man zusammen etwas liest. Man hat
sich nichts mehr zu sagen und läßt sich
darüber hinwegtäuschen. Musik selbst zu
treiben oder wenigstens in ein Konzert zu
gehen, — es ist überflüssig geworden.
Die Technik enthebt uns der Aufgabe,
unsere eigenen Anlagen und Möglichkeiten
voll zu entfalten. Das ist angenehm, aber_
es wird aus unserem Wesen nicht das, was
hätte werden können, hätte werden müssen.
Das kann eine Schuld werden. Wer sich also
der Technik bedient, der sehe zu, daß er
der überlegene Herr bleibt, der aus seinem
Leben und aus seinem Schicksal etwas
machen will, und der weiß, daß er auch
ohne die Hilfen der Technik etwas aus
seinem Leben machen würde.
Die Sucht, nur ja der neuesten Wunder
der Technik teilhaftig zu werden, ist immer
verdächtig. Wärst du ohne dieses oder
jenes Gerät wirklich nicht in der Lage, dein
Leben oder im besonderen deinen Feier-
abend reich zu füllen? Dann wird es dir
auch nicht m i t diesem Gerät möglich sein,
oder höchstens nur zum Schein. Gerade der
Blinde sollte nicht sein Heil von der Tech-
nik erwarten, denn gerade er kann echtes
Glück nur daraus schöpfen, daß er von dem,
was er als Mensch darstellt, sich nichts hat
schenken lassen, auch von der Technik nicht.
Nur diese Selbstachtung gibt ihm dann auch
die Freiheit, die Dienste der Technik zu
nutzen, wann es ihm gefällt, und die
Technik auch wiederum beiseitezu-
stellen, wann es ihm gefällt. So allein
bleibt, er wirklich Mensch.
Anders gesagt,: Dein bestes Hilfsmittel bist
du selbst, dein zuverlässigster Helfer sei
deine Selbständigkeit. F.W. H.
Habt Geduld mit der Technik!
Bevor der Leser sich der Lektüre jener
Aufsätze dieses Heftes zuwendet, die von
neuen Modellen des „Sprechenden Buches"
oder des „Leitgerätes" berichten, möge er
mir kurz zuhören. Erfahrungsgemäß ist es
nämlich so, daß viele Kriegsblinde allzu
optimistisch sind und daß sie nach Ver-
öffentlichungen dieser Art der Schriftleitung
sogleich mit Anfragen und regelrechten Be-
stellungen auf den Pelz rücken. In den
meisten Fällen handelt es sich bei solchen
Erfindungen, die einem Kriegsblinden dienen
könnten, nur um Versuchsmodelle, deren
Serienanfertigung noch eine Kapital- und
Organisationsfrage ist, wenn die Erfindun-
gen überhaupt für eine Serienproduktion
schon ausgereift genug sind. Drei Hauptauf-
gaben befinden sich aber immerhin in einer
Entwicklung, die langsam zu Hoffnungen
berechtigt. Diese Hauptaufgaben der Erfinder
sind: Schaffung eines Leitgerätes, das den
Führhund ersetzen könnte, Schaffung eines
billigen Wiedergabegerätes für Schallauf-
nahmen, also des „Sprechenden Buches", und
schließlich — noch am weitesten in der Ferne
— Schaffung eines Gerätes, mit dem der
Blinde auch schwarzgedruckten Text unmit-
telbar lesen kann.
Zur Frage „Blindenleitgerät" fol-
gendes: alle in der deutschen und auch in
der ausländischen Presse immer wieder ver-
breiteten Schilderungen sind um der Sensa-
tion willen übertrieben. Wir hatten unseren
Lesern versprochen, bei ausländischen In-
stanzen Erkundigungen über den Wert der
Leitgeräte einzuziehen." Es kann zwar kein
Zweifel daran bestehen, daß Versuche in
vielerlei Richtungen angestellt sind und hof-
fentlich auch mit Eifer weiterhin angestellt
werden. An Teilerfolgen fehlt es nicht und
offenbar auch nicht an Mitteln — z. B. stellte
der amerikanische Kongreß jährlich eine
Million Dollar für Forschungsarbeiten auf
dem gesamten Gebiet der Prothesentechnik
zur Verfügung — aber die Aufgaben der
Technik sind gerade bei den wichtigsten
Blindenhilfsmitteln ungemein schwierig.
So fragten wir z. B. beim britischen
Kriegsblindenbund „St. Dunstan's"
an, über dessen Versuche mit dem Leitgerät
„Klicker" im Januarheft 1951 der Zeitschrift
„Electronic Engineering" ausführlich be-
richtet wurde. Im Antwortschreiben
von „St. Dunstan's" an die Schrift-
leitung heißt es: „Ich bedauere, Ihnen sagen
zu müssen, daß die Berichte über Leitgeräte
für Blinde ziemlich optimistisch gehalten
wurden. Tatsache ist, daß wir mit Instru-
menten verschiedener Art experimentiert
haben. Doch gelang es uns noch nicht, eine
Vorrichtung zu finden, die von irgendwel-
chem praktischen Wert für Blinde sein
würde. Viele Schwierigkeiten, die sich er-
gaben, müssen durch einige technische Neu-
entwicklungen verringert werden." Eine
Nachricht vom „Nationalinstitut für Blinde"
in London besagte das gleiche. Hier heißt
es sogar, „einige radikal neue Erfindungen"
könnten allein weiterhelfen. Nach einer uns
zugegangenen Mitteilung der „American
Foundation for the Blind" (New York) ist
• man auch dort trotz bereits jahrelanger Ver-
suche noch nicht soweit, den Serienbau eines
Gerätes empfehlen zu können.
Trotzdem: man ist in England und Ame-
rika, wie auch unser «heutiger Bericht über
das „Optar" zeigt, unablässig und mit großer
Einfallskraft bemüht, und es kann keinem
Zweifel unterliegen, daß wir eines Tages ein
Gerät in der Hand halten, das als
Orientierungshilfe gute Dienste leisten wird.'
Es wird uns in Deutschland wahrscheinlich
nichts anderes übrig bleiben, als in Geduld
zu warten, bis man in den anderen, wohl-
habenderen Ländern zu einem Enderfolg
gekommen ist.
Weit günstiger steht es mit dem
„Sprechenden Buch", wenn wir
hierunter ein Gerät verstehen wollen, das
mittels eines Tonträgers, der günstiger" als
die Schallplatte ist, allerlei geistige Nahrung
im Lautsprecher zu Gehör bringen kann.
Hier kommt es vor allem auf die lange
Spieldauer an, auf eine hohe Tonqualität,
eine einfache Handhabung und möglichst
billige Unterhaltskosten, selbstverständlich
auch Anschaffungskosten. Es stehen z. Z.
mehrere Modelle von Geräten zur Diskus-
sion, die als Tonträger das Magnetonphon-
band benutzen und die von Firmen pro-
duktionsfertig angeboten werden. Besonders
glücklich scheint uns dabei das Gerät unse-
res Kameraden Ing. Alfons Schramm zu
sein, der „Blindensekretär", über den wir
bereits mehrfach berichteten. Dieses Gerät
hat den Vorzug einer erstaunlich hohen Ton-
qualität und ermöglicht ferner, mittels eines
Mikrophons auch selbst Bänder zu be-
sprechen. Man kann sich also mit Hilfe einer
Vorlesekraft eine eigene Bibliothek von
Fachliteratur anlegen, kann sich aber auch,
Gin tJank an Oskar jDicld
Wer eine Punktschriftmaschine zur Hand
nimmt, der sollte einmal im stillen dankbar
des Mannes gedenken, dem er diese Maschine
verdankt: Oskar Picht. Picht wäre in diesem
Jahre 80 Jahre alt jeworden, wenn ihn nicht
im August 1945 der Tod im Blindenaltersheim
in Rehbrück, wo der Erfinder und Lehrer nach
schweren Bombenschäden ein Unterkommen
gefunden hatte, abgerufen hätte.
Nicht weniger als zehn Patente hat Oskar
Picht auf dem Gebiet des Blindenwesens er-
worben, von der sogenannten Pichtmaschine
angefangen bis hin zu einem Verständigungs-
Taschengerät für den Umgang mit Taub-
blinden. Seine bedeutendste und erfolgreichste
Erfindung ist ohne Zweifel die erste brauch-
bare Punktschrift-B ogenmaschine, die
er im Jahre 1899 zum ersten Male vorführte.
Zwar waren in den voraufgegangenen Jahren
schon Maschinen des blinden Dänen Wulff
und — wesentlich verbessert — von Hall ent-
wickelt worden, aber erst das' Modell von
Oskar Picht konnte den vielfältigen An-
sprüchen genügen und fand, wenigstens bis
1945, die weiteste Verbreitung in Deutsch-
land und in der ganzen Welt.
Oskar Picht wurde 1871 in Pasewalk (Vor-
pommern) geboren, wurde Lehrer und trat
frühzeitig in den Dienst der Blinden, zunächst
als Lehrer an der Blindenanstalt Steglitz,
sodann, von 1912 bis 1920, als Leiter' der
Provinzialblindenanstalt Bromberg, später als
Leiter in Steglitz (1920 bis 1333). Mit Hilfe
seiner neuen Bogenmaschine ließ Picht nach
1900 durch 400 freiwillige Helfer viele Bücher"
zum Ausbau der Steglitzer Bücherei über-
tragen, die bald die damals größte Blinden-
bücherei in Preußen wurde. Die 1901 nach
einigen Verbesserungen patentierte Bogen-
maschine begann ihren großen Siegeslauf vor
allem nach der Internationalen Schreib-
maschinenausstellung in Venedig 1907, wo
Picht die höchste Auszeichnung errang.
Jahrzehnte hindurch bedurfte die Picht-
maschine kaum einer Verbesserung, und alle
auch gegenwärtig gebauten Bogenmaschinen
sind ohne die Leistung Pichts nicht denkbar.
Wir wollen ihn nicht vergessen.
während man noch auf der Arbeitsstätte ist,
die Zeitung vorlesen lassen, die man dann
zu einer beliebigen Stunde genießt. Das in
unserem heutigen Heft beschriebene Gerät
„Filmophon" ist dagegen ein reines Abspiel-
gerät und kann nicht zu eigenen Aufnahmen
dienen. Bedauerlicher ist zur Zeit der Nach-
teil, daß dieses Gerät noch keine Firma (bzw.
Kapital) gefunden hat, um die serienmäßige
Herstellung vorzubereiten. Bei allem Für und
Wider wird in der Beurteilung dieses neuen
Gerätes allerdings der erstaunlich niedrige
Preis zu beachten sein, und zwar sowohl der
Preis der Anschaffung als auch der Preis der -
einzelnen Schallbänder. Hier ist nicht der
Ort, für dieses oder jenes Gerät zu
plädieren, aber eins muß endlich ein-
mal gesagt werden: man schiebe die
Entscheidung über das zu wählende Ton-
gerät nicht mehr länger hinaus!
Schon mehrfach hat ein Ausschuß deswegen
getagt und beraten, die Blinden warten mit
Ungeduld, — und immer wieder werden sie
enttäuscht. Sachlich und sicherlich auch
finanziell muß eben etwas gewagt werden!
Und die „Lesemaschine"? Hier
steckt noch alles in den Anfängen, aber
immerhin in verheißungsvollen Anfängen.
Die gerade in letzter Zeit so häufig in der
Tagespresse zu findenden Schlagzeilen
„Blinde können Zeitung lesen" oder „Blinde
können mit den Ohren lesen" greifen natür-
lich den Tatsachen weit voraus, aber immer-
hin besteht die Hoffnung, daß der Ingenieur
' Walter Blum ein Gerät entwickelt, mit dem
Schwarzschrift in der Weise hörbar gemacht
wird, daß man "nicht -— wie bei ameri-
kanischen Versuchsgeräten — 'verschiedene
Musiktöne für jeden Buchstaben hört, son-
dern tatsächlich Sprechlaute, wenn auch
monoton und ohne klangmäßige Zusammen-
. fassung von Wortkomplexen. Immerhin aber
würde diese Maschine klar verständlich
sein, — eine fast unheimliche Aussicht. Da
sich ein Mann vom Range Professor Strehls
für diese Erfindung einsetzt, darf man wohl
annehmen, daß sie Erfolg verspricht. Aber
hier werden wir noch Jahre warten müssen,
selbst wenn die Mittel — hunderttausend
Mark wären nach einer Mitteilung Dr. Blums
das mindeste — beschafft werden können.
Und das fertige Einzelgerät wird einen
Preis von ^weit über tausend Mark haben.
Diese Hoffnungen sind also noch sehr zwie-
- spältiger Natur, aber es ist schon viel wert,
zu wissen, daß die Lösung wenigstens in
der Theorie schon sehr weit entwickelt ist.
Es bleibt uns also, soweit uns nicht Beruf
oder Auftrag aktiv mitwirken lassen, nur Ge-
duld übrig. Die Technik wird uns noch
mancherlei schenken können, — vertrauen
wir dem Genie unserer Erfinder und der
tätigen Bemühung aller im Blindenwesen
Beauftragten. H.
Landesversorgungsamt
Schleswig- Holstein eröffnet
Nach umfangreichen Vorarbeiten konnte
das Landesversorgungsamt Schleswig-Hol-
stein in Neumünster am 19. September
1951 feierlich eröffnet werden. Unter den
zahlreichen Gästen sah man den Landes-
minister für Arbeit, Soziales und Vertrie-
bene, Vertreter des Bundesarbeitsministe-
riums, den Leiter der Landesversicherungs-
anstalt Schleswig-Holstein, Vertreter der
Kriegsopferverbände, Behörden, Parteien,
Gewerkschaften sowie der Wirtschaft. Als
Beauftragter der Kriegsblinden war der So-
zialreferent des Landesverbandes, Kamerad
Koebcke, erschienen.
Landesminister Asbach begrüßte die Gäste.
Nach einer kurzen Darstellung des bisheri-"
gen Werdeganges eröffnete er das Landes-
versorgungsaint und führte den Oberpräsi-
denten der früheren Provinz Schleswig-Hol-
stein, Dr. Hoevermann, als Leiter der
neuen. Dienststelle in sein Amt ein. Von
vielen Seiten wurden sodann Grüße und gute
Wünsche übermittelt. Zuletzt dankte Präsi-
dent Dr. Hoevermann für das ihm von den
Behörden und Kriegsopferverbänden ge-
zeigte Vertrauen. Er und seine Mitarbeiter
wollten, so versicherte er, stets im Geiste
wahren Christentums und wahrer brüder-
licher Liebe die Aufgaben für die Kriegs-
opferversorgung anfassen und durchzuführen
versuchen. Für die im Lande zu versorgen-
den 227 000 Kriegsopfer müssen jähr-
lich 137 Millionen Mark für Bärleistungen
und weitere 6 Millionen Mark für orthopä-
dische Hilfsmittel aufgebracht werden. Je ein
Versorgungsamt in Kiel, Flensburg, Lübeck,
Schleswig und Heide in erster Instanz und
das Landesversorgungsamt in Neumünster
in zweiter Instanz werden mit etwa 660 .Be-
amten und Angestellten — darunter. 33
Aerzten — für die gerechte Verteilung die-
ser Mittel Sorge tragen. Schließlich betont e
Dr. Hoevermann, daß von den in seiner .
Dienststelle neu geschaffenen Arbeitsplätzen
12,5 Prozent mit Schwerkriegsbeschädigten
und weit mehr als die Hälfte mit Heimat-
vertriebenen besetzt werden konnten.
Sportwettkampf unter Schülern
Die Schüler der Blindenschule Warstein J
(Westf.), unter ihnen auch eine ganze An-',
zahl jugendlicher Kriegsblinder, hatten sich
zum Abschluß des Sommersportes etwas Be- I
sonderes vorgenommen. Sie wagten den
Versuch, sich mit den sehenden Kameraden
der Oberschule Warstein unter gleichen Be- -
dingungen in einem leichtathletischen Wett-
kampf zu messen. Mit heißem Eifer und gro-
ßem Ehrgeiz versuchte jeder Teilnehmer,
seine Leistung zu steigern, und die sehen-
den Jungen mußten erkennen, daß ihnen die |
Erfolge gegen dieNichtsehenden keineswegs -
in den Schoß fielen. In manchen Wettbe-
werben blieben sie geschlagen.
Die beiden besten Sportler der Blinden,
darunter der 17jährige Ramsbrock, der kürz-
lieh bei einem Sportfest im Weitsprung
6,10 m erreichte, waren zwar als praktisch
Blinde ein wenig besser dran als ihre Ka-
meraden, aber auch unter den Vollblinden
gab es erstaunliche Leistungen. Z. B. ist es
schon allerhand, wenn bei den 13- und 14-
jährigen unser Kamerad Schönwälder
im Weitsprung mit Anlauf eine Weite von
4,85 m erreichte, oder im 75-m-Lauf mit
10,1 Sek. als erster durchs Ziel ging. In der
gleichen Altersgruppe — und vielleicht war .
das die relativ beste Leistung des Tages —
erreichte unser junger Kamerad Midasch
im Weitsprung aus dem Stand 2,55 m. Zum
Vergleich: Bei einem Sportfest der 4 Lan-
desblindenschulen der Ostzone wurde in der I
gleichen Altersgruppe als beste Leistung die-,
ser Übung ein Sprung von 2,14 m genannt,
im Jahr zuvor unter Beteiligung älterer
Schüler in Halle' eine Leistung von 2,46 m.
(Den Rekord hält nach unseren Feststel-
lungen nach wie vor unser Kamerad Willi
Hänsch mit einer Weite von 2,92 m.) Der
beste der sehenden Oberschüler erreichte
jetzt in Warstein beim Weitsprung aus dem I
Stand 2,75 m. An weiteren Übungen wurde
Hochsprung, Kugelstoßen und „Ballschocken" I
ausgetragen. Unter den Siegern im Mehr-
kampf schnitten bei den Vollblinden zwei
kriegsblinde Schüler besonders gut ab: Mit
507 Punkten lag unser Kamerad Schön-
wälder nur um 3 Punkte hinter dem Sie-
ger, einem sehenden Oberschüler, während
bei den 11- und 12jährigen unser Kamerad
Er w i n ebenfalls zweiter hinter einem
Oberschüler wurde.
Die Blindenschule Warstein hat mit die-
sem Wettkampf ihren Schülern sicherlich,
nicht nur eine große Freude gemacht, son-
dern hat ihnen auch neues Selbstvertrauen
gegeben, das sie später im Zusammenleben
mit Sehenden täglich brauchen.
Ein neues Modell des ,
Das „Filmophon" — das
Durch Presse- und Rundfunkreportagen
(siehe auch Juliheft, Seite 14) interessiert
und neugierig gemacht, beschlossen wir, uns
persönlich davon zu überzeugen, ob die
Hoffnungen, die wir uns machen durften,
sich tatsächlich erfüllen lassen würden. Wir,
das sind zwei Kriegsblinde, und das, worum
es ging, war das von Denes von M i -
haly konstruierte „Filmophon" und
das als Tonträger erfundene „Ozaphan"-
Band. Also riefen wir den Erfinder an und
baten, ihm einen Besuch machen zu dürfen.
Man war sofort bereit, uns zu empfangen,
und zwei Tage später saßen wir einem lie-
benswürdigen, älteren Herrn, eben dem Er-
finder, und einigen seiner engsten Mitarbei-
ter gegenüber, und wurden erst einmal
theoretisch in die Erfindung eingeführt.
Dann geleitete man uns in das Laboratorium
und setzte uns vor zwei Geräte; dem ersten,
das als Versuchsobjekt gebaut worden war,
und dem anderen, dem modernen und für
die Serienproduktion gefertigten Muster.
Wir ertasteten ein Band, das sich wie
Cellophan anfühlte und das von einer Spule
über mehrere Rollen horizontal an einem
würfelförmigen metallenen kleinen Aufbau
vorbeibewegt wurde. Ein Druckknopt ließ
das Band anlaufen, und wunderbar klar kam
aus einem Lautsprecher eine Ansage. Es
folgte eine Orchestermusik, ohne jedes Ne-
bengeräusch, wie wir es so oft beim Rund-
funkempfang und besonders beim Platten-
spielen gewöhnt sind. Höchste Töne wie
tiefste Bässe so sauber, wie man es kaum
für möglich gehalten hätte. Eine Skala von
Geräuschen des täglichen Lebens um uns,
und weitere künstlerische Darbietungen
rissen uns zur Begeisterung hin. Das kann
das Instrument werden, das uns, unabhängig
von vorlesenden oder berichtenden Sehen-
den, an der schönen Literatur, an anderen
künstlerischen Genüssen und am Zeit-
geschehen teilnehmen lassen wird. Ein In-
strument, das uns Blinde unser Schicksal
vergessen machen kann.
Und wodurch? Ein Mann hat einen denk-
bar billigen Stoff gefunden, in den man
mittels Quarzlampe Tonspuren „hineinger-
ben" kann: Das „Ozaphan", einen Zwil-
lingsbruder des uns allen als Verpackungs-
material bekannten Cellophans. Ein Mate-
rial, das unendlich lang gehalten werden
kann, und das in einer Breite von 16 mm
bisher bis zu 40 Tonspuren aufzunehmen ver-
mag, das praktisch unzerstörbar ist und von
einer Billigkeit wie vorher kein an-
derer Stoff, der als Tonträger gebraucht
wird.
Das dazu notwendige Abspielgerät wird
tatsächlich mit etwa 150 DM billiger als
ein Koffergrammophon und ist
noch einfacher zu bedienen als dieses.
„Ich möchte den 14 Millionen Blinden der
Erde mit meinem Apparat die Möglichkeit
geben, ohne fremde Hilfe nach Wunsch sich
durch künstlerische oder wissenschaftliche
Darbietungen unterhalten zu lassen", so sagt
Herr v. Mihäly. Da sich auch die laufende
Unterhaltung dieses Gerätes sehr gering be-
messen wird, könnte in der Tat jeder Blinde
sich ein Filmophongerät halten. Ein 400 Seiten
starkes Buch würde auf einem Tonband
aufgenommen weit weniger kosten, als das
gleiche Werk im Schwarzdruck.
Das Filmophon ist ein lichtelektrischer
Tonbandspieler, der mit fotografisch aufge-
nommenen Tonspuren arbeitet, ähnlich wie
die üblichen Tonfilmapparate, jedoch mit
anderen Dimensionen. Das Filmophon bietet
l mit einem 1000-m-Tonband eine anhal-
tende Spieldauer von 60 Stunden. Nicht
zuletzt hieraus ergibt sich ein geringerer
Kostenaufwand. Auch ist es möglich, belie-
,Sprechenden Buches"
billigste Abspielgerät
big viele Abzüge ähnlich wie bei der foto-
grafischen Platte anzufertigen.
Während das Magnetophongerät für die
Industrie unentbehrlich sein wird, weil man
zu jeder Zeit Aufnahmen machen kann und
diese wieder löschbar sind, handelt es sich
beim Filmophon nur um ein A b s p i e 1 -
gerät. Eine kleine Rolle Ozaphanfilmband
von nur 30 m Länge würde dem Umfang
unserer Bundeszeitung einschließlich An-
zeigenteil entsprechen, und würde in ihrem
Herstellungspreis erheblich niedriger liegen
als der Druck. Ein fremdsprachiger Unter-
richt, aufgenommen auf Filmophonband, bie-
tet ein Unterrichtsmaterial von nur wenigen
Pfennigen und kann beliebig oft abgehört
werden. Wissenschaftliche Vorlesungen von
bekannten Professoren würden dem Studie-
renden helfen können.
Wenn auch von der Entwicklung im Labo-
ratorium bis zur Serienproduktion noch ein
mühevoller Weg überwunden werden muß,
so meinen wir doch, daß wir nicht aus die-
sem Grunde gleichgültig abwarten sollten,
wie sich der weitere Gang der Dinge ge-
staltet, sondern daß wir helfen sollten, die-
sen Weg abzukürzen. Das größte Hin-
dernis bedeutet das mangelnde Kapital und
außerdem eine Konkurrenz, die in der Bil-
ligkeit des Filmophons den Absatz der
bisher üblichen Tonwiedergabegeräte schwin-
den sehen. Sollte es nicht im Interesse aller
Blinden der Welt liegen, durch maßgebende
Instanzen das Gerät des Herrn v. Mihaly,
der seit Jahrzehnten zu den führenden Köp-
fen in der Entwicklung der Fernseh- und
Rundfunktechnik gehört, einer eingehenden
Prüfung und Begutachtung zu unterziehen?
Günter Böttcher und Willi Lüdecke (Berlin)
Das Blindenleitgerät der Zukunft?
über das „Optar" nach H. E. Kallman, ein Leitgerät auf optisch-akustischer Grundlage
Den Blindenführhund durch ein mechani-
sches Gerät zu ersetzen, möchte vielleicht
dem Freund von Tieren abwegig erscheinen.
Wenn man aber bedenkt, daß der Blinde
nur auf das Gehör und Tastgefühl auch dem
Hunde gegenüber angewiesen ist, wenn
man die hohen Anschaffungs- und Unter-
haltungskosten eines guten Tieres in Rech-
nung setzt, wenn man ferner die Möglich-
keit des Ausfalles eines Hundes durch vor-
zeitigen Tod oder durch Krankheit berück-
sichtigt, und endlich auch bei der heutigen
Wohnungsnot die mit der Unterbringung
eines Tieres verknüpften Unbequemlich-
keiten und überhaupt die Pflege ins Auge
faßt, dann verdient jeder ernsthafte Versuch
Beachtung, der darauf abzielt, das Tier durch
ein sicher, einfach und zuverlässig arbeiten-
des mechanisches Gerät zu ersetzen.
Selbstverständlich darf man im Hinblick
auf die erst seit wenigen Jahren anlaufen-
den Entwicklungsarbeiten an verschiedenen
Stellen im Ausland, besonders in den
Staaten, die Anforderungen an ein der-
artiges Gerät nicht überspannen und von.
vornherein verlangen, der Blinde müsse
sich damit auch in der Untergrundbahn oder
in ausgesprochen stark belebten Strißen
zurechtfinden können; man wird im Gegen-
teil die Einführung eines BKndenleilgerätes
dadurch fördern und erleichtern, daß man
das Gerät Blinden in die Hand gibt, die
täglich ein und denselben Weg, z. B. von
der Wohnung zur Arbeitsstätte, zurückzu-
legen haben. Man wird eine derartige Neu-
rung auch nicht schwerfälligen Leuten über-
geben, die am Hergebrachten kleben, son-
dern die Erprobung des Gerätes mit Hilfe
von Blinden durchführen, die technischen
Dingen aufgeschlossen gegenüberstehen und
von Hause aus auch die nötige Anpassungs-
fähigkeit und die erforderliche Geschick-
In Kurze muß sich entscheiden, welches Gerät als „Sprechendes Buch" iür die deutschen Blinden
eingeführt wird. Neu zur Debatte steht das hier abgebildete „Filmophon", das den Vorzug
großer Billigkeit und erstaunlich langer Spieldauer hat. Man lese zum Thema „Optai" und
„F ilmophor." auch die- Erläuterungen in unserem Aulsatz „Habt Geduld mit der Technik!"
lichkeit mitbringen. Systematische Unter-
suchungen mit verschiedenen Geräten, d. h.
solchen, die ein Hindernis nach dem Padar-
prinzip anpeilen oder nach dem „Optar"-
prinzip anvisieren und mit Blinden
verschiedenen Intelligenzgrades sind schon
während des Krieges in den USA und in
jüngster Vergangenheit in England gemacht
worden, doch steckte die Konstruktion
dieser Geräte noch zu sehr im Anfangs-
stadium. Das darf uns aber nicht hindern,
unser Augenmerk auf diese höchst sinn-
vollen und kühnen Neuerungen auf radio-
technischem und optischem Gebiet zu rich-
ten, insbesondere uns dann nicht abseits
stehen lassen, wenn, wie im vorliegenden
Fall beim „Optar", ganz neue Wege
beschritten werden.
Alt ist die Idee, es den Fledermäusen
nachzumachen, die sich mit Hilfe kurzer, in
regelmäßiger Folge ausgesandter Ultra-
schalltöne orientieren. Auf dieser Grundlage
sind in USA in den letzten Jahren ver-
schiedene Typen von Ultraschall-Blinden-
leitgeräten konstruiert worden.") Neuesten
Datums und wenig bekannt ist ein auf
optisch-akustischem Prinzip aufgebautes
Blindenführgerät, das „Optar""). „Optar"
ist die Abkürzung für optical automatic
ranging — optischer automatischer Distanz-
messer.
Das Gerät ist nach der amerikanischen
Beschreibung, seinen Maßen entsprechend
(rund 7,5X10X12,5 cm) so handlich wie eine
gewöhnliche Photokamera und wiegt nur
etwa 1 kg. Eine weitere Reduktion von
Größe (und Gewicht) auf fast Westen-
taschenformat ist technisch möglich. Die
Stirnseite mit dem Linsensystem gleicht
völlig einer sogenannten Box. Der radio-
technische Teil mit der Photozelle und der
Gleichstrom-Verstärkeranordnung und einer
höchst sinnreichen Vorrichtung zur Modu-
lation des Photostromes dient zur Erzeugung
von 8 verschieden hohen Tönen als
Warnzeichen. Jeder Ton ist einer be-
stimmten Entfernung, in welcher sich das
anvisierte Hindernis befindet, zugeordnet.
Das „Optar" bedarf keinerlei weiterer Be-
dienung im Unterschied zu den älteren
Ultraschallblindenleitgeräten, bei welchen
an einem Hebel die jeweilige Entfernung
des Hindernisses mit Hilfe des Fingers ab-
getastet werden mußte, es kann vielmehr
wie eine Kamera bedient werden und funk-
tioniert nach Druck auf einen Knopf auto-
matisch. Der Blinde hantiert mit dem
„Optar" genau so wie der Sehende mit
einer Taschenlampe.
Das „Optar"-Prinzip läßt sich mit wenigen
Worten umreißen: Bekanntlich bildet ein
Linsensystem jeden Gegenstand des Objekt-
raumes an einer ganz bestimmten Stelle des
Bildraumes scharf ab, entfernte Objekte
nahe dem Brennpunkt, nahe Gegenstände
in größerem Abstand vom Scheitelpunkt der
Linse. Es kommt also nur darauf an, eine
Vorrichtung zu erfinden, mit deren Hilfe
man den Bildraum abtasten kann in der
Weise, daß jedesmal dann, wenn die
tastende Sonde das scharfe Bild eines
Gegenstandes -tangiert, ein verschieden
hoher Ton als Warnzeichen im Kopfhörer
erzeugt wird je nach der Bildweite, was
auch heißt je nach dem Abstand des Hinder-
nisses vom Blinden. Der besondere Vorzug
der Optargeräte gegenüber den Radar-
geräten besteht daiin, daß sie auf kurze
Distanzen, was auch „zunehmende Ge-
fahr" für den Blinden bedeutet, präziser
arbeiten in dem Sinne, daß z. B. bei der
Annäherung eines Fußgängers die Töne
um so schneller schrill in die Höhe klettern,
je näher der Passant . dem Blinden kommt,
also gerade so, wie der Blinde es sich
wünscht, wenn er etwa die Lebhaftigkeit
des Verkehrs in einer Straße kontrollieien
will.
Die besondere Aufgabe des Blinden be-
steht darin, die Töne richtig zu identifi-
zieren und sozusagen akustisch denken zu
lernen, d. h. jedem Ton unwillkürlich die
richtige Entfernung zuzuordnen. In Anleh-
nung an die Tonleiter wird man sich zweck-
mäßigerweise mit den 8 Tönen begnügen.
Den weniger musikalischen Blinden wird
man dadurch entgegenkommen, daß man
den Hörbereich z. B. auf zwei Oktaven aus-
dehnt; dann kann man in Terzen voran-
schreiten und dem Blinden die Arbeit des
Zurechtfindens unter den 8 Tönen erleich-
tern, vgl. das folgende Schema:
CDEFGAHcdefgahc = Tonhöhe
876 54321= Entfernungen
in Metern
Das alles ist technisch gar nicht so schwierig
wie es aussieht. Es ist dazu nur nötig, das
auf die Photozelle fallende Licht in bestimm-
ter, berechneter Weise zu zerhacken. Man
kann das mit Hilfe eines rotierenden Gitters
besorgen-, der amerikanische Autor spricht
sehr anschaulich von einem Kamm. Beim
„Optar" sind 8 Gitter verschiedenen Strich-
abstandes (verschiedenen Abstandes der
Zähne beim Kamm) auf einer Scheibe ange-
ordnet. Die Scheibe läßt man aber nicht
als plane Fläche, sondern sozusagen als
Wendeltreppe rotieren, d. h. man macht
einen Einschnitt in die Scheibe vorn Rande
her zum Mittelpunkt und zieht die so ent-
standenen Ecken auseinander, dann hat man
ein Gebilde vor sich, das etwa einer Ser-
pentine gleicht. Läßt man das so herge-
richtete Gitter rotieren, so erreicht man, daß
jedes Teilgitter die optische Achse an einer
ganz bestimmten Stelle schneidet. Das an
definierter Stelle liegende Bild wird also
jeweils nur von einem ganz bestimmten
Teilgitter tangiert, wie es sein muß, damit
die verlangte Zuordnung der Töne zu den
Entfernungen der Hindernisse resultiert.
Keine Modulation liegt vor bzw. kein
Ton wird gehört, wenn eine einheitlich be-
leuchtete Fläche anvisiert wird. Ein Bild mit
stark kontrastierenden Details gibt einen
lauteren Ton als ein kontrastarmes Bild. Bei
starkem Nebel ist das „Optar" weniger
leistungsfähig als bei dunstfreier Luft. Für
die Dämmerung kommt das Ultrarot-„Optar"
in Frage. In der Nacht fällt das „Optar"
natürlich aus. Das tierische Auge mit
seinem beispiellos dastehenden Adaptations-
vermögen ist dem „Optar" weit -überlegen.
Ein abschließendes Urteil über die Lei-
stungsfähigkeit des Optargerätes können
wir zur Zeit noch nicht abgeben, Dazu wären
praktische Erprobungen nötig an einem uns
auszuhändigenden Gerät. Es lohnt sich des-
halb auch nicht, jetzt schon hier auf die
minutiösen technischen Einzelheiten und
Feinheiten ausführlich einzugehen. Wir
können an Hand der mit technischen Zeich-
nungen und Abbildungen reich illustrierten
Veröffentlichung in der führenden ameri-
kanischen Zeitschrift „electronics" nur be-
tonen, daß es sich beim „Optar" um eine
beachtenswerte Neuerung handelt, und zwar
. nicht nur im Hinblick auf seine Anwendbar-
keit als Blindenleitgerät, sondern auch noch
in mehrfacher anderer Hinsicht. Dt. F. L.
Man vergleiche hierzu das Ergebnis unserer
Erkundigungen im Ausland im Beitrag „Habt Ge-
duld mit der Technik!" Die Schrittleitung.
Telefonistenausbildung sei keine Spielerei!
*) vgl. L. Bergmann, Der Ultrasehall und seine An-
wendung in Wissenschaft und Technik, S. Hirzel, Stutt-
gart 1949, pg. 510—513; ebenso die Ausführungen von
Prof Bergmann in „Der Kriegsblinde" (Januar 1950).
**) Optar, A New System of Optical Ranging; (Das
Optar, ein neues Gerät zur optischen Distanzmessung);
,, electronics" 23, 102—105, 1950, 'Der Verfasser des
Artikels ist nicht näher bezeichnet als mit den
Initialen- D. G. F.
Beim Kongreß der deutschen Blindenlehrer, der
im August in Hannover stattfand, hielt Blinden*
Oberlehrer Adolf Fischer, der auch sehr viele
Kriegsblinde unterrichtet hat, einen Vortrag über
die Telelonistenausbildung Erblindeter. Es wurde
in Hannover sodann eine Arbeitsgemeinschaft der
Telefonistenausbilder gegründet. Blindenoberlehrer
Fischer setzt sich mit dem folgenden Aufsalz für
eine gründlichere Ausbildung blinder Telefonisten
ein.
Der blinde Betriebstelefonist hat sich
durch seine zuverlässige Arbeit heute schon
gut durchsetzen können. Manche Behörde
oder Firma hat erkannt, daß die Beschäfti-
gung eines Blinden an diesem Platz sehr
wohl möglich ist. In vielen Fällen sogar hat
der blinde Betriebstelefonist so überzeugen
können, daß er vom Betrieb als hervor-
ragende Arbeitskraft besonders geschätzt
und anerkannt wird. So erfreulich diese
Tatsache ist, so dürfen wir jedoch nicht
vergessen, daß sich noch sehr viele Betriebe
und vor allem Behörden nicht dazu ent-
schließen können, einen Blinden in ihrer
Vermittlungszentrale zu beschäftigen. Un-
Eine Bitte an unsere Frauen!
Wir haben verschiedentlich feststellen
müssen, daß einzelne Kameraden nichts oder
nur wenig von dem Inhalt unserer Zeitschrift
erfahren. Wir wissen, wie belastet gerade
die Ehefrauen von Kriegsblinden sind und wie
schwer es oft fällt, auch nur die Zeit für das
Vorlesen der wichtigsten Neuigkeiten aus
der Tageszeitung zu finden. Dennoch bitten
wir die Angehörigen unserer Kriegsblinden
herzlich, den Inhalt unserer Zeitschrift unse-
ren Kameraden bekanntzugeben. Die Zeit-
schrift ist das stetigste Band der Kamerad-
schaft unter den Kriegsblinden, und es ist
immer wieder das Schicksal jedes einzelnen,
das hier berührt wird. ■
kenntnis der Leistungsfähigkeit Blinder,
Scheu vor dem Schwerbeschädigten, Be-
quemlichkeit usw. mögen die Gründe dafür
sein. Bedauerlich ist diese Haltung aber im
Hinblick darauf, daß eine Anzahl blinder
Telefonisten auf einen Berufseinsatz wartet
und so mancher den Wunsch hat, diesen
Beruf zu erwählen. Die Schwierigkeiten die-
ser Sachlage sind in den einzelnen Ländern
sehr verschieden, je nach der Aufgeschlos-
senheit, die erreicht werden konnte.
Da in den meisten Blindenberufen das •
Angebot von Arbeitskräften größer is.t als
die Nachfrage, werden die Umschulungs-
wünsche als Telefonist immer zahlreicher.
Allerdings glauben wir der Sache der Blin-
den im allgemeinen (und auch persönlich für
den einzelnen) nur dann zu dienen, wenn
wir eine sorgfältige Auswahl und eine
grundlegende, vielseitige Ausbildung
fordern. Genau so, wie nicht jeder Sehende
das Zeug in sich hat, ein guter Betriebs-
telefonist zu werden, ebenso bringt auch
nicht jeder Nichtsehende die Voraussetzun-
gen für diesen Dienst mit. Die Arbeit eines
Betriebstelefonisten ist äußerst wichtig und
kann positiv oder negativ sehr kennzeich-
nend für einen Betrieb sein. Der Blinde will
auch in seinem Betrieb eine vollwertige
Arbeitskraft sein und nicht nur ein „mit-
gezogenes" Betriebsmitglied. Als Telefonist
muß er daher die nötige geistige und kör-
perliche Wendigkeit haben und so sorgfältig
und vielfach ausgebildet sein, wie es eben
möglich ist. Rasche Aufzeichnungen von
Notizen, Nachrichten, Ferngesprächsanmel-
dungen, Telegrammen usw., Anlegen von
Ruf nummernverzeichnissen, selbständige Füh-
rung von Ferngesprächslisten und Abrech-
nungen erfordern mindestens sichere Be-
herrschung der Blindenkurz-
schrift und zuverlässige Geläufigkeit im
Maschinenschreiben. Die weitere Vermitt-
lungsarbeit und die damit oft gekoppelten
Nebenaufgaben (Auskunfterteilen, Pförtner-
dienst u. a.) verlangen auch gewisse tech-
nische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse,
Sicher gibt es Ausnahmefälle mit kürze-
ster Ausbildungszeit, doch können diese
Ausnahmen nicht für die Allgemeinheit
richtunggebend sein. Der Vermittlungs-
bereich ist dann meist gering und der
Apparat klein, schriftliche Aufzeichnungen
sind kaum notwendig. Es ist oft auch ein
bereits früher erworbenes Wissen und Kön-
nen in Punktschrift, Maschinenschreiben und
in technischer sowie betriebswirtschaftlicher
Hinsicht vorhanden, und nicht zuletzt garan-
tiert die Persönlichkeit des Blinden selbst
für gute Haltung, tadellose Dienstauffassung
und korrekte Arbeit.
Auf Grund langjähriger Erfahrungen so-
wohl in der Ausbildung als auch in der
Unterbringung und nachgehenden Betreuung
von zivil- und kriegsblinden Betriebs-
telefonisten in den Ländern Nordrhein-
Westfalen und Niedersachsen halte ich eine
gründliche und vielseitige Schulung in
praktischer und theoretischer Vermittlungs-
technik (an mehreren Vermittlungsschrän-
ken), Blindenstenografie (60 bis 80 Minuten-
silben), Maschinenschreiben (150 bis 200 Mi-
nuten-Reinanschläge), Deutsch und Betriebs-
lehre für außerordentlich notwendig. Man
kann zwar in sechs Wochen oder sogar
14 Tagen die praktischen Handgriffe an
einem einzigen Gerät beherrschen, vielleicht
sogar spielend erlernen, doch genügt
das nicht! Die heute verwendeten Ver-
mittlungsgeräte sind sehr verschieden von-
einander, und die erlernten praktischen
Handgriffe können oft nicht angewendet
werden. Der Einsatz kann dann nur an
einem gleichen oder ganz ähnlichen Gerät
erfolgen, größere Vermittlungsschränke
scheiden ganz aus.
Um die Arbeitsmöglichkeiten für jeden
Betriebstelefonisten zu erweitern und die
mittleren und größeren Vermittlungsgeräte
für den Einsatz Blinder zugänglich zu
machen (in der Praxis jetzt erprobt: zwölf
Amtsleitungen mit 700 Nebenstellen und 30
Amtsleitungen mit 300 Nebenstellen), wird
von uns eine neunmonatige Aus-
bildung mit den genannten Fächern und
eine Abschlußprüfung vor der zuständigen
Oberpostdirektion für erforderlich gehalten.
AclolS Fischer
Das Bundesversorgungsgesetz — „Unsinn und Verbrechen
//,
Seit Monaten und besonders in den letzten
Wochen drängen unsere kriegsblinden Leser,
daß endlich einmal Einspruch erhoben werde
gegen die unerquicklichen und zunehmend
unfairen Propagandamethoden der
Zivilblinden. Vor allem hat es in
letzter Zeit viel Erbitterung hervorgerufen,
daß die Zivilblinden in Rundfunk und Presse
mit Eifer den genauen Betrag der Versor-
gungsbezüge eines Kriegsblinden bekannt-
geben. Ganz abgesehen davon, daß solche
Angaben sehr nach Mißgunst riechen, und
davon, daß die meisten Kriegsblinden (im
Gegensatz zu den Zivilblinden) vor ihrer
Erblindung über ein weit höheres Einkom-
men verfügten als jetzt, abgesehen auch
davon, daß die öffentliche Bekanntgabe die-
ser Bezüge besonders unseren auf dem
Lande wohnenden Kameraden einen unbe-
schreiblichen sozialen Schaden zufügt, ver-
gessen die Zivilblinden, daß es sich beim
Bundesversorgungsgesetz nicht um eine all-
gemeine Versorgung hilfsbedürftiger oder
gebrechlicher Personen handelt, sondern um
ein Gesetz für Kriegsopf.er, die an den
Staat unanfechtbare Rechtsansprüche stellen
können, beruhend auf einem gegenseitigen
Pflichtenverhältnis: Der Gehorsamspflicht
des eingezogenen Soldaten entspricht die
Leistungspflicht des Staates in Schadens-
fällen. Kriegserblindungen rühren ja aus
einem Unternehmen her, das der Staat
durchführte und für das der Staat die Ver-
antwortung zu tragen hat. Es kann also die
Versorgung von Kriegsopfern rein rechtlich
überhaupt nicht in Vergleich gesetzt werden
mit den Wünschen nach Hilfe für Menschen,
die auf Grund privater Schicksalsschläge
pflegebedürftig sind. Bei der Schaffung des
Versorgungsgesetzes stand nicht das Thema
„Blindenhilfe" sondern das Thema „Kriegs-
opfer" zur Debatte. Wir hatten die Hoffnung,
daß die Zivilblinden das eingesehen hätten,
denn seit einiger Zeit versicherte ihr Vor-
sitzender Dr. Gottwald ausdrücklich, daß
die Versorgung der Kriegsblinden nicht
auch von den Zivilblinden zu beanspruchen
sei. Es gehe nur darum, auch den Zivilblin-
den ein Pflegegeld zuzubilligen wie es der
Kriegsblinde erhalte.
Keine Frage, daß wir diese Forderung
nicht nur verstehen sondern auch unter-
stützen ! Wir haben das immer wieder
betont. Ob für die Erfüllung dieser Forde-
rung die Länder oder der Bund zuständig
sind und ob es sich, der rechtlichen Lage
entsprechend, um Fürsorgeleistungen oder
um einen einklagbaren Rechtsanspruch han-
delt, das sind Fragen zweiter Ordnung, über
die hier nicht diskutiert werden soll.
Aber diese unsere aufrichtige Zustimmung,
diese Unterstützung der Zivilblindenwünsche
wird uns zunehmend schwer gemacht, weil
die Zivilblinden immer wieder unsere Ver-
sorgungsbasis, die ja schmal genug ist,
attackieren und mindestens moralisch anfech-
ten, ganz zu schweigen von den unaufhör-
lichen und so irreführenden Vergleichen.
Wie weit man in der Tonart darin bereits
geht, beweist uns ein Aufsatz im offiziellen
Organ des Deutschen Blindenverbandes, „Die
Blinden weit" (Heft 9/1951). Da schreibt ein
Herr Heinrich Wolnik unter dem — als
Alternative gänzlich unhaltbaren — Titel
„Humanität oder Kausalität?" nicht mehr
und nicht weniger als dies: das „unsin-
nige" und „veraltete" Bundesversorgungs-
gesetz sei im Grunde ein „Verbrechen
gegen die Menschlichkeit", es
sei ein „sonderbares Gesetz, welches aus
dem Schutt des Dritten Reiches ausgegraben
und restauriert wurde", eben weil es nach
der Ursache (der Kausalität) der Erblindung
frage, „nach dem Stempel des Mars", nicht
aber nach der „Humanität", wie wir Deut-
.schen sie z. B. von den Alliierten nach 1945
so segensreich erfahren hätten. Herr Wolnik
spart nicht mit Vorwürfen gegen die Bun-
desregierung, zieht sogar Parallelen zur
Judenverfolgung im Dritten
Reich, zitiert Hitler, nach dem man sich
heute offensichtlich noch richte, kurz, er be-
schimpft die gleichen Männer, denen die
Bitten der Zivilblinden gleichzeitig vorge-
tragen werden (es sind ja Bitten und keine
Rechtsansprüche) — ob ein solches Verfahren
diplomatisch gerade geschickt ist, bleibe
dahingestellt. Auch ist es nicht unsere Sache,
hier die Bundesregierung in Schutz zu neh-
men.
Aber einige dieser wunderlichen Töne
dürfen nicht unerwidert bleiben, denn es
wird ja schließlich uns Kriegsblinden vor-
geworfen, daß wir Nutznießer eines Ver-
brechens gegen die Menschlichkeit seien.
Infolge unserer Mitwirkung bei der Gesetzes-
schaffung wären wir auch Miturheber dieses
Verbrechens. Wir wollen dem Verfasser
zubilligen, daß er im Ansturm seiner ver-
ständlichen Verzweiflung nicht recht bedacht
und abgewogen hat, daß es sich hier immer-
hin — genau genommen — um den Anteil
an einer gemeinen Straftat handelt. Also
sehen wir lieber von Einzelheiten ab! Es
geht ja vor allem um den konstruierten
Gegensatz von „Kausalität und Humanität".
Wolnik behauptet, daß die Bundesregierung
den Standpunkt der Humanität ablehne
und zum „Altertum" zurückkehre, indem sie
nach der Ursache der Erblindung frage, im
Gegensatz zu anderen Staaten.
Aber wie steht es in anderen Staaten?
Ein Versorgungsgesetz für Zivilblinde be-
steht nicht einmal in der wohlhabenden
Schweiz, und wo immer es Kriegsblinde
gibt, erhalten diese mit ganz geringen Aus-
nahmen eine Sonderversorgung nach der
„Kausalität", auch in den von Wolnik als
Vorbild zitierten Staaten England, Austra-
lien und Frankreich. Der Vergleich hinkt
also. Sogar in der Sowjetzonenrepublik, die
auf kommunistische Art eine Gleichmacherei
betreibt, wird die Kausalität bei Unfall-
blinden anerkannt, wenn eine Unfallver-
sicherung einzutreten hatte. (Es ist nun mal
eben so, daß Renten nur nach vorangegan-
genen Leistungen gewährt werden!) Und
selbst in Rußland gibt es eine Kriegsblinden-
versorgung. Also: Auch in den gepriesenen
humaneren Staaten bleibt das Prinzip der
Kausalität anerkannt. Und umgekehrt:
Allein humanitäre Gesichtspunkte ergeben
keinen Rechtsanspruch gegen bestimmte
Rechtspersönlichkeiten (wie gegen Ver-
ursacher von unerlaubten Handlungen, die
zum Schadensersatz verpflichten, oder gegen
den Staat bei Schäden aus einem Dienst-
verhältnis). Kein Jurist kann, wie es Wolnik
vorschlägt, „vom Standpunkt der allgemeinen
Menschenrechte" eine „Anklage gegen die
Regierung vorbereiten" oder einen „Rechts-
streit", mit dem der Regierung der „Vorwurf
einer unmenschlichen Handlung" gemacht
werden soll. Da ist es fast drollig, zu hören,
daß der Chef dieser satanischen Regierung,
nämlich Dr. Adenauer, jetzt dem Deutschen
Blindenverband als förderndes Mitglied bei-
trat . . .
Es ist eben so, -daß die Humanitas eine
Gesinnung ist, eine Sache des Geistes,
nicht aber eine Paragraphennorm. Es ist
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selbstverständlich, daß wir uns der Forde-
rung anschließen, wonach die Humanitas
auch im Staatsleben sich auswirken muß.
Aber die Leistungen des Staates müssen
sich, und sei die Gesinnung noch so ideal,
nach den vorhandenen Mitteln richten, und
wo die Kassen leer sind, ist guter Rat be-
sonders teuer. Wer wollte es Verbrechen
nennen, wenn jemand nichts gibt, weil er
nichts hat! Da helfen die geschmeidigsten
Zahlenreihen nichts — 20 oder 30 Millionen
Mark müssen erst einmal bereitgestellt wer-
den können, ehe man sie auszahlt. Am guten
Willen fehlt es nirgends. Wir sind nun
einmal nicht so glücklich dran, wie das von
Wolnik gepriesene Australien. Aber trotz-
dem, wir hoffen dringlichst, daß Wege ge-
funden werden, um die Existenz der Zivil-
blinden in würdiger Weise zu sichern, und
wir meinen, daß das möglich sein sollte,
ohne die Rechte und Ansprüche der Kriegs-
blinden im geringsten — auch nur in der
Propaganda — zu berühren. Mit Recht weist
Wolnik dabei auf die Verpflichtung zur
„christlichen Barmherzigkeit"'' hin. Hier allein
liegt der richtige Weg für seine Wünsche.
Noch eins muß aber gegen den Aufsatz
Wolniks gesagt werden: Wir schämen
uns, daß unter deutschen Blinden so üble
und törichte Anspielungen in politischer
Hinsicht verbreitet werden, wie es hier ge-
schieht. Der Kampf der Zivilblinden, so heißt
es, sei eine Pflicht, „damit die Redensart von
der deutschen Barbarei endlich in
der Welt verschwindet". (Gleichzeitig wärmt
Wolnik diese Redensart aber aufs neue auf.)
Oder: Die verantwortlichen Persönlichkeiten
der Regierung trügen die , Verantwortung
dafür, wenn es — wegen der mangelnden
Humanität — im Ausland wieder heiße: „O
diese Deutschen — !" Oder: „Gerade Deutsch-
land hat es dringend nötig, schon wegen
der Greuel der jüngsten Vergangenheit . . ."
usw usw. Es klingt fast wie eine Drohung,
aber gleichzeitig wird das eigene
Nest in geradezu unverfrorener Weise
beschmutzt, und es wird das deutsche
Staatswesen auf eine Art beschimpft, die
man schon als nationale Würdelosigkeit
bezeichnen muß. Immerhin ist das „ver-
brecherische" Bundesversorgungsgesetz ja
vom gesamten Bundestag angenom-
men worden. Hoffen wir, daß dieser Auf-
satz des um das deutsche Ansehen in so
sonderbarer Weise besorgten Herrn Wolnik
im Ausland ungelesen bleibt. Und wünschen
wir ihm, daß man in Bonn seine Tonart
(und die mancher seiner Gesinnungsgenossen)
mit jener „christlichen Barmherzigkeit" über-
hört, die den Bonner Stellen hier abgespro-
chen wird.
Den Deutschen Blindenverband aber bitten
wir im Namen unserer kriegsblinden Leser,
bei seinem zweifellos berechtigten und not-
wendigen Kampf um die Existenzsicherung
seiner Mitglieder uns Kriegsblinde
endlich aus dem Spiel zu lassen.
Es können beide Blindengruppen in frucht-
barer Eintracht nebeneinander leben, so, wie
wir es wünschen. Man mache uns das doch
nicht allzu schwer! H.
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Kriegsblinde bei der Bundesbahn
Wo immer die Möglichkeit gegeben ist,
werden Schwerbeschädigte bei der Deutschen
Bundesbahn beschäftigt. Was man aber nicht,
für möglich gehalten hätte, nämlich, daß
auch kriegsblinde Kameraden wertvolle
Arbeit bei der Bundesbahn leisten könnten,
ist Tatsache geworden. Man findet sie als
Stenotypisten und Protokollführer bei
Direktionssitzungen, in der Fernsprechver-
mittlung, in den Werkstätten, z. B. als Satt-
ler, Tischler und Glaser, in der Lagerverwal-
tung und Werkzeugausgabe sowie auf vielen
anderen Posten, nicht zuletzt auch als Aus-
kunftsbeamte. Die Eisenbahndirektion Ham-
burg hat in der Schaffung von Arbeits-
plätzen für Kriegsblinde völlig neue Wege
beschritten, und der Erfolg ist nicht aus-
geblieben. Heute sind 40 Prozent aller bei
der Deutschen Bundesbahn beschäftigten
Kriegsblinden allein im Bezirk der Eisen-
bahndirektion Hamburg tätig. Der Haupt-
vertrauensmann für die Kriegsblinden, Berg-
hold, und der Leiter der Berufsfürsorge,
Schreuers, bei der Eisenbahndirektion
Hamburg können stolz darauf sein, denn es
ist ihr Werk. „Die Kriegsblinden sind ein
munteres Völkchen", sagen sie immer wie-
der, „sie stehen alle ihren Mann, und manch
ein gesunder Mensch kann sich an ihnen
ein Beispiel nehmen." Aber einer von ihnen
wurde besonders hart vom Schicksal ge-
troffen. Es ist der Kamerad Heinrich R i e -
d e m a n n aus Hamburg, der völlig erblindet
und ohne Unterarme aus dem zweiten Welt-
krieg heimgekehrt ist.
Kamerad Riedemann ist jetzt 37 Jahre
alt und steht bereits mehr als 14 Jahre im
Dienst der Deutschen Bundesbahn. Seit sei-
ner Ernennung zum techn. Reichsbahn-
inspektor im Jahre 1939 war er ständig im
Außendienst tätig. 1942 wurde er zum Leiter
einer Bahnmeisterei im Osten berufen. Hier
entrann er einmal nur knapp dem Tode,
als auf dem allgemeinen Rückzug sein
Dienstwagen von einer Zahnradmine in die
Luft gesprengt wurde und er "Selbst aus dem
zertrümmerten und brennenden Wagen ge-
borgen werden konnte. Als ein Jahr später
die Reichsbahn alle Bediensteten des Jahr-
gangs 1914 für die Wehrmacht freistellte,
mußte auch Kamerad Riedemann noch kurz
vor Kriegsende den grauen Rock anziehen.
Schon nach wenigen Wochen Frontdienst
ereilte ihn dicht vor dem feindlichen Graben
sein Schicksal. Nach langer Lazarettzeit trat
nun die Berufsfrage an ihn heran, denn ein
kriegsblinder Ohnhänder kann nur in weni-
gen Berufen beschäftigt werden. Seine
frühere Tätigkeit konnte er infolge der er-
littenen Verwundungen nicht mehr ausüben.
Im Frühjahr 1946 wurde Kamerad Riede-
mann beauftragt, sich auf den Unter-
richt als Werkschullehrer der
Bundesbahnlehrlinge im Eisenbahndirek-
tionsbezirk Hamburg vorzubereiten. Mit
zäher Energie und unterstützt von seiner
Gattin, eignete er sich das für einen Werk-
schullehrer erforderliche Wissen an, sc daß
er bereits im Herbst 1946 seinen Unterricht
aufnehmen konnte. Kamerad Riedemann
unterrichtet in Verwaltungs-, Berufs-,
Rechts- und Staatsbürgerkunde. Er ist mit
seinem neuen Beruf, den er nunmehr fünf
Jahre ausübt, bereits völlig verwachsen.
Man könnte der Meinung sein, daß der
Unterricht unter der Beschädigung des
Kameraden zu leiden hätte. Aber im Gegen-
teil, mit wunderbarem Gedächtnis weiß die-
ser blinde Werkschullehrer, der trotz seines
schweren Schicksalsschlages ein aufgeschlos-
sener, humorvoller Mensch ist, den Unter-
richt staunenswert interessant und wendig
zu gestalten Die Lehrlinge bringen ihm
große Hochachtung entgegen, und die
Prüfungen beweisen, daß die Unterrichts-
leistungen gut sind.
(Siehe auch unser Titelbild!)
40 Prozent aller im Bundesgebiet bei der Bundesbahn Beschäftigten sind im Gebiet der Eisenbahn-
direktion Hamburg tätig, darunter auch der Kriegsblinde Ohnhänder Heinrich Riedemann, der
vor dem Kriege bereits techn. Reichsbahninspeklor war und der sich jetzt als Werkschullehrer
Sür die Bundesbalmlehrlinge bewährt. F°t°: Lomont/APB
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Hauptziel: die Berufsfürsorge
Bezirksleiter-Konferenz des LV Westfalen
In Münster trafen am 15. und 16. Septem-
^ ber die Bezirksleiter des Landesverbandes
/Westfalen zu einer Konferenz zusammen, an
- der auch maßgebende Behördenvertreter teil-
nahmen. Der Vorsitzende des Landesverband
■des, Kam. Schütz, konnte den Leiter der
." Hauptfürsorgestelle, Landesrat Dr. Wolters,
nebst Landesinspektor Dölling begrüßen,
den Leiter des Landesversorgungsamtes,
Oberverwaltungsrat Winter, sowie Medizi-
nalrat Dr. Schweistal und Reg.-Amtmann
\ Schlamännn. Zunächst wurde das Thema
„Berufsfürsorge" erörtert, wobei Lan-
desrat Dr. Wolters äußerte, daß der Haupt-
fürsorgestelle zwar Grenzen gesetzt seien,
daß man jedoch bestrebt sei, noch mehr zu
"erreichen. Die Mittel der Hauptfürsorgestelle
» ständen nur für produktive Zwecke bereit,
doch sei zu hoffen, daß auch hinsichtlich der
Wohnungsbeschaffung in Kürze günstigere
Wege gefunden würden als gegenwärtig.
Kam. Schütz wies darauf hin, daß einige Be-,
zirke in Westfalen schon bis zu 95 Prozent
. der arbeitsuchenden Kriegsblinden in Berufe
^vermittelt haben. Günstige Möglichkeiten
' bestehen für Stenotypisten und
T e I e f o n i s t e n. Es sei an der Zeit, Hand-
werker, die nicht voll beschäftigt sind, und
' die für solche Berufstätigkeiten die Voraus-
setzungen mitbringen, umzuschulen.
Auch den Zivilblinden müßten diese Berufe
noch mehr erschlossen werden,_.aber nicht
nach der These „Blind ist b 1 i n d". Ähn-
lich wie es an anderer Stelle in dieser Aus-
gabe unserer Zeitschrift geschieht, erhob
Kam. Schütz unter einmütiger Zustimmung
seiner Kameraden Einspruch gegen die ge-
genwärtigen Propagandamethoden des Deut-
schen Blindenverbandes.
Bei der Aussprache unter den Bezirks-
leitern ergab sich, daß die Unterbringung
im Industriegebiet und in den Städten gut
' vonstatten geht, daß dagegen auf dem
■'■ Lande kaum andere Möglichkeiten als in .den
handwerklichen Berufen bestehen. Oberver-
waltungsrat Winter erklärte dabei dankens-
werterweise, daß er gewillt sei, zumindest
-bei jedem Versorgungsamt einen Kriegs-
blinden zu beschäftigen. In den meisten
Fällen sei die Einstellung bereits erfolgt.
Auch Kam. Scharra als Geschäftsführer
der Kriegsblinden-Handwerkerfürsorge be-
tonte, daß weiterhin danach gestrebt werden
müsse, die Anzahl der Handwerker
auf ein Mindestmaß herabzudrücken. Nur so
könne man eine ausreichende Beschäftigung
für die verbleibenden Handwerker erreichen.
Daneben müsse alles geschehen, den Ab-
satz zu steigern. Landesinspektor Dölling
erklärte, daß hinsichtlich der Berufsfürsorge
erst in letzterZeit das unbedingt not-
wendige Verständnis bei den maßgebenden
Stellen geweckt worden sei. Für die Förde-
rung der Umschulung sei seit 1945 sehr viel
geleistet worden. Bei der Berufsünterbrin-
gung sei die gute Zusammenarbeit zwischen
Hauptfürsorgestelle und Kriegsblindenbund
besonders fruchtbar gewesen. „Helfen Sie
uns bei der Arbeit, und wir werden Sie
nicht im Stich lassen."
Anschließend wurden Erfahrungen und
wichtige Grundsätze in der Versorgung
zur Sprache gebracht. Im großen und ganzen
ist die Umanerkennung vollzogen, nicht zu-
setzt dank des Verständnisses von Ober-
verwaltungsrat Winter und seiner Mit-
arbeiter, Nur einige Wünsche ständen noch
offen, so z. B. hinsichtlich der Abwicklung
;von Anträgen auf Beihilfe an Stelle derUnter-
haltskosten für den Führhund.. Hier möge
man Rückfragen nicht bei der Für-
sorge stellen, sondern allein bei der
Hauptfürsorgestelle halten. Auch hinsichtlich
der Witwenbeihilfe müsse anders verfahren
werden, und zwar unter Einreihung in- die
Dringlichkeitsstufe. Oberverw.-Rat Winter,
der alle vorgetragenen Wünsche als sach-
lich begründet und berechtigt anerkannte,
stellte deren Berücksichtigung in Aussicht.
Vielerlei Einzelfragen, u. a, auch aus dem
Gebiet der Handwerkerfürsorge,
wurden erörtert. So wurde auf Antrag be-
schlossen, ein Sachgebiet für selbständige
Handwerker unter Kam. Schütz beim Landes-
verband einzurichten.
Dem 2. Landesverbandvorsitzenden, Kam.
Schaudienst, wurde einmütig das Ver-
trauen der Versammelten ausgesprochen.
Feste der Kameradschaft
Die Essener auf Schloß Burg
Der Autohushalter Nierfeld aus Essen-Bor-
beck hatte die Essener Kriegsblinden einge-
laden, in zwei Omnibussen kostenfrei einen
großen Ausflug zu machen. Mit Dankbarkeit
und Freude wurde diese schöne Einladung
angenommen, und eines Morgens ging es los
zu einer Fahrt ins Blaue. Unter viel Heiter-
keit und Gesang fuhr man zunächst dem
Neandertal entgegen und von da nach einer
Rast in Richtung Bergisches Land. Bald war
es allen klar: das Ziel konnte nur Schloß
Burg an der Wupper sein. Hier erwartete
die Ausflügler eine kleine Musikkapelle und
ein gutes Mittagsmahl. Nach einem behag-
lichen Verweilen in der schönen Landschaft
oder bei den Sehenswürdigkeiten des Schlos-
ses führten festliche Stunden zu Spiel und
Tanz die Kameraden wieder zusammen. Erst
in später Abendstunde konnte man sich zur
Heimfahrt entschließen.
Die Bielefelder im Wesertal
Einen prächtigen Verlauf nahm die dies-
jährige „Fahrt ins Blaue" unserer Bielefelder
Kameraden. Im Omnibus ging es über Bad
Salzuflen nach Vlotho. Schon während der
ES STARBEN
LANDESVERBAND HESSEN
Oesterlein, Willy, Mühlheim a. M., Mo-
zartstraße 2, gest. am 15. 9. 1951.
Frau Auguste Schmuck, Ehefrau unseres
Kameraden Otto Schmuck, Frankfurt a. M.,
Kaulbachstr. 65, gest. am 5. 9. 1951 im Alter
von 42 Jahren.
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
Meißner, Ernst, Braunschweig-Querum,
Eitelbrodstr. 2 (früher wohnhaft in Waiden-
burg/Schlesien), geb. am 24. 1. 1895, gest.
am 9. 9. 1951,
Müller, Anton, Helmstedt, Rosstr. 12, geb.
am 1. 4. 1892, gest. am 17. 9. 1351.
LANDESVERBAND WESTFALEN
Frau Martha Buna, geb. Hätzel, Ehefrau
unseres Kameraden Paul Buna, Brackwede,
Niederer. 15, gest. am 25. 9. 1951 im Alter
von 69 Jähren.
A 1 b r e c h t , Jakob, Detmold, Elisabethstr. 5,
gest. am 18.7. 1951.
R a g e r t , Heinrich, Recklinghausen, Dort-
munder Straße 81, gest. am 17.8.1951 im
Alter von 55 Jahren.
AUS, DER OSTZONE
J u h r i g , Arthur, Bürstenmacher, Freital 3,
Saalhausener Str. 7, geb. am 21. 7. 1910, gest.
am 27.8.1951.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHN!
Fahrt steigerte sich die fröhliche Stimmung,
als durch ein im Wagen angebrachtes Mikro-
fon „Fräulein Susi" mit ihrem Akkordeon
und ihrer glänzenden Stimme alte und neue
Lieder hören ließ und der Reiseleiter immer
wieder das Landschaftsbild beschrieb. In
Vlotho wurden die Teilnehmer vom Amts-
bürgermeister empfangen. Während des Bei-
sammenseins an gedeckten Tischen erfreute
als Gast aus Wanne-Eickel unser Kamerad
Willi Segarrek, wohl der erfolgreichste
kriegsblinde Tenor, mit dem Vortrag einiger
Arien, überhaupt gab es neben den leib-
lichen Genüssen auch die anregendsten gei-
stigen Genüsse, so z. B. kurze Vorträge über
die Entstehung der Stadt Vlotho und ihrer
Umgegend, eine Besichtigung der Sehens-
würdigkeiten, vor allem des berühmten
Jugendhofes und des Burghofes, der einen
schönen Ausblick bis zur Porta bot. Kein
Wunder, daß die Kameraden nach der Rück-
kehr noch in ihren Heimatorten Bielefeld
und Gütersloh bis zu später Stunde gemüt-
lich und angeregt beisammensaßen!
Die Ulmer in Urach
Wie nach dem 1. Weltkrieg, so hat die
Ulmer-Neu-Ulmer Ortsgruppe des ADAC
ihre Ausfahrten für Schwerbeschädigte
wieder aufgenommen. Es ging mit 70 Privat-
kraftwagen und drei Omnibussen empor zu
den herrlichen Höhen der Ulmer Alp, eine
drei Kilometer lange Autokara-
wane, die 300 Fahrtteilnehmer und dar-
unter auch die Ulmer Kriegsblinden über
Blaubeuren in das idyllisch gelegene Kur-
städrchen Urach brachte. Hier war für Mittag-
essen und vielerlei beste Unterhaltung ge^
. sorgt.
Der Vorsitzende des ADAC, Herr Dr.
Oehmt, begrüßte die Teilnehmer. Den
Dank sprach außer dem Kreisvorsitzenden
des VdK auch Bezirksobmann Kam. Naegele
für die Kriegsblinden aus. Während am
Nachmittag ein Teil der Gäste Spaziergänge
durch die Stadt oder die Umgebung machte,
wurden die zurückgebliebenen mit musikali-
schen Vorträgen verschiedenster Art unter-
halten, ein reiches Programm, dem sich ein
allgemeiner Tanz anschloß. Bei der Heimfahrt
die Serpentinen hinab war es ein reizvolles
Bild, wie eine Glühwürmchenkette die
Schlußlichter der langen Autokolonne zu
sehen. Auch an dieser Stelle sei dem ADAC
noch einmal herzlich Dank gesagt!
Wenige Tage, später, am 15. September,
fanden sich dann die Ulmer und Neu-Ulmer
Kameraden noch einmal zu einigen frohen
Stunden zusammen. Gerade bei solchen Zu-
, sammenkünften, wo der private Gedanken-
austausch im Vordergrund steht, was ja lei-
der in den Versammlungen naturgemäß er-
schwert ist, findet die Kameradschaft ihre
glücklichste Pflege.
Die Lüneburger an der Ostsee
Auch unsere Lüneburger Kameraden folg-
. ten einer Einladung des ADAC, der mit ins-
gesamt 260 Schwerbeschädigten in die Heide
fuhr, die gerade in Blüte stand. Alle Gäste
wurden am Nachmittag dieses Tages vom
NWDR glänzend unterhalten. Kurz vorher
waren unsere Lüneburger Kameraden, wie
im Vorjahr, zu einer besonders reizvollen
Fahrt an die Ostsee gestartet, und zwar nach
Bad Niendorf an der Lübecker Bucht. So fand
,^der Sommer auch hier einen Höhenunkt im
Kreise der Kameraden und einen festlichen
Ausklang.
Vorbildliche Kreisversammluiigen
In Rheinland-Pfalz finden die Kreisver-
sammlungen eine besonders intensive Pflege.
Am 22. September hielten die Kreise
Mayen und Ahrweiler in Mayen
unter reger Beteiligung der Kameraden ihre
diesjährige zweite Kreisversammlung ab. Bei
der Eröffnung konnten auch unsere im Kreis
Mayen wohnhaften Landesverbandsvorsit-
zenden Kam. Neil, Bezirksleiter Pung sowie
unser erstmalig in unserem kleinen Kreis
weilender Kamerad Pfarrer Kreutz begrüßt
werden. Als Gäste waren erschienen der
Leiter des Kreisfürsorgeamtes als Vertreter
des Landrats, der Bürgermeister der Stadt
Mayen und der Leiter des städtischen Für-
sorgeamtes. Außerdem war noch der Archi-
var des Eifelvereinsmuseums von Mayen
anwesend, der uns einen sehr interessanten
und lehrreichen Vortrag über die G e -
schichte der Stadt und Landschaft
von Mayen hielt. Kamerad Neil sprach über
Sinn und Zweck der Kreisversammlung. Er
hob unter anderem hervor: „Die Kreisver-
sammlungen dienen neben der geistigen Be-
treuung vor allem der Pflege der Kamerad-
schaft im kleinen Kreis, wo man sich
untereinander aussprechen kann
wie kaum sonst." Kamerad Pfarrer Kreutz
hob im besonderen die Bedeutung unseres
Jahrbuches hervor. Es diene in glück-
lichster Weise der volkstümlichen Unterrich-
tung über Leben' und Arbeit der Kriegs-
blinden und unseres Bundes. — Am Nach-
mittag verlebten alle ein paar schöne Stun-
den im gemütlichen Beisammensein. Die
Kameraden Diensberg und Huth sorgten für
die musikalische Unterhaltung und Stimmung.
H. L.
Die Cuxhavener in Altenbruch
Unsere Kameraden aus Cuxhaven und
Land Hadeln kamen zu einer hervorragend
verlaufenen Tagung auf Einladung der Ge-
meindeverwaltung in der größten Gemeinde
des Kreises, in Altenbruch, zusammen. Die
gesamte Einwohnerschaft bemühte sich mit
großer Gastfreundschaft um die Kriegsblin-
den, vor allem das DRK unter Leitung von
Frau von Rocheid. Zu Beginn der Tagung um
9 Uhr ehrten die Kriegsblinden ihre gefal-
lenen Kameraden durch eine Kranznieder-
legung am Ehrenmal. Im Tagungsraum sang
ein Schulchor zur Begrüßung mehrstimmige
Lieder. Bürgermeister und Pfarrer begrüßten
die Versammelten, und es wurden sodann
zunächst in geschlossener Tagung die wich-
tigsten aktuellen Fragen erörtert. Zur öffent-
lichen Tagung am Nachmittag fanden sich
neben dem Gemeinderat auch Vertreter der
Stadtverwaltung Cuxhaven ein. Außer- dem
Kreisvorsitzenden, Kam. Bahr, sprach auch
der Bezirksvorsitzende, Kam. Koppe aus
Buxtehude, der mit Entschiedenheit jedes
unangemessene Mitleid ablehnte.
„Wir hängen am Leben, weil wir es aus
der Tiefe heraus kennen, wie es wohl kein
Sehender kennen kann." Noch manche
Stunden bei Musik und Unterhaltung konn-
ten die Kriegsblinden die Liebe und Gast-
freundschaft der Einwohner genießen.
Den Bürstenmachern empfohlen
Die Aufnagelmaschine bewährte sich
So verständlich auch das Mißtrauen gegen
ein bis dahin unbekanntes Arbeitsgerät sein
mag — im Falle der neuen Bürstenaufnagel-
maschine „RT 48" ist dieses Mißtrauen über-
flüssig geworden. Hier ist dem blinden
Handwerker endlich ein Gerät in die Hand
gegeben, mit dem er selbständig und dazu
verblüffend sauber und schnell die Bürsten-
hölzer selbst nageln kann. Der Konstrukteur
dieser „Universal-Bürsten-Anfnagelmaschine
RT 48", Herr Rudolf Thommessen, hat letzt-
hin verschiedenen Fachleuten, u. a. auch auf
maßgeblichen Tagungen, die Maschine mit
größtem Erfolg vorgeführt und besuchte
auch uns in der Geschäftsstelle unserer
Bundeszeitschrift. Man kann nur in Überein-
stimmung mit jenen Bürstenmachern, die be-
reits glückliche Besitzer des Gerätes sind,
sagen, daß man sich den glänzenden Gut-
achten der angesehensten Fachkenner an-
schließen muß, wie sie uns Von der „Deut-
schen Blindenarbeit" und von den Fachver-
bänden des Bürstenmacherhandwerks vor-
liegen.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis
dieses vorzügliche Blindenhilfsmittel aus der
Werkstatt unserer Kameraden nicht mehr
fortzudenken. ist und daß es so unentbehr-
lich sein wird wie die Bankschere. Man kann
der Versicherung eines Bürstenmachers
schon Glauben schenken, der kürzlich
schrieb: „Wer einen Tag damit genagelt hat,
der faßt dazu keinen Hammer mehr an."
Die Maschine nagelt alle Besen- und
Bürstensorten, unabhängig von deren Form
und Größe, mit 35 bis 50 Prozent Zeiterspar-
nis. Krumme Nägel gibt es auch nicht mehr.
Kein Bündel kann durch Nägel verletzt wer-
den. Man kann von unten und auch von
oben nageln. Selbst bei lackierten Hölzern
gibt's keine Druckstellen. Durch einen leich-
ten Druck am Handhebel sitzt jeder
Nagel einwandfrei und genau an der ge-
wünschten Stelle, und die Ware wird be-
sonders schön und einwandfrei.
Der Preis der Maschine, die übrigens nur
wenig Raum einnimmt, beträgt zur Zeit
78 DM frei Empfängerstation. Die Anschaf-
fung können wir jedem unserer Bürsten-
macher bestens empfehlen, zumal er dadurch
von fremder Hilfe unabhängig wird. Pro-
spekte können vom Hersteller angefordert
werden. Anschrift: R. Thommessen,
M. -Gladbach-Rheindahlen.
PERSÖNLICHES
Die glückliche Geburt eines gesunden
Stammhalters melden unser Kamerad Max
Wagner und Frau Ilse, geb. Schönebaum,
Braunschweig, Spinnerstr. 5 1. Wir alle
wünschen viel Glück!
Unserem Kameraden Alois Schab und
seiner Ehefrau Waltraud, geb. Hampe, Gü-
tersloh, Surenhofs Weg 103, wurde am
17. September eine gesunde Tochter, Ingrid;
geboren. Wir gratulieren auf das herzlichste.
Am 29. August 1951 wurde unserem Kame-
raden Heinz Gunkel,; Groß-Auheim,
Rausch 34, ein Jungej Horst, geboren. Wir
wünschen alles Gute!
*
Unser Kamerad Studienrat Gerhard Meiß-
ner und Frau in H i t z a ck'e.r, Grünewald-
straße 44, melden die glückliche Geburt eines
gesunden Stammhalters. Möge der kleine
Eckart zur Freude seiner Eltern heranwachsen.
Unser Kamerad Josef Brüs'er und Frau,
Hillmicke über Olpe, melden die Geburt
ihrer Tochter Renate (2. Oktober 1951). Die
Kameraden des Bezirks Siegen-Olpe lassen
herzlich gratulieren.
*
Der kleine Manfred unseres Kameraden
Lüdtke und seiner Frau Margrit, geb. Ihr-
lich, Mülheim b; Koblenz, Bahnhofstr 36,
hat sein gewünschtes Schwesterchen — Ange-
lika Anne — bekommen. Wir freuen uns von
Herzen mit.
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10
Handwebersiedlung in Hannover
Die Kameraden der Arbeitsgemeinschaft
kriegsblinderWeber sehen mit Freude, daß seit
einigen Wochen in Langenhagen, einem nörd-
lichen Vorort Hannovers, eine Häusergruppe
förmlich aus dem Boden schießt. Langwierig
und mühevoll waren die Vorbereitungen zu
diesem Werk. Es entsteht nun eine Siedlung,
wie sie in der Geschichte des Blindenhand-
werks wohl einmalig sein dürfte: In zehn
Doppelhäusern werden 20 Wohnein-
heiten für kriegsblinde Handweber errichtet,
die in der Mitte der Siedlung, in einem gro-
ßen Werkstat.tgebäude, künftig ihrer
Arbeit nachgehen werden. Die Siedler, aus-
schließlich Ostvertriebene, werden im Erd-
Bei der Grundsteinlegung zur Siedlung unserer
kriegsblinden Handweber in Langenhagen bei
Hannover. In der hier versenkten Kassette be-
findet sich auch das August-Heft der Kriegsblinden-
Zeiischriit. Inzwischen konnte am 29. September
bereits das Richtfest begangen werden.
geschoß über einen großen Wohnraum,
Küche und Bad verfügen und im Obergeschoß
über zwei Schlafzimmer. Die Häuser sind
vollständig . unterkellert. Die Gesamtanord-
nung der Siedlung stellt einen an einer Seite
offenen Ring dar. Da das Werkstattgebäude
in der Mitte liegt, ist es von allen Häusern
durch einen Gartenpfad ohne Überschrei-
tung öffentlicher Wege erreichbar. Die Häu-
ser sollen in das Eigentum der Siedler über-
gehen.
Vor einigen Wochen, am 25. August 1951,
konnte der Landesverbandsleiter der nieder-
sächsischen Kriegsblinden, Albert Bier-
w e r t h , neben den zukünftigen Bewohnern
Neue Umschulungslehrgänge
Die Leitung des Staatl. Umschulungsheimes
in Tegernsee teilt mit, daß die folgenden
neuen Blindenlehrgänge angesetzt sind:
1. Voll-Lehrgang für Masseure,
mit Staatsprüfung.
Dauer: 1 Jahr.
Beginn: voraussichtlich November d. J.
2. Voll-Lehrgang für Bürsten-
macher.
Dauer: 6 Monate. \
Beginn: Januar 1952.
Meldungen über die zuständigen Haupt-
fürsorgestellen an die Bayer. Haupjiürsorge-
stelle München, BriennerStraße 55.
dieser Siedlung alle diejenigen, die in erheb-
licher und dankenswerter Weise zum Gelin-
gen des Planes beigetragen haben, zu der
feierlichen Grundstein 1 e.g u n g
für den gemeinsamen Werkbau einladen.
Während auf dem etwa fünf Morgen gro-
ßen Gelände an diesem sonnenüberstrahlten
Tage die Wohnhäuser z. T. schon in Geschoß-
höhe aufragten, versammelten sich die Teil-
nehmer auf dem Platze des Werkbaues, wo
die Bauleitung alles zum Einbau des Grund-
steines vorbereitet hatte. Nachdem Kam.
Bierwerth herzliche Worte der Begrüßung
und des Dankes gesprochen hatte, gab Herr
Oberregierungsrat Dr. Schultz von der
Hauptfürsorgestelle Hannover einen Über-
blick über die Entstehung des Planes und
seine Durchführung. Herr Regierungsdirektor
A h r e n s , der Leiter des Landes-Sozial-
amtes, schloß sich mit herzlichen Wünschen
für das Gelingen und die Zukunft der Be-
wohner der Siedlung diesen Ausführungen
an. Herr Gemeindedirektor Schwarz er-
klärte im Namen der Gemeinde Langen-
hagen, daß ereineEhrenpflicht darin
gesehen habe, den Wunsch des Bundes der
Kriegsblinden Deutschlands e. V., gerade in
dem verkehrstechnisch günstig gelegenen
Orte diese Siedlung für seine Handwerker
zu erstellen, in jeder Weise zu unterstützen
und zu fördern.
Kam. H. K n a a c k , der Vorsitzende der
Arbeitsgemeinschaft kriegsblinder Weber,
als zukünftiger „Bürgermeister" des kleinen
Dorfes, drückte in bewegten Worten seinen
Dank gegenüber allen denen aus, die gehol-
fen haben, einer Gruppe von kriegsblinden
Ostvertriebenen wieder eine Heimstatt und
einen Arbeitsplatz zu geben. Dieser Dank
soll sich in dem kameradschaftlichen Zusam-
menleben in Frieden und Eintracht kundtun.
Der Sachbearbeiter für Siedlungswesen im
Landesverband, Kam. W. B o d e , legte den
Grundstein und übergab eine Kassette,
die neben den Bauzeichnungen die Satzun-
gen des Bundes der Kriegsblinden Deutsch-
lands e. V., die Satzungen der Arbeits-
gemeinschaft kriegsblinder Weber, die Ent-
stehungsgeschichte der Siedlung sowie das
August-Heft des „Kriegsblinden" enthielt.
Er schloß mit den Worten: „Möge dieses ein-
malige Werk ein Mahnmal des Friedens sein.
Möge es ein Denkmal sein für alle Deut-
schen, die in zwei Weltkriegen das teuerste
Gut, ihr Augenlicht, im Dienste für das
Vaterland dahingegeben haben!"
Inzwischen ist am 29. September 1951 das
Richtfest nach altem Zunftbrauch begangen
worden, und die beteiligten Kameraden hof-
fen, daß sie Anfang nächsten Jahres unter
dem eigenen Dach wohnen können'.
Einbanddecken unb ^antHtclntapfian
Mit der September-Ausgabe unserer Zeitschrift hat ein neuer Jahrgang begonnen. Manche
Kameraden und auch manche unserer Bezieher aus Behörden und Industrie möchten gern den
vergangenen Jahrgang 1950/51 einbinden lassen. Wir bieten zu diesem Zweck hübsche und krallige
Einbanddecken in Halbleinen an, mit Auldruck auf dem Rücken und dem Vorderdeckel.
Ebenso Hefern'wir dazu ein gedrucktes Inhaltsverzeichnis für den nun abgeschlossenen
Jahrgang. Um künftig jedem Leser das Aulbewahren der Zeitschrift zu erleichtern, können auch
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Bei Einzelbestellungen gemäß den vorstehenden Preisen bitten wir um Überweisung des
Betrages auf das Postscheckkonto: Zeitschrift „Der Kriegsblinde", Postscheckamt Hannover Nr. 199 19
(mit entsprechendem Bestellungshinweis auf dem Zahlkartenabschnitt). Die Lieferung erfolgt nach
spätestens drei Wochen.
Bei Bestellungen für mehrere Sammelmappen (oder mehrere Einbanddecken) oder bei sonstigen
Sammelbestellungen, für die Ermäßigungen oben nicht aufgeführt sind, erbitten wir Bestellung per
Postkarte. Dem Besteller geht dann mit der Lieferung eine Rechnung zu.
Einzelne fehlende Hefte können auf Wunsch nachgeliefert werden, solange der
Vorrat reicht. Preis 0,50 DM.
Nach Amerika reisen?
In der Lesermeinung der Augustausgabe
wurde von einem Kameraden der Vorschlag
gemacht, auch für uns Kriegsblinde einen
Aufenthalt im Ausland zu ermöglichen. Als
Privatlehrer für Englisch bin ich an diesem
Vorschlag sehr interessiert und möchte ihn
im Prinzip unterstützen, doch bin ich anderer
Ansicht über die Ausführung dieses Vor-
habens. So möchte ich eine Lotterie, die den
glücklichen Gewinnern eine Reise ins Aus-
land ermöglicht, entschieden ablehnen.
Sie würde bei der Öffentlichkeit doch nur
als verschleierte Bettelei aufgefaßt werden
(meiner Meinung nach auch mit Recht!) und
unserem Ansehen bestimmt nicht förderlich
sein. Andererseits würde es aber nicht mög-
lich sein, 10 000 Lose an etwa 7000 Kame-
raden im Bundesgebiet abzusetzen, zumal
ja die allerwenigsten an dem eventuellen
Gewinn — einem Auslandsaufenthalt —
interessiert sein werden. Schließlich hat
dieser ja für einen Blinden auch nur dann
einen Sinn, wenn er die Sprache des be-
treffenden Landes wenigstens leidlich gut
beherrscht. — Und selbst wenn der Absatz
der Lose unter den Kameraden möglich sein
sollte, so würde doch die Glücksgöttin For-
tuna sicher nicht gerade diejenigen gewin-
nen lassen, die sich eine Auslandsreise
wünschen.
So bin ich der Meinung, daß jeder seine
Auslandsreise auch selber finanzieren sollte.
Es ist ja auch gar nicht nötig, daß man
gleich nach Amerika fährt! Vorschlagen
aber möchte ich, daß unser Verband bei den
Nachbarländern England, Frankreich und
Italien einen Austausch von kriegs-
blinden Urlaubern anregt. Ich denke mir
dies in der Weise, daß z. B. drei von unse-
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12
^rerjt Kameraden in ein englisches Blinden-
heim gehen und dafür drei kriegsblinde
Engländer in einem unserer Heime Auf-
nahme finden. Auf diese Weise könnten
• auch die Devisenschwierigkeiten vermieden
werden. Und sicher würden es auch viele
Kameraden begrüßen, wenn sie während
ihres Urlaubs in einem unserer Heime von
- einem Ausländer etwas über die Lebens-
gewohnheiten und Verhältnisse in einem
anderen Land erfahren könnten!
G. M. (Heidelberg)
Zum Thema „Radio-Skala"
Schon mehrfach sind in Ihrer Zeitschrift
Vorschläge für eine Radio-Skala für Blinde
veröffentlicht worden. Ich glaube, daß die
beste und dabei einfachste Vorrichtung für
diesen Zweck eine kleine Kurbel ist,
die man an dem Knopf für die Senderein-
stellung anbringen läßt. Mit ihrer Hilfe
kann man leicht und genau die einzelnen
Stationen finden, indem man die bestimmte
Zahl von Umdrehungen nach rechts oder
links ausführt, z. B. von Stuttgart nach
Frankfurt nicht ganz eine Umdrehung (bei
meinem Empfänger von Frankfurt bis zum
Südwestfunk 12 Umdrehungen) usw. Natür-
lich muß man zuerst die Abstände bzw. die
Zahl der Umdrehungen auf seinem Gerät
herausfinden, doch ist dies eine einmalige
Mühe, und auch das Behalten der Abstände
erfordert keine Gedächtnisakrobatik. Außer-
dem kann das Gerät mit dieser kleinen
Vorrichtung auch von einem Einhänder
genau so leicht bedient werden.
G. M. (Heidelberg)
Und dazu noch ein Hinweis
Als alter Rundfunkbastler möchte ich mich
zu dem Thema „Blinden-Skala" auch noch
kurz zu Wort melden. Seit ca. zwei Jahren
habe ich an meinem Rundfunkgerät eine
Skala mit einer Punktleiste und einem mit-
bewegten Tastzeiger, die nach dem gleichen
Prinzip arbeitet, wie es seinerzeit im
„Kriegsblinden" beschrieben wurde, wenn
auch die Ausführung etwas davon abweicht.
Ich bin damit recht zufrieden und möchte
sie nicht wieder missen. Jedoch erscheint
die im Septemberheft von einem Kameraden
angegebene Lösung, bei der' einfach die
Madenschrauhe des Skalenknopfes durch
eipe lange Rundkopfschraube ersetzt wird,
durchaus brauchbar. Allerdings haben
manche Skalenzüge die Eigenschaft, zu
rutschen, wenn der Knopf mal ein wenig
überdreht wird, wodurch sich die ganze Ge-
buchte verschieben kann. Ich möchte hier
jrdoch eine Warnung aussprechen: Diese
einfache Vorrichtung darf nur bei reinen
V/echselstromgeräten angebracht werden,
keinesfalls bei Allstromgeräten. Es liegt in
der Natur der Allstromschaltung (auch der
reinen Gleichstromschaltung), daß das
Metallchassis, auf dem das Gerät montiert
ist, mit einem Netzpol in leitender Verbin-
düng steht. Daher führt auch die Achse des
Skalenknopfes Strom, und man kann an
einer verlängerten Schraube dieses Knopfes,
joj nachdem, wie der Netzstecker gerade ein-
gesteckt ist, einen ganz schönen Schlag be-
kommen. Dasselbe trifft aber auch für Weeh-
scjlstromgeräte zu, die mit einem sogenann-
tejn Spartransformator oder Autoduktor
arbeiten. Solche Geräte sind aber von der
Industrie nur in der Zeit nach dem 2. Welt-
krieg bis kurz nach der Währungsreform
gebaut worden. Jedenfalls rate ich jedem
Kameraden, sein Gerät in dieser Hinsicht
überprüfen zu lassen, bevor er die ver-
längerte Schraube anbringt.
Karl Tröster (Erlhof)
Kreuzworträtsel
II ch hätte zu Ihrer Zeitschrift einen Wunsch,
d£r vielleicht auch eine größere Kameraden-
?(fhar freuen würde. Wäre es wohl möglich,
ii'i unserer Zeitschrift eine Ecke für Kreuz-
worträtsel einzurichten? Ich habe mir gedacht,
was den Schachfreunden gut ist, müßte den
Rätselfreunden recht und billig sein — natür-
lich nur, wenn sich genügend Kameraden
dafür finden. Ich könnte mir denken, daß
diese Art Rätsel unser Gedächtnis übt und
daß man dabei auch was lernen kann.
Paul Grywatz (Schwarzenhek)
Was meint ihr dazu?
Das Los eines heimatvertriebenen,
kriegsblinden Bauern
Das Los eines Heimatvertriebenen ist hart
und in vielen Fällen schier unerträglich. In
weit höherem Maße aber leidet der Hei-
matvertriebene, der noch dazu kriegsblind
ist und aus seiner altgewohnten und be-
kannten Umgebung herausgerissen wurde.
Aus den Tagen, da er noch sein Augenlicht
hatte, ist ihm jeder Winkel und jeder
Mensch seiner engeren Heimat bekannt, und
er konnte sich als Blinder viel leichter in
die gewohnte Umgebung einleben. Mittel-
los und heimatvertrieben steht er nun in
einer ihm völlig fremden Umwelt, die er
vorher nie gesehen, deren Menschen er in
guten Tagen nie gekannt und die ihn nicht
kennen »und daher heute achtlos an seinem
schweren Schicksal vorübergehen. Gerade
darum leidet der kriegsblinde Heimat-
vertriebene doppelt schwer unter sei-
nem Los, und seine seelische Belastung ist
weit größer. Dazu kommt aber: er hat, wenn
er Bauer war, auch Beruf und Arbeit ver-
loren.
Der einheimische kriegsblinde Bauer
kann in seinem eigenen Betrieb, in dem er
aufgewachsen ist und den er jahrelang
sehend geleitet hat, weiterarbeiten und ihn
leiten. Ich hatte früher auch einen Hof, den
ich auch dann noch leitete, als ich kriegs-
blind wurde. Heute sitze ich in 'einem klei-
nen südbayerischen Städtchen, untätig, ohne
Arbeits- und Verdienstmöglichkeit. Der Ein-
heimische kann mit dem Blindenführhund
umhergehen, weil er Ortskenntnisse hat;
der Heimatvertriebene, so er vollblind ist,
kann das weit schlechter, da er keine Orts-
kenntnisse hat.
Darum ist das Los der kriegsblinden Hei-
matvertriebenen doppelt schwer und
bedarf einer besonderen liebevollen Be-
treuung und Interessenvertretung. Und
darum gehört auch in alle maßgebenden
Ausschüsse ein heimatvertriebener Kriegs-
blinder.
Eine besondere Härte liegt auch noch in
folgender Tatsache: Ich bin kriegsblinder
Landwirt, hatte einen Hof von 150 Morgen
und beziehe nun die KB-Rente, doch die
Soforthilfe wird mir nicht in voller
Höhe ausgezahlt, sondern wesentlich ge-
kürzt. Warum nimmt man nur in diesem
einen Falle eine Kürzung vor und in ande-
ren Fällen nicht?
Hier einige Beispiele: Ein kriegsblinder
Kamerad, der Beamter war, bekommt
seine Pension, die KB-Rente und ist noch in
einer Beschäftigung, deren Verdienst nicht
angerechnet wird. Ein heimatvertriebener
Beamter mit demselben Leiden bekommt
wenigstens das Überbrückungsgeld, das
nicht auf die KB-Rente angerechnet wird. —
Ein einheimischer Bauer hat sein eigenes
Grundstück' mit 40 Tagwerk Grund und lei-
tet es, bezieht KB-Rente und arbeitet noch
nebenbei Bürsten.
Wäre ich Hilfsarbeiter auf
meinem Hof gewesen, so bekäme ich
außer der KB-Rente noch die Invaliden-
rente in voller Höhe. So aber bin ich „nur"
heimatvertriebener Bauer, der einst ein
monatliches Einkommen aus seinem Hofe
von 1000 RM bezog, und habe nur die KB-
Rente; die Soforthilfe wird mir bis auf
15 DM gestrichen. Das ist eine Härte,
die in keiner Weise gerechtfertigt ist.
Mögen die verantwortlichen Stellen hier
einen Ausgleich schaffen, denn Gerechtigkeit
soll ja in der Demokratie für alle gelten.
Georg Schindel (Wasserburg/Inn)
HJir sind Schattende
Verzage nicht, weil dich die Nacht
in ihre dunklen Schleier hüllte.
Die Finsternis hat keine Macht.
Wir sind vom Licht Eriüllte!
Ist auch die bunte Welt verhangen,
uns blieb ihr heller Widerschein.
Was je das Aug' an Licht empfangen,
es ist doch dein und mein!
FRIEDRICH MEZGER
Der Deutsche Blinden-Schachbund ruft!
Der anläßlich des Schachturniers für Blinde
1951 in Stukenbrock von den 17 Turnierteil-
nehmern (darunter fünf Kriegsblinde) am
2. Mai 1951 gegründete Blinden-Schachbund
bittet alle nichtsehenden Schachfreunde, als
Mitglieder einzutreten. Der Beitrag beläuft
sich auf 6 DM jährlich. In diesem Betrag ist
der Bezugspreis (4 DM im Jahr) für die
Marburger Schachzeitung für
Blinde, die jedes Mitglied erhält, bereits
enthalten. Ab Januar 1952 bringt diese Zei-
tung auch Beiträge aus dem Schach unter
den Blinden. Wer Mitglied werden und sich
an künftigen Turnieren beteiligen möchte,
wende sich möglichst bald an H. ückermann,
Herford, Johannisstraße 27, oder an den Be-
arbeiter dieser Schachspalte, der ebenfalls
dem Vorstand unserer jungen Schach-
organisation angehört. In Kürze beginnt ein
neues Fernschachturnier für Blinde.
Das nächste Schachturnier für Blinde (April-
Mai 1952) wird in zwei Klassen (Meister-
und Hauptturnier) zur Durchführung ge-
langen. Auch an die noch abseits stehenden
kriegsblinden Schachfreunde ergeht die
herzliche Bitte, bald die Mitgliedschaft im
Deutschen Blinden-Schachbund zu erwerben
und seine Bestrebungen nach besten Kräften
zu unterstützen, das königliche Spiel seinem
hohen kulturellen Wert gerade für Blinde
entsprechend zu pflegen, auf seine ange-
messene Förderung durch alle in Frage kom-
menden Stellen stets bedacht zu 'sein und
es weitestgehend in den Kreisen aller Blin-
den zu verbreiten.
2 Partien aus Simultanvorstellungen
Der Spitzenspieler des ESV Turm Köln
maß am 19. 7. und 13. 9. 1951 seine Kräfte
mit 20 bzw. 14 Gegnern gleichzeitig. In
diesen Wettkämpfen gewann der Betreuer
dieser Schachspalte beide nachstehenden
Partien. Die 2. Partie zeigt, daß es sich
schon lohnt, bei anfänglich schlechter Stel-
lung nicht gleich die Flinte ins Korn zu
werfen. Wegen Raummangels wird für dies-
mal auf Anmerkungen verzichtet.
Caro-Kann
Weiß: G. Mertens
Schwarz: P: Guttenberger
1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sc3 d:e4 4. S:e4 Sd7
5. Sf3 Sgf6 6. S:f6 S:f6 7. c3 e6 8. Ld3 Le7
9. 0-0 0-0 10. Se5 c5 11. Le3 Dc7 12. Dc2 b6
13. Tael Lb7 14. Lg5 h6 15. Le3 Tc8 16. f4
Sd5 17. f5 S:e3 18. T:e3 c:d4 19. f:e6 d:e3?
20. e:f7+ T:f7 21. Lh7+ Kf8 22. T:f7+ Ke8
23. Lg6! Dc5 24. Tf5+ Kd8 25. Sf7+ Kd7
26. T:c5 T:c5 27. Da4+ Kc7 28. Df4+ Kd7
29. Se5+ Kd8 30. D:e3 Td5 31.. Sf7+ Kd7
32. Dh3+ Kc7 33. Dg3+ Kd7 34. Dg4+ Kc7
35. Dm4+ Kd7 36. Se5+ Kd8 37. Sc6+ L:c6
38. Db8+ Kd7 39. Le8+ Ke6 40. L:c6 Lc5 +
41. Kfl, und Schwarz gab auf.
Albins Gegengambit
Weiß: Mertens
Schwarz : Guttenberger
1. d4 d5 2. c4 e5 3. d:e5 d4 4. Sf3 Sc6
5 e3? Lb4+ 6. Ld2 d:e3 7. f:e3 Lg4
8 L:b4 D:dl+ 9. K.dl S:b4 10. Sa3 00—0 +
11. Ke2 Sc6 12.'Kf2 L:f3 13. g:f3 S:e5
14. Lh3+ Kb8 15. Thdl Sf6 16. b3 c6 17. Lfl
13
T:dl 18. T:dl Kc7 19. h3 g6 20. Sc2 Se8
2. f4 Sd7 22. b4 Sg7 23. c5 Sf6 24. Lc4 Tf8
25. Kf3 Sf5 26. a4 h5 27. e4 Se7 28. Se3 Sd7
29. e5 b6 30. c:b6+ S:b6 31. Lb3 f6 32. e6
Td8 33. a5 T:dl?? 34. a:b6+! a:b6 35. S:dl
Kd6 36. Sc3 Sd5? 37. S:d5! c:d5 38. L:d5!,
und Schwarz gab auf: denn auf K:d5 folgt
e7! usw.
2 Schachaufgaben
von Heinrich Theiß, Hannover
1. Weiß: Kel, Thl, La4, Se6, Sg6 (5).
Schwarz: Ke8, Tb6, Td8, Lf8, Bd7, e7 (6).
Matt in 2 Zügen!
2. Weiß: Kf7, Te8, Tf6, Lh8, Be7 (5)
Schwarz : Kh7 (1).
Matt in 2 Zügen!
Lösungen
zu den Aufgaben im Septemberheft:
Aufg. 1: 1. Kg6 Kg8 2. Sf8 Kh8 3. Kf7
g6 (g5) 4. f: g6 (f:g6 e. p.) f5 5. g7++ oder
Le5+ +
Aufg. 2: 1. Lb6; Schwarz muß den Sc5
ziehen, und Weiß setzt durch 2. Sd7 matt.
Gabriel Mertens, Köln-Nippes, jetzt: Escher Str. 63
Blinde wollen Sportreportagen
In England streiten sich zur Zeit die Fuß-
ballvereine mit dem Rundfunk. Die Fußball-
vereine haben es abgelehnt, in Zukunft
Rundfunkübertragungen von den
Fußball-Liga-Spielen vornehmen zu lassen.
Gegen diese Entscheidung haben die Blinden
in England energisch protestiert, da ihnen
dadurch eins der beliebtesten Wochenend-
vergnügen entgehe.
Inzwischen hat die Vereinsleitung von
Brentford beschlossen, auf ihrem Spielfeld
eine „Blindenanlage" einzurichten. Der Ver-
ein lädt zu jedem Spiel 12 Blinde kostenlos
ein, die auf die 12 Ehrenplätze geführt wer-
den. Die Vereinsleitung hat für jedes Spiel
einen sachkundigen Reporter engagiert, der
das Spiel auf diese Blindenanlage überträgt,
so daß die Blinden mit Hilfe der Kopfhörer
dem Spielverlauf genau folgen können. In-
zwischen haben sich auch andere Vereine
entschlossen, dem Beispiel von Brentford zu
folgen.
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Oberingenieur Friedrich Wilhelm Gust, der
Erfinder der Blinden-Tastzeichen
am Fernsprechvermittlungsgerät, feierte in
Speyer seinen 50. Geburtstag. Wir Kriegs-
blinden gedenken dieses hervorragenden
Mannes mit besonderer Dankbarkeit, denn
ihm vor allem ist es zu verdanken, wenn
seit einigen Jahren der Beruf des Tele-
fonisten Hunderten von Kriegsblinden neuen
Lebensinhalt gegeben hat. „Machen Sie aus
diesen Dingen nicht ein Geschäft. Aber ver-
suchen Sie um so energischer, den Blinden
so gut und so schnell zu helfen als irgend
möglich", so sagte der verstorbene Senior-
Chef der Berliner Siemensstadt, Carl-Fried-
rich von Siemens, während des zweiten
Weltkrieges zu Oberingenieur Gust. In der
Tat haben die Siemenswerke dieses Prinzip
befolgt: sie ließen die Tastzeichen, die ohne
Patentanmeldung liefen, von aller Welt
nachahmen, und liefern sie im Inland bei-
nahe zum Selbstkostenpreis an die eigene
Konkurrenz. Den Erfinder hatte die Aufgabe
schon lange beschäftigt, bis er gegen Ende
des zweiten Weltkrieges die endgültige
Lösung fand. Die einrückenden Russen
na gelten in Berlin-Siemensstadt seinen
Schrank kurzerhand zu und transportierten
ihn mit allen technischen Unterlagen auf
Nimmerwiedersehen nach dem Osten ab. So
dauerte es eine Weile, bis die Tastzeichen
wieder serienmäßig herausgebracht werden
konnten, und zwar vom Wernerwerk Speyer
der Siemens-A.G. Oberingenieur Gust hat
nun die Niederschrift eines Lehrbuches
über Ausbildung und Beruf des blinden
Telefonisten abgeschlossen, das in Kürze im
Druck erscheinen soll. Wir hoffen sehr, daß
F. W. Gust seine Erfindergabe auch weiter-
hin den Blinden widmet.
Das ersteVersehrtensportheim
der Bundesrepublik entsteht nunmehr in
Süddeutschland. Es handelt sich um ein Dop-
pelheim, dessen Entstehungsgeschichte recht
originell ist. Der bayerische Landtag hatte
200 000 DM mit der Maßgabe bewilligt, daß
dieses Geld zusammen mit der McCloy-
Spende auf bayerischem Boden zum Bau
eines Versehrten-Sportheimes benutzt würde.
Der Platz für die erste Anlage aus den
amerikanischen Mitteln wiederum mußte im
württembergischen Isny festgelegt werden,
da nach längeren Streitigkeiten alle damali-
gen Pläne auf bayerischem Boden sich zer-
schlagen hatten und die amerikanischerseits
vorgeschriebenen Termine drängten. So ist
jetzt als Endlösung ein Doppelheim ent-
standen, das halb in Württemberg und halb
in Bayern steht, nämlich in Isny (hier
wird der Rohbau noch vor dem Winter
fortig) und in Mayerhöfen, wo über
den Bauplatz und den Platz für eine Sport-
anlage bereits Verträge abgeschlossen wur-
den. Zur Finanzierung des Hauses Mayer-
höfen sind noch Gelder nötig, die zur Zeit
ü. a. durch Sammlungen aufgebracht werden.
Das Heim in Isny wird vorwiegend Wohn-
und Schlafgelegenheiten enthalten, das
zweite Haus in Mayerhöfen wird neben
einem Sportplatz auch eine kleine Schwimm-
halle bekommen.
In Bonn fand am 19. September eine
Kundgebung der Zivilblinden statt —
„Das Zivilblindenparlament" — ,
die von etwa 2000 Personen besucht wurde.
In einer Entschließung wurde die Gewährung
eines Pflegegeldes in der Höhe des den
Kriegsblinden zur Verfügung stehenden Be-
trages gefordert. Bundestagspräsident Dr.
Ehlers erklärte, er könne keinerlei Ver-
sprechungen machen. Auch wehre er sich
dagegen, daß die Länder immer wieder auf
den Bund verwiesen nach dem Motto
„Hannemann, geh du voran!" — - Min. -Direk-
tor Dr. Kitz vom Innenministerium meinte
in seiner Ansprache, man müsse auch Lei-
dende auf anderen Gebieten be-
rücksichtigen, wenn eine gute Regelung ge-
troffen werden solle. Leider erwies sich die
Organisation dieses Treffens als sehr unzu-
länglich. Hunderte von Blinden standen in
strömendem Regen auf der Straße, da sich
der gemietete Saal als viel zu klein erwies.
Unter der Überschrift „Blinden-Chaos in
Bonn" berichtet darüber die Hamburger
Freie Presse, daß die Bonner Polizei fas-
sungslos diesem „Tohuwabohu" gegenüber-
gestanden habe. Es sollte ein weiterer Saal
benutzt werden, doch stellte sich heraus,
daß irgend jemand die Bestellung rück-
gängig gemacht hatte. So wanderten die
Blinden zwischen den beiden Sälen hin und
her und warteten geduldig auf die Reden.
Schließlich wurde die Post alarmiert, die
dann in eineinhalbstündiger Arbeit eine
Lautsprecherverbindung durch die Stadt
baute, damit auch im zweiten Saal die Reden
zu hören seien. Es wird bemerkt, daß die
Blinden selbst mit bewundernswerter Ge-
duld und Gelassenheit den Wirrwarr
ertrugen.
Der Allgemeine Blindenverein
in Berlin, der seinen bisherigen Vorsitzen-
den durch dessen üble Veruntreuungen ver-
loren hat, wählte nunmehr als 1. Vorsitzen-
den den Konzertsänger Alfred Stoeckel.
Der Verein zur Förderung der Blinden-
bildung (Hannover-Kirchrode) hat durch
Herrn Direktor Wilhelm Heimers anläßlich
des 75jährigen Bestehens eine Fest-
schrift herausgegeben, die einen inter-
essanten Überblick über die wichtigsten
Mittel der Blindenbildung, vor allem Schrift
und Druck, enthält.
In Hagen (Westf.) fand das Richtfest eines
vierstöckigen Baues statt, der nach einer
Ankündigung von Dir. Meurer künftig
„Blindenhaus" heißen soll. Das Erd-
geschoß wird als Ausstellungsraum für
Blindenarbeiten dienen, während die Ober-
geschosse vornehmlich Handwerkerfamilien
eine neue Heimstatt geben sollen.
Vom 14. bis 16. September fand in Ham-
burg der 2. Bundestag des „Reichs-
bundes* statt. Der Reichsbund hat nun-
mehr 500 000 Mitglieder. — Der V d K , der
bei weitem größte Kriegsopferverband, hielt
vom 12. bis 14. Oktober in Trier seinen
1. Verbandstag ab.
Auf der Innsbrucker Export- und Muster-
Messe stellten die Tiroler Kriegs-
blinden mit gutem Erfolg ihre handwerk-
lichen Erzeugnisse aus. Außer Bürsten- und
Besenwaren konnte man auch geschmack-
volle Tücher und Schals, Fleckerlteppiche so-
wie Propagandapostkarten mit Bildern
Kriegsblinder sehen.
Unser Kamerad Gernsheimer aus Worms,
der 20 Jahre lang ein begeisterter Fußball-
spieler war, besucht seit einigen Jahren
regelmäßig die Fußballspiele im Stadion der
„Wormatia". Seine Frau schildert ihm genau
das Geschehen auf dem grünen Rasen. Diese
treue Anhängerschaft zum Fußballsport hat
der Verein Wormatia 08, dem Valentin
Gernsheimer übrigens nie angehört hat, da-
mit gelohnt, daß er unserem Kameraden und
seiner Gefährtin eine Ehrenkarte auf
Lebenszeit zum Besuch des Stadions
überreichte. Eine sehr sympathische und vor-
bildliche Maßnahme des Vereins „Wormatia"!
Die Bibliothekarin Johanna Meyer, die
seit 1916 die einzige katholische
Blindenbücherei im Borromäushaus
in Bonn verwaltet, feierte ihren 70. Geburtstag.
Die Ortsgruppe Bonn im Verein für
Deutsche Schäferhunde veranstaltete aus
Anlaß ihres 40. Stiftungsfestes eine Sonder-
schau, die mit HOTie'ren beschickt war. Dem
Oberbürgermeister von Bonn, Dr. Stock-
hausen, wurden drei Jungtiere „für
kriegsblinde Soldaten" zur Verfügung
gestellt. ...
Zwei einflußreiche amerikanische
Kriegsteilnehmer-Organisatio-
nen, das „American Veterans Committee"
(AVC) und die „Veterans of foreign wars",
lehnen jede Zusammenarbeit mit einem
„Deutschland eines General Frießner" ab.
Sie bedauern, daß in der Führung des
„Verbandes deutscherSoldaten"
anscheinend kein Platz für den einfachen
Soldaten und Unteroffizier sei.
„Es ist eine Schande", so heißt es in einer
Erklärung des AVC, „daß bisher in Deutsch-
land keine Vereinigung ehemaliger Kriegs-
teilnehmer entstanden ist, die für eine
europäische Föderation und für eine echte
internationale Idee eintritt und mit der eine
Zusammenarbeit für uns möglich wäre." Es
sei besorgniserregend, daß diese Organisa-
tion, die im Namen aller deutschen Kriegs-
teilnehmer zu sprechen vorgebe, den glei-
chen nationalistischen Chauvinismus predige,
der zum letzten Krieg geführt habe.
General Frießner teilte dazu u. a. mit,
daß erst im November die Wahl des Vor-
standes nach demokratischen Regeln erfolge.
Der Bund deutscher Kriegsbeschädigter
und Kriegshinterbliebener teilte dem Bun-
despräsidenten mit, daß seine Mitglieder in
Zukunft bei Zusammenkünften die ihnen ver-
liehenen Verwundeten-Abzeichen
beider Weltkriege tragen wollen.
Die bestbezahlten blinden Arbeiter in
Schottland sind die Blindenschrift-Drucker in
der Edinburgher Blindendruckerei. Sie er-
halten dort wöchentliche Grundlöhne bis zur
Höhe von 7 Pfund 11 Schilling.
Eine elektrisch betriebene Punzier-
maschine zur Herstellung des Satzes für
die Blindenschrift ist vom Polygraph-Buch-
druckmaschinenwerk Leipzig entwickelt
worden. Bisher geschah das Punzieren auf
fußbetätigten Geräten.
Arges Pech hatte die Ehefrau eines Kriegs-
blinden in Celle. Sie hatte die Rente ab-
geholt und fuhr mit ihrer zweijährigen
Tochter auf dem Rade heim. Das Kind nahm
unbemerkt die Brieftasche aus der Einkaufs-
tasche und warf sie auf die Straße. Hilfs-
bereite Personen sammelten die umher-
flatternden Geldscheine ein, doch
fehlten beim Nachzählen noch ganze 75 DM.
Hoffentlich hat es die Zweijährige auch in
ihrem späteren Leben so gut, daß sie mit
den Geldscheinen nur so um sich werfen kann!
„Kriegsblindenjahrbuch 1952"
Soeben ist das neue Kriegsblindenjahrbuch
erschienen. In Umfang und Ausstattung
gleicht es dem vorjährigen Jahrbuch, doch
enthält es noch mehr Bilder und durchweg
Texte, die in irgendeinem Zusammenhang
mit dem Kriegsblindenwesen stehen. Es ist
zu hoffen, daß das Jahrbuch, " das in sehr
hoher Auflage in die Öffentlichkeit geht, mit
Erfolg um Verständnis für die Kriegsblinden
wirbt. Näheres im nächsten Heft.
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Göttingen
16
<yr
tfjsn
t'ct/uw'
Die Tertia kämpft noch immer . . .
Ein bewährtes Buch als Südwesttunkhörspiel
Die gute alte Speyersche „Tertia" kämpft
noch immer wacker wie vor Jahrzehnten. Ihr
Kampf ist freilich nicht mit künstlerischen
Maßen zu messen — auch in der Hörspiel-
dramatisierung nicht, wie sie Christian Böhme
für den Südwestfunk recht reizvoll zusammen-
gezimmert hat. Das Ganze ist und bleibt ein
volkstümliches Gebrauchsbuch mit allen
Qualitäten eines solchen, auch den mora-
lischen. Und deshalb muß man feststellen,
daß es in Hörspiel-Spielplänen noch immer
mehr Daseinsberechtigung besitzt als Stücke
chemisch reiner literarischer Herkunft, bei
denen die Sender nur zu leicht vergessen,
daß das Volk, wenn anders es irgendwo
greifbar wird (und gar mit Kulturansprüchen)
gerade vor den Lautsprechern sitzt, von denen
es nicht durch strapaziöse Unverständlich-
keiten vertrieben werden sollte. Am Hörspiel-
abend der „Tertia" fiel einem darüber hinaus
, ein, welch überraschende Abwechslung es
ist, einmal wieder die frischen Stimmen von
Jungen für eine dramatische Aufgabe ein-
gesetzt zu hören. Unsere Rundfunkautoren
sollten sich überlegen, ob sie ihnen nicht
öfter einmal etwas auf den Leib schreiben
wollen. Biltz hatte übrigens sehr einfalls-
reich, manchmal fast zu einfallsreich inszeniert.
Die Hintergründe des „meterweise
fabrizierten Glücks"
Ein weiteres Clifford-Odets-Hörspiel im
Südwestfunk und Bremen
Clifford Odets liebt es, sich zum dramati-
schen Ankläger der Manager zu machen. In
seinem „Goldjungen", den der Südwestfunk
im Januar als Hörspiel herausbrachte, geht
es gegen die Box-Unternehmer, im „Großen
Messer" gegen die Film-Magnaten. Beides
sind handfeste Erfolgsstücke ohne künst-
lerische Bedeutung. Sie beweisen, daß man
in Amerika auch gegen gewisse allmächtige
Geschäftsbetriebe, ja, sogar indem man ihre
Auswüchse literarisch- moralisch befehdet,
Geld verdienen kann, ohne dadurch vermut-
lich — indem beide Unternehmen friedlich
nebeneinander bestehen — diese Geschäfts-
betriebe wesentlich zu schädigen oder die
Auswüchse zu beseitigen. Im „Großen Mes-
v ser", das der Südwestfunk und Bremen wie-
derum (wie schon den „Goldjungen") von
Gerd Westphal in ihrer bewährten Gemein-
- Schaftsproduktion inszenieren ließen, ist wie-
derum nur der Manager — der Direktor —
. der Teufel, der Gemanagte, der Filmschau-
spieler — wie zuvor der Boxer — lediglich
der arme Erpreßte, im Grunde ein scharmanter
- ein unwiderstehlicher Mann. Wäre es nicht
so, hätte ja wohl kaum die Rolle Willy Birgel,
dem Unwiderstehlichen (aber am Mikrophon
ebenso wie auf dem Theater durchaus nicht
ganz überzeugenden), angetragen werden
können. Im übrigen brauchte man nicht erst
das Boxer- und das Filmstarstück nebenein-
■ ander zu hören, um zu erkennen, daß sie
nach Rezept gemacht sind. Gleichwohl konnte
man auch hier wieder sagen: wenn das
„Große Messer" den einen oder anderen
• Hörer dazu gebracht hat, die Fragwürdigkeit
des Filmbetriebs zu durchschauen und auf
das „meterweise fabrizierte Glück" nicht mehr
. ganz so leicht hereinzufallen, verlohnte seine
Aufführung.
Nicht allzu ernst genommen
Ursachen eines Erfolges im Sportiunk
Was ist die Ursache für den erstaunlichen
Erfolg, den der Österreicher Heribert Meisl
mit seiner Reportage über das Fußball-
Länderspiel in Wien verbuchen konnte?
Meisl wurde über Nacht ein populärer
Sprecher im deutschen Rundfunk und fesselte
vor allem auch Hörer, die sonst bei Sport-
reportagen abschalten. Zwei Gründe scheinen
uns dafür maßgeblich zu sein: einmal die
strikte Fairneß, die nichts von verkrampftem
Nationalismus, keinen Hauch jenes lokal-
patriotischen Krähwinkelstolzes spüren ließ,
wie wir ihn nicht nur von Sportplätzen her,
sondern auch von Rundfunkreportagen ken-
nen, (Allerdings sprach Meisl nur zu deut-
schen Hörern.) Vor allem aber war es die
heitere, oft ironische Überlegenheit des
Sprechers, der das Geschehen auf dem Spiel-
feld nicht ernster nahm als es dies verdiente.
Nichts von dem erregten Pathos, nichts von
der Sensationsleidenschaft, wie sie von vielen
westdeutschen Reportern in unsere Sonntags-
ruhe geschmettert werden! Meisl distanzierte
sich vielmehr immer wieder von der Masse,
er wurde nicht, wie unsere Reporter, ein
Opfer des Rausches und des Außer-sich-Seins
des Publikums. Dieses Verhalten hat zwei
Vorzüge: das Spielgeschehen, mit Abstand
betrachtet, wird viel plastischer und klarer
übermittelt und obendrein auf eine unter-
haltsame und menschliche Weise: „Sie können
aufatmen und Ihr Schalerl Kaffee oder die
Skatkarten wieder zur Hand nehmen, der
Schuß ging daneben." Diese wohltuende
Diktion — meisterlich in einem anderhalb-
stündigen Monolog durchgehalten — schenkte
in ihrer Anschaulichkeit dem Hörer auf
müheloseste Weise die ungetrübte Illusion
des Dabeiseins. Daß ein Fußballspiel auf so
amüsante Weise übertragen werden kann,
hat die deutschen Hörer überrascht, und
dabei fehlt es, auch in geradezu erzieherischer
Hinsicht, völlig an Nachgiebigkeit gegenüber
den Unarten der „Fußballnarren". Mit Weh-
mut erinnert man sich an frühere Höhepunkte
der Sportreportage, etwa an Paul Laven in
seinen besten Zeiten, der es ebenfalls ver-
stand (und gewiß noch versteht), die kleinen
menschlichen Zwischentöne in das „große"
Geschehen einzublenden.
übrigens hat Meisl eine Einladung des
NWDR angenommen und wird vom 8. bis
22. November als Gastsprecher wirken.
Eine Ausgrabung
Romain Rollands Jugenddrama „Johanna
von Piennes" (Stuttgart)
„Ausgrabungen" auf dem Gebiete der Lite-
ratur sind oft fragwürdig: Nicht selten haben
sie einen zwar vielleicht verborgenen aber
entscheidenden Haken, der daran schuld ist,
daß sie erst auf eine späte Entdeckung war-
ten müssen. Bei Romain Rollands vor mehr
als einem halben Jahrhundert entstandenen
Jugendwerk „Johanna von Piennes", das
jetzt als Kernstück der „Woche des Theaters"
Durch
Lesern
15. 10.
16. 10.
17. 10.
18. 10.
19. 10.
20. 10.
21. 10.
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23. 10.
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25. 10.
26. 10.
28. 10.
29. 10.
30. 10.
31. 10.
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14.
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15.
11
JDrogrammvorscliau für f4örspiele
die freundliche Mitwirkung der deutschen Rundfunksender können wir erneut unseren
eine Programmvorschau für den Hörspielplan geben. Wir hoffen, daß unsere Leser
von diesen Tips eifrig Gebrauch machen.
Frankfurt: „Zwei Nächte und ein Leben", von Hermann Stahl.
Südwestfunk: „Nebeneinander", von Hans Rothe.
NWDR/UKW-West: „Als er wieder nach Hause kam", von A. A. Milne.
Stuttgart: „Schlaf der Gefangenen", von Christopher Fry.
Bremen: „Hanneles Himmelfahrt", von Gerhart Hauptmann.
Saarbrücken: „Geschiedene Leute", von Christian Bock.
NWDR: „Der Geizige" von Moliere.
München: „Die Acharner", von Erich Kästner.
München/UKW: „Der Nachmittag eines Fauns", nach Edna Fischer.
München: „Der Windhund", von Klaus Brill.
Stuttgart: „Hauptmann Matjuschenko", von Otto Heinr. Kühner.
Frankfurt: „Die gläserne Stimme", von Peer Baedecker und Bruno Hilde-
brandt.
Südwestfunk: „Nicht zuhören, meine Damen!", von Sascha Guitry.
NWDR/UKW-Nord: „Bidon zinc", Hörspiel aus der Sahara von S. Oster-
mayer.
RIAS: „Der kleine Prinz", nach Saint Exupery.
Frankfurt/UKW: „Zwei Nächte und ein Leben", von Hermann Stahl.
Stuttgart: „Blau und Rot im Regenbogen", von Walter Bauer.
München: „Die Geschichte vom Zaren Johann", von Henry v. Heiseler.
RIAS: „Der öffentliche Ankläger", von Fritz Hochwälder.
NWDR: „Wenn wir alle Engel wären", von Heinrich Spoerl.
Saarbrücken: „Das Komma", von Herbert Timm.
Bremen: „Der gefährliche Weg", von Gilbert. Thomas.
NWDR/UKW-Nord: „Die Glocken von Spoleto", von Martin Anger.
Stuttgart: „Das Damengericht", von E, Reinacher, nach Gottfried Keller.
Frankfurt: „Der Stadtbaumeister", von Elmar Schulte.
Frankfurt/UKW: „Hero und Leander", von Egon Jameson.
Südwestfunk: „Herr Richter, das ist mein Kind!", von Fritz Hochwälder.
Stuttgart: „Züge ans Meer", von Stine Aronson (aus dem Schwedischen).
NWDR: „Dem Himmel bin ich auserkoren", von Thornton Wilder.
Frankfurt: „Dumala", nach dem Roman von E. von Keyserling, bearb. von
Hans Kettler.
Frankfurt/UKW: „Die gläserne Stimme", von Peer Baedecker und Bruno
Hildebrandt
Südwestfunk: „Das rasche Urteil"", von Walther Franke-Ruta.
NWDR: „Stimmen über dem Fluß", von Wolf-Dietrich Schnurre.
Frankfurt: „Die Jungfern vom Bischofsberg", von Gerhart Hauptmann.
Frankfurt/UKW: „Egmont", Hörspiel nach dem Drama von Goethe.
Südwestfunk: „Die Tage sind gezählt", von Josef Martin Bauer.
NWDR: „Paul Temple und der Fall Curzon" (1. Folge).
NWDR: „Merlette", von Pierre Francois.
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriflleitung!
Denke an den „Hörspiel-Preis der Kriegsblinden!"
20.55
20.30
21.00
20.15
21.30
20.20
21.00
23.10
21.45
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20.20
20.30
21.30
20.30
20.30
20.30
17
im Süddeutschen Rundfunk zum ersten Male
nach Deutschland kam, verhält es sich gewiß
so. Trotz großer Klarheit in Aufbau und
Konzeption gibt es gewichtige Gründe dafür,
daß dies reichlich historische Schauspiel selbst
von der Düse, die es früh kannte und der es
eine lohnende Rolle geliefert hätte, nicht ver-
wirklicht wurde. Schon das Thema ist recht
konventionell, und selbst die strahlende Un-
bestechlichkeit und Treue des jungen Mäd-
chens, das sich durch keinen gewaltig fluchen-
Der Rundfunk
unterstützt unseren Hörspielpreis
Wie bereits in der Tagespresse gemeldet
worden ist, hat die Arbeitsgemeinschaft der
Rundfunkanstalten der Bundesrepublik auf
ihrer letzten Tagung in Bad Pyrmont (1. und
2. Oktober) beschlossen, den „Hörspielpreis
der Kriegsblinden", den unsere Zeitschrift
ausgesetzt hat, in seiner Planung und Durch-
führung zu fördern. Wir sind für diese Hilfe,
die es uns ermöglichen wird, die Preiszuteilung
mit der nötigen Sorgfalt vorzunehmen, über-
aus dankbar, und wie möchten den deutschen
Rundfunkintendanten auch an dieser Stelle
unseren Dank zum Ausdruck bringen.
und fand ich Schönes, und möchte dafür
danken.
In Gedanken fahre ich mit dem Dünen-
expreß. Er fährt nicht so schnell, wie sein
Name stolz verkünden möchte. Dafür pfeift
er laut und viel und schaukelt auch reich-
lich. Ich schaukelte später noch einige Male!
Ja, was so ein kräftiges Meerwasser ist . . .
Ich gehe durch Haus Frisia, unserem
netten Heim. Da begegnet mir die -immer
um uns so besorgte Schwester Else. Ihr
sorgenvolles Gesicht galt besonders denen,
die für die Nacht den Hausschlüssel ver-
langten. Sie mochte wohl an die vom Haus-
arzt verordneten Meerwasserbäder denken.
Wie sollte sich das vertragen? Ich sehe mich
in den Aufenthaltsräumen im Kreise der
Kameraden. Ich höre den Weckruf in Form
der von dem Helferkreis des Hauses ge-
sungenen Morgenlieder und das fröhliche
Lachen der Kinder in ihrem Gemeinschafts-
raum.
Ob noch die Straße lebt, die ich so oft
hinunter zur Wandelhalle gegangen bin, wo
ich, auf der Bank sitzend, der großen Kur-
kapelle lauschte? Ob noch die Promenade
lebt, die ich so oft gegangen bin, gemein-
sam mit dem ewigen Rauschen des Meeres,
mit dem Wind und dem Sturm, mit dem
Sonnenschein und dem Regen, mit. dem
Krächzen und Lachen der Möwen? Ob auch
das „Sturmeck" noch ist? Ob noch das Meer
ist, das von der Flut herangetragen wird
und von der Ebbe fortgeführt? Liegen noch
Seesterne am Strand und Muscheln? Rufen
noch immer Menschen „Da ist er?" Und sie
meinen einen Seehund, dessen glänzender
Kopf aus seinem Lebenselement schaut?
O du liebenswerte Erinnerung, wie groß
ist die Zahl der Bilder, die du mir schenkst.
Hier zeigst du mir Herrn Heinemann, den
Leiter der Kurverwaltung, der jedem Kame-
raden, der ihn darum bat, bei Kurveranstal-
tungen einen guten Platz zuwies. Dort zeigst
du mir Bilder von Orten, die zur Fröhlich-
keit einladen. Bilder sehe ich vom Wasser
und vom Leuchtturm, vom Strand und den
Dünen, Bilder sehe ich von lachenden Men-
schen, und immer finde ich mich und meine
Familie darunter, Bilder der Sorglosigkeit.
Ach, es war schön in Borkum. Ich bin
herzlich dankbar für dieses Erleben. Ich
möchte einmal wiederkommen dürfen!
Bernhard Thurow.
Eindrücke aus dem Kriegsblind enkurheim in Borkum
Von Obermedizinalrat Dr. Du bitscher
den Schwiegervater und keine staatliche und
kirchliche Macht das Einverständnis zur Lö-
sung seines Liebesbundes abpressen läßt, ent-
behrt aller Zwischentöne und des psycho-
logischen Auf und Nieder. Es gibt aber auch
noch etwas anderes in dem Drama, was kaum
den großen Idealisten und Humanitätsapostel
späterer Jahre verrät: der meikwürdig weit-
abgewandte Ausklang des Ganzen: „Es lohnt
nicht, um dieses Lebens willen so tief betrübt
zu sein." Ist etwa dieser Schluß die voraus-
genommene, vorausgeahnte, unbewußte Er-
kenntnis, daß bloße Humanität ohne tiefere
Begründung unfruchtbar bleibt? Hat der
Dichter so früh gespürt, woran er krankte?
Sendungen aus dem Blindenwesen
Nachdem der Süddeutsche Rundfunk
(Stuttgart) im September über Mittel-
welle und UKW eine großangelegte Hörfolge
aus dem Leben der Blinden unter dem Titel
„Mit anderen Augen" zur Sendung brachte
— eine dankenswerte Unternehmung und
dazu in vieler Hinsicht meisterlich gestaltet — ,
kündigt der Hessische Rundfunk drei
Sendungen für den Schulfunk an: „Vom blin-
den Menschen". Die erste Sendung ist am
19. 10. um 14.15 Uhr zu hören (Wiederholung
am 22. 1 0. um 9 Uhr) und wird von der
Blindenschrift berichten. Nach einer weiteren
Sendung über den Führhund wird die Reihe
abgeschlossen mit einem Lebensbild von
Helen Keller.
%jruß an }DorUum
Nun bin ich wieder weit fort von dir, du
kleine Insel in der Nordsee, und es treibt
mich, dir zu sagen: ich habe Sehnsucht nach
den Bildern deiner eigenartigen Natur und
nach der sorglosen Fröhlichkeit deiner Tage.
Ich war gern dein Gast, und wäre nicht die
Erinnerung, ich müßte traurig sein, daß auch
dieses Erleben dem Gesetz der Zeiten ge-
horchen muß, das jedem Beginnen auch sein
Beenden diktiert.
Ja, es war schön in Borkum. Doch aus der
Summe- der Besinnlichkeit die verträumteste
Stunde, aus der Zahl der schönen Plätze den
liebsten Ort, aus dem Schatz des Lachens
den Grund für die große Fröhlichkeit zu
nennen, fällt mir . schwer. In allem suchte
Der leitende Arzt des Landesversorgungsamles
Nordrhein in Köln, Herr Obermedizinalrat Dr.
Dubitscher, besuchte anläßlich eines Aulenthaltes
in Borkum unser dortiges neues Erholungsheim.
Die dort gewonnenen hervorragenden Eindrücke
werden uns hier in amüsanter Weise erzählt:
Bei dem Wort „Heim" beschleicht einen
ungewollt ein kleines Mißtrauen und die
Ahnung von einem altertümlichen Haus am
Stadtrand, von mulfigen, dunklen Zimmern,
in denen der kalte Tabakqualm wie eine
Mauer steht, von wackligen Einrichtungs-
gegenständen, die zu nichts anderem mehr zu
gebrauchen sind, von zweistöckigen schma-
len Betten in einem Saal und von einem
alten, griesgrämigen Verwalter.
Mit ganz so trüben Erwartungen bin ich
zwar nicht nach Borkum gefahren, aber
immerhin . . !
Aber schon in der Lage des Fleimes hatte
ich falsch getippt. Tch hatte mich auf einen
weiten Anmarsch von der Seepromenade
aus gefaßt gemacht. Halt, Promenade — !
Für diejenigen, die Borkum nicht kennen, muß
ich hier eine Einschaltung machen: der
eigentliche Ort Borkum, zu dem man vom
Hafen aus erst mit einer Miniatureisenbahn
gelangt, gruppiert sich um den Leuchtturm,
und die Häuser stehen um diesen herum wie
die Küchlein um die Henne, nur strammer
ausgerichtet. Die Straßen laufen im wesent-
lichen von allen Seiten auf den Leuchtturm
zu. Lang sind sie nicht. Der Weg zur See-
promenade dauert von hier nur vier Minu-
ten. Dann tritt man auf die Straße oberhalb
der Promenade, die die Breite eines Platzes
hat, und an der die großen Hotelpaläste
liegen. Eine stolze Steintreppe führt hinab
zu der eigentlichen Strandpromenade, in
deren Mitte die Kurkapelle ihren Pavillon hat.
Von dort aus, dem prunkvollsten Punkt
Borkums, wo man die salzige Seeluft, die das
offene Meer herträgt, aus erster Quelle ein-
atmet, nahm ich meinen Ausgang. An die
hoheitsvollen Hotelportiers traute ich mich
schon gar nicht heran und erkundigte mich
bescheiden in einem der Kioske, wo auch
der normale Sterbliche für zivile Preise alles
haben kann, nach der Lage des Kriegs-
blinden-Heims. Verblüffend war die Ant-
wort: ich käme ja gerade von dort her! Ich
entsann mich aller nur, an großen und gut
aussehenden Hotels vorbeigekommen zu
sein, mußte dann aber tatsächlich feststellen,
daß das vierte Haus senkrecht zur Prome-
nade, ein Hotel in bester Lage, das soge-
nannte Heim war. Direkt gegenüber liegt
das staatliche Kurmittelhaus, wo die Mög-
lichkeit insbesondere jeder hydrotherapeu-
tischen ärztlichen Behandlung besteht. Der
Straße selbst ist durch die parallel laufende
Geschäftsstraße jeder laute Verkehr ent-
zogen, und da es in Borkum Autos sowieso
nicht gibt, hat die Straße trotz der Nähe zum
Strand und trotz der zentralen Lage den
Charakter einer stillen und gepflegten
Seitenstraße.
Nun war ich auf den Griesgram gespannt,
der mich empfangen würde. Damit kam die
zweite Überraschung. Der mürrische Gries-
gram entpuppte sich als frische und muntere
Heimleiterin, deren herzlicher Empfang so-
fort Vertrauen gewinnen ließ. Ihre ruhige
Bestimmtheit und ihre warmherzige Art hat
nichts Bemutterndes und erst recht nichts
Geschäftsmäßiges. Man hatte auch keines-
wegs das Gefühl, mit einer Krankenschwe-
ster zu sprechen, sondern es war der ge-
schwisterliche Ton einer uns seit Kindheit
vertrauten Schwester, die ein bißchen — aber
nur ein bißchen — älter war und daher alles
ein bißchen — aber eben auch nur ein biß-
chen — besser wußte. Dadurch kam weder
ein Fremdheitsgefühl auf noch das Empfin-
den, durch einen Hausdiktator geführt zu
werden. Die gewandteste Hausfrau konnte
nicht liebenswürdiger ihren Gast zu Kaffee
und Kuchen bitten, wie Schwester Else mich,
der ich doch nur gekommen war, um den
Kameraden „guten Tag" zu sagen. Schwester
Else weiß, was sie will und versteht es
auch, sich dem Personal und den Gästen
gegenüber — unerfreuliche Typen gibt es ja
immer einmal — in freundlicher aber ener-
gischer Weise durchzusetzen. Immerhin
unterstehen ihr sechs Hilfskräfte, die Köchin
und eine Kinderpflegerin, doch darauf
komme ich noch zurück.
Warum ich mich so lange bei der Heim-
leiterin aufhalte? Sie ist es ja, deren Wesen
und Persönlichkeit dem ganzen Heim den
Stempel aufdrückt, und die den Aufenthalt
zu einer Freude oder zu einer Last gestal-
ten kann.
Das Haus selbst hat gar nicht den Charak-
ter eines „Heimes" im üblichen Sinn, Es ist
ein Mittelding zwischen Hotel und Pension
und hat neben der freundlichen Einrichtung
18
der Gästezimmer mit gut gefederten Betten und modernen Möbeln sowie
den zweckmäßigen Wirtschaftsanlagen eine intime, familiäre Note, im Gegen-
satz zu der Unpersönlichkeit eines Hotels. Ebenso tragen die Unterhaltungs-
räume mit ihren weichen Sesseln einen durchaus häuslich-familiären Charak-
ter. - Neben den Zweibettzimmern mit je einem, zwei oder gar drei Kinder-
betten verfügt das Haus über eine Anzahl von Einzelzimmern. Die meisten
Zimmer haben fließendes Wasser. Die geräumigen und luftigen Aufenthalts-
und Speiseräume liegen so weit getrennt von den Wirtschaftsanlagen, daß
kein Geschirrklappern stört. Natürlich habe ich auch einen Blick in die Kühl-
schränke der großen Küche geworfen und glaube sagen zu können, daß kein
Gast Verpflegungssorgen in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu haben
braucht, selbst nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der See-
aufenthalt hungrig macht.
Insgesamt können jeweils 30 oder 31 Kameraden mit ihren Familien, d. h.
also rund 100 Personen, Aufnahme finden, ohne daß sie ins Gedränge
kommen. Kein strenger Stundenplan engt die persönliche Freiheit ein. Selbst-
verständlich sind die Mahlzeiten — wie in jeder Pension — an bestimmte
Zeiten gebunden. Auch der abendliche Hausabschluß ist, wie Schwester Else
lächelnd versicherte, keine unbeugsame Polizeiverordnung. Die Mitgabe des
Hausschlüssels garantiert dafür, daß die „Spätheimkehrer" nicht vor der
verschlossenen Haustür zu kampieren brauchen.
Daß bei einigermaßen gutem Wetter der ganze Tag dem Wasser, dem
Strand und den Dünen gehört, ist eine Selbstverständlichkeit. Kleidersorgen
brauchen wir und unsere Frauen am Strand nicht zu haben. Die Strand-
kostüme der Modejournale sind Gott sei dank verschwindend in der Minder-
zahl. Zweckmäßig sind ein Paar kurze Hosen, auch die Frau kann diese
Mode ruhig mitmachen,, dazu ein Pullover und für den Bedarfsfall warmes
Unterzeug. Es sind also keine großen Vorbereitungen und Anschaffungen
zu machen, um an die See zu fahren. Nicht zu vergessen ist aber ein Regen-
mantel. Und wichtig ist der Spaten; der wandert gleich mit an den Strand,
denn die Kinder oder die Frau müssen eine Burg bauen, und du, lieber
Kamerad, legst dich hinein. Für vier Wochen ist die Burg dein Reich aus
reinem weißem Sand, in dem niemand etwas verloren hat, außer dir und
den Deinen und etwaigen Gästen, die du dir einlädst und die sich dann
neben dich auf den Bauch in den Sand legen. Ein Tag des Nichtstuns ist
unglaublich schnell herum, viel schneller als ein Arbeitstag; kaum daß man
Zeit hat, die üblichen Kartengrüße zu versenden.
Daß du nicht schwimmst, ist ohne Bedeutung. In Borkum schwimmt kein
Mensch. Alles badet nur, und das ist gut so, denn die Nordseewellen können
recht heimtückisch sein. Vergiß aber nicht, dich sofort abzutrocknen, wenn
-du aus dem Wasser kommst, sonst setzest du dich der Gefahr des Sonnen-
brandes aus. Man merkt ja durch den fast ständigen leichten Wind nicht,
wie intensiv die Besonnung ist.
In entgegenkommender Weise gewährt die Kurverwaltung unseren Gästen
zu allen Veranstaltungen (Konzerte, Theateraufführungen usw.) eine Ermäßi-
gung bis zu 50 Prozenti Wer bei gutem Wetter einmal abends unbeschwert
von allen Sorgen Arm in Arm. mit seiner Frau über die Kurpromenade
gewandelt ist, während die Melodien der Kurkapelle von dem ewigen
Rauschen der Wellen untermalt werden und ein salziger leichter Seewind
die Lungen füllt, der wird finden, daß für dieses vier Wochen lange Erleben
auch die Ausgabe für die ebenfalls ermäßigte Kurtaxe gut angelegt ist.
Und noch eines, lieber Kamerad: glaube nicht, daß du auffallen könntest,
weil dir das Schicksal das Augenlicht genommen hat. Die Kameraden passen
sich so in das Inselbild ein, daß sie an keiner Stelle, sei es am Strand, sei
es auf der Kurpromenade oder im Konzert, auffallen. Die gelöste Zwang-
losigkeit, wo jeder jeden nach seiner Fasson leben läßt, ist ja gerade das
Kennzeichen der Seebäder, und du hast von der See kaum weniger als
jeder Sehende, denn das Meer wirkt auf den ganzen Menschen, wohl
mehr noch als etwa ein Gebirgsaufenthalt. An der See empfängt der ganze
Körper und nur zum geringen Teil das Auge neue Eindrücke, sogar die
durch Kleidung verzärtelte Haut muß sich umstellen, wenn der frische,
salzige, dabei aber nicht kalte Nordseewind sie massiert.
Nun ist allerdings nicht vier Wochen lang ununterbrochen schönes Wetter,
lind wenn der Regen niederrauscht — meist gehen die Regengüsse ja schnell
wieder vorüber — , ist es am Strand ungemütlich. Wenn wir auch einmal
nachmittags zu einem Täßchen Kaffee in eine Strandkonditorei gehen, so
würde es doch ein tüchtiges Loch in den Geldbeutel reißen, wenn das bei
jedem Regen die Regel sein sollte. Für solche 'Tage hat Schwester Else
durch gemeinsame Spiele und Unterhaltung für Zeitvertreib gesorgt. Nur
die Bibliothek des Heimes — sowohl die Blindenbücherei als auch die
Lektüre für die Frauen — bedürfte noch sehr einer Ergänzung. Es wäre
'schön, wenn jeder Kamerad vor dem Reiseantritt einmal nachsehen würde,
ob er nicht zu Hause ein gutes Unterhaltungsbuch hat, das er dem Heim
für seine Bibliothek bei seiner Abreise schenken würde. Das gleiche gilt für
Unterhaltungsspiele. Viele werden dafür dankbar sein.
Alle vier Wochen findet ein gemeinsamer Unterhaltungsabend statt, an
dem alle möglichen Künstler mitwirken; außerdem veranstalten die „Bor-
kumer Jungen" in dankenswerter Weise Gesangabende. Für schlechte Tage
ist .also in bester Weise vorgesorgt.
Dabei gehen auch die Kinder nicht leer aus. Ein großer, freundlicher Raum
nimmt die Kinder an Regentagen und auch dann auf, wenn die Kameraden
einmal allein mit ihren Frauen ausgehen wollen. An langen Tischen sitzen
die Kleinen oder sie spielen, fürsorglich betreut von einer besonderen Kinder-
pflegerin. Eine derartige Annehmlichkeit haben nicht einmal die Gäste der
übrigen Hotels. Aber auch euren Kleinen möchte ich die Anregung geben:
habt ihr nicht ein schönes Spielzeug oder ein gutes Spiel — selbstverständ-
lich keinen Plunder — , das ihr dem Heim für die vielen anderen Kinder
schenken wollt?
gibt es Henkelsaehen,
75 Jahre hielten uns Millionen
Hausfrauen die Treue.
Wir danken für dieses
große Vertrauen.
7376
Wt
%
^iiußi^1
m
Persil • Perwöli • lasil • Henko • Sil
19
— , das ihr dem Heim für die vielen anderen
Kinder schenken wollt?
Nun kann es natürlich, wenn sich an
Regentagen so viele Familien im gleichen
Haus aufhalten, einmal ungewollt zu Span-
nungen kommen. Dann denkt immer daran,
daß die anderen sich ja auch erholen wol-
len und daß sie wahrscheinlich genau so
nervös sind wie ihr. Wenn ihr also einmal
mißgestimmt seid, so laßt es die anderen
nicht merken. Mit einem ruhigen, freund-
lichen Wort läßt sich jeder Stein des An-
stoßes aus dem Wege räumen, auch wenn
Fritzchen Müller einmal die Grete Schulze
verhauen oder ihren Ball versteckt haben
sollte. Und Rentengespräche hebt für die
Versammlungen auf Paragraphen sind am
Badestrand unangebracht und dienen nicht
der Erholung. Das Heim ist wahrlich dazu
angetan, euch einmal den Alltag vergessen
zu lassen. Nehmt die Gelegenheit wahr!
Was den Zeitpunkt der Kur angeht, so
müssen ja oft die Schulfeiien berücksichtigt
werden. Es ist aber eine ganz falsche Mei-
nung, daß nur der Juli oder August für
einen Seeaufenthalt in Frage kommen, viel-
mehr gestattet das gleichmäßigere Klima die
gleiche Erholung ebenso im Juni und Sep-
tember. Wer keine Kinder hat und weniger
Unterhaltung als gerade Entspannung, Er-
holung, Kräftigung und Abhärtung sucht,
findet sie oftmals sogar noch besser im Mai
und im Oktober. Diese Zeiten haben ihre
besonderen Reize für den, der die See liebt,
wie sie wirklich ist. in ihrei naturhaften
Stärke. Allerdings eignet sich das Wetter
im Mai und Oktober weniger für den Strand-
burgenbau als für ausgedehnte Spazier-
gänge, aber — warm anziehen! Es ist
keineswegs so, daß das Frühjahr und der
Spätherbst ungesund seien. Die Kinder-
heime sind durchweg das ganze Jahr ge-
öffnet und die Kurerfolge- sind im Winter
sogar noch besser als im Sommer.
Auch in unserem Heim sind die Kur-
er f o 1 g e gut, besonders wenn es gilt,
nervöse Zustände, Stoffwechselstörungen
und Nervenentzündungen (Ischias) sowie
Hautkrankheiten zu beseitigen Allerdings
können die Kameraden nicht regelmäßig mit
einer Gewichtszunahme rechnen. Das See-
wasser zehrt -bekanntlich auch bei bester
Verpflegung. Ausschlaggebend für den Kur-
erfolg ist ja nicht so sehr die Dicke der
Speckschicht auf dem Bauch als die Besei-
tigung der Nervosität, die Hebung des All-
gemeinbefindens und der inneren Spann-
kraft und das Gefühl, wieder belastungs-
fähig zu sein. Dieser Erfolg ist in der Regel
zu erwarten. Selbstverständlich ist eine ge-
ordnete und regelmäßige ärztliche Betreuung
gewährleistet, ohne daß der Kuraufenthalt
zu einer Art Krankenhausbehandlung wird.
Regelmäßig erfolgt nur die ärztliche Unter-
suchung nach dem Eintreffen in Borkum und
die Abschlußuntersuchung durch den Heim-
arzt, der auch jeden Donnerstag das Heim
besucht, so daß die Kameraden Gelegenheit-
haben, Rat einzuholen.
Nach vier Wochen leert sich das Haus.
Dann beginnen für die hilfreichen Geister
des Heims Tage der intensivsten Arbeit.
Das Haus muß vom Keller bis zum Dach-
geschoß gesäubert werden. Es werden Aus-
besserungen vorgenommen, die Bestände
werden ergänzt. Eimerweise wird der feine
Seesand aus den Ecken der Gästezimmer
herausgeholi, hier findet sich noch ein
Häufchen Muscheln, dort liegen ein paar
Seesterne, hier ist eine kleine Schuppe
stehengeblieben, dort hat ein Fensterhaken
durch den Wind einen langen Riß in die
flatternden hübschen Fensterschals gerissen,
oder es hat sich ein Läufer gelöst, über den
die Kameraden stolpern könnten. Es wird
gewischt, gesaugt, geputzt und das Unterste
zuoberst gekehrt, denn in drei Tagen muß
alles blitzblank sein, alle Betten, die zum
Teil sogar Schlaraffiamatratzen haben,
müssen frisch überzogen sein, denn dann
kommen die neuen Gäste, von der freund-
lichen Stimme der Schwester Else begrüßt.
Man kann nur wünschen, daß alle Heime,
sowohl die für unsere blinden Kameraden
als auch für die anderen Beschädigten, eine
derart vorbildliche Lage, Aus-
stattung und Führung haben. Mich
hat der Besuch in Borkum sehr befriedigt,
und ich bin überzeugt, daß Kameraden, die
dort zur Kur gewesen waren, sind mit der
gleichen Befriedigung erholt nach Hause
zurückgekehrt.
JjergfrevideH — auch für uns!
Den Höhepunkt meiner Ferientage in S ö c k i n g bildet jedesmal der Ausflug
in die Bergwelt der Alpen. Schon wochenlang vorher sitzt meine Frau über
Karten und Büchern, um neue Wanderziele zu erkunden. Wir schwelgen gemein-
sam in der Vorfreude des Kommenden, bis es endlich so weit ist und wir mit
Rucksack und genagelten Schuhen früh am Morgen das Haus verlassen. So
mancher Kamerad hat uns belächelt und nach dem Grunde dieser so nutzlos
scheinenden Verschwendung an Kraft und Geld befragt. Warum denn in die
Ferne schweifen, wenn auch dort nur "das ewige Dunkel zu finden sei? Ich
könnte doch im bequemen Liegestuhl müheloser von meinen Bergen träumen!
Solche Bemerkungen konnten mich freilich nie abhalten, vielmehr versuchte ich,
den Fragenden, sofern er mir noch rüstig schien, für die Berge zu begeistern
und zum Mitwandern zu überreden.
Ja, warum gehen immer wieder junge und alte kriegsblinde Kameraden auf
mühselige Wanderung in das Gebirge? Betrachten wir zunächst die sportliche
Seite, weil sie am leichtesten zu verstehen ist. Wenn wir das ganze Jahr hin-
durch in unserer Werkstatt oder am Schreibtisch sitzen, dann überkommt uns
in den Ferien das unbändige Verlangen, uns einmal richtig auszurecken. Wir
wollen spüren, daß wir noch Knochen, Muskeln und Sehnen haben. Wir wollen
schwitzen, dürsten und rechtschaffen müde werden, auf andere Art wie zu
Flause, um der körperlichen und geistigen Verkalkung zu entgehen. Unsere
Lungen verlangen nach »einer Luft, unsere Haut nach Sonne und Wind. Und
dann die Ruhe, die göttliche Ruhe! Kein Straßenlärm, kein Telefon, und nicht
zuletzt — keine störenden Mitmenschen. Wie köstlich mundet der Imbiß am
Ziele, wenn der Rücken, von der Last des Rucksacks befreit, sich wohlig strecken
und dehnen kann. Wie erfrischend schmeckt das Wasser vom Quell und die
Milch auf der Alm. — Nun bin ich vom
sportlichen Teil schon zu den Genüssen über-
gegangen, wenn auch zunächst zu den leib-
lichen. Nebenbei gesagt und nui für Kenner:
Ist es nicht ein ganz besonderer Genuß, ein-
mal herzhaft Hunger zu haben?
Viel schwieriger ist es, über den geistigen
Gewinn einer Wanderung zu berichten. Ge-
wiß, auch im Liegestuhl können wir mit
Hilfe der Einbildungskraft über Berge und
Täler schweifen. Wohl dem, der sie hat und
damit zufrieden ist! Uns aber, den Berg-
freunden, genügt dies nicht. Uns verlangt
nach mehr, nach Unmittelbarem. Wenn das
Gestein unter den eisenbeschlagenen Schu-
hen klirrt, wenn wir auf allen Vieren über
die Felsen klimmen, Bergwiesen, Almrausch
und Latschen ihren Duft ausströmen, wenn
Wasserfälle rauschen, Bergdohlen krächzen
und das Murmeltier pfeift, ja, wenn dies
alles und noch vieles Ungenannte zusam-
menkommen, dann springen die Tore der
Erinnerung weit auf. Viel, viel weiter, als
dies im Lehnstuhl möglich wäre. Wir wollen
das schmerzliche Gefühl in der Brust nicht
verschweigen das uns überfällt, wenn wir
am Gipfelkreuz stehen und unseres Ver-
lustes gewußt werden. Wie mancher Seufzer
wird unterdrückt oder auch nicht. Trotzdem
bereuen wir nichts, sondern genießen des
bescheidenen Anteils, der uns verblieben,
und freuen uns über die Ausrufe des Ent-
zückens, womit unsere Frauen die Herrlich-
keit der Berge begrüßen. Am Abend, wenn
in der Hütte ein fröhliches Treiben beginnt,
vergessen wir bei Singen und Scherz voll-
ends unser schweres Geschick.
Und noch eines kommt hinzu: Die Berg-
kameradschaft. Sie fällt uns nicht in den
Schoß. Sie will erworben sein, durch Selbst-
beherrschung und gegenseitige Hilfe. Nichts
ist unerträglicher als ein ewig raunzender
Griesgram. Gemeinsam überstandene Mühe
verbindet so gut wie gemeinsam erlebte
Freude. Die besten Kameraden aber sind
unsere Frauen. Nach ihren Worten formt
sich das Bild der umgebenden Landschaft.
Hand in Hand mit ihnen steigen wir auf-
wärts. So wird uns jede Bergfahrt zum Sinn-
bild des Lebens. ,-. . , . , »>
. Friedrich Mezger.
1.25 DM
KHASANADRAIBERSHEIMFRANKFURT-M
Auf der Höhe des Panixsr Passus in den Alpen trat
ein Schweizer Bergführer (rechts) zu seinem größten
Erstaunen unseren 'kriegsblinden Kameraden Franz J.
Sonnlag und seine Frau Nach siebenstündigem, be-
schwerlichem Autstieg hatte es der Kriegsblinde ge-
schaut. Und hier, in 2407 Meter Höhe, erlebte auch er
als Erblindeter in vollen Zügen die Schönheiten der
Bergwelt.
20
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U. S. Administration
Frankfurt/Main - Griesheim
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1856
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Albert KirChhoff Kommandit-Gesellschaft
Baustoff- und Bedachungsartikel-Großhandlung
Osnabrück, Buersche Shaße 12 16 — Telefon -Anschluß 5662
FERNRUF
4 70 57
AMT REMSCHEID
lun ist der Vöglein Lied verstummt,
nur hier und dort in welken Blättern
ein alter, dicker Käfer summt;
im Tal ballt sich des trüben Nebels Grau,
es blinkt nicht mehr der süße Morgentau,
man hört nicht mehr des Kuckucks Schrei
wen, der Sommer ist zu schnell vorbei'.
An Acker, Strauch, an jedem Baum
kannst du des Sommers Ende scliaun.
Dies alles geht mir bitter nah,
wenn ich nun spür: der Herbst ist da.
Kriegsblinder Emil Zelhner
.
*
I
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLI NDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 3 . 3. JAHRGANG NOVEMBER 1951 VERLAGSORT BIELEFELD
wir geben ihn getrost
In Gottes Hand zurück —
So stand das Wort geschrieben
Von einem, der geblieben,
Und seinem kurzen Erdenglück.
Der Demut, die das kann,
Ist keine andre gleich.
So sind die lieben Toten
Die auserwählten Boten
Von ihrem Land in unser Reich.
Und wer sie überlebt,
Dem wird das Dasein Pflicht.
Wo wir auch, atmend, gehen,
Wir müssen ja bestehen
Vor unserer Toten Angesicht.
OTTO BRÜES
AUS DEM INHALT
Seite
An den Gräbern der gefallenen Brüder.
Von Kam. F. K. (Mayen) 1
Der Film „Sieg über das Dunkel" läuft an.
(Urteile von Kameraden) 1
So ein Reinfall 2
Sprich, daß ich dich sehe! Von Prof. Christian Winkler 3
Stimme oder Sprechweise? Von Dr. Wilfried Mühlensiepen 4
Vibration und Schallwellen als Orientierungsmittel.
Von Dr. Kurt Wintterlin 5
Wir weben — für dich
(Die Arbeitsgemeinschaft kriegsblinder Weber) ... 5
Aus den Landesverbänden 8
Tagung der Deutschen Blindenarbeit e. V.
Wieder Armbinden mit Eisernem Kreuz
Nachruf auf Philipp Schäffer
Das Kriegsblindentreffen in München
Deutsche Soldatenfriedhöfe im Ausland — Völkerhaß über
das Grab hinaus? 10
Unser neues Jahrbuch 11
Seite
Kleine Neuigkeiten 13
Neuerscheinungen in Marburg.
(Abreißkalender und Zeitschrift für Masseure) ... 13
Persönliches 14
Für unsere Schachfreunde 14
Lesermeinung 14
Unsere Zeitschrift im Lautsprecher?
Bedenken gegen Spezialbesteck.
Kriegsblinder Keramiker (Kam. Konrad Kotz in Landshut) 15
„überwunden" — eine Schrift über das Schicksal eines
Kameraden 15
Wildbad. Sonett von H. S 15
So kam der Mensch auf den Hund. Von Dr. Walter Wüst 16
Der Mensch und sein Hund.
Heiteres Gedicht von Kam. Kurt Schulz 16
Der Kritiker am Lautsprecher .....<... 19
Programmvorschau für Hörspiele 19
Wir basteln zum Weihnachtsfest. Von Franz Feistner . . 20
Väterliches Patent zum Vorlesen 20
Das Foto aul der T i t e I s e i t e zeigt eine der großen Ehrenstätten, die der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberiürsorge" lür unsere
Gefallenen errichtet hat. Es ist der Friedhol Donsbrügger Heide (Niederrhein), der 2189 Tote aulgenommen hat. Im Hintergrund der
eigentliche Totenacker. (Foto: Dr. Rud. Kleinert).
300 / 320 / 318 / 310 / 228 / 208 / 229 / 212 / 215 / 221 / 205 / 218 / 230 / 231 / 206 / 209 / 196 /204 / 203 / 253 / 217 / 185 / 222 / 214 / 226 / 191 /202 / 21 1 / 183 / 265 / 266 / 267 / 269 / 271 / 273 / 278
.Der Kriegsblinde', Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
Nr. 3 . 3. Jahrgang . November 1951 . Verlagsort Bielefeld
An den Gräbern der gefallenen Brüder
November. Die Friedhöfe der Heimat tra-
gen Schmuck. Alles, was der rauhe Herbst
noch an Blumen zurückgelassen, bringen
dankbare Hände zu den Gräbern ihrer lieben
Toten. Sie stecken Kerzenlichter an in das
Dunkel der Herbstnacht auf den Gottesäckern.
So manches Herz blutet von neuem an den
Wunden der Trennung von Menschen, die
uns der liebste Besitz auf Erden schienen.
Der Tod hat sie hinweggerissen, wie wilder
Herbststurm die fahlen Blätter fegt. In die-
sen Tagen gehen unsere ernsten Gedanken
auch in weite Ferne, über die Grenzen hin-
weg in fremde Länder. Sie gedenken derer,
die da draußen ihr Grab gefunden, derer,
die der gewaltigste Sturm, der je über die
Menschheit gebraust ist, gleich Blättern und
Blüten fortgerissen und mit sich getragen
hat: der gefallenen Soldaten der Weltkriege.
An einem Soldatengrab in Flandern schrieb
Heinrich Lersch einem unbekannten deut-
schen Helden die Grabschrift:
WANDERER, STEH!
Wenn du dich heute abend zur Ruhe legst
Vnd nicht nach den toten Soldaten fragst:
Wer starb heut iür mich? —
Sondern nur an deine eigenen Freuden denkst
Und nicht den letzten Gedanken mir schenkst, —
Dann stehe ich aul zur mitternächtlichen Stunde
Und komme und zeige dir meine blutige Wunde
Und küsse dich mit meinem zerschossenen Munde,
Daß du die ganze Nacht von mir träumst,
Wenn du das versäumst,
Denn wisse, wir alle, die wir hier liegen,
Wir starben iür Deutschlands Kämpfen und Siegen,
Und dann muß Deutschland auch unser gedenken
[und für uns stehen,
Sonst wird — und mag Deutschland zugrunde
■Wanderer, geh! [gehen!
Nein, wir bleiben! Jahr für Jahr zünden
wir die Feuer in den Opferschalen, euch zum
Gedächtnis, ihr gefallenen Helden! Flammen
"der Ehrfurcht und der Dankbarkeit! Wir
stehen in einer raschlebigen Zeit, einer Zeit
der Unruhe und des Tempos. Die Ereignisse
"drängen sich, jeder Tag bringt neue Auf-
gaben, und fast scheint es, als ob auch jeder
Tag neue Ansichten, neue Anschauungen und
Parolen bringt; kein Ideal dieser Welt scheint
Beständigkeit zu haben, über dem Heute
versinkt das Gestern schnell. Und dennoch
gibt es Ereignisse und Taten, deren Gedächt-
nis immer wieder aufs neue in uns geweckt
und als heiliges Vermächtnis dem jungen
Geschlechte überliefert werden muß. Und
da steht an erster Stelle der große Opfer-
gang unseres Volkes in den letzten Welt-
kriegen. Jahre unvergänglichen Heldentums
und unermeßlichen Leides.
Gewiß, sie konnten trotz heroischer Tapfer-
keit nicht das schwere Geschick abwenden,
das über unser Volk gekommen ist. Aber
was ein Mensch getan, gelitten, geopfert hat,
das müssen wir sehen, das dürfen wir nicht
vergessen. Sie haben alles geopfert in hero-
ischer Pflichterfüllung, reineren Herzens, als
es in den letzten Jahren oft verächtlich pro-
klamiert wurde: im Gedanken an die Hei-
mat, die Kinder, die Gatten, die Eltern, Volk
und Vaterland. Im Gedanken an die Zukunft
unseres deutschen Volkes. Trotz allem —
und wenn sie auch das Opfer eines grausigen
Betruges geworden sein mögen — , wo stän-
den wir heute ohne die heldenmütige Tat
unserer tapferen Soldaten? Sind wir alle nicht
innerlich gereift mit ihrem Opfergang? Jedes
Volk, das etwas auf sich hält, ehrt seine
Helden, und so beugen auch wir in Ehrfurcht
und Dankbarkeit uns vor den Helden un-
seres Volkes. Sie haben Großes geleistet,
und wir werden es nicht vergessen.
Das Feuer in den Opferschalen an den
Gräbern der gefallenen Helden ist uns eine
ernste Mahnung: Brüder, seid einig! Die
Zeit ist im Aufbruch, sie verlangt stürmisch
Reform des menschlichen Zusammenlebens.
Draußen haben sie gekämpft Schulter an
Schulter, ohne Unterschied des Ranges und
des Standes, ohne Unterschied der Stellung
und der Arbeit, arm und reich, hoch und
niedrig. Sie haben gekämpft und geopfert
um die Zukunft unseres Volkes, und heute?
Wir tasten nach Sicherheit im wirtschaft-
lichen und sozialen Leben. Müssen wir dann
nicht allen Ernstes auch in diesem Kampf
kameradschaftlich zueinanderstehen und alles
Trennende an Standesdünkel entschlossen
über Bord werfen? Müssen wir nicht endlich
jeden engstirnigen, kalten und nur gewinn-
süchtigen Egoismus abschreiben? Dann müs-
sen wir auch, Schulter an Schulter, uns ehrlich
zu finden suchen auf dem Boden der sozialen
Rücksicht und der Gerechtigkeit für alle.
Die Flammen in den Opferschalen an den
Heldenfriedhöfen künden uns aber noch
mehr: sie sind ein feuriges Fanal an alle
Menschen und Völker: Nicht Krieg, sondern
Friede-! Die Heldenfriedhöfe kennen keine
Ländergrenze. Auf ihnen ist das Wort von
Haß und Streit verbannt, denn sie sind selbst
die Schreckensbilder von Krieg und Streit.
Und ihre Mahnung an die Völker heißt:
Verständigung und Friede sind Grundlagen
der Wohlfahrt der Menschheit. — Nicht Ge-
walt, nicht Unterdrückung, nicht Diktatur —
nein, Recht und Freiheit für die Völker und
Recht und Freiheit für die einzelnen Men-
schen. Die Verpflichtung unserer Zeit an die
Gefallenen bedeutet: nicht Werke der Zer-
störung, nein, Werke des Aufbaues leisten!
Beseitigung der Ktiegsfolgen, treue Sorge
für die Kriegshinterbliebenen und Kriegs-
opfer! So ehren wir das Gedächtnis unserer
gefallenen Helden. Kam. F. K. (Mayen)
Der Film „Sieg über das Dunkel" läuft an
Unter dem Protektorat des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V.
Wir berichteten im Septemberheft unserer
Zeitschrift über den großen amerikanischen
Spielfilm ,,Sieg über das Dunkel V der den
Schicksalsweg eines Kriegsblinden zum
Thema hat. Inzwischen fanden in verschie-
denen großen deutschen Städten interne Vor-
Aufführungen des nunmehr synchronisierten
Films statt, und maßgebende Vertreter des
Kriegsblindenbundes hatten Gelegenheit,
sich von dem hohen Rang des Films zu über-
zeugen. Aus Süddeutschland und Nord-
deutschland trafen übereinstimmend die
Urteile ein :DieserFilmsprichtaus,
was wir erlebt haben, mit großer
innerer Wahrhaftigkeit und mit erstaunlicher
Einfühlungskraft, und dazu auf einem künst-
lerisch ungewöhnlich hohen Niveau. Es muß
also alles geschehen, um die breiteste Öffent-
lichkeit zum Besuch dieses Films zu bewegen,
weil jeder, der diesen Film gesehen hat, von
echtem Verständnis für die Kriegsblinden
erfüllt sein muß.
Schon läuft der Film in diesen Tagen in
den ersten deutschen Lichtspielhäusern an,
und der Bund der Kriegsblinden Deutschlands
e. V: hat nicht gezögert, das Protektorat
über alle Aufführungen in Deutschland zu
übernehmen, weil hier in eindrucksstarker
Weise ausgedrückt ist, was jeder Kriegs-
blinde erlebt hat und täglich aufs neue erlebt:
die Verzweiflung über den Schicksalsschlag
der Erblindung und das Durchringen zu
männlicher Bejahung, aber auch die Not in
einer verständnislosen Umwelt voll quälen-
den Mitleids und voller Voreingenommen-
heiten, und' schließlich — die Kameradschaft
unter den Schicksalsgefährten.
über den Inhalt des Films, der im wesent-
lichen, und zwar unter weitgehender Mit-
wirkung amerikanischer Kriegsblinder, in
einem amerikanischen Umschulungsheim sich
abspielt, haben wir bereits im Septemberheft
ausführlich berichtet. Dieser Bericht bedarf
nur einer einzigen positiven Korrektur: wir
hatten auf Grund der Meinung eines bedeu-
tenden Berliner Filmkritikers die weiblichen
Darsteller des Films als „für unseren Ge-
schmack ein wenig zu verzuckert" bezeichnet.
Das kann man in dieser Schärfe nicht sagen:
die auftretenden Frauen und Mädchen ent-
sprechen durchaus nicht der Holly-
wood-Schablone, und wir gewinnen
auch zu ihnen rasch einen echten inneren
Kontakt. Im übrigen weist Oskar Schnait-
mann (Stuttgart), der Sohn unseres dortigen
Landesverbandsvorsitzenden, mit Recht
darauf hin, daß die amerikanische Welt
dieses Films schon dadurch dauernd gekenn-
zeichnet bleibt, daß die Kriegsblinden durch-
weg und ständig in amerikanischer Heeres-
uniform auftreten.
Wir sind damit bei den interessanten
Urteilen über den Film aus dem
Kreis unserer' Kameraden und
Freunde angelangt. Oskar S c h n a.i t m a n n
schreibt z. B. weiterhin: „Im Gegensatz zu den
nach dem Krieg in Deutschland gezeigten '
Filmen, die ein Blindenschicksal als Grund-
lage oder Rahmenhandlung hatten, konnte
ich feststellen, daß in diesem amerikanischen
Film selbst ein Fachmann kaum unterscheiden
kann, ob es sich um tatsächlich Blinde oder
um Schauspieler handelt. Selbst kleine
Gesten führen den Beschauer immer wieder
darauf hin, daß er einen Kriegsblinden vor
sich hat. Ich sprach anschließend mit einem
Sehenden, der mir sagte, dieser Film sei in
seiner Art der eindrucksvollste, welchen er
seit Jahren gesehen habe."
Was eine Frau dazu sagt
Ganz ähnlich lautet das Urteil einer
anderen sehenden Persönlichkeit, die seit
Jahren unter Kriegsblinden lebt und die
gerade die Atmosphäre eines Umschulungs-
lazarettes aus eigener Erfahrung kennt, Frau
Charlotte Meyer, der Gattin unseres
Hamburger Landesverbandsvorsitzenden. Sie
schreibt: „Ich muß Ihnen sagen, daß mich
dieser Film zutiefst erschüttert hat, als Frau
eines Kriegsblinden und als ehemalige Hel-
ferin im Kriegsblindenlazarett. In meiner
fünfeinhalbjährigen Tätigkeit habe ich
manchen Kriegsblinden kennengelernt,
dessen Schicksal diesem des Sergeanten
Larry gleichkam. Wie manche Fibel flog in
die Ecke, als es hieß, die Blindenschrift zu er-
lernen! Wie manche Verlobung wurde ge-
löst, als das Mädchen hörte, daß der Verlobte
<So eilt l^<einfall
Mehrere unserer Leser aus dem Ruhrge-
biet schickten uns verärgert einen sehr
merkwürdigen Bericht, der am 16. Oktober
in der Dortmunder Tageszeitung „Ruhr-
Nachrichten" erschienen ist. Dort wird
unter der großen Überschrift „Einer beneidet
noch den Blinden" doch wahrhaftig be-
hauptet, daß ein sehender Ohnhänder im
Grunde sehr viel schlechter dran sei als ein
Kriegsblinder, der seine Hände behalten
hat. In diesem geschilderten Fall vielleicht
kein Wunder, denn der Kriegsblinde ist ein
fleißiger und tüchtiger Mann, der als Steno-
typist tätig ist, und der Ohnhänder „steht
wortlos dabei, wenn seine Frau beim Lebens-
mittelhändler den Laden putzt oder gebückt
hinter dem Kartoffelroder hergeht". Sehr
viel Lebensenergie scheint also dieser
Ohnhänder, der immerhin noch über brauch-
bare Armstümpfe verfügt und der mit den
modernen kunstvollen Prothesen eine Fülle
von Betätigungsmöglichkeiten hätte, nicht zu
haben. Aber davon ist in diesem Artikel
nicht die Rede. Der harmlose Leser muß zu
der Auffassung kommen, daß die Kriegs-
erblindung eigentlich eine Lappalie ist,
gemessen am Ohnhänderdasein.
Nun sei nicht bestritten, daß es eine
bittere Sache ist, keine Hände mehr zu
haben. Wir möchten aber glauben, daß jeder
Kriegsblinde, wenn er vor die Wahl gestellt
wäre, lieber ohne Hände als ohne Augen
leben möchte, wenn man solche törichten
Vergleiche überhaupt anstellen will.
Nun aber kommt der geradezu unheimliche
Witz der Geschichte: die „Ruhr-Nachrichten"
drucken (ohne uns zu fragen) dazu das
Titelbild unserer Mai-Ausgabe ab, um den
glücklichen Kriegsblinden im Bild zu zeigen.
Das Foto stellt dar, wie die Frau eines
Kriegsblinden ihrem Mann etwas vorliest.
Aus dem Foto ist eines nicht zu erkennen —
und das schien uns damals für den Zweck
der Veröffentlichung unerheblich zu sein —
daß nämlich der dargestellte Kriegsblinde
einer der 220 kriegsblinden Ohn-
händer ist und zwar unser Kamerad Erich
Diedrich. Jetzt sind wir gespapnt darauf, ob
die „Ruhr-Nachrichten" ihre Schilderung
korrigieren . . .
erblindet sei! Wie mancher Kamerad bezwei-
felte, jemals die Frau für's Leben zu finden
— und war dann doppelt glücklich und dank-
bar, wenn er die Frau fand, die ihm helfen
wollte, das Leben zu meistern. — Die sehen-
den Menschen sollten und müssen sich diesen
Film ansehen, so mancher wird dann wieder
mehr Achtung vor einem Kriegsblinden
haben, der trotz der Schwere des Schicksals
fest im Leben steht."
Kamerad Ewald Meyer (Hamburg) selbst
schreibt in seinem Urteil: „Der Film hat in
keiner Weise irgendein überflüssiges und
besonders uns deutschen Kriegsblinden
fremdes Beiwerk, spricht sehr gut an und
könnte ohne weiteres auch in Deutschland
gedreht sein und ein deutsches Schicksal dar-
stellen. Der Hauptdarsteller hat sich sehr gut
in die Rolle eines Kriegsblinden eingelebt
und ist im letzten Viertel des Films lebens-
bejahender Kriegsblinder, wie auch alle mit-
spielenden Kriegsblinden das Leben bejahen.
Man konnte sich ohne weiteres in das Um-
schulungslazarett Forst versetzt fühlen, so,
wie ich selbst noch einmal den 1. Oktober
1943 und die daran anschließenden Monate
erneut erlebte. Der Film hat auf die sehen-
den Menschen einen tiefen Eindruck gemacht,
soweit ich es aus der nächsten Umgebung
erkennen konnte. Dieser Film ist es wert, in
allen Städten der Bundesrepublik zu laufen.
Nach meiner Meinung müßten alle
Beamten und Angestellten der
V e r s o r g u n gs - , Fürsorge- und
Arbeitsbehörden sowie der Landes-
versicherungsanstalten diesen Film besuchen,
was zu ihrem Verständnis für uns erheblich
beitragen würde. Allerdings, nicht jeder
Kamerad oder dessen Gattin sollten die Vor-
führung wegen der inneren Erregung
besuchen — bei manchem mag der Film alte
Wunden wieder aufreißen."
Stark beeindruckt ist auch unser Kamerad
Hermann N ä t h e r , der als Justizober-
sekretär in Berlin tätig ist. Auch er unter-
streicht besonders die Leistung der weib-
lichen Hauptdarstellerin: „Vorzüglich wird
die Rolle der Judy gespielt, echt und natür-
lich. Hier wird gezeigt; wie ein vom Schick-
sal so schwer betroffener Mensch im Umgang
mit anderen Menschen zu behandeln ist,
um bei ihm keine Minderwertigkeits-
komplexe aufkommen zu lassen. Nicht bemit-
leidendes, mütterliches Umsorgen ist geboten,
nein, Humanität und die helfende Hand in
selbstverständlicher Zuordnung." Hermann
Näther weist darauf hin, daß man auch als
Nichtsehender Filmvorführungen besuchen
kann und sich sehr wohl aus dem Wort und
der Musik und den Geräuschen ein Bild von
der Handlung und ihrem Wert machen kann.
„Dieser Stoff", so meint er dann, „ist absolut
geeignet, die notwendige moralische Auf-
rüstung der gesamten Menschheit zu fördern
und das Trümmerfeld der Seelen zu bereini-
gen. Leider fehlt gänzlich eine Stellungnahme
- gegen jeden Krieg, gegen jede Gewalttat
und jedes Menschenmorden — hierin läge
die Anregung zu einer neuen abgewandelten
Formung des Stoffes. Wie schade nur, daß
es kein deutscher Film sein konnte, dar-
gestellt von nur deutschen Kriegsblinden!"
Unser Kamerad Dr. Wilfried Mühlen-
s i e p e n (Düsseldorf) schreibt zu dem Film
u.a.: „Damals, als noch Krieg war, als es
plötzlich dunkel wurde für immer — damals
zermarterten alle jene Gedanken das kriegs-
müde Gehirn, die heutewiederleben-
dig wurden, als der Filmstreifen vom
„Sieg über das Dunkel" die Sinne für beinahe
zwei Stunden gefangen hielt. Es ist natur-
gemäß nicht einfach, als Blinder ein objek-
tives Urteil über das filmisch-dichterische
Widerspiel seines eigenen Schicksals abzu-
geben und man läuft Gefahr, sich in kritischen
Einzelbeobachtungen zu verlieren. Aber der
Film ist ja für Sehende, nicht für Blinde ge-
dreht worden, und da muß man anerkennen,
daß die Geschlossenheit des Geschehens nicht
gestört wird durch unsachgemäße Beurtei-
lung der Erblindung eines Menschen, und es
ist nichts herausgehoben, was nur einen
einzelnen Sonderfall beträfe. Der Film
spricht für das Schicksal eines kriegserblin-
deten Menschen schlechthin. Das Ver-
hältnis des Blinden zur Umwelt, seine und
deren seelische Reaktionen sind durchaus
richtig gesehen und gut getroffen, wenn sie
auch bisweilen noch zu einer psychologischen
Vertiefung hätten führen können, z. B. bei
dem Vorgang, daß der Blinde seinen neu-
gewonnenen Freund beleidigt, weil er ihn
nicht als Neger erkannt hatte. Der Blinde
kommt nur zu der Erkenntnis, daß man mit
alten Vorurteilen aufräumen müsse. Er
müßte aber, so meine ich, darüber hinaus
erfahren, daß der Blinde sich eine eigene
Welt erobern kann, losgelöst von allen
Äußerlichkeiten wie Hautfarbe oder Gesichts-
ausdruck, eine Welt der innerenWerte,
die im Gegensatz zu veralteten Konven-
tionen steht."
„Ich bin es selbst"
Der Kriegsblinde Hans Schopf aus
Bittenfeld, Kreis Waiblingen, schreibt sehr
eindringlich, wie dieser Film für ihnper-
s ö n 1 i c h zum Erlebnis geworden ist und
zum Spiegel des eigenen Schicksals: „Nicht
irgendein amerikanischer junger Mann ver-
liert im heißen Wüstensand in Afrika sein
Augenlicht, sondern ich bin es, der eine
verpaßt bekommt. Ich bin es, der im Lazarett
aus dem Diktat des Arztes erkennen muß, daß
ich für immer nichts mehr sehen kann, ich
werde auf meinem Heimatbahnhof abgeholt
und stehe meinen fassungslosen Eltern
gegenüber, ich weiche den neugierigen
Nachbarn aus, die es sicher gut mit mir
meinen, i c h bin es, der im Kreis der Kame-
raden wieder Mut bekommt, der erkennt,
daß das Leben auch für uns Schönheiten
bereithält. Es ist erstaunlich, wie der Re-
gisseur selbst in den kleinsten Dingen
wiedergibt, wie unsere sehende Umwelt
kleine Fehler macht, sich geschwind entschul-
digt und glaubt, daß es dann vorbei sei. Ist
nicht jeder von uns schon einmal in einen
Teller mit den Fingern gefahren, oder haben
wir nicht alle schon einmal ein Glas umge-
stoßen, weil es vor uns hingestellt wurde,
ohne daß man es uns gesagt hat?
Viele solcher Kleinigkeiten könnte man
aufzählen und zuletzt wüßte man gar nicht
mehr, ob es eigenes Erleben oder das Ge-
schehen im Film war. Man erkennt, daß
Amerika ein reiches Land ist — z. B. die aus-
geklügelte Ausbildung bei der Umschulung!
— doch die menschlichen Probleme
sind dort genau so schwer zu lösen wie, bei
uns, und auch dort drüben in diesem Land,
das nach unserer Vorstellung ein Schlaraffen-
land sein müßte, auch in diesem Land muß
jeder einzelne hindurch und sich selbst über-
winden. Für uns ist dieser Film ein Erlebnis,
und er ist mit nur wenigen geflüsterten
Sätzen so leicht zu begreifen, daß ich jeden
Kameraden bitten möchte, sich dieses Werk
anzuhören."
Aus Württemberg schreibt auch der Kriegs-
blinde Dr. Kurt Wintterlin, daß der
Film bei ihm und seiner Frau nachhaltige
Eindrücke hinterlassen habe: „Wie schmerz-
lich Verständnislosigkeit für einen Neu-
erblindeten sein kann, habe ich selbst meh-
rere Male erleben müssen. Dasselbe gilt für
falsch angebrachtes Mitleid. Der Entschluß
des Kriegsblinden, Jura zu studieren, wie es
ja nach diesem Kriege auch in Deutschland
mindestens 50 Kameraden unternommen und
geschafft haben, hat mir einige Hochachtung
abgenötigt, obwohl oder gerade weil ich
dieses Studium noch in sehendem Zustand
absolviert habe."
„Stellvertretend für uns alle"
Aus vielen weiteren Zuschriften sticht
besonders noch die Äußerung unseres Kame-
raden Karl Kirchner aus Stuttgart
hervor. Er schreibt u. a.: „In diesem Film
findet man nichts von jener billigen Effekt-
hascherei, die sich des Kriegsblindenschick-
sals oder des Blindenschicksals überhaupt
bedient, um unter dem mitleidigen Grauen
des Publikums den völligen Mangel an
schöpferischen Ideen zu verbergen. Dieser
Film wagt es vielmehr, das Kriegsblinden-
schicksal selbst und ausschließlich zum
Thema zu wählen und in einer Klarheit dar-
zustellen, die fast an Härte grenzt. Ein Stück
Leben rollt vor uns ab, das stellver-
tretend für uns alle gilt, die wir
das gleiche Schicksal tragen, und das Liebe
und Leid von Müttern und Frauen in seiner
unerbittlichen Strömung mit sich reißt. Mit
seiner Schilderung geht dieser Film bis an
die Grenzen seiner Möglichkeiten und
schweigt dort, wo für uns alle das uns ver-
bindende große Schweigen in unserem Leben
beginnt. Der Zuschauer ahnt nur etwas
von den Bezirken unseres Lebens, die nur
wir selbst, kaum noch die uns Zunächst-
stehenden kennen. Dort aber, wo der im
Rassenwahn erzogene weiße Amerikaner die
verbindende Kraft des Leides zu seinem
kriegsblinden Negerkameraden erkennt,
schlägt der Film eine kühne Brücke von
Kamerad zu Kamerad über Völker und
Rassen hinweg. Unter dieser Brücke aber ist
kein Raum mehr für Vergleiche über die
äußeren Lebensumstände hüben und drüben
oder für eine Schilderung der Filmhandlung
im einzelnen. Auch Lob und Kritik für die
Leistung der einzelnen Darsteller muß vor
der Gesamtleistung des Films schweigen."
Weiterhin äußert unser Kamerad Kirch-
ner: „Man kann nur wünschen, daß
möglichst viele der Menschen im wilden
Getriebe unserer Tage Gelegenheit finden,
vor diesem neuen amerikanischen Film für
kurze Zeit den Atem anzuhalten. Möge dann
an die Stelle von so viel falschem Mitleid
mit dem Kriegsblinden die Achtung vor
seinem Schicksal treten und möge so mancher
unserer Mitmenschen es lernen, vor den
Tränen unserer Mütter und dem Leben
unserer Frauen in Ehrfurcht zu schweigen,
anstatt um materielle Vorteile zu hadern
und zu neiden. Dann wird dieser Film für
uns deutsche Kriegsblinde mehr sein als die
Wiederkehr von Freud und Schmerz aus
unserem eigenen Leben und mehr als nur
ein ernster Gruß der Kameraden über dem
Ozean."
Eine Stiftung „Sieg über das Dunkel"
Der Amerikanische Universal
Filmverleih, dem wir diesen groß-
artigen Kriegsblindenfilm verdanken, hat
sein besonderes Verständnis für die deut-
schen Kriegsblinden damit bewiesen, daß er
die aus sechs großen Galavorstellungen
eingehenden gesamten Erträge an Leihmieten
dem Bund der Kriegsblinden Deutschlands
zur Verfügung stellt. Der Amerikanische
Universal Filmverleih hat im Zusammen-
wirken mit dem Bund der Kriegsblinden
Deutschlands e V. daher angeregt, ein
Postscheckkonto in Frankfurt
am Main zu errichten, das als Konto
„Sieg über das Dunkel" (Konto Nr. 9
des Postscheckamtes Frankfurt a. Main) diese
Beträge aufnehmen soll. Es wird erwartet,
daß anläßlich der Filmaufführungen dieses
Konto auch weiterhin benutzt wird, da dem
Publikum damit eine naheliegende Möglich-
keit gegeben wird, etwas von der Dankes-
schuld gegenüber den Kriegsblinden abzu-
tragen, einer Dankesschuld, die gerade nach
dem Besuch dieses Films viele Menschen
tief bewegen wird. Es ist selbstverständlich,
daß alle Eingänge auf diesem Konto ohne
jeden Abzug dem Bund der Kriegsblinden
Deutschlands für seine Betreuungsarbeit zur
Verfügung stehen.
Sprich, daß ich dich sehe!
Wir haben einen der bedeutendsten deutschen Sprechkundler, Herrn Prot. Christian
W i n k i e r, Leiter des Instituts für Sprechkunde und Vortragskunst an der Universität Marburg,
gebeten, etwas zu der im Septemberhett begonnenen Diskussion über „Stimme und Persönlichkeit"
beizutragen. Die Schrittleilung
„Sprich, daß ich dich sehe!"
Vor einigen Jahren berichtete ein Rund-
funkmann — im Sinne dieses Wortes aus
dem Altertum — von einem Blinden. Der
sagte ihm, „daß ihn für den Verlust seines
Augenlichts die Natur reichlich entschädige.
Er sei so feinfühlig und hellhörig geworden,
daß er aus der Stimme einer Person deren
ganzes Wesen heraushören könne. Aus der
Lebhaftigkeit und Art der Stimme schließt er
nicht nur auf Alter und Geschlecht, sondern
auch auf Körperbeschaffenheit, Farbe der
Haare und Augen, und will sogar erkennen,
ob jemand rote Backen hat oder nicht. In
Gesellschaft macht man mit diesem Manne
■ oft Versuche, indem man ihm ganz fremde
Personen vorstellt, die er, bloß auf den
Klang der Stimme hin, nach ihrem Aussehen
beschreiben soll, was meist zu ganz über-
raschenden Ergebnissen führt. Auch eine
drohende Erkrankung, wie einen Katarrh,
eine Angina, vermag dieser Blinde aus der
Stimme vorherzusagen".
Ein Stück von dieser Hellsichtigkeit haben
wir alle und mehr, als wir meinen. Einer
meiner Freunde weiß das Wesen des Men-
schen gut aus der Schrift zu lesen, ich halte
mich an die Stimme, und oft wird diese
Wesensbestimmung bei uns eine Art Wett-
spiel. Eines Tages traf ich bei ihm Geschäfts-
besuch, und es machte sich, daß der immer
gegen das Licht und mit dem Rücken zu mir
saß. Als die Dame gegangen war, meinte
ich scherzend, daß ich mir lieber einen Strick
kaufte, als diese Stimme alle Tage zu hören.
So wurde ich examiniert: „Wie alt ist sie?"
„Anfang 40", sagte ich. „Ja, 43 — ich hätte
sie für jünger gehalten." Ich erwiderte: „Ja,
das glaube ich." „Warum?" „Nun, weil sie
sehr gepflegt ist; gepflegte Menschen er-
scheinen jünger." „Ist sie verheiratet?" fragt
er weiter. „Ja, sicher. Einen Augenblick! Der
Mann ist Akademiker, aber kein Beamter."
„Stimmt", antwortet mein Freund, „er ist
Arzt."
Das alles ist keine Hexerei. Ein wenig
Spürsinn, etwas Kombinationsgabe und —
Unbefangenheit Als Wissenschaftler würde
ich mich hüten, solche rasche Aussagen zu
machen wie hier als Freund, obwohl oder
vielleicht gerade weil ich mich als Sprech-
kundler viel mit diesen Fragen abgegeben
habe. Wir besitzen auch schon eine ganze
Reihe sehr wertvoller Untersuchungen zu
diesem Fragenkreis .Stimme und Persönlich-
keit', besonders aus der Berliner und Wiener
Psychologenschule, die der alten Erfahrung,
daß die Stimme das Wesen eines Menschen
ausspricht, wissenschaftlich beobachtend und
oft auch experimentell zu Leibe rücken.
.Stimme' ist dabei freilich ein sehr un-
genauer Ausdruck. Zwar sagt der Stimm-
klang als solcher schon recht Wesentliches —
es gibt eine ganze Typenlehre, die von
J. Rutz, die vornehmlich auf dem Stimm-
klang fußt — , aber weit mehr können wir
aus der gesamten .Sprechart eines
Menschen entnehmen, die ja auch Dr.
Simoneit und F.Feistner in ihren Beiträgen
(Septemberheft des „Kriegsblinden") mein-
ten, dem Inbegriff des Ausdruckshaften, das
der Schallform einer Rede anhaftet, ob es
sich nun phonetisch im Auf und Ab der Ton-
höhe, in der Beschwerungsweise oder Glie-
derung, im Zeitmaß, in der Lautbehandlung
oder wo immer äußere. Mir scheint, für die
Beschreibung dieser Dinge sollten die Psycho-
logen etwas fleißiger bei den Phonetikern
oder einem Metriker wie Franz Saran in die
Lehre gehen. Das Auffällige aber ist dabei,
daß keines der Merkmale, die wir in der
Sprechart feststellen können, für sich
allein einen bestimmten Wesenszug eines
Menschen kundtut. Es wiederholt sich dabei
eine Erscheinung, die wir bei allen Aus-
drucksvorgängen antreffen, in der Mimik
und Gestik wie in der Schrift u. a. Was er-
scheint einleuchtender, als daß rasches Sprech-
tempo von einem lebhaften Wesen zeuge?
Tatsächlich sind ja die Unterschiede hier
enorm In meinen Freisprechaufnahmen
reichen sie von 53 bis 192 Wörtern in der
Minute. Aber will man das Zeitmaß psycho-
logisch richtig einschätzen, so muß man es
immer im Rahmen der gesamten Sprech-
leistung sehen und berücksichtigen, daß z. B.
Kinder, wenn sie einmal die Sprache leidlich
beherrschen, immer weit rascher sprechen
als Erwachsene, daß die Schwierigkeit des
Redegegenstandes ebenso wie die Größe der
Hörerschaft die Rede abbremst und noch
vieles andere mehr. Niemals also bedeutet
ein Schallmerkmal einen Wesenszug, so wie
das Lautgebilde ,Baum' auf den Begriff
Baum' hindeutet. Erst im Rahmen der
gesamten Sprechart gewinnt das einzelne
Merkmal seine Bedeutung. Darum kann es
nur irreführen, wenn man rät, sich solche
Merkmale mit ihren Ausdrucksbedeutungen
genauestens einzuprägen. Wohl aber sam-
melt sich der Ausdruck an bestimmten Punk-
ten, etwa in der Melos-Kurve, oder der Be-
handlung der Verschlußlaute, die damit zu
, Ausdrucksträgern' werden.
Greifen wir doch einmal auf das Zeit-
maß zurück! Wenn ich oben sagte, daß
meine langsamste Versuchsperson 53 Wörter
in der Minute spreche, so sagt das über ihr
Wesen rundweg noch gar nichts. Sie ist näm-
lich ausgesprochen wendigen Geistes und
besitzt eine schon durch ihren Beruf aus-
gezeichnet eingeübte Sprechfähigkeit. Hier
kam es mir darauf an, festzustellen, wieviel
Wörter — und d. h. in dem Falle Bedeutungs-
träger — die Versuchsperson im Vergleich
zu anderen bei dieser Aufgabe geistig pro-
duziert. Dabei gab es lange Besinnungs-
pausen; die Rede selbst lief dann ziemlich
flott und überdies noch wechselnd: mal
rascher, mal langsamer. Die einfache grobe
Zeitmaßfeststellung würde also hier ganz
irreführen. Wer aber gut hinhört und die
sorgsame Gedankenarbeit und Sprachgestal-
tung des Sprechers miterlebt, die Federkraft,
mit der er die Bewegung des Geistes in
Worte einfängt, der wird eben aus diesem
Gesamteindruck seiner Sprechart zu einem
viel reicheren und zutreffenderen Bilde
seiner Persönlichkeit kommen.
Gewiß, mancherlei Einzelnes wissen wir
heute als Sprechkundler und Psychologen
von diesen Dingen und können es uns
deuten. Vergleicht man aber die Genauig-
keit der Angaben, die bei einem Groß-
versuch des Wiener Rundfunks die Hörer
über das Wesen verschiedener Sprecher
machten, die sie nur einmal mit einem Satze
aus dem Lautsprecher hörten, mit den Er-
kenntnissen der Wissenschaft, so wird der
Wissenschaftler dem Blinden zwar raten,
sein Feingefühl für diese Dinge immer weiter
auszubilden, denn er wird dabei gewiß nicht
enttäuscht, aber er selber wird bei dem
Blinden weit eher in die Lehre gehen,
als daß er ihm helfen könnte — es sei denn
durch einige grundsätzliche Erwägungen.
Da haben jene Rundfunkversuche etwa
gezeigt, daß die Hörer sehr viel und sehr
Genaues aus der Stimme hörten über alle
jene Eigenschaften des Sprechers, die — sie
selbst betrafen! über Wesenszüge also, die
für das Zusammenleben der Menschen
wichtig sind, wie Kontaktfähigkeit und -be-
reitschaft, Verträglichkeit oder Mißtrauen,
daß hingegen Wesenszüge, die sozusagen
nur den Sprecher angehen, wie innere Har-
monie oder Scharfsinn, kaum beachtet wurden.
Ist die Stimme für solche Züge wirklich
weniger ausdrucksträchtig oder horchen wir
nur gewöhnlich nicht darauf hin, weil's uns
nichts angeht, und sind darum harthörig da-
für? Die Kundgabe ist ja auf Kundnahme
angelegt — wozu wäre Ausdruck sonst über-
haupt da? So ist es schon denkbar, daß nicht
nur mangelndes Interesse uns von diesen
Wesenszügen aus der Stimme wenig hören
läßt, sondern daß sie wirklich darin weniger
deutlich erscheinen. Oder kann ein feines
Ohr, wie das des Blinden, diesen Selbstsinn
überwinden?
Dann aber sei noch besonders verwiesen
auf die Beziehung des W i e des Sagens zum
Was des Gesagten, die bei solchen Erörte-
rungen oft ganz übersehen wird und doch
überall mitwirkt. Man braucht gar nicht
einmal auf die immerhin seltenen Fälle zu
verweisen, wo Bedeutung und Sprechart ein-
ander widersprechen („Sie sind ja ein feiner
Herr!") und die Neigung eines Sprechers zu
solchem gegensinnigen Bezug von Bedeutung
und Sprechart festzustellen; einfach schon
wenn man sich darauf besinnt, was ein aus-
gesprochenes Wort in der gegebenen Sprech-
lage ,an sich' bedeutet und nun vergleicht,
wie es hier gesagt wurde — so fällt einem
der besondere Ausdruckssinn dieser Sprech-
art auf. Und wer dann gar dieses Wort in
der Art des Gesprächspartners — sei es laut,
sei es auch nur in innerem Sprechen — nach-
spricht, der wird auf eine oft überraschende
Weise der Art seines Gesprächspartners
inne, wird plötzlich wissen, wie der inner-
lich ist.
Eine Erscheinung aber mahnt uns zu be-
sonderer Vorsicht. Nicht jede Stimme
und Sprechart ist gleich ausdrucksvoll.
Gerade so, wie es sehr lebhafte und aus-
drucksreiche Sprecher gibt, die uns überaus
lebendig und doch mit unbewegtem Gesicht
und geradezu .toten' Augen etwas erzählen
können, genau so gibt es andere, deren Er-
lebnis und Wesen wohl im Auge blinkt, in
der Stimme aber nur matt zum Ausdruck
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kommt (wobei wir von allen sonstigen Hem-
mungen noch ganz absehen wollen). Wir
können unserer Natur nach überhaupt aus-
drucksbegabt sein oder sind es eben nicht,
und der Ausdrucksbegabte ist es auf allen
,Ausdrucksgeländen des Leibes', wie man
das genannt hat, selten gleichmäßig stark.
Das müssen wir bei der Stimmdeutung in
Rechnung stellen. Eine verfeinerte Beobach-
tung, wie sie der Blinde wohl immer ent-
wickelt, wird das freilich meist überwinden.
Dann aber spricht die 'Stimme so unmittel-
bar und fein den Menschen aus, wie kein
anderes Ausdrucksgebaren. Gewiß kann man
auch ihre Bewegungen durch den Willen
steuern, und damit steht auch sie in der
Gefahr der Unechtheit. Aber die Sprechart
pflegt auch das untrüglich zu zeigen: ihre
Züge erscheinen dann vergröbert, und: sie
halten nicht — unechte Besorgnis z. B.
bricht schlagartig um in Unbekümmertheit.
Das hört man bald heraus.
Prof. Winkler (Maibmg)
Stimme oder Sprechweise?
Interessante, wenn auch vielleicht anfechtbare
Hinweise zum Thema „Stimmdeutung" gibt im
folgenden unser kriegsblinder Kamerad Dr. Wil-
fried Mühlensiepen, Düsseldorf:
Den Ausführungen über die psychologische
Deutung des Wesens aus dem Sprechen
(vergl. „Der Kriegsblinde", Septemberheft
1951), stimme ich im allgemeinen zu. Zwar
bin ich kein Fachpsychologe und beobachte
diesen Themen-Kreis mehr aus Liebhaberei
und auf Grund der Erblindung, doch scheint
mir in den beiden Artikeln bisweilen eine
Verwechslung der Begriffe „Sprechen" und
„Stimme" vorzuliegen. Die Unterscheidungen
von Sprachklang, Sprechmelodie, Tonhöhe
und Lautheit sowie Akzentuierung, Artikula-
tion und Sprechtempo bezogen sich eigent-
lich nur auf das Sprechen des Menschen. Daß
man aus diesen Merkmalen charakterolo-
gische Rückschlüsse ziehen kann, wurde dar-
gelegt. Doch scheinen mir diese Merkmale
nur Gültigkeit zu haben in bezug auf jenen
Teil des menschlichen Wesens, der veränder-
lich ist und der durch Umwelt, Erziehung
oder willkürliche Eingriffe beeinflußt werden
kann, also oft der Absicht oder auch einer
unbewußten Maskierunq unterliegt. So än-
dern sich oft die Sprechmerkmale. Doch, so
glaube ich, gibt es auch unveränder-
liche Merkmale, die keinem willkürlichen
Eingriff unterlegen sind, und dieses Unver-
änderliche drückt sich weniger im Sprechen,
sondern vor allem in der Stimme aus.
Um das Gesagte zunächst an einem Bei-
spiel zu verdeutlichen, möchte ich auf die
Fähigkeiten des Schauspielers hinwei-
sen. Dieser ist imstande, seine Sprache zu
verändern, d. h., er kann durch die jeweils
veränderte Sprechweise verschiedene Cha-
raktere, das Wesen verschiedener Menschen-
typen darstellen, bisweilen den Ruhigen, den
Aufgeregten, den Heimtückischen, den Me-
lancholiker usw. Derselbe Typ kann auch
von verschiedenen Schauspielern gespielt
werden, um so glaubhafter, wenn sie sich in
die Rolle wirklich hineinversetzen. Dem
steht aber die Tatsache gegenüber, daß man
ohne weiteres imstande ist, trotz dieser ver-
änderten Sprechweise einen bestimmten
Schauspieler an der Stimme wiederzuer-
kennen, ganz gleich, welche Rolle er spielt.
Das heißt also, daß in der Stimme und nicht
in der Sprechweise etwas Unveränderliches
enthalten ist, das uns erlaubt, Rückschlüsse
auf die Person zu ziehen*).
Gegenüber dem Veränderlichen der Sprech-
weise möchte" ich das Unveränderliche der
Stimme als das Bestimmende eines Menschen,
als das „Stimmdestinativ" bezeichnen.
Wenn sich also ein Mensch auch mit Hilfe
einer veränderten Sprechweise verstellen
kann, so wird man ihn doch immer an sei-
ner Stimme erkennen. So kann sich dieses
Stimmdestinativ in seiner Grundstruktur
nicht verändern, wohl aber verschieben oder
entwickeln. Offensichtlich ist dies vor
allem beim Stimmbruch des Knaben. Aber
auch danach ist bei genauer Beobachtung
*) Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob der
Schauspieler nicht gerade die Stimme verändert.
(Die Schriftleitung)
eine ständig zunehmende Brüchigkeit der
Stimme festzustellen. Der Greis beispiels-
weise hat die charakteristisch gebrochene
Stimme. Und es ist für den Blinden nichts
irreführender, als wenn ein junger Schau-
spieler einen Greis darstellen will, Für die
Stimme der Frau gilt übrigens Ähnliches,
auch wenn hier nur feinere Nuancierungen
vorliegen, so daß man schon ein geschultes,
feines Gehör zur Unterscheidung besitzen
muß.
Ich glaube festgestellt zu haben, daß man
aus dem Grad der Brüchigkeit der Stimme
nicht nur die altersmäßige Entwicklung des
Menschen bestimmen kann, sondern daß die
Stimme auch zu charakterologi-
schen Rückschlüssen Anlaß bietet. Hier
wären vielleicht Parallelen zu ziehen zu
dem, was bereits über Sprechklang, Sprech-
farbe oder -färbung gesagt wurde. Auf die
Stimme bezogen hieß es, daß aus ihr etwas
grundsätzlich Unveränderliches, aber ent-
wicklungsmäßig Verschiebbares herauszu-
hören ist, das sich in einer gewissen Fär-
bung (Rauheit, Rissigkeit, Brüchigkeit usw.)
ausdrückt. Diese Merkmale möchte ich als
Stimmkolorit bezeichnen.
Was kann man nun aus dem Stimmkolorit
entnehmen? Am besten erleichtert man sich
den Zugang zur charakterologischen Deu-
tung einmal dadurch, daß man bestimmte
physikalische Erscheinungen sich auf die
Stimme bzw. auf die Stimmbänder bildlich
übertragen vorstellt. (Vielleicht ist diese
Methode etwas gewaltsam und nicht immer
zutreffend; zahlreiche Versuche scheinen mir
aber, wenigstens statistisch, recht zu geben).
Eine rauhe, rissige Oberfläche bietet
größere Möglichkeiten, in den Körper ein-
zudringen als eine glatte Oberfläche. So
schließe ich, daß ein Mensch mit rauher,
rissiger, brüchiger Stimme zugänglich
ist sowohl für wissenschaftliche Dinge als
auch für Kunst oder Geselligkeit. Wie eine
brüchige Oberfläche mehr Angriffsfläche
bietet, so ist ein Mensch dieses Stimm-
kolorits auch geöffneter fürs Leben. Ein
Körper mit glatter Außenseite strömt wenig
aus. Ein Mensch mit glattem, öligem Stimm-
kolorit hat wenig Reize. Ein abgenutzter
Körper zeigt Scharten, Kanten, aber auch
abgegriffene Stellen; ein Mensch dieses
Stimmkolorits ist vom Leben geprägt und
abgeschliffen Ein völlig harter, spiegel-
glatter Körper ist unzugänglich. Vielleicht
liegt auch ein Vergleich mit der Farbe nahe,
da ja auch weiße, helle Farbe andere Vor-
stellungen hervorruft als dunkle, tiefe,
warme Farbtöne. (Man darf hier aber das
Dunkle, Warme des Stimmkolorits nicht ver-
wechseln mit einer weichen, warmen „Sprech-
weise", wie man auf der anderen Seite nicht
den Fehler machen darf, daß die beschrie-
benen Werte absolut zu setzen seien.)
Gut herauszuhören ist auch die bekannte
Raucherstimme und die Bierstimme. Beide
Stimmkolorite haben etwas von dem jewei-
ligen Ursprung der Brüchigkeit in sich: diese
das Beißen des Qualms, jene die Hohlheit
des Bierfasses!
Im einzelnen müßte natürlich das Gesagte
am phonetischen Beispiel erläutert werden,
die ganz allgemeinen Angaben können nur
Andeutungen sein. Doch läßt sich m. E. ge-
nerell soviel sagen, daß sich die Anlage
und die Entwicklung des Menschen gleicher-
maßen im Stimmkolorit ausprägt. Eine Mög-
lichkeit, hier zu ersten Ergebnissen zu kom-
men, bietet sich wohl am ehesten an der
Beobachtung, daß die sexuelle Entwicklung
übereinstimmt mit gewissen Erscheinungen
in der Brüchigkeit des Stimmkolorits. Das
Stimmkolorit des erotisch empfänglichen
Menschen strömt eine ganz charakteristische,
dunkle, geöffnete, zugängliche „Stimmung",
einen unverkennbaren Reiz aus. (Bezeich-
nenderweise kann eine anlagebedingte Rau-
heit oder Heiserkeit der Stimme auch schon
vor der Pubertät nachgewiesen werden).
Ich habe auch die interessante Tatsache
beobachtet, daß die Stimmkolorite der ver-
schiedenen Nationalitäten in sich be-
stimmte charakteristische Eigenheiten auf-
weisen, sofern die Typen ausgeprägt sind.
Hier gibt es übrigens in der Graphologie
ähnliche Parallelen. Besonders deutlich tre-
ten solche charakteristischen Merkmale bei
rassisch bedingtem Stimmkolorit auf, so daß
man beispielsweise die Stimmen von Nord-
europäern und Südländern oder Chinesen
und Negern oft recht gut unterscheiden kann.
Wenn man schon beim Sprechen den
Grad der Erregung, der Nervosität oder Ge-
lassenheit charakterologisch ausdeuten kann,
so liegt auch in der Stimme etwas von der
seelischen Gestimmtheit des Menschen ver-
borgen. Vielleicht kann man hier, gleicher-
maßen auf Seele und Stimme bezogen, von
einer inneren Gespanntheit sprechen. Es ist
z. B. das, was einem die Kehle zuschnürt.
Trotz größter äußerer Beherrschtheit ist dabei
die Stimme meist ein sehr verräterisches
Organ, und ein geübtes Ohr wird erkennen,
ob ein raffinierter Schauspieler eine seelische
Gestimmtheit nur vortäuscht.
So möchte ich abschließend bemerken, daß
die Stimme weit mehr von unserem Gegen-
über aussagt, als es die psychologische Be-
urteilung des Sprechens zunächst vermöchte,
vielleicht mehr, als es dem Träger der
Stimme lieb ist. Vielleicht öffnet uns gerade
die Stimme als Tor zum tiefsten Inneren des
Menschen den Weg zur Sympathie oder
Antipathie, wobei das erotische Moment eine
nicht zu unterschätzende Bedeutung erhält.
Ich glaube auch, alle diese Beobachtungen
in zahlreichen Versuchen im Vergleich
mit den Aussagen Sehender, der Stimm-
träger selbst oder durch die Reaktionen
nahestehender Personen belegt zu haben.
Doch kann man hierbei auch großen Täu-
schungen erliegen, wenn man beispielsweise
die Stimme einer siebzigjährigen Frau für
die eines Knaben hält. Und das scheint mir
daran zu liegen, daß die Beurteilung stets
der subjektiven Aufnahmefähigkeit des Ge-
hörs unterliegt.
Dazu meint der Fachwissenschaftler:
Wir leiteten kurz vor der Drucklegung die vor-
stehende Zuschrift des Kameraden Dr. Mühlen-
siepen Herrn Pro!. Winklet (Marburg) zu, der
dazu die folgenden Bemerkungen machte:
Wie alle Ausdruckserscheinungen zeigt
auch die menschliche Stimme beides: blei-
bende Wesenszüge der Persönlichkeit — in
unserem Falle „persönliche Sprechart" ge-
nannt — und solche, die von Fall zu Fall mit
dem Redegegenstand wechseln — die sog.
jeweilige Sprechart: Physiognomisches und
Pathognomisches also. Beides äußert sich so-
wohl in der Stimme wie in der Sprechart.
Jene freilich erscheint dauerhafter und also
geeigneter, aus ihr Wesenszüge der Per-
sönlichkeit zu entnehmen. Die Sprechart hin-
gegen gibt dem geringsten Stimmungsum-
schwung nach und dient darum vorwiegend
dem Ausdruck der jeweiligen inneren Situ-
ation. Aber es bleibt beim Mehr oder Minder.
Die Gleichung Stimme = Persönlichkeit wäre
unzulänglich, oft falsch.
Das gilt auch insofern, als nicht nur die
Sprechart der geistig-willkürlichen Steue-
rung unterworfen ist und damit unecht wer-
den kann. Zunächst muß man sich klar
machen, daß in der Bewußtheit der
sprachlichen Akte notwendig und unvermeid-
lich ein Keim und auch immer ein gewisses
Maß der Unechtheit begründet ist. „Spricht
die Seele, so spricht, ach, schon die Seele
nicht mehr", sagt Schiller. Aber auch die
Stimme steuern wir, und den Schau-
spieler kennzeichnet dabei eben nur eine be-
sondere Begabung und Fähigkeit, zu steuern.
Und doch hörte Dr. Mühlensiepen etwas ganz
richtig heraus: daß ein gewisser Kern der
Stimme eben unveränderlich bleibt. Freilich
viel weniger, als die meisten wohl ahnen!
Denn der Stimmklang oder das „Stimm-
kolorit" ist für den Sprechkundler oder
Stimmbildner — wohl eine Einheit, doch
schließen sich in ihr eine ganze Reihe von
Komponenten zusammen. Was Dr. Mühlen-
siepen als Glätte oder Brüchigkeit der Stimme
beschreibt, rührt wohl vorwiegend aus der
Koordination der Muskelleistungen im Kehl-
kopf her oder deren Mangel. Daneben
gibt es all die Resonanzerscheinungen, die
aus der Gestalt und den Spannungsverhält-
nissen der Hohlräume über und auch unter
den Stimmlippen herrühren. Manches davon
ist der Willkür ohne weiteres zugänglich,
anderes läßt sich schulen, manches entzieht
sich der Beeinflussung überhaupt und wird
damit für die physiognomische Deutung be-
sonders wichtig. Immerhin: man muß das
heraushören lernen.
Die Folgerung aus alledem: wir wissen
von diesen Dingen noch recht weniges
sicher, aber immerhin soviel, daß wir vor
manchen voreiligen Schlüssen gefeit sind.
Aus der Brüchigkeit des Stimmklangs z. B.
seelische Zugänglichkeit zu folgern, das
scheint mir sehr gewagt. Sollte hier nicht das
optische Bild der rissigen Oberfläche verführt
haben, etwas Nicht-Akustisches, Nicht-
Motorisches, Nicht-Stimmliches also?
Vibration und Schallwellen
als Orientierungsmittel
Bin ich denn in einen Hohlweg geraten?
Dieser Gedanke durchzuckt mich oft plötz-
lich, wenn auf einer Seite meines Gehwegs
Häuser stehen. Meine Frage, ob sich am
Straßenrand etwas erhebe, wird dann von
der Begleitperson regelmäßig bejaht. Meist
handelt es sich um größere Fahrzeuge, wie
Omnibusse, Lastwagen und dergl. Beim
Gehen mit dem Stock in Richtung auf eine
Hausmauer habe ich häufig das Gefühl der
Annäherung an diese Mauer, noch ehe die
Spitze des Stockes hart aufschlägt.
Vielen Kameraden wird es schon auf-
gefallen sein, daß man bei nötiger Auf-
merksamkeit das Vorhandensein von Hin-
dernissen zu erkennen vermag, die sich
über dem Fußboden erheben. Auf der Suche
nach einer Erklärung für diese eigenartige
Tatsache haben manche Forscher von einem
sogenannten „sechsten Sinn" des Blinden
gesprochen. Neuerdings ist man jedoch zu
dem Ergebnis gekommen, daß dieses Er-
kennen von Hindernissen wohl nicht auf
einen sechsten Sinn, sondern auf andere
Gründe zurückzuführen ist, welche anschlie-
ßend erläutert werden sollen.
Jeder größere Gegenstand läßt feinste
Schwingungen ausstrahlen, die vom Gehör
sowie von der bloßen Hautoberfläche wahr-
genommen werden. Als Beweis sei das Rau-
schen genannt, welches wir hören, wenn wir
eine größere Tonvase an das Ohr halten.
Es schwingt also auch das Hindernis, dem
man sich nähert. Durch Wandrückstrahlung
wird diese Schwingung noch wesentlich ver-
stärkt. In der Nähe des Hindernisses ergibt
sich demnach eine Vibrationsstauung. Diese
wirkt auf das Gesicht und die Hände ein.
Wer nicht weiß, wo er sich gerade be-
findet, wird unwillkürlich versuchen, durch
mancherlei Geräusche, die er hervorbringt,
durch Aufstampfen, Rufen oder Husten,
seinen Standort festzustellen.
Der Vibrationsforscher Hirsch führt in
seiner Schrift „Wesensart und Zusammen-
spiel der Vibrationsempfindung" aus, daß
durch die selbst hervorgebrachten Schall-
wellen gleichzeitig auch Vibrationen erzeugt
werden, welche sich durch erhöhtes Schwin-
gen der Gegenstände und des eigenen Kör-
pers äußern. Hierdurch wird die Vibrations-
wirkung derart gesteigert, daß sie auch in
solchen Fällen wahrnehmbar wird, in denen
sie zunächst nicht deutlich zu spüren' war.
Ein wertvolles Hilfsmittel zur Verstärkung
der Vibration ist vor allem der Stock
als unser „treuester Begleiter". Er ist uns
nicht nur eine Stütze, sondern auch ein sehr
wertvoller Taster. Sogar dann, wenn wir mit
dem Stock in der Hand auf dem Stuhle
sitzen und die Spitze des Stockes den Fuß-
boden berührt, dient er uns unbewußt als
Vibrationsverstärker. Genauere Feststel-
lungen hierüber werden wir allerdings erst
dann machen können, wenn wii auf die
vibrierenden Luftverdichtungen genau achten
und den Grad ihrer Auswirkung für unsere
Orientierung selbst festgestellt haben.
Dr. Kurt Wintterlin
liDir weben — für dich!
Sorgen und Erfolge der Arbeitsgemeinschaft kriegsblinder Weber
Nun sind es bald zwei Jahre her, seitdem
wir unsere „AKW, die „Arbeitsgemeinschaft
kriegsblinder Weber", nach Beendigung un-
serer Umschulung aus eigener Initiative und
Überwindung größter Schwierigkeiten ge-
gründet haben. Unsere Kameraden arbeiten
nach wie vor in Heimarbeit, und in kleinen
und größeren Orten klappern die Kamm-
laden der Webstühle und die Schiffchen
fliegen im Schnellschuß durch die Fächer,
und unter unseren fühlenden Händen ent-
stehen kunstgewerbliche Textilerzeugnisse.
Schon konnte für unsere Erzeugnisse ein
großer Liebhaber- und Freundeskreis ge-
wonnen werden, Besonders durch den Ver-
kauf und die Ausstellungen in unseren Er-
holungsheimen haben unsere immer wieder
als geschmackvoll und preiswert anerkann-
ten Tischdecken und Kissenplatten usw. im
Kreise unserer Kameraden und ihrer An-
gehörigen immer wieder Anklang gefunden.
Noch entstehen die Handwebwaren in be-
engten und notdürftigen Wohnräumen, in
Küchen oder gar in einem eigens als Werk-
statt eingerichteten Güterwagen der Bundes-
bahn unter außerordentlichen räumlichen
Schwierigkeiten. In einigen Fällen kann nur
gearbeitet werden, wenn dieNachbarn
abwesend sind oder wenn wirklich
einmal Verständnis für den Arbeitswillen
des kriegsblinden Nachbarn gezeigt wird. Ein
Drittel unserer ausgebildeten Weberkamera-
den konnte überhaupt noch nicht tätig wer-
den, da ihnen nur Notwohnungen und daher
kein Werkraum zur Verfügung stehen.
So hatten wir bisher immer mit großen
Sorgen um die Rentabilität unseres Unter-
nehmens zu ringen. Ein Ausweg mußte ge-
funden werden! Vieler Mühe und Energie
bedurfte es bis zu dem stolzen Erfolg: in
Langenhagen bei Hannover sind unter den
fleißigen Händen der Maurer und Zimmer-
leute 20 Eigenheime und unsere schöne
Gemeinschaftswerkstatt aus dem Boden ge-
wachsen. Unermüdliche Vorarbeit war dazu
nötig. Warten in den Vorräumen der Be-
hörden, Besprechugnen mit den maßgeb-
lichen Stellen der Regierung, Ausfüllung
immer neuer Formulare — ein nicht ab-
reißender Papierkrieg ließ die Akten zu an-
sehnlicher Stärke anwachsen, so daß nicht
nur in dem Gebälk unserer Häuser, sondern
auch in den Bergen von Akten ein hübsches
Stück deutschen Waldes verarbeitet worden
ist. Immer wieder waren wir zur Stelle,
wenn unser Plan auf irgend einem Schreib-
tisch die günstigste Bauzeit zu verschlafen
drohte. Endlich konnten wir nun bei dem
kürzlich stattgefundenen Richtfest zum ersten-
mal durch die Räume unserer Werkstatt ge-
hen und mit unseren Händen das Mauerwerk
abtasten. Welch ein Gefühl ist es, nach den
vergangenen schweren Jahren endlich wie-
der den Fuß auf die Schwelle des eigenen
Hauses setzen zu dürfen! Wenige Jahre
trennen uns nur von dem Augenblick, in dem
wir in Nacht und Dunkel aus unserer gelieb-
ten ostdeutschen Heimat vertrieben wurden.
Not und Elendsquartiere, Treck und Land-
straße, Hunger und Hoffnungslosigkeit lie-
gen hinter uns.
Unsere Gemeinschaftswerkstätte
umfaßt, neben einem großen Arbeitsraum
im Erdgeschoß, der Platz für 14 Webstühle
bietet, weitere Fertigungs- und Büroräume.
Im Obergeschoß wird neben einem Ausstel-
lungs- und Verkaufsraum Platz sein für das
Lager der Fertigwaren, über dem Websaal
liegt der große Raum, in dem die Ketten
geschert und die Spulräder surren werden.
Alle für die Handweberei erforderlichen
Webgeräte sind auf dem Stand einer Ent-
wicklung stehen geblieben, wie sie vor fast
hundert Jahren bei den Webern üblich
waren. Wir hoffen, in unserem reinen Blin-
denunternehmen Gelegenheit zu haben, die
Errungenschaften der Technik nun lang-
sam auch den Gegebenheiten blinder Weber
zunutze machen zu können. Während in der
Industrie der Blinde sich meist der Arbeit
anpassen muß, kann hier unter Umständen
der umgekehrte Weg beschritten werden und
die Technik sich auf die Möglichkeiten der
Blindenarbeit einstellen. Wir hoffen, daß
alle zuständigen Stellen uns in den kommen-
den Jahren bei der Durchführung dieser
Gedankengänge behilflich sein werden. Wich-
tig ist es jedenfalls, schon jetzt in unserem
neuen Beruf an die Erfahrung anzuknüpfen,
die in der Blindenarbeit im Ausland bereits
gemacht werden konnte. Wir würden uns
freuen, wenn diese Zeilen dazu beitragen,
uns mit blinden Berufskollegen im
Ausland, wir denken besonders an Hol-
land, in Verbindung zu bringen. Ermutigend
für unsere Webergenossenschaft sind hierbei
die Ausführungen, die Herr Professor Dr.
med. Otto Graf (Max-Planck-Institut in Dort-
mund) gerade über die Blindenweberei in
seinem Vortrag „Warum auch heute noch
Blindenhandwerk?" anläßlich einer Arbeits-
tagung in Königswinter im Oktober 1950
machte. Außerordentlich zu begrüßen wäre
es, wenn eine Zusammenarbeit aller dieser
maßgeblichen Stellen den Zukunftsweg unse-
res neuen Blindenberufes ebnen helfen
würde.
Um die Werkstatt gruppieren sich die
Heimstätten, die Anfang Januar ihren
künftigen Besitzern übergeben werden. Sie
liegen in einem ca. 400 qm großen Garten.
Durch die Haustür an der Giebelfront tritt
AKWI-UaiulufeBkMutH mm toethnaMtfoU!
Tischdecken, Kissenplatten, Trachten-Röcke und -Schürzen, Bekleidungs-
stoffe usw. in reichhaltiger Auswahl!
Geschmackvolle Geschenkartikel für alle Gelegenheiten. Preiswert und
allseitig anerkannt! Fordern Sie bitte unser Angebot!
Arbeitsgemeinschaft kriegsblinder Weber e. G. m. b. H.
Hannover.- 'Stolzes! raße 21I (Ruf-Nr.: 8 27 90)
man in einen Vorflur, in dem die Türen
für die Vorratsräume und die Waschküche
liegen. Eine Treppe führt zu den im Hoch-
parterre liegenden Wohnräumen. Diese um-
fassen ein großes Wohnzimmer von über
20 qm, Küche, Badezimmer und die im Gie-
belgeschoß liegenden beiden geräumigen
Schlafzimmer. Bald wird auch diese Räume
frohes Lachen erfüllen.
Wir werden auf Grund unserer Satzung
sorgfältig darauf achten, daß nur tüch-
tige Handwerker in unserer kleinen Ge-
nossenschaft Aufnahme finden. Wir sind ein
Unternehmen, in dem nicht nur Kriegsblinde
arbeiten, sondern das sich auch allein aus
dem Kreise der kriegsblinden Weber den
jeweiligen Vorstand wählt. Als sehender
Mitarbeiter wirkt in unserem Kreis der Vor-
sitzende unseres Aufsichtsrates, Herr Direk-
tor W. W i e g h o r s t , „Mechanische Webe-
rei zu Linden-Hannover", der in der Zeit
unserer Zusammenarbeit nicht nur der fach-
kundige Berater, sondern auch ein wahrer
Freund der kriegsblinden Weber geworden
ist. Die trüben Erfahrungen anderer über-
füllter Blindenberufe werden und müssen uns
davor bewahren, daß unser neuer erfolg-
versprechender Blindenberuf durch übereilte
Umschulung und unzweckmäßige Überfüllung
in ähnliche Gefahren gerät.
Durch die Arbeit in der Gemeinschafts-
werkstatt wird die Produktion eine wesent-
liche Steigerung erfahren und damit die Er-
weiterung unserer Absatzgebiete er-
forderlich machen. Wir haben aus den Krei-
sen unserer Kameraden viele Beweise frei-
williger und vorbildlicher Mitarbeit erhalten,
auf die wir an dieser Stelle mit Dank hin-
weisen möchten. So schreibt uns z. B. der
Kamerad Sehr, aus dem Bezirk Nord-
Hannover: „Jedenfalls meine ich, daß unsere
Bezirke von sich aus ein gut Teil dazu bei-
tragen könnten, indem sie, wie ich es getan
habe, bei ihren Zusammenkünften Eure
Erzeugnisse ausstellen und anbie-
ten. Das würde sicher Euren Absatz wesent-
lich steigern, ohne daß den Bezirken erheb-
liche Mehrarbeit erwächst. Ich stehe seit
jeher auf dem Standpunkt, daß wir, die wir
ja als eine Schicksalsgemeinschaft gelten
wollen und eine solche auch darstellen, einer
dem anderen helfend an die Hand
gehen muß."
Der Kamerad Seh. aus dem Bezirk Geldern
teilt uns mit: „ ... In der hiesigen Kleinstadt
sind verschiedene kunstgewerbliche Hand-
webereien, die kaum existieren können . . .
Wenn ich trotzdem im Verhältnis einen
größeren Betrag umgesetzt habe, so sicher-
lich nur deswegen, weil die Ware nicht nur
gut und ansprechend war, sondern weil ich
diese preislich äußerst günstig an^
bot, und zwar zu Ihren Listenpreisen. Ich
wollte lediglich Ihrer Arbeit dienen und den
Kameraden helfen . . . Sollte ich über kurz
oder lang eine Möglichkeit wittern, die Ihrer
Sache dienen könnte, so werde ich mich
gleich für Sie einsetzen."
Diese und viele andere Beweise schick-
salhafter Verbundenheit unserer Kamera-
den geben uns die Zuversicht einer erfolg-
reichen Zukunft, ähnlich wie die Erfolge, die
wir auf den Ausstellungen in Hannover,
Köln, Bremen usw. erzielen konnten. Wir
sind überzeugt davon, daß in der Zukunft
der große Kreis unserer Schicksalsgemein-
schaft nicht nur in unseren Erholungsheimen,
in den Versammlungen und während der
Gemeinschaftsfeiern ein wirkungsvoller Mit-
helfer beim Absatz unserer Webwaren sein
wird, sondern daß auch jeder einzelne
Kamerad bei der Beschaffung und der
Auswahl von Geschenken an seine
kriegsblinden Weber denken wird. Dies
würde für uns der schönste Erfolg unserer
Arbeit sein.
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Tagung der Deutschen Blindenarbeit
Vom 8. bis 10. Oktober fand eine Länder-
vertreterversammlung der „Deutschen Blin-
denarbeit e.V." zu Königswinter im Adam-
Stegerwald-Haus statt. Zu Beginn wählten
die Delegierten aus allen Bundesländern und
aus Westberlin den bisherigen Verbandsvor-
stand mit Direktor M e u r e r (Witten), unse-
rem Kameraden Karl Wendel (München)
und Direktor Winter (Landesblindenanstalt
Niedersachsen) wieder. Außerdem wurden
Schutz und Förderung des Blindenhandwerks
gefordert. Jeder Mißbrauch müsse streng
bestraft werden. Die Öffentlichkeit soll dar-
über unterrichtet werden, daß wirkliche
Blindenware nur mit dem bekannten ge-
schützten Zeichen versehen ist, und daß die
Verkäufer dieser Ware außerdem im Besitz
eines entsprechenden Ausweises sind.
Auch Vertreter des Bundesinnen-
ministeriums und des Bundeswirt-
schaftsministeriums nahmen an den
Beratungen teil, die das Ziel hatten, in der
Industrie Arbeitsplätze für Blinde zu schaf-
fen und somit das ohnehin übersetzte Blin-
denhandwerk zu entlasten.
Wieder Armbinden
mit Eisernem Kreuz
Unserer Bundesgeschäftsstelle in Bonn
wurde mit einem Schreiben vom 6, Oktober
durch das Bundesarbeitsministerium mitge-
teilt, daß nunmehr wieder gelbe Armbinden
mit Eisernem Kreuz (auf Wunsch auch ohne
Kreuz) und den drei Punkten ausgegeben
werden. Die Beschaffungsstelle für Heil- und
Hilfsmittel in Hannover ist angewiesen wor-
den, beide Ausführungen herstellen zu las-
sen. Kameraden, die eine Armbinde zu er-
halten wünschen, wenden sich an die für
ihren Wohnort zuständige orthopädische Ver-
sorgungsstelle mit der Angabe, ob eine
Armbinde mit oder ohne Kreuz gewünscht
wird. Ansteckplaketten werden nicht mehr
ausgegeben.
Damit hat ein Wunsch vieler Kriegsblinder,
die eine Verkehrsschutzarmbinde mit Eiser-
nem Kreuz tragen möchten, Erfüllung gefun-
den. Verschiedene an die Schriftleitung ge-
richtete Anfragen sind damit erledigt. Noch
ein besonderer Hinweis für einige Kamera-
den in Hessen: soweit Kameraden aus
Hessen über die Schriftleitung Armbinden
bestellt haben, aber bis heute nicht erhalten
haben, müssen sich diese Kameraden nun-
mehr an ihre zuständige orthopädische Ver-
sorgungsstelle wenden. Der Lieferant der
Schriftleitung hat seinen gesamten Vorrat
ausgegeben und kann keine Binden mehr
liefern.
Kleiner Tip zum Thema Armbinde
Unser Kamerad Alexander D i d y k aus
Fischerhude (Bez. Bremen) macht den folgen-
den praktischen Vorschlag, um den immer-
währenden Ärger über den schlechten Sitz
der Armbinde zu beenden: „Wir sind ge-
zwungen", so schreibt er, „unsere Blinden-
armbinde mit Sicherheitsnadeln oder Druck-
knöpfen zu befestigen. Ich kam auf den
Gedanken, dieselbe mit einem eingenähten
Gummiband am oberen Rand zu versehen,
wodurch die Binde am Arm gleichmäßig fest-
gehalten wird. Bei mehreren Kameraden fand
ich damit beträchtlichen Beifall, weil auf
diese Weise die Quälerei mit den Sicher-
heitsnadeln für immer aufhört." Wir können
dem Kameraden Didyk nur bestätigen, daß
das ein wirklich praktischer Vorschlag ist.
Das Gute liegt oft so nah — ohne daß es
entdeckt wird.
Nachruf
Nach längerem und schwerem Kran-
kenlager ist unser Kamerad
Philipp Schotter
am 10. September dieses Jahres im
Alter von 56 Jahren gestorben.
Mit ihm verliert unsere Schicksals-
gemeinschaft und besonders der Be-
zirk Oberbayern, München, einen
lieben und guten Kameraden, der
sowohl als Obmann des Bezirkes
wie als Geschäftsführer der Bayeri-
schen Kriegsblindenarbeitsfürsorge
gem. G. m. b. H. München in jahr-
zehntelanger, ununterbrochener und
unermüdlicher Arbeit sich große
Verdienste um die Kameraden und ihre Angehörigen erworben hat. Mit seinei
Witwe, Frau Luise Schäffer, München 25, Forstenrieder Straße 212/0, trauern
auch wir um den nur allzufrüh Entschlafenen, dessen wir in Dankbarkeit und
Verehrung stets gedenken werden.
Seine Beerdigung fand unter sehr starker Beteiligung der Kameraden des Be-
zirkes Oberbayern und Vertretern der übrigen Bezirke Bayerns sowie von Be-
hörden und Betrieben am 12. September dieses Jahres auf dem Münchenei
Waldfriedhof statt.
wtminiiiiia
L. Birngruber
Landesobmann
W. Draeger
stellv. Bezirksobmann
Hochzeit
von Landesverbandsleiter Eggers
Unser Kamerad Bruno Eggers (Neu-
münster), der Vorsitzende des Landesver-
bandes Schleswig-Holstein, hat sich am 10. 11.
1951 mit Fräulein Traute Sikora ver-
mählt. Wir alle, und naturgemäß die Kame-
raden aus Schleswig-Holstein ganz besonders,
bringen dem jungen Paar von Herzen die
innigsten Glückwünsche entgegen. Kamerad
Eggers, der seit Jahren für seine Kameraden
selbstlos tätig ist, verdient besondere Dank-
barkeit, weil er voll berufstätig ist und
außerdem auch durch weitere schwere Ver-
letzungen (Amputation eines Armes) schwer
behindert ist. Die Schwierigkeit seines Ar-
beitsgebietes in unserer Schicksalsgemein-
schaft geht schon daraus hervor, daß vor
1939 in Schleswig-Holstein nur 58 Kriegs-
blinde lebten. Heute gehören 309 Kameraden
dem Landesverband an. Möge nun der ge-
meinsame Weg mit dem Lebensgefährten
unseren Kameraden Eggers und seine Frau
über alle Hindernisse und Sorgen hinweg zu
glücklichen Zielen führen! Auch der Vor-
stand des Bundes der Kriegsblinden
Deutschlands e. V. bringt dem jungen Paar
frohe und herzliche Wünsche entgegen.
30j ähriges Berufsjubiläum
Ein Fest ganz besonderer Art kann unser
Kamerad Stanislaus Dabrowski aus Su-
lingen i. Hann., Lönsstraße 3, feiern: Am
29. November blickt er auf eine dreißigjäh-
rige Tätigkeit bei der Lloyd-Schuhfabrik in
Sulingen (früher in Bremen) zurück. Kam.
Dabrowski war vor seiner Erblindung Schuh-
macher und blieb seinem Fach mit Fleiß und
steter Zuverlässigkeit treu; ein schönes Bei-
spiel an Lebensenergie und Schicksalsmeiste-
rung. Wir Kameraden sagen unsere besten
Glückwünsche!
Frohe Herbstfahrt ins Nachbarland
Man schrieb den 6. Oktober 1951, als sich
eine stattliche Zahl von Kameraden mit
ihren Frauen der Bezirksgruppe
Karlsruhe zu einem gemeinschaftlichen
Ausflug in die benachbarte Rheinpfalz zu-
sammenfand. Bereits am frühen Morgen
ging's mit einem Sonderwagen des fahrplan-
mäßigen Zuges los. Bald war bei Maxau
der Rhein erreicht, der von leichtem Nebel
überzogen, dahinfloß. Am jenseitigen Ufer
grüßten zögernd die ersten Sonnenstrahlen.
Im Wagen herrschte bereits frohe Laune,
hervorgerufen durch das heitere Akkordeon-
spiel eines Kameraden. Gegen 9 Uhr rollte
der Zug in Neustadt a. d. W. ein, von
hier führte die Fahrt per Omnibus längs der
Weinstraße über Deidesheim, Wachenheim
nach Bad Dürkheim. Golden strahlte
die Sonne über die reichgesegnete Land-
schaft. Soweit das Auge schaute, überall nur
Weinberge. Noch trugen die Reben den
herrlichen Schmuck der Trauben. Die Güte
und den Geist des edlen rheinpfälzischen
Rebensaftes kennenzulernen war im Riesen- j
faß mit 1 700 000 Liter Rauminhalt Gelegen-
heit geboten. In frohen Liedern wurde der
Wein und der Rhein, die Jugendzeit und die
Heimat besungen. Nach zwei Stunden schloß
sich eine kurze Wanderung an. Noch ein
Gang durch die Kuranlagen und schon stan-
den die Omnibusse zur Rückfahrt nach Neu-
stadt bereit. Im freundlichen Saale des Gast-
hauses „Zur Börse" wurde das Mittagessen
eingenommen. Zur Freude der „Muschter-
ländler" erschienen auch einige „Pälzer",
darunter Kamerad Platz (Maikammer), Be-
zirksobmann der Pfalz, sowie Kamerad
Schäfer (Neustadt), Geschäftsführer der Ar-
beitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, Zweig-
stelle Neustadt, dem der besondere Dank für
die tatkräftige Mithilfe bei den Vorbereitun-
gen zu dem Kameradschaftsausflug ausge-
sprochen wurde. Kamerad Platz gab seiner
Freude Ausdruck über den erstmaligen Be-
such von Kameraden aus dem Nachbarlande
Baden. Inzwischen hatte sich ein Musik-
quartett eingestellt. Bei Tanz und Gesang
rückte der Uhrzeiger nur allzu rasch vor-
wärts. Als gegen 19.30 Uhr zum Aufbruch
gemahnt wurde, trennten sich alle nur
ungern von dem Räume, in dem die Göttin
Musika triumphierte. Heiterkeit und Lachen
sprach noch während der Heimfahrt aus
allen Gesichtern. A.R.
Eine „lange Nacht" in Hamburg
Singspiel des Kameraden Burmester
aufgeführt
Nachdem der Landesverband Hamburg am
5. 8. zu seiner traditionellen Dampferfahrt
in See, oder besser gesagt „in Luhe" stach,
fand zur Förderung der Kameradschaft am
29. 9. eine „lange Nacht" statt. Sie wurde
schon um 20 Uhr mit der Aufführung des
Singspiels „Glück in Glückstadt an de
Tarpenbek" Unseres Kameraden Christoph
Burmesters eröffnet. Für Nichthamburger
sei bemerkt, daß die „Tarpenbek" ein Zu-
fluß der Alster" und „Glückstadt" eine kleine
Insel in der Großstadt ist, die heil durch
den Bombenkrieg kam. Die Hamburger Hoch-
bahn stellte mit ihrer Volksbühne und ihrem
Orchester ihre besten Kräfte für die Auf-
führung zur Verfügung.
Mit Beginn der Nacht stellte sich die Tanz-
kapelle des Landesverbandes unter der Lei-
tung unseres Kultusministers Maximilian
Skiba den kritischen Ohren ihrer Kame-
raden. Sie haben die Probe glänzend bestan-
den. Bis zum frühen Morgen wurde dann
bei ausgelassener Stimmung nach den
Rhythmen der Hamburger Hochbahnkapelle
getanzt. Hans Herbert Nissen
Das Kriegsblindentreffen in München
Delegiertenversammlung und öffentliche Kundgebung
Am 29. und 30. Oktober 1951 fand in
München der zweite ordentliche Bundestag
des Bundes erblindeter Versehrter Bayerns
satt Mit echt bajuvarischer Lebhaftigkeit und
Herzlichkeit begrüßten sich die Kameraden
und gaben ihrer Wiedersehensfreude mit
Kamerad Birngruber, Kamerad Dr.
P 1 e i n und dem rheinpfälzischen Kameraden
Platz Ausdruck.
In der Delegiertenversammlung am 29. Ok-
tober 1951 gab der Vorsitzende, Kamerad
Birngruber, einen erschöpfenden Bericht über
die organisatorische Entwicklung des Bundes
seit seiner Gründung im November 1946. Die
umfangreiche, mannigfaltige und größtenteils
sehr erfolgreiche Arbeit auf den beiden Ge-
bieten der Fürsorge und Versorgung rollte
noch einmal vor den aufmerksamen Zuhörern
ab und erregte deren begeisterte Zustimmung.
Der Bund umfaßt alle in Bayern wohn-
haften Kriegsblinden und zählt zur Zeit
1325 ordentliche Mitglieder und
104 Witwen.
Der Bund ist auch der Träger der Bayer.
Kriegsblinden- Arbeitsgemeinschaft
GmbH, welcher über 500 kriegsblinde Hand-
werker angehören. Er hat in dieses Unter-
nehmen sehr beachtliche Gelder investiert,
um so den zahlreichen Handwerkern Arbeit
und Verdienst zu sichern. Die zweite Haupt-
aufgabe des Bundes ist die Betreuung des
"Kriegsblinden-Erholungsheimes Söcking, das
seit 26 Jahren seine überaus segensreiche
Tätigkeit zum Wohle aller deutschen
Kriegsblinden entfaltet.
Den Berichten des Bundesvorsitzenden und
des Kassierers schloß sich eine sehr lebhafte
Aussprache an, die den Umfang und die Stabi-
lität der Organisationsarbeit bestätigte und
deren erfolgreiche fürsorge- und versor-
gungsrechtliche Aufgabe in ihrer ganzen
Breite und Tiefe anerkannte. Es war daher
eine begreifliche aber doch erhebende Selbst-
verständlichkeit, als dem gesamten Bundes-
vorstand mit Worten herzlichen Dankes ein-
mütige Entlastung erteilt und er voller Zu-
versicht wiedergewählt wurde.
Einen breiten Raum nahm die Erörterung
ein, wie künftig das Verhältnis zwischen der
Bundes-Organisation und der Bayerischen
Kriegsblindenarbeitsfürsorge geregelt wer-
den soll.
Die Bestimmungen des Bundesversorgungs-
gesetzes und der bisherige Rentenvollzug
fanden allgemeine Anerkennung. Dem Bun-
desobmannn, Kameraden Dr. Plein, wurde
für seine wirkungsvolle Arbeit bei Gestal-
tung des BVG wiederholt herzlich gedankt.
Dagegen fanden die Delegierten sehr
schar feKritik für die Verzögerung der
Verwaltungsvorschriften zu den
§§ 25—27 des BVG. Die Entrüstung war vor
allem deshalb groß, weil sich, monatelang
zwei Ministerien wegen der Zuständigkeit
stritten und im Anschluß daran eine unver-
ständliche Auseinandersetzung zwischen
Bund und Ländern ütrer die Art der Finanzie-
rung der sozialen Fürsorge einsetzte.
In der öffentlichen Kundgebung
am 30. Oktober sprach Kamerad Rist, Blin-
denoberlehrer an der Landesblindenanstalt
München, über die Notwendigkeit der Um-
schulung und „ihre psychologische Grund-
lage". Ein ganzes Leben ohne Arbeit zubrin-
gen zu sollen, ist dem gesunden Menschen
unfaßbar. Um so mehr ist es erforderlich, ein
durch die Blindheit für die Macht der Finster-
nis anfälliges Leben durch sinnvolle und ziel-
bewußte Arbeit auszufüllen. Daraus erfolgt
der Ruf nach eigenen Berufsausbildungs-
stätten, nach Arbeitsvermittlung und Erho-
lung. Die Kriegsblinden des zweiten Welt-
krieges haben zur Zeit noch die einzigartige
Umschulungsstätte in Tegernsee, in der sie
unter Schicksalsgenossen Gelegenheit haben,
sich die Grundlagen von Allgemein- und
Fachwissen anzueignen.
Darauf sprach Kamerad Dr. Plein über
das Thema: „Der Kriegsblinde in Staat und
Gesellschaft". Das Wort „Krieg" hat das
deutsche Volk zweimal überfallen und in den
Abgrund gestürzt. Es ist als Wunder zu be-
zeichnen, daß das Volk, dem man die Rolle
des Zubodenliegenden zuzuspielen gedachte,
sich nach dem Zusammenbruch wieder in die-
ser Weise erheben konnte. Neben dem Wort
„Krieg" steht aber noch das Wort „Blind";
darum kommt unserer Schicksalsgemeinschaft
für die Zukunft die wichtige Aufgabe des
Mahners vor einem neuen Krieg zu. Wie ver-
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der immerwährenden Nacht steht, weiß Ka-
merad Plein in erschütternder Weise zu schil-
dern. Ausklang dieser Schilderung ist sein
Satz: „Man lernt erst schätzen, was man
verloren hat". Mit Recht und Berechti-
gung trete der Kriegsblinde deshalb seinem
Volke gegenüber, für das er so Vieles und
Großes geopfert habe.
Mit besonders warmen Worten gedachte
der. Bundesobmann der Hingabe und dem
Opfergeist der Frauen und Kameraden.
Nach diesen beiden Hauptrednern wurde
in der anschließenden Aussprache verlangt,
daß die Bayer Hauptfürsorgestelle organisa-
torisch und personell so ausgestattet werde,
wie es die ihr zukommende schwere Aufgabe
erfordert. Vor allem wird ein Geist erwar-
tet, welcher der Kriegsopfer würdig ist.
Herr Ober-Reg.-Rat R ö h r i g , Leiter der
Bayer. Hauptfürsorgestelle München, ver-
sicherte in warmen Worten seine kamerad-
schaftliche Bereitschaft, den Kriegsblinden
zu helfen.
Auch Abgeordneter G ö ttl e r , Vertreter
des bayerischen Landtages, versprach, bei
der Staatsregierung vorstellig zu werden, da-
mit die soziale Kriegsbeschädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürsorge auch in Bay-
ern bald zum Vollzug komme; erforderlichen-
falls werde er auch im Landtag das Notwen-
dige veranlassen.
Die Wünsche und Anliegen der bayeri-
schen Kameraden fanden in einer einstimmig
angenommenen Entsch ließung ihren
Niederschlag. Mehr als 400 Kameraden nah-
men an der großen Kundgebung teil. Ihre be-
geisterte Zustimmung bewies eindrucksvoll,
daß die Schicksalsgemeinschaft es versteht,
alle Saiten der Seele ihrer kriegsblinden
Kameraden anzurühren, wie sie auch die
breite Öffentlichkeit aufzuklären und zu
unterrichten imstande ist darüber, was
„Kriegsblindsein" bedeutet.
Im Vorraum des Tagungssaales war eine
kleine Schau prachtvoller Erzeugnisse der
handwerklichen Kriegsblinden gezeigt, die
bewies, was auch der Lichtlose mit seinem
eisernen Willen zu leisten vermag. Ange-
sichts eines solchen Schauens und Erlebens
ist es geradezu beschämend, daß die Kriegs-
blinden immer wieder um die Gunst und das
Verständnis der Sehenden werben müssen,
zumal sie seit Jahrzehnten und täglich von
neuem beweisen, daß sie kraft ihres eisernen
Willens und ihres großen Verantwortungs-
bewußtseins in der Lage sind, nicht nur sich
gleichwertig neben ihre sehenden Kameraden
zu stellen, sondern ihre Leistungen vielfach
erheblich über den Durchschnitt zu steigern.
Ein gemeinsames Mittagessen sämtlicher
Tagungsteilnehmer mit regem, persönlichem
Gedankenaustausch schloß das große Kriegs-
blindentreffen 1951 in München. J- F •
Deutsche Soldatenfriedhöfe
im Ausland
Völkerhaß über das Grab hinaus?
Niemand kennt die Zahl der deutschen
Soldaten, die während des letzten Krieges
gefallen sind. Das große Schweigen, über
Rußland läßt Hunderttausende von Angehö-
rigen im Ungewissen darüber, ob der Ver-
mißte und Verschollene vielleicht noch lebt,
und der katastrophale Zusammenbruch des
Jahres 1945 hat selbst die Möglichkeit ver-
schüttet, festzustellen, wieviel Soldaten zu
diesen Verschollenen gehören, da im Osten
Deutschlands ganze Familien, ja, ganze Dör-
fer ausgerottet wurden. Um so liebevoller
sei unser Gedenken an die Gefallenen, so-
weit es in der Pflege der Gräber, die wir
kennen, Ausdruck finden kann.
Allein in Westeuropa und Nordafrika lie-
gen etwa 820 000 tote deutsche Soldaten als
Opfer des letzten Krieges. Der „Volksbund
Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V." (jetzt:
Kassel, Ständeplatz 2) hat in einer beispiel-
Aul diesem Ehreniriedhol in Pomezia (Italien) liegen 16 000 deutsche Soldaten
haft unermüdlichen Arbeit bisher 736 000 die-
ser Gräber in seiner Zentralkartei erfassen
und registrieren können. Eine Zahl, die uns
erschauern läßt, wenn wir bedenken, daß
die Zahl der Gräber im Osten weit höher
liegen wird. Die Vereinigten Staaten haben
in all ihren Kriegen seit ihrem Bestehen,
also seit dem Jahre 1776, einschließlich der
letzten Koreaverluste, noch nicht eine Million
Menschen verloren.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfür-
sorge führte im September 1951 seinen zwei-
ten Vertretertag nach dem Kriege durch, bei
dem der Präsident des Volksbundes, Landes-
w-rfi
^^^l^^f49^WS^^^M
Der unwürdige Zustand dieses deutschen Soldatenlriedholes von Champ Bruley ist in Frankreich
leider keineswegs eine Ausnahme. Haben unsere gefallenen Kameraden, die in Treue ihre Pflicht
taten, nicht mehr Achtung verdient? ,Fotos (4): Volksbund Deutsdie Kriegsgräberfürsorge.
hauptmann i. R. Dr. h. c. Hagemann und der
Generalsekretär Otto Margraf sehr inter*
essannte und in vieler Hinsicht erschütternde
Mitteilungen machten. Aus dem Rechenschafts-
bericht des Generalsekretärs läßt sich erken-
nen, was für die Gräber unserer Kameraden,
mit denen wir einst alle Gemeinsamkeiten
von Dreck und Gefahr des Landserlebens
brüderlich geteilt haben, heute geschieht und
was das deutsche Volk angesichts so unend-
licher Gräberfelder tut. Im Ausland beste-
hen durchweg staatliche Gräberdienste, in
Deutschland erfüllt diese Aufgabe der Volks-
bund als eine Organisation der Selbsthilfe,
dem außer 480 000 Einzelmitgliedern noch
viele korporative Mitglieder (z. B. Schulen
und Gemeinden) angehören. Täglich gehen
beim Volksbund Hunderte von Schreibenein,
mit denen um Auskunft über registrierte
Gräber gebeten wird. In steigendem Maße
wurden für die trauernden Angehörigen
Kriegsgräberfahrten ins Ausland eingerich-
tet, wie überhaupt die Auslandsarbeit des*
Volksbundes im Vordergrund der Bemühun-
gen steht.
Vor allem bemüht sich der Volksbund um
würdige Ehrenstätten im Ausland, auf denen
durch Umbettungen Tausende von Einzelgrä-
bern und gefährdeten kleinen Friedhofs- i
anlagen zusammengefaßt werden, naturge-
maß auch im Gebiet der Bundesrepublik.
Wie steht es nun mit den Kriegerfried-
höfen im Ausland? Nennen wir zunächst das
Erfreuliche: In 1 1 a 1 i e n z. B. wird ein Staats-
vertrag über die deutsch-italienische Kriegs-
gräberfürsorge vorbereitet. Italien hat sich
wie kein anderes Land der deutschen Kriegs- '
gräber angenommen. Diese gute Zusammen-
arbeit hat gerade in diesen Tagen auch eine
Expedition ermöglicht, die inNordafrika
(Libyen) alle deutschen Soldatengräber er-
fassen und durch Umbettungen auf große
Ehrenstätten sichern wird. Freundlicherweise
stellte die Familie des Generalfeldmarschalls
10
sRommel dessen noch vollständig vorhandene
Unterlagen zur Auswertung zur Verfügung.
Auch in Ägypten gelang es in Zusammen-
arbeit mit italienischen und britischen Beauf-
tragten, die deutschen Gräber festzustellen
und größtenteils auf drei großen Ehrenstätten
zusammenzubetten.
Erfreulich hat sich auch die Zusammen-
arbeit mit der Regierung Luxemburgs
entwickelt. Die Regierung trägt einen gro-
ßen Anteil der Kosten für die Errichtung
eines Sammelfriedhofes in Hamm. Ahnliche
Vereinbarungen hofft man mit Dänemark
schließen zu können. Selbst mit den öst-
lichen Ländern hat man — mit Aus-
nahme von Rußland — eine lockere Verbin-
dung. So konnte der Volksbund z. B. 23 500
Soldatengräber aus der Tschechoslowakei in
' seine Kartei aufnehmen und 6700 aus Ungarn.
Eine günstige Zusammenarbeit scheint sich
in letzter Zeit auch mit Jugoslawien anzu-
bahnen. Aus vielen europäischen Ländern
wäre durchaus Gutes zu berichten, m i t
Ausnahme eineseinzigenLandes
nämlich Frankreich.
Gern sei festgestellt, daß es, wie überall,
auch in Frankreich viele Menschen gibt, die
der Erhaltung und Pflege deutscher Gräber
ihre Aufmerksamkeit schenken. Die Ver-
wahrlosung der deutschen Grä-
ber in Frankreich ist erschütternd.
Alle Bemühungen, mit den offiziellen Stellen
in Frankreich zu einer Zusammenarbeit zu
kommen, sind bisher ergebnislos gewesen.
Nur durch die Hilfe der Kriegsgefangenen
und des Internationalen Roten Kreuzes ist
es gelungen, über 180 000 Gräber in. Frank-
reich wenigstens karteimäßig zu erfassen.
Der Generalsekretär des Volksbundes äußerte
dazu:
„Der Zustand der deutschen Gräberstätten
in Frankreich ist mehr als unwürdig. Nur'
mit tiefer Erschütterung kehrt jeder heim,
der einmal deutsche Friedhöfe in Frankreich
besucht hat. Alle Bemühungen um den Zu-
sammenschluß der europäischen Völker sind
sinnlos, wenn nicht auch diese Frage, die
primitivste der Humanität und der gegen-
seitigen Ächtung, gelöst wird." Der Bundes-
regierung sei es bisher nicht gelungen, mit
der französischen Regierung in Verhandlun-
gen darüber weiterzukommen. Der Volks-
bund richtete jetzt erneut einen sehr ener-
gischen Appell insbesondere an den Bundes-
kanzler, endlich geeignete Schritte bei der
französischen Regierung zu unternehmen.
Der Vertretertag des Volksbundes Deutscher
Kriegsgräberfürsorge faßte eine entspre-
chende Entschließung, mit der die Bundes-
regierung gebeten wird, sich für den Ab-
schluß zwischenstaatlicher Verträge einzu-
setzen.
Gerade wir Kriegsblinden, die wir ange-
sichts der ungeheuren Totenfelder und an-
Verwahrlosler deutscher Kriegerlriedhof in St. Claude (Frankreich). Eine Aufnahme aus dem
Sommer 1951. Frankreich ist das einzige westeuropäische Land, mit dem bisher keinerlei Überein-
kommen über die Pflege deutscher Soldatenfriedhöfe zu heilen oder auch nur einzuleiten war.
gesichts des eigenen Leids die Welt immer
wieder zu Frieden und Versöhnung
aufrufen, wollen auch mit diesem Hinweis
auf die vernachlässigten Soldatengräber in
Frankreich nicht neuen Haß schü-
ren, sondern wollen nur unserer Sorge dar-
über Ausdruck geben, daß an Versöhnung
und innerem Friedensschluß in der Welt
noch nicht genug geschehen ist. Wir wollen
auch bekennen, daß wir der Einstellung der
Franzosen, die viel schlechte Erfahrungen
mit uns Deutschen gemacht haben, nicht ganz
verständnislos gegenüberstehen dürfen. Aber
unser Ruf soll über die Grenze gehen: W i r
kennen keinen Haß gegen euch,
und so laßt auch ihr ab von Haß und Miß-
trauen! Der deutsche Landser und der fran-
zösische Poilu, die französische und die
deutsche Kriegerwitwe, sie unterscheiden sich
in Tod und Trauer durch nichts mehr von-
einander. Wäre nicht gerade die gemeinsame
Ehrung der Toten eine Brücke des Verstehens?
Unser neues Jahrbuch
.Hier ruhen fast 3000 Kämpler des deutschen
Alrika-Korps. Sie starben für Deutschland" — so
heißt es auf der Inschrift dieses Soldatenfriedhofes
der Höhe 33 (Tell-el-Eissa). Dieser Friedhof hat
eine deutsche und eine italienische Abteilung,
,,Das Buch hat wieder das Niveau, das wir
schon zum letzten Jahrbuch so oft loben
hörten", so schrieb uns jetzt ein in der Um-
schulung Kriegsblinder erfahrener Fachmann,
als er unser neues Kriegsblinden-Jahrbuch
erhalten hatte. Und ein Kriegsblinder aus
Braunschweig schreibt: „Das Jahrbuch 1952
ist wirklich eine prachtvolle Ausgabe, vor
allem weil es in gesteigertem Maße einen
Einblick in die Schaffensfreude der Kriegs-
blinden gibt. Sie können sich vorstellen, daß
ich mir das Buch genau schildern und vor-
lesen ließ, und ich muß Ihnen vielmals
gratulieren. Wahrhaft ein Buch der Ver-
ständigung!"
So und ähnlich lauten die ersten Urteile
über das eben erschienene Kriegsblinden-
Jahrbuch 1952. Äußerlich unterscheidet es
sich in Aussehen und Umfang kaum vom vor-
jährigen Jahrbuch, und auch inhaltlich wird
in der kultivierten, graphischen • und text-
lichen Gestaltung eine gewisse Tradition
angestrebt. Dennoch aber hat dieses Jahr-
buch gegenüber dem vorjährigen Jahrbuch
einen eigenen Charakter: jeder einzelne der
vielen Beiträge hat irgendeine Beziehung zu
der Schicksalsgemeinschaft der Kriegsblinden,
ob nun in fachlich interessanten Schilderun-
gen vom Schicksals- und Berufsweg der
Kriegsblinden die Rede ist, oder ob kriegs-
blinde Schriftsteller ernste und heitere Ge-
schichten erzählen. Selbst Beiträge allgemein
bildender Art — etwa über den Bildhauer
Barlach — sind mit der Erblindung in Zu-
sammenhang gebracht.
Dennoch ist das Buch alles andere als ein-
seitig oder langweilig. Ein paar Beispiele:
Haben Sie schon gewußt, daß man vor
150 Jahren für die Blinden gestickte
Landkarten zum Abtasten herstellte?
Oder daß das Wort Brille vom „Beryll"
Jlerstammt? Oder daß es einen kriegsblinden
Maßschneider gibt? Oder daß Woellke
seinen Olympiasieg nicht zuletzt einem
kriegsblinden Masseur verdankt? Oder daß
ein kriegsblindes Sprachgenie im In-
formationsamt der Bundesregierung arbeitet?
Sind das nicht interessante Themen? Und
dabei hat das Jahrbuch noch mehr Bilder als
im Vorjahr, nämlich insgesamt 138, die fast
alle für dieses Jahrbuch erst in Auftrag ge-
geben und hergestellt wurden. Das Buch' ist
ja für die sehende Öffentlichkeit bestimmt,
und da besagt ein Bild oft zehnmal mehr als.
der geschickteste Text. Da sieht man etwa
einen kriegsblinden Studenten im Kolleg und
beim Diskuswurf, einen anderen Kameraden
bei einer Bergwanderung oder in der Fabrik,
da sieht man, wie dem kriegsblinden Ohn-
händer die Kaffeetasse an den Mund geführt
wird oder wie einem taubblinden Kameraden
auf dem Spaziergang die Landschaft
erklärt wird.
Vor allem gibt das Jahrbuch auch unseren
sehenden Freunden, zumal in Behörden,
wieder viel fachkundliches Material
an die Hand, ob nun über Berufsfürsorge oder
über unsere Erholungsheime berichtet wird,
ob Professor Dr. Kohlrausch sich für. die Mög-
lichkeiten des erblindeten Masseurs einsetzt
oder ob der Präsident des deutschen Zeitungs-
verlegerverbandes für die kriegsblinden
Telefonisten eintritt, — immer wieder bietet
sich dem Leser ein reiches und anregendes
Material.
Das Buch, dessen Aufgabe es ist, in der
Öffentlichkeit um Verständnis für uns zu
werben, kann jeder Kriegsblinde über den
Vorstand seines Bezirkes erhalten. Es ist wie
im Vorjahre im Selbstverlag des Bundes der
Kriegsblinden Deutschlands in Wiesbaden
erschienen. Für die Gesamtgestaltung zeichnet
der Schriftleiter unserer Zeitschrift, Friedrich
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DAS GUTE MANNHEIMER BIER
12
<L^\icwtc JxCUsUfKCtlcfl,
Wir berichteten bereits über die amerika-
nische Entwicklung unzerbrechlicher
Augenprothesen im Februarheft unse-
rer Zeitschrift. Nun ist es auch dem Augen-
arzt Dr. Illig und dem Salzburger Primararzt
Dr. Rotter gelungen, unzerbrechliche Augen-
prothesen aus Kunstharz zu entwickeln. Ihre
fabrikmäßige Herstellung soll bereits auf-
genommen worden sein. Wir hoffen, in Kürze
Einzelheiten über diese Erfindung berichten
zu! können. *
[ Auf eine Interpellation der SPD und zu
einem Antrag der KPD, beide zum Thema
Blindenpflegegeldgesetz, wurde
im Bundestag seitens des Bundesinnenmini-
steriums mitgeteilt, daß die Bundesregierung
in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen will,
der der besonderen Lage der Zivilblinden
Rechnung trage. Nach diesem Gesetzentwurf
soll es künftig keine Rolle mehr spielen, ob
der Zivilblinde unterhaltspflichtige Ange-
hörige hat, doch soll es sich wie bisher um
eine fürsorgemäßige Versorgung han-
deln. Ohne kleinliche Prüfung der Einzelver-
hältnisse soll ein erheblicher Mehrbetrag
über den allgemeinen Richtsatz des Pflege-
geldes hinaus gewährt werden. Aus verfas-
sungsrechtlichen Gründen könne es sich
dabei aber nicht um eine Rente, sondern nur
um eine Unterstützung handeln.
Damit sind die Zivilblinden in ihren Be-
strebungen einen erheblichen Schritt voran-
gekommen, was auch wir mit Befriedigung
anerkennen wollen. Allerdings hat sich die
Bundesregierung nicht den Forderungen des
Deutschen Blindenverbandes auf einen ren-
tenmäßigen Rechtsanspruch angeschlossen
und hat damit die bekannte Parole „blind
gleich blind" abgelehnt.
*
Die Genossenschaft für das Blinden-
handwerk Mecklenburg (Ostzone)
hat mit Versuchen, beim Bürsteneinziehen
Perlondraht statt Metalldraht
zu verwenden, gute Erfahrungen gemacht.
Es wird auf diese Weise nicht nur einem
gerade in der Ostzone spürbaren Engpaß in
Metalldrähten begegnet, sondern es werden
auch verschiedene Vorteile hinsichtlich einer
besonders sauberen Fertigung erreicht. Nach
einem Bericht der Zeitschrift „Die Gegen-
wart" (Leipzig) haben die blinden Werk-
stattarbeiter dem Perlondraht den Vorzug
gegeben, obwohl zu seiner Anwendung eine
Sattler- oder Tapezierernadel verwendet
wird, die in der vorderen Hälfte etwas ge-
krümmt ist. Das Arbeiten mit Nadel soll so
rationell vonstatten gehen, daß Leistungs-
steigerungen zu verzeichnen seien. Der
Perlondraht (oder Leska-Draht) eigne sich
füjr Grobware ebenso wie für die verschie-
densten Feinwaren und werde in einer Draht-
starke von 0,4 bis 0,9 mm geliefert. Die ein-
zige Schwierigkeit liege in dem hohen Preis,
d£r etwa das doppelte des Preises für
Metalldraht beträgt.
*
Unsere Sportler wird interessieren, daß
eine wenig geübte, aber für Blinde sehr
glückliche Sportart die Schwerathletik
ist und daß ein Blinder, nämlich Willi
Schwarz aus Halberstadt, im Gewichtheben
diesjähriger Landesmeister von Sachsen-
Anhalt wurde. *
t Anläßlich des bevorstehenden 100. Todes-
tages von Louis Braille, dem Schöp-
fer der Punktschrift, der am 6. Januar 1852
starb, sind in aller Welt vielerlei Gedenk-
feiern vorgesehen. In der Ostzone sollen
durch die zuständigen Blindenausschüsse so-
gar in allen Stadt- und Landkreisen Gedenk-
feiern stattfinden. Allerdings fallen deshalb
die sonst üblichen Weihnachtsfeiern für
Blinde, vor* allem in den Landkreisen, weg.
Die amerikanische Militärregierung für
Berlin hat die weltberühmte taubblinde
Schriftstellerin Helen Keller zu einem
Besuch Westberlins eingeladen. He-
len Keller, die erst kürzlich von einer Reise
nach Südafrika zurückgekehrt ist, hat die
Einladung angenommen. Allerdings steht ein
genauer Termin ihres Besuches noch nicht
fest. Nach einer Mitteilung der Berliner Zei-
tung „Der Tag" ist im Zusammenhang damit
geplant, daß Westberliner Blinde Ame-
rika besuchen, um dort mit den neue-
sten Einrichtungen für Blinde vertraut ge-
macht zu werden.
Die Hauptgemeinschaft des deutschen Ein-
zel h a n de 1 s hat dankenswerterweise ihre
Mitglieder gebeten, ihr von Beobachtungen
Kenntnis zu geben, mit denen man der
Schmutzkonkurrenz der Blinden-
arbeit auf die Spur kommen kann. Die
Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhan-
dels will gegen alle Mißbräuche einschreiten,
mit denen unter dem Deckmantel der Ver-
sehrten-Werke oder der Blindenarbeit indu-
striell hergestellte Erzeugnisse vertrieben
werden, wobei es sich vielfach um Haushalts-
artikel von Schuhkreme bis zum Briefpapier
handele. *
Am 4. Oktober, dem Namenstag des
Schutzpatrons aller Tiere, des heiligen Fran-
ziskus von Assisi, wurde in der ganzen Welt
der „T ag des Tieres" gefeiert und eine
Welttierschutzwoche durchgeführt. In man-
cherlei Veranstaltungen und Veröffentlichun-
gen gedachte man dabei auch vielfach des
Blindenführhundes.
*
Ein Blindenführhund in Rott
(Bayern), dessen Herr vor einigen Monaten
starb, besucht fast täglich das Grab auf dem
Friedhof. Als nun ein Gärtner einen Strauch
vom Grab entfernen wollte, fiel der Hund den
Mann an, der sich nur mit Mühe des An-
griffs erwehren konnte,
*
Der Allgemeine Blindenverein Berlin führte
zum ersten Male nach dem Kriege eine inter-
essante Leistungsprüfung für Blin-
denführhunde durch. 26 Hunde nahmen
an dem Examen im Straßenverkehr teil. 23
Aufgaben waren für jeden Hund zu lösen.
Nur vier Hunde bestanden die Prüfung nicht.
Der beste Hund gewann seinem Herrn eine
Blindentaschenuhr.
*
König Faruk von Ägypten ist ein Lieb-
haber Deutscher Schäferhunde. Um den
König über den Stand von Zucht und Dressur
in Deutschland unterrichten zu können, nahm
der Ägypter Cavazzi in Ulm an der
Siegerprüfung für Deutsche Schäferhunde
teil und ließ sich dabei vom Leiter der Führ-
hundschule Oftersheim auch einen Führhund
bei der Arbeit zeigen. Die prachtvollen Lei-
stungen dieses Hundes setzten den Ägypter
in größtes Erstaunen. Solche Dressurleistun-
gen seien in Ägypten völlig unbekannt.
*
Die älteste Blindenanstalt Deutschlands,
die Blindenanstalt Berlin-Steg-
litz, konnte am 13. Oktober auf 145 Jahre
ihres Bestehens zurückblicken. 1806 begann
im Auftrage des preußischen Königs dort
Prof. Dr. August Zeune sein Werk. Im Laufe
der Jahrzehnte brauchte man immer größere
Gebäude, bis man 1877 in Steglitz einzog,
wo 1890 auch das Blindenmuseum eröffnet
wurde, das zur 100- Jahr-Feier ein eigenes
Gebäude mit einer umfangreichen Blinden-
bücherei und einer Blindendruckerei erhielt.
Neben vielen anderen Kriegsschäden ist
auch die Zerstörung des Museums zu be-
klagen.
Die Landesblindenanstalt in
München, die von König Ludwig I. er-
richtet wurde und gegenwärtig 130 Schüler
unterrichtet, feierte am 23. Oktober das Fest
des 125jährigen Bestehens.
*
Beim zweiten ordentlichen Bundestag des
„R e i c h s b u n d e s" in Hamburg hatte die
Wahl des Bundesvorstandes folgendes Er-
gebnis: Bundesvorsitzender wurde Paul Neu-
mann (Hamburg) , 2. Vorsitzender Hugo Rasch
(Essen). Die Fachgruppe für Hirnverletzte
leitet Heinrich Scholz (Neumünster), die Fach-
gruppe für Blinde H.Wessel (Northeim/Hann.).
(Naturgemäß eine Fachgruppe für Zivilblinde).
In einer Erklärung vom 25. Oktober nahm
der Reichsbund zu den Soldatenbün-
den Stellung: Nichts sei gegen solche Bünde
einzuwenden, soweit sie aus einer Traditions-
gebundenheit zur Pflege der Kameradschaft
dienen sollen, jedoch seien entschieden Ein-
wendungen gegen jede sozialpolitische Be-
tätigung der Soldatenbünde, speziell hin-
sichtlich der Kriegsopferversorgung, zu erhe-
ben. Der Reichsbund könne die Soldatenbünde
„nicht als zu einer sozialpolitischen Inter-
essenvertretung berufene Organisationen
anerkennen". *
Ebenfalls gegen die Soldatenbünde hat sich
auch der V d K auf seinem ersten ordent-
lichen Verbandstag in Trier ge-
wandt. Im Laufe der Tagung wurden der
Präsident des VdK, Hans Nitsche (Kassel),
und der Vizepräsident, Oberlandesgerichtsrat
Dr. Richard Zöller (München) auf 3 Jahre
wiedergewählt. Bundesarbeitsminister Anton
Storch erklärte in Trier, daß von dem ge-
samten Einnahme-Etat des Bundes in Höhe
von etwa 20 Milliarden DM nicht weniger
als 7,6 Milliarden für soziale Zwecke aus-
gegeben werden. Ein solch großer Anteil sei
in keinem Haushalt, auch nicht im Ausland,
zu finden. Seitens des VdK wird dagegen
darauf hingewiesen, daß bereits ein erheb-
liches Mißverhältnis zwischen der allgemei-
nen Teuerung und den Rentensätzen besteht.
Der VdK vertritt 1,27 Millionen Kriegsopfer.
*
In Berlin wurde der aus der Zeit nach
dem 1. Weltkrieg bekannte Wohlfahrtsbund
für Kriegsopfer „K y f f h ä u s e r" wieder-
gegründet und lizenziert. Er will, wie es in
seinem Programm heißt, die Teilnehmer bei-
der Weltkriege „auf kameradschaftlicher
Giundlage abseits der Tagespolitik zu einer
gemeinsamen Wohlfahrtspflege zusammen-
schließen". Der Kyffhäuser-Bund, der 1943
aufgelöst worden war, hatte zuletzt 3,5 Mil-
lionen Mitglieder und brachte jährlich rund
eine Million Mark für notleidende Veteranen
auf. Er unterhielt 5 Waisen- und 19 Er-
Neuerscheinungen in Marburg
Abreißkalender in Blindendruck . . .
Der Verlag der Blindenstudienanstalt Mar-
burg bringt für das kommende Jahr einen
Abreißkalender in Blindendruck heraus. Er
wird aus ca. 93 Blatt (Größe 24X18 cm) be-
stehen und wird außer den üblichen kalen-
darischen Angaben einen Tagesspruch auf
der Rückseite eines jeden Blattes bringen.
Preis ca. 3 bis 4 DM, je nach der Höhe der
Auflage.
. . . und Zeitschrift für Masseure
Die Blindenstudienanstalt, die übrigens seit
Januar d. J. eine besonders für unsere Steno-
typisten interessante Zeitschrift herausbringt:
„Der blinde Kaufmann und Büroangestellte",
plant nunmehr eine Zeitschrift für den blin-
den Masseur. Das Blatt soll ca. 24 Seiten
umfassen und zweimonatlich erscheinen. Jah-
resbezugspreis ca. 4 bis 5 DM, je nach Höhe
der Auflage.
Anfragen oder Bestellungen sind an den
Verlag der Blindenstudienanstalt Marburg zu
richten.
13
holungsheime. Das Vermögen des Bundes,
das noch unter britischer Treuhänderschaft
steht, umfaßt rund 30 Millionen DM.
*
Bei der Tagung des Bezirks Rhein-Ruhr
des Westdeutschen Stenografenverbandes
nahmen 600 Stenografen an einem Leistungs-
schreiben teil. 59 der Teilnehmer erreichten
eine Geschwindigkeit von 200 Silben in der
Minute, darunter unser Kamerad Paul P e u -
ser (Essen), der mit einer Geschwindigkeit
von 2 4 0 Silben die beste Blindenleistung
erzielte. Hervorragend war ebenfalls wie-
derum die Leistung des einarmigen Kriegs-
blinden Gerhard Rabe mit 200 Silben und
261 Maschinenanschlägen.
*
Anläßlich verschiedener Ausstellungen
während der Gartenschau in Fürth hatte
eine Koje besonderen Erfolg, in der vom
Bayerischen Roten Kreuz die Erzeugnisse der
Blindenwebschule Ismaning ge-
zeigt wurden. Insgesamt sind über 500 Stück
der handgewebten Blindenware verkauft
worden.
*
Für die englischen Unterhaus-
wahlen wurde vom Blindeninstitut in
London eine Broschüre in Punktschrift heraus-
gegeben, die auf 30 Seiten die Programme
der drei großen englischen Parteien wieder-
gibt, um so jedem wahlberechtigten Blinden
die Möglichkeit zu geben, sich eine eigene.
Meinung zu bilden.
PERSÖNLICHES
Unser Kamerad Leo Hoffmann aus
E s b e c k , Kreis Alfeld (Leine), und Fräulein
Irma Buckendahl haben sich am 20. Oktober
vermählt. Viel Glück und Segen für den
gemeinsamen Lebensweg!
*
Unser Kamerad Valentin Ple h n und
seine Frau Annnemarie, geb. Grothe, aus
Buchen, Kreis Herzt. Lauenburg, Möllner-
straße, haben zu ihren beiden Jungen Karl-
Heinz und Erwin ein Töchterchen Helga
bekommen. Wir wünschen von Herzen
alles Gute.
Der Bezirk Gelder n-Kleve-Moers
gratuliert zwei Kameradenfamilien zu der
Geburt je eines Mädchens:
Peter T ü h 1 und Frau Gertrud konnten
am 15. September ihre Tochter Anneliese be-
grüßen.
Wilhelm Zierwes und Frau Sibilla
bekamen am 2. Oktober ihre Tochter Eveline
Marlies
Beiden Familien einen herzlichen Glück-
wunsch!
Die Bezirksstelle Pfalz teilt mit, daß
unser Kamerad Franz Schmitgen in
Frankenthal und seine Frau Ellen, geb.
Schneider, am 13. September durch die Ge-
burt ihres zweiten Sohnes erfreut wurden.
Günther soll er heißen. Wir wünschen von
Herzen viel Glück!
1-Wi mutete SdnadnpwuMidue,
Zweimal Aljechin- Verteidigung
Partie aus dem Schachturnier für Blinde 1951
in Stukenbrock
Weiß: H. Unverdroß (Berlin)
Schwarz: W. Eisele (Sandbach)
1. e4 Sf6 (soll die w. Bauern herauslocken).
2 e5 Sd5. 3. d4 d6. 4. f4 Sc6? (ein übler Zug,
wie sich zeigen wird. 4. — c5 bzw. g6 nebst
Lg7 ist am Platze). 5. c4 Sb6. 6. d5 Sb8.
7. Sc3 (Sf3 ist folgerichtiger). 7. — d:e5? (ver-
früht! Stärkt das gegnerische Zentrum und
läßt für den Weißen die Öffnung der f-Linie
zu. 7. — c6 oder e6 war vorzuziehen). 8. f:e5
Lf5. 9. Sf3 e6. 10. Lg5 Le7? (hier ist f6 die
beste Medizin). 11. L:e7 D:e7. 12. d6 c:d6?
(soll mans glauben? Jetzt verhilft Schwarz
dem Weißen noch zu einem starken Frei-
bauern!). 13. e:d6 Dd7? (dieses Feld muß für
den Sb6 freibleiben). 14. c5 Sc8 (hier steht
der Springer für Weiß ausgezeichnet).
15. Se5! Dd8. 16. Lb5+ Kf8. 17. 0—0 a6
(Schwarz hat kaum noch einen guten Zug).
18. Dh4 Lg6?? (der letzte von vielen Fehlern).
19. S:g6+, und Schwarz gab auf.
Wie gut, daß Dr. Aljechin nicht erfährt,
was Schwarz hier aus seiner durchaus nicht
zu unterschätzenden Verteidigung gemacht
hat. Man möchte sagen: Schwarz spielte die
Selbstmordvariante zur AI j echin-Verteidigung
und ging mit Pauken und Trompeten unter.
Partie aus dem Eisenbahner -Schachtelten 1951
in Hiddesen
Weiß: G. Mertens (Köln)
Schwarz: H. Wüst (Duisburg)
1. e4 Sf6. 2. e5 Sd5. 3. d4 c5 (d6 ist am
solidesten). 4. c4 Sc7. 5. d:c5 e6. 6. Le3 Sca6.
7. Dg4 S:c5. 8 Sc3 Db6? (Fragezeichen mit
Rücksicht auf Le3). 9. Tbl a5 (es drohte
10. b4! mit Figurengewinn). 10. Sf3 Sc6.
11. Le2 Se7. 12. 0—0 Sg6. 13. Tfdl Dd8.
14. Sb5 b6. 15. Dd4 Le7. 16. Sd6+ Kf8.
17. Dd2 h6. 18. L:c5 b:c5. 19. S:c8 D:c8.
20. D:d7 Db8. 21. Dc6 Ta7. 22. Td7 Td7;
23. D:d7 Sf4. 24. Ld3 S:d3. 25. D:d3 g5.
26. De4 g4? (Schwarz befand sich bereits in
Zeitnot). 27. D:g4 Tg8. 28. De4 h5. 29. h3 Tg7.
30. b3 Kg3. 31. Tdl De8. 32. Dd3 Kh8. 33. Dd7
Da8. 34. Dd3 (statt dessen hätte Weiß sich
den Gewinnweg erleichtern können durch
34. D:e7 D:f3. 35. Dd8+ Kh7. 36. Dd3+ usw.)!
34. — Dg8. 35. Sei f5. 36. De2 Tg5. 37. f4 Tg7.
38. D:h5+ Th7. 39. Df3 Lh4. 40. De3 Tg7.
41. De2 Dh7. 42. Sf3 Dh5. 43. Kfl Le7. 44. Td7
De8. 45. Dd2 Da8. 46. Sg5 Dc6. 47. Del Kg8.
48. Td3 T:g5?, und Schwarz gab sofort auf;
die Partie war aber auch ohne diesen in Zeit-
not gemachten Fehler nicht mehr lange zu
halten. G. M.
Lösungen zu den Aufgaben im Oktoberheit
A u f g a b e 1 : Weiß rochiert und hat zwei
Mattdrohungen (T:f8 ++ oder Sc7++);
Schwarz kann nur einer begegnen.
Auf gäbe 2: 1. Kf8 K:h8. 2. Th6+ + .
Gabriel Mertens
Unsere Zeitschrift im Lautsprecher?
In der letzen Ausgabe des „Kriegsblinden"
hat mich der Artikel über das „Filmophon"
besonders angesprochen. Wenn wir eine
wirklich freie Wirtschaft haben, müßte man
doch annehmen, daß dieses Gerät sich allein
auf Grund seiner Preiswürdigkeit durchsetzen
müßte. Außerdem könnte der Unternehmer,
der diese Sache anfaßt, doch von vornherein
mit einer gewissen Absatzsicherung durch
die Blinden rechnen. Das Entscheidende aber
scheint mir zu sein, daß die Ozaphan-Bänder
so außerordentlich billig herzustellen sind,
daß die Anlegung einer tönenden Bibliothek
wirtschaftlich möglich ist. Einer der besten
Gedanken scheint mir zu sein, daß man un-
sere Bundeszeitschrift auf Ozaphanband ver-
vielfältigen könnte. Da für die Aufnahme
nicht viel mehr als die reinen Materialkosten
anfielen, bestünden ja wirtschaftlich kaum
Schwierigkeiten. Für uns wäre es ein'kolos-
saler Gewinn, diese und vielleicht auch an-
dere Zeitschriften zu beliebiger Zeit und
auch wiederholt abspielen zu können. Wenn
unsere Organisation etwas tun könnte, um
diesen Plan zu verwirklichen, so- wäre- von
den deutschen Kriegsblinden ein Beitrag zur
Blindenbildung geleistet worden, der sich
buchstäblich hören lassen könnte.
Der Schwarzdruck des „Kriegsblinden"
würde daneben keine Einbuße erfahren, weil
er sich ja weiterhin an den sehenden Leser-
kreis wenden würde und weil er unsere
Gedanken vor allem auch an die Ferner-
stehenden vermitteln soll. Kann der Bund
denn nicht auf die Entwicklung in diesem
Sinne einwirken? Auf jeden Fall müßte nun
endlich die Wahl getroffen werden, ob nun
Magnetophon- oder Filmophonprinzip für uns
angewendet werden soll. Wir warten mit
Ungeduld. Dr. Fischer (Clausthal)
Bedenken gegen Spezialbesteck ~^|
In der August-Ausgabe unseres Organs
fand ich einen Aufsatz eines Hamburger
Kameraden, der sein von ihm erdachtes Eß-
besteck schilderte und eine Serienherstel-
lung vorschlug. Erlauben Sie mir, daß ich
hierzu einige kritische Bemerkungen mache.
Es ist erfreulich, wenn wir uns um die Ver-
besserung der kleinen Alltagssorgen bemü-
hen, aber dieses Bestreben kann, Wie im
angeführten Falle, mehr zur negativen Seite
führen als zur nützlichen. Ich will dem Ham-
burger Kameraden keinen Stoß versetzen,
aber mich hat sein Aufsatz sehr- nachdenklich
gemacht. Zugegeben, das Essen mit einem
Normalbesteck bereitet uns manchmal Schwie-
rigkeiten, die aber doch nicht so groß sind,
uns hilflos zu machen oder stark zu behin-
dern. Geduld und Übung führen auch hier
zum erstaunlichen Erfolg. Ich will damit
sagen, daß uns so ein Spezialbesteck nur
noch unselbständiger und vor alleä
Dingen abhängig macht. Wir schaffen uns
damit selbst den Eindruck der Hilflosigkeit,
was in diesem Falle nicht notwendig ist.
Essen wir z. B. im Hotel oder sind wir zu
Gast, dann werden wir unliebsam auffallen
mit unserem Besteck und Mitleid hervorrufen.
Wollen wir dann aber, um diesem auszu-
weichen, wieder mit dem Normalbesteck
essen, so wird uns das erst recht nicht mehr
gelingen, und wir haben uns selbst einen
Grund mehr zu Ärger und Minderwertig-
keitskomplexen geschaffen. Davon soll na-
türlich jeder halten, was er will. Ich denke
jedenfalls so darüber und möchte vor psycho-
logischer Selbstverwöhnung warnen
._.-..; Franz Feistner (Moers)
14
rCrieasblinder rC
iki
• Unser Kamerad Konrad Kotz aus
Landshut, einer der wenigen kriegsblin-
den Kunsttöpfer, schildert uns seinen Weg
wie folgt:
Als ich am 7. 2. 1943, östlich von Charkow,
als Zugführer einer Aufklärungsabteilung
durch Geschoß- und Steinsplitter mein Augen-
licht verlor und gleichzeitig einen rechten
Handdurchschuß erhielt, glaubte ich, die
Welt müsse mich in meiner Dunkelheit er-
drücken. In einem Lazarett in Krakau mußte
mir das rechte Auge entfernt werden. Eine
Operation des linken Auges verlief erfolg-
los und mein verbliebener Schein schwand,
bis er ganz verlosch. Zur weiteren Aushei-
lung wurde ich nach Wien verlegt. Die Ge-
staltung meiner Zukunft drückte immer
schwerer auf meiner Seele.
Mein Genesungsurlaub in meiner Heimat
brachte mir die Wendung. Meine erste, so
gefürchtete Begegnung mit meinen Plastiken,
das frühere Ringen in den vertrauten Räu-
men für meine Kunst — es riß mir die
Wunden von neuem auf. Oftmals schlich ich
mich unbemerkt in mein Zimmer und be-
tastete immer länger meine früher geschaf-
fenen Plastiken und Reliefs. Ich verweilte
immer bei meinem Lieblingswerk, einer klei-
nen Plastik, ein hockendes Mädchen mit
ihrem zerbrochenen Krug. Ihr Glück war wie
die Scherben zerbrochen . . .
Da kam ich auf die Idee, die Scherben
wieder zu formen und entschloß mich,
zum Keramiker umzuschulen. Bald da-
nach begann meine blindentechnische Um-
schulung in Wien. Die Berufsberatungskom-
mission hatte gleich volles Verständnis für
meinen neuen Beruf und versprach jede
Hilfe. Ich lernte noch in weiteren Kursen
Kurz- und Schnellschrift, um bei Vorträgen
in der Fachschule alles aufnehmen zu kön-
nen. So war ich innerlich beruhigt und freute
mich auf meine Umschulung.
Am 7. 1. 1945 nahm ich Abschied von mei-
ner oberschlesischen Heimat, von meinen
Plastiken, meinem Heim, meinem Friedrichs-
thal und begann meine Umschulung mit noch
vier kriegsblinden Kameraden an der Staat-
lichen Fachschule für Keramik in B u n z 1 a u.
Leider mußte ich die Stadt am 10. 2. 1945
eramiRer
verlassen und landete als Flüchtling mit mei-
ner Schwester in Schwaben.
In meiner Einsamkeit fing ich wieder an,
zu modellieren. Ich modellierte in Wachs
Reliefs, den Kopf eines toten Kriegers, einen
Christuskopf und anderes. Der charakteri-
stische Gesichtsausdruck ist mir immer ge-
lungen. Mehrmals bemühte ich mich, bei der
Staatl. Fachschule für Keramik in Landshut
anzukommen, doch vergebens. Endlich wandte
ich mich mit meinen Zeugnissen und meinen
Arbeiten direkt ans Bayerische Kultusmini-
sterium, und von da wurde durch einen Er-
laß meine Umschulung an der Staatl. Fach-
schule angeordnet. Ich lernte nun mit Be-
geisterung und Erfolg. Mit allen Fachlehrern
hatte ich das beste Einvernehmen. Ich nahm
die Fachlehrer auch nicht mehr in Anspruch
als die sehenden Schüler. Vorträge der Fach-
lehrer nahm ich mit meiner Pichtbogen-
maschine auf. Ich lernte dort: Freidrehen,
Gipswerkstatt, Brenntechnik und Technologie,
Mit einem guten Abgangszeugnis und fast
zweijähriger Umschulung verließ ich mit
Erfolg die Schule. Nun habe ich das fachliche
Rüstzeug, um auf allen Gebieten der Kera-
mik trotz meines Schicksals noch schöpfe-
risch tätig sein zu können und bin inner-
lich glücklich und ausgeglichen, denn meine
Hände können wieder etwas schaffen. Durch
Formgebung und Ornamente kann ich die
Bemalung ersetzen. Ich kann ohne Hilfe
arbeiten, nur das Glasieren kann ich nicht
allein, dabei muß mir meine Frau helfen.
Die Hauptfürsorgestelle Regensburg ermög-
lichte mir die notwendigsten Beschaffungen
für meine kleine keramische Werkstatt. Mein
einziger Wunsch wäre jetzt noch, einen klei-
nen elektrischen Brennofen zu
besitzen, um meine Arbeiten in meiner
Werkstatt ganz fertigzustellen.
überwunden"
Eine Schrift über Schicksal und Wesensbild eines heldenhaften Kameraden
Vor uns liegt eine eben erschienene, kleine
Druckschrift, die den beziehungsvollen Titel
trägt: „überwunden", überwunden wurde
ein Schicksal, wie es in dieser Schwere wohl
selten auf einem Menschen gelastet hat: ein
junger Theologiestudent wurde als Zwanzig-
jähriger vor Verdun auf die schrecklichste
Weise verwundet: beide Augen verbrannt,
das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verstüm-
melt und entstellt, die Hände verkrüppelt,
so kehrte er heim. Und dennoch, so heißt es
in der Schrift, „brachte er bis zu seinem
frühen Tod die Sonne in sich und vielen an-
den zum Leuchten".
Wir erfahren nicht den Namen dieses
Mannes, doch mögen sich manche der alten
Kameraden an ihn erinnern, wenn sie er-
fahren, daß er späterhin als Dozent der
Philosophie tätig war. Es kommt hier eben
nicht auf den Namen an — und das ist sicher-
lich im Sinne des edlen Toten — , sondern
allein auf das Beispiel, auf das Beispiel,
das er den Kriegsblinden gab und das er in
Gemütliches Heim
der V., stdl. Kuckucksruf
nur DM 16.95
Durch •/. und Voll-
Stundenruf, Prachtausf.
nur DM 29.50 Nachn.
Julius Morstadt
Villingen B 1 26 Schwarzw.
vielleicht noch höherem Maße den Sehenden
gab. So ist es auch verständlich, wenn auch
kein Verfassername genannt wird, — „er-
zählt von F. St.", so heißt es schlicht. So
kann sich unsere Anteilnahme ungeteilt der
Schilderung dieses ungewöhnlichen Lebens-
und Wesensbildes zuwenden.
Schon sehr bald gewinnt man beim Lesen
dieser Schrift eine Vorstellung von diesem
„seltsamen und seltenen Menschen", der
körperlich zart und auch innerlich äußerst
sensibel war, aber dessen starke Seele ihm
trotzdem die Kraft zu heiterer Bejahung des
schweren Geschicks gab. Kopf und Hände
noch verbunden, so nahm er sein Studium
auf, schaffte es, fand eine liebevolle Lebens-
gefährtin — und dann kam das schwere Rin-
gen um den Beruf, Vor allem war es sein
lOÜdbad
Wenn keines Glückes Strahl dich will mehr wärmen,
Wenn deine Seele heimgesucht vom Leid,
Wenn angewidert du vom Tagesstreit,
Wenn du ermüdet von der Menschen Lärmen,
Mit dem sie ihre Götter stets umschwärmen,
Wenn angegrilien du vom Wurm der Zeit,
Wenn dich dein Leben wirklich nicht mehr freut:
Such aui das Heim der Tannen und der Thermen!
Es läßt dich finden zu dir selbst zurück.
Laß dich von herber Tannenluft berauschen,
Im warmen Bad fortschwemmen all den Schlick.
In Andacht lernst du wieder das erlauschen.
Nach dem gestalten sollst du dein Geschick,
Und nicht mehr möchtest du mit andern tauschen.
H. S.
15
entstelltes Gesicht, das die Behörden zögern
ließ, bis er endlich eine Lehrtätigkeit in Ber-
lin aufnehmen konnte. „Nur in der tiefsten
Innerlichkeit", so sagte er einmal in einer
Vorlesung, „in der gänzlichen Hingabe an
das Wahre, Gute, Schöne besteht unsere Er-
lösung, unsere Befreiung von der Tragik des
endlichen Lebens." So suchte er, über alle
Enttäuschungen hinweg, immer wieder kraft
der eigenen, inneren Harmonie mit groß-
artiger Souveränität der überlegene zu
bleiben.
Wer hätte nicht verstanden, wenn gerade
dieser Mensch, den einen „armen Teufel"
zu nennen so nahe liegt, verbittert und ver-
grämt die Welt gemieden hätte! Aber er
stellte sich mutig allen Auseinander-
setzungen, noch mehr, er gewann dem Leben
immer neue Freuden ab, die ihn vielleicht
froher und glücklicher sein ließen als man-
chen, den das Schicksal reicher beschenkte.
Er wanderte und schwamm, er lief Ski und
Schlittschuh, er tanzte und arbeitete im Gar-
ten, und er war ein hilfsbereiter, weg-
weisender Kamerad für seine kriegsblinden
Schicksalsgefährten.
„Meine Schwierigkeiten sind dazu da, um
von mir überwunden zu werden, damit
ich daranwachse" — eine solche Er-
kenntnis ernst zu meinen, dazu gehört
einiges, das wissen gerade wir. Auch trotz
der Schrecknisse des Kriegsendes behielt er
den Kopf oben: sein geliebtes Haus wurde
zerstört, seine Bücher, ja, sein eben im
Manuskript vollendetes Lebenswerk ging
verloren, heimatlos spülte ihn das Kriegs-
ende schließlich nach Österreich. Als Reichs-
deutscher mußte er das Land verlassen, aber
zehn Tage auf offenem Lastwagen hielt sein
Körper nicht aus, in der rheinischen Heimat
starb er wenige Monate später.
Ein solches Leben hat uns viel zu sagen,
ob wir Sehende sind oder Erblindete, und
so nehmen wir diese von so feiner Ein-
fühlsamkeit getragene Schrift mit großer
Dankbarkeit entgegen und' freuen uns dar-
über, daß sie den Kriegsblinden gewidmet ist.
Die Schrift kann bestellt werden zum
Preise von 1, — DM beim Verlag „Volk
und Heimat", München 15, Schubert-
straße 2. Für Zwecke des Wiederverkaufs
wird Provisionsrabatt gewährt. .Der Rein-
gewinn soll bedürftigen Kriegsblinden zu-
fließen.
Für die Hilfe bei der Drucklegung der
Schrift wird unserem Kameraden Hans
Schmalfuß (Hof) gedankt, und auch unserer-
seits sei dieser Dank hier unterstrichen.
So kam der Mensch auf den Hund
Unter obigem Titel schrieb Konrad Lo-
renz ein bemerkenswertes Buch (erschienen
1950 im Verlag Dr. G. Borotha-Schö-
ler, Wien, Preis 6,80 DM). Wenn Professor
Lorenz, der führende deutsche Tier-
psychologe, etwas veröffentlicht, dann lohnt
es sich, die Schrift zu lesen. Hier ist ihm ein
Hundebuch gelungen, wie es keines vorher
gab.
Ein Glück, daß uns dieser begnadete. Mann
aus russischer Kriegsgefangenschaft wieder-
geschenkt wurde! In ihm vereint sich ein ge-
nialer Gelehrter mit einem künstlerisch be-
gabten, humorvollen Schriftsteller und einem
Menschen voll tiefer, angeborener Liebe zum
Tier. Es ist klar, daß etwas Gutes dabei her-
auskommt, wenn ein solcher Mann aus lan-
ger, von Kindesbeinen an gewonnener Er-
fahrung über seine Erlebnisse mit Hunden
berichtet. Doch übertrifft das Buch auch hoch-
gespannte Erwartungen. Man möchte es
jedem lieben Bekannten in die Hand drücken.
Wer jedoch irgend mit unseren vierbeinigen
Freunden zu tun hat, kann an dem Werk
nicht vorübergehen.
Es liest sich leicht und spannend, nicht wie
ein Lehrbuch, obwohl es uns wie ein solches
die ganze Weisheit von unserem besten,
treuesten Freund unter den Tieren vermittelt.
Man kann ruhig sagen, daß es bisher noch
niemand vermocht hat, das Seelenleben des
Hundes und sein Verhältnis zum Menschen
so einwandfrei und wundervoll zu deuten
wie Lorenz. Ohne Übertreibungen, ohne Sen-
<Ezzenßmsse sin?
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timentalität gibt der Verfasser eine Fülle
von Hundegeschichten wieder und flicht un-
merklich seine Gedanken ein, überträgt die
Sprache des Vierfüßlers in die unsere und
macht uns das Verhalten des stummen Bru-
ders verständlich. Wie klar erkennen wir
auf einmal, was uns rätselhaft war am
Charakter des Hundes, des Tieres überhaupt!
Wieviel Tierisches entdecken wir in uns
selbst und welche neuen Seiten unseres
eigenen Seelenlebens tun sich plötzlich auf!
Der Rätsel bleiben noch genug, vor denen
wir mit um so größerem Staunen stehen und
die Begrenztheit unserer Fähigkeiten be-
kennen müssen.
Die Blinden, von denen sich viele dem ge-
schulten Hund anvertrauen, ihn nicht nur als
Gehilfen, sondern gar häufig als Kameraden,
als wahren Freund zu schätzen wissen,
können viel lernen, was ihnen bei der Aus-
wahl ihres Gefährten und im Umgang mit
ihm von Vorteil ist. Und wenn es nur die Er- J
kenntnis wäre, daß es zwei, auch im Verhal-;
ten grundverschiedene Gruppen von Hun-!
den gibt: Die wolsfblütigen, zu denen merk-|
würdigerweise nicht der Schäferhund gehört,'
aber z. B. der Chow-Chow, und die kaum auf.
einen zweiten Herrn übertragbar sind, und;
die schakalblütigen, unter denen als beson-r
ders klug, dressurfähig und verständig der-
Pudel, der Schäferhund, manche Pinscher und
große Schnauzer erwähnt seien. Es ist«
äußerst fesselnd, dem scharf beobachtenden
Autor bei der geistreichen Begründung dieser
seiner Klassifikation zu folgen und dabei
einen Blick in die Stammesgeschichte des
ältesten Haustieres zu tun. Sie läßt sich
natürlich nur in groben Zügen rekonstruieren.;
Mit der Kenntnis der Ahnen wächst aber!
rasch das Verständnis für die Hundesitten.
Eine Glanzleistung ist der Abschnitt über
die Opferbereitschaft des Hundes. Lorenz;
hütet sich auch hier vor jeder Vermensch-
lichung, beweist im Gegenteil, wieviel Vor-?
Menschliches bereits im Tier steckt. Nach der
wahrheitsgetreuen und darum so ergreifen-
den Erzählung einer Begebenheit, bei der
Herr und Hund für einander und um ihr Leben
im eiskalten Donauwasser schwammen, wagt
der Seelenforscher den lapidaren Satz: „Der
Mensch, dessen schönstes und edelstes Glau-
bensbekenntis die Religion der Bruderliebe
ist, steht gerade in der Fähigkeit zu reinster
Bruderliebe einem — Raubtier nach!"
Wir erfahren, warum der Hund im Ver-
stehen der menschlichen Sprache sogar den
Menschenaffen überlegen ist, erkennen die
Tragik, die daran liegt, daß Hunde nur einen
geringen Teil des Durchschnittslebensalters
ihres Herrn erreichen, und manchen kaum
geahnten Zusammenhang aus dem Leben von
Hund und Mensch. Das Buch von der Hunde-
seele wird seinen Weg machen. Wer über
seinen Buchhändler das Buch nicht erhalten
oder bestellen kann, wende sichandie
Schriftleitung.
Dr. Waller Wüst, Stadtbergen
*
Eine Besprechung der ausgezeichneten
neuen Führhund-Broschüre von Dr. Heinz
Brüll, der einst die Führhundschule in
Biesenthal leitete und dabei insgesamt 385
Kriegsblinde ausbildete, folgt in der näch-
sten Ausgabe. (Verlag: Dr. Schöps,
Frankfurt. Preis: 7,50 DM). Die Schriftleitung.
(xJer yl4enscli und seilt f4uvtd
Du, Mensch, das eine merke dir:
Dein treuer Hund ist doch ein Tier/
Geschalten wurde die Natur,
der Mensch als Krone dann zuletzt.
Drum achte jede Kreatur,
doch sei sie dir nicht gleichgesetzt.
Den Hund mit tierischem Empfinden
sollst du in seine Bahnen lenken,
und niemals ihm entgegenbringen -
dein übertünchtes Menschendenken.
Auch Sota, Sessel, Couch und Bellen
sind keine Hundeliegestätten!
Ins Federbett gehört dein Kind,
von altersher so's üblich war.
Für Hundeplätze jedoch sind
die Malte und der Boden da.
Viel Ärger kannst du dir erspar'n
bei Tanten, Freunden, Vorgesetzten,
machst du dem Hund rechtzeitig klar,
sich aul den richt'gen Platz zu setzen.
Die Mahlzeit soll d i r munden sehr,
der Hund kriegt sein Teil hinterher!
Mit Appetit sollst du verzehren
das Mittagsmahl, den guten Wein
und dich nicht um den Hund viel kehren,
der dann auf seinem Platz soll sein.
Wenn Speichelflüsse von den Lefzen
in trampelnd wilder Ungeduld
dir Teppich, Schuhe, Anzug nefzen,
erreg' dich nicht, s'ist deine Schuld.
Reelle Happen iür den Rachen,
denn Leckerein ihn pinslig machen!
.Raubtiergebiß dem Hundegeist" ,
so sprach der Herr an jenem Tag.
Handfeste Happen, etwas Fleisch,
daß er zu beißen, reißen hat.
Denn Keks und Zucker, Konfitüren
sind menschliche Errungenschaft.
Durch diese Naschereiallüren
schon Frauchen Taillensorgen hat.
Gleichbleibend sei Beiehl und Ton!
Ein „Brav der Hund", das sei sein Lohn!
Des Wortes Sinn ward ihm gegeben
bereits in der Dressuranstalt.
Nun komm du nicht mit andern Lehren!
Du irritierst ihn, schad'st dir halt.
Um deinen Mund erschein ein Lachen,
wenn andre deine Leistung preisen.
So kannst du ihn auch freudig machen,
ihm kloplend deine Gunst beweisen.
Noch eine Bitte, die ich hätte:
Der Hund gehört nicht an die Kette!
In Freiheit lauten nach Belieben
nach liegenden Achtstundentagen,
und tummelnd durch die Gegend stieben,
sich wälzen, suhlen nach Behagen!
Am windgeschützten, schatt'gen Platz
'nen testen Zwinger hier anbring' —
aul trock'nem Lager nach der Hatz
ruht gut, gezähmt, das Wildniskindl
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„Modell mit moralischen Defekten"
Christian Bocks Märchen
i vom künstlichen Menschen (RIAS und NWDR)
] Christian Bock hat bisweilen geradezu
.igeniale Einfälle. Das Zeitalter darzustellen,
!ih dem Roboter den Menschen als hilfreiches
Küchenpersonal an die Seite treten, die
Stimme des Roboters gegen die des Menschen
zu kontrastieren, an ihr vor den Ohren der
Zuhörer zu basteln und zu experimentieren:
das ist allein schon eine amüsante Idee.
Wenn dann noch Apercus nicht fehlen, wie
das von der Unvollkommenheit des Men-
schen, gemessen am vollkommenen Roboter,
oder vom Tanzlokal, das nur mittwochs für
Roboter geöffnet ist, wenn Einfälle — z. T.
leider nur am Rande — auftauchen, wie der
von der Auflehnung der Roboter, die die'
Herrschaft der Menschen brechen wollen,
oder vom rührenden Selbstmord des treuen
und biederen, wahrhaft zum alten Eisen ge-
stellten Maschinenmenschen antiquierter
Konstruktion mit Hilfe eines Schrauben-
schlüssels — dann kann man schon entzückt
sein. Leider ist nur die Durchführung auf
weite Strecken hin dem Thema nicht eben-
bürtig. Daß nun just die als Episode eben
noch erträgliche Geschichte von der erotischen
Antenne breitgetreten wird statt vieler ande-
rer interessanter Ansätze, daß dann kleine'
oder größere Pikanterien auf eine Weise
'gepflegt werden, die die meisten Hörer ver-
stimmen, weil sie sich unterschätzt fühlen,
alles das ist höchst bedauerlich: nicht aus
moralinigen Gründen, sondern um des sehr
Viel ergiebigeren Stoffes willen. Der Roboter,
'der aus Vandervelde studiert, wohin man
Köchinnen „am besten kneift", und von dem
'seine Fabrikanten dann überlegen, ob er
nicht als „Kneifer mit Aufpreis als Spezial-
anfertigung" abzusetzen ist, und der Inge-
nieur aus der Roboter-Fabrik, der Anna
fragt, ob er es nicht sehr viel besser „kann"
als der Roboter — das geht doch in seiner
(Anspruchslosigkeit einigermaßen über die
'Hutschnur. Wir sagen ehrlich: Schade! —
'Zur Information: der NWDR, der das Hör-
spiel bereits über UKW-Nord in eigener In-
szenierung brachte, wiederholt es am 17. Nov.
auf Mittelwelle.
Ein reiner, starker Klang
Waller Bauers Märchenspiel
„Blau und Rot im Regenbogen" (Stuttgart)
Man kann, um mit dem Schweizer Jakob
Schaffner zu reden, die „Höllenspargel" der
mitteldeutschen Industrielandschaft zur Ku-
lisse der heimatlichen Landschaft haben und
trotzdem ein Dichter reinen Geblüts sein. Das
i Märchenspiel, das der Merseburger Walter
| Bauer den Hörern des Stuttgarter Senders
i diesmal mit „Blau und Rot im Regenbogen"
ischenkt, ist so zart und verspielt und dabei
doch so nah und lebendig in einem höheren
■ Sinne, daß ihm in einer Zeit, die östlichem
joder westlichem Materialismus zu huldigen
jpflegt, Seltenheitswert und erhöhte Bedeu-
itung zukommt. Eine in der pretiösen Welt
des alten China angesiedelte Liebesgeschichte
mit wehmütig-verklärtem Ausgang, bei dem
Louis Filsinger
Frankfurt a. M.
Hanauer Landstraße
Kisten- und Holzwollefabrik
auch das Wunder nicht fehlt — nichts weiter,
und doch die poetische Verdichtung all des-
sen, was das Leben schön und lebenswert zu
machen vermag. Es „passiert" im Grunde nur
wenig, es wird viel geseufzt, geflüstert und
geweint, und der sanfte, abgeklärte Erzähler
(meisterhaft und mit großer Reife: Theodor
Loos!) hat viel damit zu tun, das Vehikel des
Geschehens je und je ein paar Zentimeter
weiterzuschieben, bis es schließlich so weit
ist, daß zugleich zwei Menschen „an gebro-
chenem Herzen sterben" und sich dann —
endlich — als Farben im Regenbogen wieder
vereinigen können. Und doch bleibt etwas
zurück, was sich nur mit den Begriffen „Trost"
und „Beruhigung" umschreiben läßt — nicht
anders wie bei der Funkfassung von Saint
Exuperys „Kleinem Prinzen", die es kürzlich
in Frankfurt zu hören gab und an die man
ebenso gern wie an das Buch zurückdenkt.
Auch eine Moral gibt es. Sie lautet ganz
schlicht: „Seid gut zueinander, solange; ihr
es noch könnt". Cläre Schimmels Regie tat
das Beste, was sie tun konnte: sich — im
Verein mit O. E. Schlillings behutsam unter-
streichender Musik — so weit zurückzuhalten,
als sie nur konnte, auch auf alle äußeren
„funkischen" Effekte zu verzichten und dem
Dichter das Feld zu überlassen. So ergab sich
ein reiner, starker Klang.
Sendungen aus dem Blindenwesen
Der Nordwestdeutsche Rundfunk kündigt
für den 21. November (Büß- und Bettag) um
18.30 Uhr eine Hörfolge aus der Welt der
Blinden an: „Leben ohne Licht" von
Max Schweigmann. Wir hoffen, daß diese
Hörfolge einen ähnlichen hohen Rang hat
wie die Stuttgarter Hörfolge „Mit anderen
Augen" von Dr. Adler und H.-G. Patzsche
vom 17. September.
In den NWDR berufen
Unser Mitarbeiter, Herr Dr. He in %
Schwitzke, der seit der Gründung
unserer Zeitschrift im Jahre 1949 vielfach mit
Aufsätzen, Gedichten und Erzählungen, vor
allem aber mit Rundfunkkritiken der Redakt
tion zur Seite stand, übernahm beim Nord»
westdeutschen Rundfunk in Hamburg die
Hauptabteilung Produktion und Hörspiel,
Dr. Heinz Schwitzke gehörte auch dem Preis-
richterkollegium des ,, Hörspielpreises der
Kriegsblinden" an. Wenn auch Dr. Schwitzke
aus diesem Kollegium nun ausscheiden muß,
da der Preis in Unabhängigkeit von jedem
Sender vergeben werden soll, so wissen wir
doch, daß uns auch weiterhin Rat und Mit-
arbeit dieses angesehenen Fachmannes zur
Verfügung stehen. Wir wünschen Herrn
Dr. Schwitzke für seine neue, überaus
schwierige Arbeit vollen Erfolg, einen Er-
folg, der ja gerade uns kriegsblinden Rund-
funkhörern zugute kommen wird.
Blindenpsychologie
und Rundfunkprogramm
Prof. Friedrich Trautwein, einer der
bedeutendsten technischen Pioniere des Rund-
funks und Erfinder nicht nur der Elektro-
musik (Trautonium), sondern auch blinden-
technischer Hilfsmittel, äußerte auf einer
Tonmeistertagung in der Musikakademie Det-
mold, daß die Blinden-Psychologie bei der
Gestaltung des Rundfunkprogram ms
gründlicher verwertet werden sollte und daß
man der Mitwirkung und dem Urteil blinder
Künstler im Rundfunk einen weit größeren
Raum als bisher einräumen sollte.
15.
11.
20.25
16.
11.
20.05
17.
11.
21.00
21.10
18.
11.
17.00
20.
11.
20.05
20.15
20.30
21.
11.
17.25
18.00
20.00
21.00
24.
11.
21.00
25.
11.
17.00
26.
11.
27.
11.
jDrograttiMüorscliau für J*4örspiele
Saarbrücken: „Geister, Gänger und Gesichter" (vom Bayer. Rundfunk)
NWDR: „Merlette", von Pierre Francois.
München: „In die Nacht hinein", von Oda Schäfer.
NWDR: „Der alte Roboter", von Christian Bock.
Stuttgart: „Verweile, Wanderer", von Günter Eich.
Frankfurt/UKW: „Dumala", nach Eduard v. Keyserling.
NWDR/UKW-West: „Indizien", von Gustav A. Mulach.
Südwestfunk: „Unterm Birnbaum", nach Fontane, von Günter Eich.
Frankfurt: „Das Salzburger Große Welttheater", von Hugo v. Hofmannsthal.
NWDR/UKW-West: „Das Fenster", nach Lulu von Strauß und Torney.
NWDR/UKW-Nord: „Die Schicksalsstunde", von Waldemar Maaß.
Bremen: „Der Familientag", von T. S. Eliot
RIAS: „Die Buchholzens", nach Julius Stinde.
Stuttgart: „Totentanz", von Marie-Luise Kaschnitz.
Frankfurt: „Denn siesollen getröstet werden", nach Alan Paton.
Frankfurt/UKW: „Die Jungfern vom Bischofsberg", von Gerhart Hauptmann.
Südwestfunk und Bremen: „Das Stück für nur 500 Mark", von Christa Maria
Piontek und Paul Hühnerfeld.
28. 11. Stuttgart: „Du darfst nicht — !", von Tyrone Guthrie.
NWDR: „Paul Temple und der Fall Curzon" (1. Folge)
RIAS: „Ingeborg", Komödie von Curt Goetz.
29. 11. NWDR: „Bambi — die Geschichte eines Rehes", nach Felix Saiten.
4. 12. 20.45 Südwestfunk: „Abenteuer in der Unendlichkeit" (1. Folge), v. Edzar Schaper.
Frankfurt/UKW: „Das Salzburger Große Welttheater", von Hugo von Hof-
mannsthal.
6. 12. Südwestfunk: „Abenteuer in der Unendlichkeit" (2. Folge).
NWDR: „Gericht bei Nacht".
10. 12.. Frankfurt: „Rabatz-Kolonne", von R. A. Stemmle.
11. 12. 20.30 Südwestfunk: „Der veruntreute Himmel", nach Franz Werfel.
NWDR: „Verhandlungen gegen Grabbe", von Semmelroth.
11. u. 12. 12. Frankfurt/UKW: „Denn sie sollen getröstet werden", nach Alan Paton (Teil
1 und 2). ....
NWDR: „Paul Temple und der Fall Curzon" (2. Folge).
NWDR: „Seltsames Verhör", von Christian Bock.
Frankfurt: „Mann Nummer Soundsoviel", von Julius Maria Becker.
Frankfurt/UKW: „Rabatz-Kolonne", Ton R. A. Stemmle.
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
Denke an den „Hörspiel- Preis der Kriegsblinden"!
12. 12.
14. 12.
17. 12;
18. 12.
19
Wir basteln zum Weihnachtsfest
"Wenn die Herbststürme über die Stoppeln
jagen, dann kommen für uns die Stunden,
in denen wir oft sehnsuchtsvoll an die Zei-
ten zurückdenken, die uns — noch im Be-
sitze des Augenlichtes — manche schöne
Bastelstunden bescherten. Die Vorweih-
nachtszeit trug uns damals allerlei Ar-
beit auf, und wir bastelten für unsere Kin-
der — oder selbst noch als Knaben — denn
ein Geschenk aus eigener Hand bereitet die
meiste Freude.
Gleich im ersten Winter nach meiner Er-
blindung empfand ich sehr schmerzlich den
Verlust der Bastelfreuden, und die langen
Abende wurden mir zur Qual, bis ich eines
Tages auf eine Idee verfiel, wie ich diese
Auch ein Kriegsblinder kann für seine Kinder
zu Weihnachten etwas basteln.
Ist dieses Häuschen nicht hübsch geraten?
Liebhaberei wieder in Angriff nehmen
könnte. Seitdem verbringe ich die langen •
Abende mit meiner Bastelei, die mir von
Jahr zu Jahr mehr Freude bereitet. Und ge-
rade deshalb möchte ich euch verraten, wie
man auf einfache und billige Weise die
herrlichsten Dinge basteln kann. Wer auch
nur einigermaßen etwas Geschick hat, kann
es hierbei zu richtig künstlerischen Gebilden
bringen. Außerdem hat dieses Basteln noch
den Vorteil, daß es für uns eine vortreff-
liche Geschicklichkeitsübung ist und eine
gute Gelegenheit, unseren Einfallsreichtum
zu beweisen und unseren Tastsinn zu üben.
Mancher von uns kann sich bestimmt noch
des Segelflugmodellbaus erinnern und somit
auch der Kiefernleisten, die man
dazu verwendet. In ihnen liegt das ganze
Geheimnis meiner Bauweise. Da für uns das
winkelrechte Sägen von Brettchen etwas
schwierig ist, erlauben uns die Leisten, alle
gewünschten Formen herzustellen. Wir kau-
fen uns also Kiefernleisten in einschlägigen
Geschäften oder lassen sie uns vom Tischler
schneiden. Die Stärken der Leisten kann man
je nach Bedarf bestellen. Ich verwende mei-
stens folgende Maße:
2 mal 5 mm, 2 mal 10 mm, 5 mal 5 mm,
5 mal 10 mm, 10 mal 10 mm und 10 mal
15 mm. Diese Maße genau zu wissen ist in-
sofern wichtig, weil man damit gleich gut
rechnen und nach Maß bauen kann.
Um nun die Bauweise deutlich zu machen,
will ich den Bau eines Hauses erklären:
Ich schneide mir aus Pappe ein Rechteck,
das genau der Grundfläche meines zu bauen-
den Hauses entspricht. Darauf klebe ich
einen Rahmen aus gleichstarken Leisten,
als ob ich ein Blockhaus baue. Zu achten ist
dabei auf die Ecken. Die Schichten müssen
so aufeinander liegen, daß die Eckfugen wie
bei einem Mauerwerk immer wieder über-
deckt werden.
So ziehe ich die Wände bis zur oberen
Fensterhöhe empor und säge jetzt die
Fenster und die Tür ein. Dann lege ich noch
ein oder zwei Schichten darauf und habe
somit das unüberdachte Haus. Zur Verschö-
nerung lasse ich meist das Fundament etwas
vorstehen, was ich durch breitere Leisten
erreiche. Sodann setze ich mit dünnen Lei-
sten kleine Fensterrahmen in die ausgesäg-
ten Öffnungen und auch die Tür wird mit
einem Rahmen versehen, an den von innen
die Tür anschlägt.
Auch das Dach ist einfach herzustellen.
Ich verwende dazu 1 bis 2 mm starkes Sperr-
holz, weil man es mit der Schere schneiden
kann. Auf eine dicke Leiste klebe ich die
Dachflächen, und zwar so, daß eine Kante
der Leiste innen als Dachfirst verläuft. An
den schmalen Seiten der Dachflächen klebe
ich je eine Leiste von innen herunter und
setze von innen den Giebel, der auch aus
Sperrholz gemacht ist, ein und folglich ein
rechtwinkliges Dreieck sein muß, dessen
rechter Winkel nach oben zeigt. Die beiden
Giebeldreiecke verhelfen mir dann auch dazu,
das Dach auf das Haus aufzukleben. Es emp-
fiehlt sich aber, das Putzen und Glattreiben
des Hauses voher vorzunehmen. Einen klei-
nen Kamin auf das Dach wird sich jeder
selbst ausdenken können. Verklebt man die
Fenster mit rotem Papier und baut elek-
trische Beleuchtung ein, so erhöht es den
Reiz für die Kinder.
Mit dieser „Blockhaus-Bauweise" kann
man nun viele andere Spielsachen bauen,
wie z. B. einen ganzen Bauernhof mit Stall,
Scheune und Taubenschlag, ganze Dörfer mit
Schulen, Kirchen und Bahnhöfen, Zäune,
Leitern, hübsche Pferdewagen, Windmühlen
und sogar gediegene Schatullen und ähn-
liches. All das habe ich bereits selbst schon
gebaut und viel Freude daran gefunden.
Was das Werkzeug angeht, so braucht
man nur: Laubsäge, Laubsägebrettchen, einen
kleinen Schraubstock, kleine Zwingen, Raspel,
kleine Feilen und Sandpapier. Man kauft
diese Dinge am besten auf den bekannten
Laubsägetafeln, die etwa 4 bis 6 DM kosten.
Die Leisten und das Sperrholz kosten nur
Pfennige. Zum Kleben eignet sich Uhu oder
Rudol, denn es wird bei dieser Bauweise
nur geklebt und nichts genagelt.
So wünsche ich nun allen, die an dieser
Bastelei Freude finden wollen, viel Erfolg
und Hals- und Beinbruch für den Anfang.
Franz Feisther
LDöterllcltes JDaleni zum LDorlesett
Unserem Kameraden Kurt K r a u ß in
Stuttgart machte es Kummer, daß er seinem
Töchterchen nichts aus dem Bilderbuch vor«
lesen konnte. Das Vorlesen von Märchen
oder Versen in Punktschrift befriedigt ein
Kind ja nicht, weil es, auf dem Schoß des
Vaters sitzend, auch für das Auge etwas
haben muß, vor allem ein Bild. Außerdem
will das Kind sein Bilderbuch mal vom
Vater und mal von der Mutter vorgelesen
bekommen. Was tun? Kurt Krauß kam auf
eine glänzende, dabei aber recht einfache
Idee: er stellte ein Bilderbuch zusammen,
das jeweils auf den linken Seiten in Punkt-
schrift geschrieben ist, während die rechte
Seite den Text in Schwarzdruck enthält und
dazu ein Bild. Nun ist Kurt Krauß ein be-
gabter Mann, der ein ganzes Tierbilderbuch
mit lauter drolligen, kindlichen Versen sel-
ber dichtete und der durch eine begabte
Freundin der Familie dazu die Bilder zeich-
nen ließ. Ein Buchbinder machte daraus einen
praktischen Band, und das Kind war selig,
weil der Vater, der die Schwarzschriftseiten
natürlich auch selbst getippt hatte, nun genau
so vorlesen konnte wie die Mutter oder die
Tante.
Sollte das nicht manchen Vater unter uns
zu einer hübschen Weihnachts-
arbeit anregen? Vielleicht läßt sich auch
ein gekauftes Bilderbuch in dieser Weise
umarbeiten! Man müßte die Blätter ausein-
andertrennen und jeweils ein gedrucktes
Bilderbuchblatt auf ein mit der Bogen-
maschine geschriebenes Punktschriftblatt fol-
gen lassen (die Mutti diktiert dir sicher gern
den Text!) und müßte dann das Ganze von
einem Buchbinder binden lassen. So kann
der Vater also auch den Struwelpeter sei-
nem Kinde vorlesen!
Wir haben diese Anregung von Kurt Krauß
an einen Verlag für Blindendruckschfiften
weitergegeben, da sich vielleicht eine Serien-
herstellüng der schönsten Kinderbücher in
dieser Art verwirklichen läßt. Aber bis zu
einem möglichen Erfolg wird es natürlich
noch eine Zeitlang dauern, und für dieses
Weihnachtsfest müßte sich der Vater schon
einmal selbst bemühen. Die Freude seines
Kindes wird ihn reich belohnen.
Ein väterliches Patent — jetzt kann der Kriegsblinde aus dem Bilderbuch etwas vorlesen.
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Oer Vater" (Denkmal auf dem Soldatenfriedhot in Eessen bei Dixmuiden, 1932)
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ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 4 . 3. JAHRGANG
DEZEMBER 1951
VERLAGSORT BIELEFELD
4
itf^JfmJ^
*p ü
Ein Kind ist uns geboren heut'.
O nehmt's an, lieben Leut'!
Ein Sohn ist uns geschenkt,
der ist unser ein'ger Trost,
der allen Kummer wendt.
Gentile da Fabriano
Der Engel Speis' und Himmelsbrot,
Uns Armen treulich not,
Vom Himmel ist gesandt
Und wird als der Menschen Speis'
in aller Welt erkannt.
Es tut sich aut des Himmels Tür
Und geht ein Licht heriür,
Ein Glanz der Herrlichkeit:
Christ, die Sonn' der rechtschali'nen
und wahren Gerechtigkeit.
„O Christe, Gottes Sohn erklärt
Und alles Lobes wert,
Zerreiß des Teutels Netz
Und regier uns innerlich
mit Heim neuen Gesetz." (1531)
AUS DEM
Die Weihnachtsfamilie aller Kriegsblinden. Von P. PI. .
Beispielhafte Werbeveranstaltung in Berlin.
Von Paul Pöhlsen
„Sieg über das Dunkel" — Erstes Presse-Echo
Unser Blindensekretär — Das Klein-Magnetophon im Koffer
Von Ing. Alfons Schramm
Die Erleichterungen für blinde Funkamateure . . . .
Gegen den Blindenwaren-Schwindel -- Ein richtungweisen-
der Erlaß in Württemberg-Baden
Von Reg. -Oberinspektor Mahler
Das Führhundbuch von Dr. Heinz Brüll. Von Konrad Most
Warum sind Kriegsblindenehen glücklicher? Von P. PI.
Aus den Landesverbänden
Vier Bezirke in Schleswig-Holstein
Erfolgreiche Siedlungsfürsorge in Oberfranken
Von J. Lukas
Kriegsblinde erleben Weihnachten
Not und Glück einer Sonnenwende. Von Harry Barthel
Kameradentreue im Lager. Von Adalbert Wattenbach .
Seite
1
10
11
INHALT
Seite
Dar befreite Blick. Von Hans Haule 13
Nütze die einsame Stunde! Von Karl Kirchner ... 13
Persönliches 12
Josef in Verlegenheit
Eine Weihnachtslegende von F. W. Hymmen ... 14
Der erste Gast an der Krippe. Von Reinhard Rebensburg 15
Für unsere Schachfreunde IV
Lesermeinung 1?
Nochmals: Das Spezialbesteck
Warum nur Kreuzworträtsel?
Zu den Berichten aus Borkum
Beim Buchhändler 19
Blindenhlme — die große Mode! 19
Unzerbrechliche Kunstharzaugen? 19
Kleine Neuigkeiten 23 — 24
Der Kritiker am Lautsprecher 27
Programmvorschau für Hörspiele 27
Was ein Weihnachtsbaum unseren Kindern erzählt
Von Lotte Schütz 23
Die Zeichnung aut dem Titelblatt ist von Eva Kausche-Kongsbak (W orpswede)
Das Bild lür die Umschlag rückseile sowie Bildvorlagen im Text stammen aus dem Archiv lür Kunst und Geschichte (Berlin). Weitere
Bildunlerlagen erhielten wir vom Pergamon- Archiv (München), vom Kunstarchiv Arntz (Stuttgart) und vom Archiv Dr. Fuchs (Braun-
schweig). Das Bild aul Seite 15 verdanken wir dem Landesdenkmalamt Westfalen.
.Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein.
Müilenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Dund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
Nr. 4 . 3. Jahrgang . Dezember 1951 . Verlagsort Bielefeld
Die Weihnachtsfamilie aller Kriegsblinden
Das herannahende Weihnachtsfest ruft in
den Herzen aller deutschen Kriegsblinden
Empfindungen wach, die wir nur dann richtig
verstehen können, wenn wir das besondere
Verhältnis der Kriegsblinden aus ihrem
dunklen Schicksal zu diesem Fest uns vor
Augen führen. Weihnachten ist das Fest
des Lichts, der Liebe, der tiefinneren Freude,
des Friedens, der Erlösung aus dunkler Nacht.
All das sind Begriffe, die in uns Kriegs-
blinden süßschmerzliche Erinnerungen und
Sehnsüchte erwecken. Für die sehenden
Mitmenschen mag es verwunderlich er-
scheinen, daß gerade die Weihnachtszeit mit
dem strahlenden Lichterbaum so besonders
anzieht und uns geradezu drängt, uns unter
diesem strahlenden Lichterbaum mit unseren
Schicksalskameraden zu treffen und gemein-
sam mit ihnen zu feiern.
Verständlicher ist es schon, daß gerade
uns das Weihnachtsfest als ein Fest der
Liebe zueinander bringt, denn wir möchten
gerade in unserem Dunkel der Blindheit die
Herzenswärme der Liebe verspüren, die in
der Weihnachtszeit von Mensch zu Mensch
und vom Schöpfer zum Geschöpf in einer
Fülle überströmt, wie es bei keinem ande-
ren Feste der Fall ist. Aber unverständlich
mag es den Sehenden erscheinen, daß auch
wir Kriegsblinde, obgleich wir gerade unter
dem Weihnachtsbaum mehr denn je des
schweren Verlustes uns bewußt werden, der
uns mit all seinen Entbehrungen und Ver-
, ziehten betroffen hat, die Fröhlichkeit
des Weihnachtsfestes und die echte Weih-
nachtsfreude nicht nur erhoffen und suchen,
sondern auch tatsächlich finden.
Begreiflicher muß es den Sehenden schon
erscheinen, wenn wir am Weihnachtsfeste
den beglückenden Frieden sehnsüchtig wün-
schen und uns und unseren Anghörigen und
Kameraden bei der Weihnachtsfeier geben
wollen, vor allem den inneren Frie-
den zur Überwindung der verzweiflungs-
vollen und verbitterten Stunden, aber auch
für uns und unser Volk den äußeren Frie-
den, als dessen Mahner wir infolge unserer
schweren Kriegsverletzung uns für unser
Volk und die Welt berufen fühlen. Auch
die Weltensehnsucht nach Erlösung aus
dunkler Zeit, wie sie nach christlicher Auf-
fassung Voraussetzung für Gottes Mensch-
werdung in der Gestalt des Kindes ewig
sein wird, wird immer eng verbunden
. bleiben mit unserer Sehnsucht nach Erlösung
aus dem Dunkel der Blindheit. Der Sieg über
das Dunkel, wie er in der Weihnachtsge-
schichte zum lebendigen Ausdruck geworden
ist, wird immer auch für uns Kriegsblinde
das Ziel unseres stündlich durchzufechtenden
Kampfes zur Überwindung - der Kriegs-
. erblindung sein.
Wir wissen, daß dieser Sieg über das
Dunkel der Blindheit nur errungen werden
kann aus einem tiefgläubigen Vertrauen
darauf, daß auch unser Leben noch nach dem
Willen des Schöpfers einen tiefen Sinn hat
Und haben muß. Hinzu kommt das Be-
wußtsein, daß Tausende in unverbrüchlicher
Schicksalsgemeinschaft mit kameradschaft-
licher Treue und Hilfsbereitschaft Hand in
Hand diesen Weg mit uns gehen, uns stützen,
wir ihnen und sie uns ein Beispiel dafür
Engel (Lorenzo Bernini, 1598—1680)
sind, daß gemeinschaftlich gemeistertes Los
leichter zu ertragen ist. Erst aus dem schwe-
ren Schicksal der Kriegserblindung heraus
haben die Worte „Kameradschaft" und
„Schicksalsgemeinschaft" für uns den leben-
digen Inhalt bekommen, der uns befähigt,
wie keine andere Gruppe der Bevölkerung
in restloser organisatorischer Geschlossen-
heit so uns zusammenzufinden, daß wir eine
große Familie der deutschen Kriegsblinden
bilden. Aus dieser großen und so eng zu-
sammengeschweißten Kriegsblinden-
f a m i 1 i e können und wollen selbst nicht
einmal die sich herauslösen, die durch ihr
eigenes unwürdiges Verhalten, z. B. Bettelei,
uns zwingen, sie aufs Ernstlichste zu
verwarnen oder bei unverbesserlichem
Verhalten aus der Familie auszustoßen. Sie
streben, und zwar besonders in der Weih-
nachtszeit, wie die verlorenen Söhne zu
dieser Familie zurück, und sie sollen uns
auch gerade an diesem Fest der Familie
immer wieder willkommen sein, wenn sie
sich der Kriegsblindenfamilie würdig er-
weisen wollen; denn wir wissen es, daß ohne
diese kameradschaftliche Zugehörigkeit sie
in der kalten und harten Welt der Sehenden
allein verkommen müssen.
Hier liegen die tieferen Wurzeln der von
den anderen Verbänden gar nicht verstande-
nen Treue aller deutschen Kriegsblinden
zu ihrer Schicksalsgemeinschaft. Diese Ver-
bundenheit jedes einzelnen zu jedem der
Tausenden anderen deutschen Kriegsblinden
läßt die unmittelbare Verbindung zu der
Gesamtheit der deutschen Kriegsblinden
immer lebendig bleiben, obgleich sie ihren
schönsten Ausdruck in den örtlich gebunde-
nen Weihnachtsfeiern findet und in der
persönlichen Verbundenheit mit den Kame-
raden, die als Leiter der einzelnen Gliederun-
gen unseres Bundes oft schon durch jahr-
zehntelange ehrenamtliche Arbeit das unein-
geschränkte Vertrauen erworben haben.
Dies Vertrauen zu der örtlichen Gliede-
rung ist immer nur Ausdruck des Vertrauens
zur gesamten Kriegsblindenschicksals-
gemeinschaft, vor der die Persönlichkeit —
und mag sie auch an noch so hervorragender
Stelle stehen und noch so verdienstvolle
Leistungen für die Kriegsblinden erwirkt
haben — , zurücktreten muß.
Nicht die Geschenke machen das Weih-
nachtsfest aus, sondern die Gesinnung, in
der es gefeiert wird. Das trifft mehr noch
als bei anderen bei uns Kriegsblinden zu,
die wir auf all den äußeren Glanz verzichten
müssen und die wir zur Meisterung unseres
schweren Schicksals mehr als alle anderen
der Kräfte des Inneren bedürfen und des
Halts, der aus der kameradschaftlichen Schick-
salsverbundenheit strömt. Daher drängt es
uns in der Weihnachtszeit, bei den Kriegs-
blindenweihnachtsfeiern dieser Gesinnung
äußeren beredten Ausdruck zu verleihen, und
unsere Kameraden scheuen weder Zeit noch
Mühe, noch sonstige äußere und innere Unbe-
quemlichkeiten, weite Anmarschwege, Kälte
und die in den ländlichen Bezirken, aber auch
in den Großstädten immer noch schwierigen
Verkehrs- und Übernachtungsmöglichkeiten,
um an der Feier teilzunehmen. Und sie
gehen wieder in die dunkle Einsamkeit
ihres Schicksals zurück mit neugewonnenen
seelischen Kräften als Lohn für alle Mühen,
um täglich und stündlich aufs neue den Sieg
über das Dunkel der Kriegserblindung davon
zu tragen.
Wenn diese Kriegsblindenweihnachts-
feiern dann auch noch etwas dazu beigetragen
haben, neue sehende Freunde zu gewinnen
und besseres Verständnis und Verstehen für
die besonderen Nöte der Kriegsblinden, dann
ist die Freude bei allen, insbesondere bei den
verantwortlichen Leitern unserer Gliederun-
gen, um so größer, als der schönste Lohn für
all die ungeheure Mühe, die sie und ihre
Familienangehörigen zur Vorbereitung der
Feier leisten mußten und gerne geleistet
haben.
So möge auch das Weihnachtsfest 1951
wiederum Segen, Freude und Frieden allen
deutschen Kriegsblinden bringen. P. PL
Beispielhafte Werbeveranstaltung in Berlin
Fragen des Berufseinsatzes vor Industrie und Wirtschaft
Die Tatsache, daß den allgemeinen imd
insbesondere den beruflichen Bestrebungen
der Kriegsblinden in der Öffentlichkeit allzu
oft mit Verständnislosigkeit und Mißtrauen
begegnet wird, veranlaßte den Berliner Lan-
desverband der Kriegsblinden, mit einer
großzügig aufgezogenen Werbeveranstaltung
an die Öffentlichkeit zu treten. Nach um-
fangreichen Vorarbeiten und mit vorbild-
licher Unterstützung des „Rationalisie-
rungs-Kuratorium der Deutschen
Wirtschaft" (RKW) konnte am 29. No-
vember 1951 diese Veranstaltung durchge-
führt werden. Mit 'großem Interesse waren
sowohl die Senats- und Bezirksverwaltungen
als auch die Vertreter aus Industrie und
Wirtschaft dieser Einladung gefolgt, und in
dem fast überfüllten Festsaal des Steg-
litzer Rathauses wurde den Teilneh-
"mern ein eindrucksvolles Programm dar-
geboten.
In seinen Begrüßungsworten stellte Herr
Prof. M a 1 1 h e s vom RKW den Sinn der
Veranstaltung heraus. Sie soll eine Brücke
zwischen Theorie und Praxis schlagen, die
iSieq über das (XJunkei'
Erstes Presse-Echo
„Diesen Film drehte ein Amerika ohne
Hollywood", so schreibt „Die Welt". Und die
„Allgemeine Rundschau" (Nürnberg): „Viel-
leicht einer der ergreifendsten Filme, der je
in deutschen Lichtspielhäusern gezeigt wurde."
Und die „Rheinische Post" (Düsseldorf): „Als
Sehende können wir die Vorstellung nicht
ohne Erschütterung und beste Vorsätze ver-
lassen." Das ist der Grundton aller Presse-
kritiken über den amerikanischen Kriegs-
blindenfilm „Sieg über das Dunkel", der im
November erstmalig in Westdeutschland auf-
geführt wurde.
Weitere Pressestimmen: „Ein Werk, in
dem das Beste erreicht wird, was Kunst
überhaupt vermag: daß der Eispanzer unserer
Gleichgültigkeit für einige Stunden auftaut."
(Hamburger Echo). Oder: „Das Erstaunliche
ist, mit welchem Takt, aber auch mit welch
gesunder Selbstverständlichkeit die Ameri-
kaner dieses heikle Thema angepackt haben,
ganz fern aller Herkömmlichkeit, wie sie
vielleicht weit sentimentaler für eine deut-
sche Bearbeitung erwünscht gewesen wäre."
(Lübecker Nachrichten). Oder: „Solche Werke
kann es nur selten geben, aber die Produ-
zenten müssen sie wagen, dann werden Spek-
takelstücke von selbst belanglos." (Bonner
Rundschau). Oder: „Der Film zählt zu dem
wenigen, was menschlich und künstlerisch
als wesentlich die Jahre überdauern
wird." (Hamburger Abendblatt).
Einige festliche Aufführungen unter tätiger
Teilnahme des Kriegsblindenbundes gaben
dem Film einen guten Start, so z. B. eine
Sondervorführung vor geladenen Gästen in
Bonn, bei der außer dem Generaldirektor
der Filmgesellschaft Universal-International,
Mr. John M a r s h a 1 1 , auch unser Bundes-
vorsitzender Dr. P 1 e i n sprach. Bei der Auf-
führung in Hamburg sprach der Landes-
verbandsvorsitzende Ewald Meyer und Dr.
Friedmann von der Universitäts-Augenklinik.
Einen durchschlagenden Erfolg hatte auch die
erste Aufführung im Bezirk Essen, die in
Mülheim stattfand. Hier trug vor Beginn
unser Kamerad Bruno Bordiert einen selbst-
verfaßten Prolog vor, dessen Schlußverse
lauteten:
„Drum helft den Weg uns gehen, •'_
den wir nicht selbst gesucht.
Es wird im Buch des Lebens
als Plus euch einst verbucht."
teils einen technischen Einblick vermitteln
und zum anderen psychologische Wirkung
ausüben soll. Die Bereitstellung von Arbeits-
plätzen für die vom Schicksal der Erblindung
Betroffenen sollte für jeden verantwortungs-
bewußten Menschen eine soziale Pflicht und
ein Herzensbedürfnis sein. Wie aber ein Le-
diger nicht über die Ehe sprechen könne, so
könne auch ein Sehender nicht über Blinden-
probleme sprechen.
Der ' Vorsitzende des Berliner Landesver-
bandes, Kamerad Bischoff, gab dann, aus
seinen reichen Erfahrungen schöpfend, den
Anwesenden einen chronologischen Über-
blick über die Berufsentwicklung der Kriegs-
blinden und stellte hierzu' fest: Der heutige
Stand der Blindenfürsorge kann nicht umris-
sen werden, wenn nicht das Blindenwesen in
seiner Form vor dem 1. Weltkrieg einer Be-
trachtung unterzogen wird. Damals lebten in
Deutschland etwa 35 000 bis 40 000 Blinde,
größtenteils hinter Anstaltsmauern. Für eine
berufliche Tätigkeit standen ihnen nur die
wenigen typischen Blindenberufe wie Korb-
und Bürstenmacher oder der Leierkasten zur
Verfügung. Die Öffentlichkeit wußte zumeist
sehr wenig von ihnen, und so lebten sie
abgeschlossen von der Außenwelt ein freud-
loses und dunkles Dasein.
Dann kam der 1. Weltkrieg und rund 3200
junge Menschen verloren durch ihn das
Augenlicht. In der Blüte ihres Lebens
stehend, mußten sie sich von heute auf mor-
gen mit dem Schicksal der Erblindung abfin-
den, und nach Überwindung ihrer körper-
lichen und seelischen Schmerzen stand auch
vor diesen Menschen die Frage nach dem
Beruf. Sie kamen ja aus der Welt der
Sehenden und hatten zumeist schon einen
Beruf oder eigene Existenz aufgebaut. So war
es nur zu verständlich, daß sie auch jetzt
wieder nützliche Mitglieder der Gesellschaft
werden wollten und neue Berufsmöglich-
keiten suchten. Durch sie wurde das Gewis-
sen der Welt geweckt, und zahlreiche Orga-
nisationen und Einzelpersonen unterstützten
diese Bestrebungen. In Berlin waren es be-
sonders die hilfreichen Hände von Prof.
Silexj d-er neue Wege der Berufsausbildung
suchte. Die ersten Stenotypisten, Maschinen-
schreiber, Masseure und Telefonisten wur-
den in der von ihm eingerichteten Schule,
die noch heute seinen Namen trägt, aus-
gebildet, und wenn anfangs selbst amtliche
Stellen den Weg zu diesen neuen Berufen
nicht frei machen wollten, so wurden diese
ersten Schwierigkeiten sehr bald durch ein-
wandfreie Leistungen und Erfolge
überwunden.
Aber auch dem „ungelernten" Kriegsblin-
den öffneten sich damals die Tore zu neuen
Beschäftigungsmöglichkeiten. In diesem Zu-
sammenhang muß besonders der damalige
Direktor Perls von der Firma Siemens
& Schuckert erwähnt werden, der durch
die Anbringung von Schutzvorrichtungen
an Industriemaschinen zahlreichen Blinden
neue Arbeitsplätze beschaffte. Aber auch die
- Textil-, Tabak-, Genußmittelindustrie usw.
- beschäftigte blinde Arbeiter in immer größe-
rer Zahl, so hat sich auch die Bahn und die
Post führend bei der Unterbringung von
Blinden betätigt und eigene Arbeitsmethoden
entwickelt.
Wenn die Blinden auch nicht immer mit
offenen Armen aufgenommen worden sind,
so konnte doch ein hoher Prozentsatz der
Kriegsblinden " in den zwanziger Jahren
neuen Berufen zugeführt werden. Wir Kriegs-
blinden -sind für diese Pionierarbeit dankbar,
und Wenn trotz- dieser beruflichen Erfolge
"dem Blinden auch heute noch Vorurteile ent-
gegengebracht werden; so sind diese ohne
jede Berechtigung. Die Erfahrungen haben
gezeigt, daß der Blinde die gleichen Leistun-
gen nachweisen kann wie sein sehender Kol-
lege. Voraussetzung hierfür ist eine gründ-
liche Ausbildung sowie die geistigen Fähig-
keiten des Blinden und ein geeigneter
Arbeitsplatz. Die häufig gemachten Beden-
ken, der Blinde brauche stets eine sehende
Hilfe, können meistens durch eine kleine Um-
stellung innerhalb des Betriebes beseitigt
werden. So kann auch der blinde Telefonist
die teilweise automatischen Vermittlungs-
geräte selbst und ohne fremde Hilfe bedie-
nen. Ebenso ist der blinde Masseur in der
Lage, Bindegewebsmassagen und Heilgym-
nastik vorzunehmen oder Heilgeräte zu be-
dienen. Es wäre aber falsch, einen Blinden
nur einzustellen, um ihn dann nicht aus-
reichend zu beschäftigen. Wir wollen keine
Almosenempfänger sein, sondern die glei-
chen Leistungen wie die Sehenden voll-
bringen. Mit besonderem Nachdruck wurde
die Frage der Berufstätigkeit für unsere
kriegsblinden Ohnhänder behandelt.
Die Berliner Verhältnisse dürfen trotz
ihrer Ungunst sich nicht zum Nachteil der
Blinden auswirken. Ist es doch ein Unter-
schied, ob ein Sehender oder ein
Blinder arbeitslos ist. Zusammen-
fassend wurde zum Ausdruck gebracht, daß
auch in Berlin noch nicht alle Möglichkeiten
erschöpft sind, und es wäre uns eine Freude,
wenn auch noch die restlichen erwerbslosen
Kriegsblinden eine befriedigende Beschäfti-
gung finden.
Nach dem mit großem Beifall und innerer
Anteilnahme aufgenommenen Vortrag gab
Herr Prof. M a 1 1 h e s mit warmen Worten
dem Dank der Anwesenden Ausdruck und
führte aus, daß das Wort „Kameradschaft"
auch heute noch Gültigkeit habe
Als Vertreter der Hauptabteilung
Berufsfürsorge beschränkte sich Herr
Bleich auf die Bitte, die Öffentlichkeit
möge die Skepsis gegenüber den Blinden
fallen lassen. Seinen Dank richtete er sowohl
an Herrn Prof. Matthes als auch an die Orga-
nisation der Kriegsblinden, die in ihren Be-
strebungen immer wieder dazu beigetragen
haben, daß neue Arbeitsplätze und Beschäf-
tigungsmöglichkeiten gefunden werden.
Eine ausgezeichnete Ergänzung der bisher
gebotenen Theorie stellte der amerika-
nische Tonfilm „Sehende Hände"
und der deutsche Filmstreifen „Was jeder
wissen muß" dar. Ersterer gab einen Einblick
in die amerikanischen Umschulungsmethoden,
wie alle körperlichen und physischen Kräfte
des Blinden nutzbar gemacht werden, um ihn
nicht nur in den kleinen Dingen des täglichen
Lebens, sondern auch für seinen künftigen
Beruf wieder vollwertig und selbständig zu
machen. Der zweite Film zeigte Kriegsblinde
in weniger bekannten Berufen. Mit erstaun-
licher Sicherheit konnte man den blinden
Schneider, Schuster, Bäcker oder Bauer bei
der Arbeit beobachten.
Aber nicht nur durch Wort und Film wurde
den Vertretern der Betriebe eine Übersicht
der Berufsmöglichkeiten für Blinde gegeben,
auch die Praxis fehlte nicht. In den angren-
zenden Ausstellungsräumen führten blinde
Handwerker und ein Betriebstelefonist ihre
Sicherheit und Fähigkeiten praktisch
vor. Zwei Kriegsblinde, die mittels ihrer
Stenografie die gesamte Protokollführung
während der Veranstaltung übernommen
hatten, zeigten anschließend Übertragungs-
proben und vervollständigten somit das Bild.
Abschließend kann gesagt werden, daß
diese gelungene Werbeveranstaltung sich der
bisherigen Pionierarbeit der Kriegsblinden
würdig anschließt, und wenn hier keine
Spitzenleistungen gezeigt wurden, so hat
diese Werbeveranstaltung den Beweis unter-
strichen, daß mit großer Arbeitsfreude und
hoher Arbeitsmoral die Kriegsblinden ihren
Beruf ausüben und durch die Bereitstellung
weiterer Arbeitsplätze die schönste Aner-
kennung finden würden. Paul Pöhlsen
Unser Blindensekretär ist da
Sprechendes Buch, Aufnahme- und Diktiergerät — Ein Weihnachtsgeschenk?
Im Dezember 1950, also genau vor einem
Jahr, wurde an dieser Stelle erstmalig über
ein neuartiges Blindenhilfsmittel berichtet.
Angeregt durch die Ausstellung auf der Welt-
blindenkonferenz 1949 in Oxford hatte ich
den Entschluß gefaßt, ein gebrauchsfähiges
Magnet-Tongerät zu konstruieren, welches
in seiner Verwendungsmöglichkeit nicht nur
das „Sprechende Buch" und das Diktiergerat
sondern darüber hinaus ein technisches Hilfs-
mittel darstellt, das uns z. B. zeitlich von
unserem sehenden Vorleser unabhängig
macht. Wir haben seinerzeit den Namen
„Blindensekretär" gewählt. Die Entwicklung
der letzten zwei Jahre konnte viele An-
regungen und Wünsche* aus dem Kameraden-
kreis realisieren. Wir haben jetzt endlich
ein Klein-Magnetophon, Typ
KL 15, hergestellt von der AEG,
auf dem Markt. Dieses Gerät ist auf Grund
seines speziellen Stenozusatzes als vollwer-
tiges Diktaphon verwendbar. Es kann zur
Wiedergabe fertig besprochener oder bespiel-
ter Tonbänder benutzt werden. Es ist ohne
weiteres möglich, eine besonders interessante
Rundfunksendung, den Vortrag eines bedeu-
tenden Redners, das Konzert namhafter
Künstler, die Feierstunde in Betrieb und Heim,
ein Fest oder eine abendliche Gesellschaft,
die Stimme ihrer Kinder oder Angehörigen,
eine wichtige geschäftliche Verhandlung oder
ein Diktat für ihre Sekretärin vor ihrer
Abreise naturgetreu und in allen Ton-Nuancen
aufzunehmen und beliebig oft und
jederzeit wieder hörbar zu machen. Unser
Blindensekretär macht uns, wie oben schon
erwähnt, weitgehend vom sehenden Vor-
leser zeitlich unabhängig, denn man kann
ein Buch, Zeitschriften oder Tagesnachrichten
mittels eines Mikrophons jederzeit aufspre-
chen und wir können, wann es uns gefällt,
diese Aufnahmen abhören'. Das besprochene
Tonband kann immer wieder gelöscht wer-
den und ist unbeschränkt für neue Aufnahmen
verwendungsfähig. Das Klein-Magnetophon
ist ein ausgezeichneter Berufshelfer. Gesetzes-
texte usw. können wir ohne den sehenden
Vorleser für uns jederzeit hörbar machen.
Für den blinden Musiker, überhaupt den
blinden Geistesarbeiter, stellt das Gerät
einen Helfer von weittragender Bedeutung
dar.
Nachfolgende technische Einzel-
heiten sollen unserem interessierten Kreis
die längst erwarteten Aufschlüsse geben:
Das Magnetophon-Kleingerät, Type KL 15,
ist ein kombiniertes Aufnahme- und Wieder-
gabe-Gerät in Kofferform, eingebaut in einen
Koffer mit abnehmbarem Deckel. Der Koffer
hat eine Höhe von ca. 185 mm, eine Breite
von ca. 425 mm und eine Tiefe von ca. 325
mm einschl. Deckel. Das Gesamtgewicht des
Geräts beträgt ca. 11 kg. Das in den Koffer
eingebaute Gerät besteht aus dem Laufwerk
und einem Entzerrer/Verstärker. Es arbeitet
für die Aufnahme und die Wiedergabe in
Zusammenschaltung mit einem Wechsel-
strom-R undfunkgerät oder (bei beruf-
licher Verwendung als Diktaphon) mit einem
kleinen Wiedergabegerät. Der Antrieb erfolgt
durch einen Spezial-Asynchronmotor mit
Fliehkraftregelung. Vorgesehen sind Schalt-
möglichkeiten „Aufnahme", „Wiedergabe",
„Halt", „schneller Vorlauf" und „schneller
Rücklauf". Die Schaltung der Betriebsarten
erfolgt mit einem einzigen Drehschalter.
Außerdem ist noch ein sogenannter Diktier-
schalter (Stenozusatz) eingebaut, der ohne
Betätigung des Betriebsarten-Schalters einen
schnellen Übergang „Wiedergabe/Halt" und
umgekehrt und einen Kurzrücklauf zur Wie-
derholung einzelner Stellen gestattet. Er ist
zwecks leichterer Betätigung als Hebelschalter
ausgebildet.
Das Laufwerk ist mit drei Köpfen bestückt
(Löschkopf, Aufnahmekopf und Wiedergabe-
kopf). Bandgeschwindigkeit: 19 cm/sec.,' Dop-
pelspur, Laufzeit einer Spule 2mal 30 Minu-
ten. Als Spulen werden neu entwickelte
Flanschspulen mit einem 'Außendurchmesser
von ca. 180 mm verwendet, die eine Band-
länge von ca. 375 m aufnehmen können.
Nach Ende der ersten Spur sind die Spulen
umzulegen. Nach Durchlauf des Bandes
schaltet der Antrieb automatisch ab. Ein
sogenannter Bandsalat ist nicht mehr möglich.
Der Verstärker ist bestückt mit Röhren
2 x EF 40 und 1 EDD 11 (Hochfrequenz-
Generator). Zur Aussteuerungskontrolle bei
Aufnahme dient ein Magischer Fächer EM 71.
Das Gerät wird mit dem Rundfunkempfänger
oder Wiedergabegerät über zwei zweiadrige
steckbare Leitungen zusammengeschaltet, und
zwar die eine Leitung für Aufnahme an den
zweiten Lautsprecher-Ausgang, die andere
Leitung für Wiedergabe an den Tonabneh-
mer-Anschluß des Rundfunkgeräts. Der Ein-
gang bei Aufnahme ist ausgelegt auf den
hochohmigen zweiten Lautsprecher-Ausgang.
Soll mit Rundfunkgeräten mit niederohmigem
zweiten Lautsprecher-Ausgang zusammen-
geschaltet werden, so wird ein zusätzlicher,
lieferbarer Übertrager dafür benutzt. Die zur
Vollaussteuerung erforderliche Eingangs-
leistung am KL 15 beträgt ca. 30 Volt. Der
Wiedergabe-Ausgang ist ausgelegt für eine
Wiedergabeleistung von ca. 1 Volt an 500
kOhm, (entsprechend Tonabnehmernorm). Das
Gerät arbeitet nach Hochfreguenz-Verfahren.
Als Bandmaterial werden hochempfindliche
Tonbänder mit ansteigender Frequenzkurve
verwendet. Hierfür kommen zur Zeit in Be-
tracht die Type LGH der BASF Ludwigshafen
und die Type FS der Agfa Leverkusen. Mit
beiden Bandsorten erzielt das KL-15-Gerät
eine Frequenzkurve von etwa 50 — 10 000
Herz.
An der Rückseite des Koffergehäuses be-
findet sich eine Klappe, nach deren öffnen
die rückwärtige Schaltplatte des Geräts zu-
gänglich ist. Auf ihr ist die Mikrophon-
anschluß-Buchse und eine Netzanschluß-
Buchse für den Netzstecker des Rundfunk-
gerätes vorgesehen. Als Mikrophon dient
ein Kristall-Mikrophon oder bei höchsten
Anforderungen musikalischer Aufnahmen
das Tauchspulen-Mikrophon. In der Mitte
der Gerätefrontplatte ist ein Wellenstumpf
herausgeführt, der vom Motor mit 78 Um-
drehungen in der Minute angetrieben wird.
Er dient zum Aufsetzen eines Spezial-
Plattentellers.
Weiterhin ist neben der Frontplatte des
Geräts hinten rechts eine Tonarmhalter-
Steckdose zum Aufstecken eines Tonarms
angeordnet. Als Tonarm ist der von Tele-
funken für dieses Gerät entwickelte Kristall-
Tonarm mit Steckanschluß vorgesehen. Diese
Zusatzeinrichtung ermöglicht die Verwendung
des Geräts auch als Plattenspieler
für normale Platten bis zu 30 cm Durchmesser
Die zur Zeit gültigen Listenpreise sind
folgende:
Koffergerät KL 15 komplett, be-
triebsfertig, für Anschluß an 220 Volt/
50 herz einschl. einer leeren Flansch-
spule sowie einschl. Aufsatzhebel
für Stenozusatz und einschl. Röh-
renbestückung 890 DM
für den nachweisbaren Be-
darf von Blinden ermäßigt
sichderPreisauf . . . . 690 DM
Kristall-Mikrophon mit Stecksockel-
Anschluß,, Litze u. Schraubstecker 62 DM
Auf diesen Preis wird bei B 1 i n -
denbedarf ein Nachlaß von
20 °/o gewährt.
Zusätzliche Plattenspieleinrichtung,
bestehend aus Spezial-Plattenteller
und steckbarem Tonarm .... 52 DM
Rabatt für Blinde ebenfalls 20 %>
Spezial-Bedienungsansatz f ü r O h n-
händer, netto 18 DM
Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft
(AEG) hat mich im Rahmen unserer Ver-
handlungen gebeten, die Versorgung der
Blindenorganisationen für das Bundesgebiet
zu übernehmen. Von Seiten der AEG wurde
die Sorge zum Ausdruck gebracht, daß durch
diese Sonderaktion (hiermit ist der Preis-
nachlaß von 200 DM gemeint) eine Beunru-
higung des Marktes bei der Händlerschaft
eintreten könnte. Ich bin gebeten worden,
zum Ausdruck zu bringen, daß bei dieser
Aktion nach eingehenden zentralen Bespre-
chungen im Interesse der karitativen Sache
und im Hinblick auf deren Einmaligkeit alle
am Magnetophonbau und Vertrieb beteilig-
ten Stellen auf den sonst üblichen
Nutzen verzichtet haben.
Wie erhält ein Kriegsblinder das Ge-
rät — wer übernimmt die Kosten? Die zu-
ständigen Hauptfürsorgestellen haben lau-
fend für die Beschaffung von Hilfsgeräten
für Stenotypisten (Dimafone usw.) weit
höhere Beträge als die Kosten des Magneto-
phons aufgebracht. Es ist daher zu emp-
fehlen, einen Antrag zur Kostenübernahme
zu stellen. -,
Für den Kreis blinder Ohnhänder
stellt unser Magnetophon ein einmaliges
Hilfsmittel von allergrößter Bedeutung dar.
Ich glaube bestimmt, daß sich keine öftent-
Das Klein-Magnetophon im
Koller, ein von der AEG
unter täliger Mitarbeit un-
seres Kameraden Schramm
entwickeltes Gerät, stellt das
erste verkäulliche „spre-
chende Buch" dar, das auch
anspruchsvollsten Anforde-
rungen genügt. Es kann nicht
nur zur Wiedergabe von
Tonbändern bei einstündiger
Spieldauer benutzt werden,
sondern auch zur Aufnahme
von Texten (Diktaten oder
Unterhaltungen). Besondere
Vorrichtungen erlauben die
Benutzung lür erblindete Ste-
notypisten. Der Sonderpreis
für Blinde beträgt 690 DM.
liehe Stelle einem . Antrag verschließen
könnte, um unseren Schwerstbeschädigten
Kameraden endlich ein Hilfsmittel zu geben.
Wenn man bedenkt, daß für jeden Bürsten-
macher fast 700 DM an Arbeitsgerät ver-.
ausgabt werden, so dürfte ein Antrag eines
kriegsblinden Ohnhänders mit Vorrang Be-
rücksichtigung erfahren. Ich muß es im ein-
zelnen jedem Kameraden überlassen, einen
Kostenträger zur Beschaffung unseres Blin-
densekretärs zu finden und empfehle, gege-
benenfalls die Vermittlung des Landesver-
bandsleiters anzurufen.
Ich habe mich entschlossen, unter mei-
ner Firma: Ing. Alfons Schramm,
Rundfunk-Elektrogroßhandlung, Elektrotech-
nische Spezial-Werkstätten, Freiburg i.
Br., Kirner Straße 11, Tel. 2666, Telegramm-
Adresse Funkschramm Freiburgbreisgau, an
alle Blinden des Bundesgebietes das Gerät
einschließlich Zubehör zu einem Sonder-
preis zu vermitteln. Den Vertretern der
Hauptfürsorgestellen ist anläßlich einer Ta-
gung in Wiesbaden unser Blindensekretär
vorgeführt worden. Unser Prospektmaterial
ist an allen Hauptfürsorgestellen des Bun-
desgebietes versandt worden.
Ich hoffe, daß nach zweijähriger Arbeit
endlich das so lang ersehnte Hilfsmittel für
den Kreis der Blinden in weitem Umfange
zur Verfügung gestellt werden kann. Die
Einrichtung unserer Leihbibliothek ist An-
gelegenheit der nahen Zukunft. Wir haben
in gemeinsamer Arbeit mit Schweizer Kol-
legen bereits mehrere Hörspiele auf Ton-
band aufgenommen. Leihbänder können lei-
der vorerst nur in beschränktem Umfange
zur Verfügung gestellt werden, da der Auf-
bau einer Bibliothek eines staatlichen Zu-
schusses bedarf. Ing. Alfons Schramm.
Die Erleichterungen für blinde Funkamateure
Wer wagt den Ruf in den Äther? — Eine interessante Feierabendbeschäftigung
Im Juliheft unserer Zeitschrift veröffent-
lichten wir einen Aufsatz unseres Kameraden
Otto Back aus Düsseldorf zum Thema „Der
blinde Sendeamateur". Aus Zuschriften ist
zu entnehmen, daß einige Kameraden sich
ernsthaft mit dieser interessanten Feier-
abendbeschäftigung befassen wollen. So
schreibt uns der Kriegsblinde Paul G r y -
w a t z aus Schwarzenbeck (Kr. Herzogtum
Lauenburg), der bei Kriegsende als Vier-
zehnjähriger erblindete und der deshalb, im
Gegensatz zu manchem Kameraden, früher
nichts gelernt hat, was zu diesem Sport ge-
hört: „Es ist schon einige Jahre her, daß
ich eines Tages Amateure senden hörte, die
ich um diese Möglichkeit sehr beneidete.
Seitdem lasse ich nichts unversucht, auch mit
zu den Glücklichen zu gehören, die ihr Ruf-
zeichen in den Äther geben können und die
dann die Antwort eines fremden Menschen
hören. Gerade wenn man etwas einsam lebt,
tut es gut, auf diese Weise Verbindung mit
anderen Menschen zu bekommen und über-
und ihre tägliche Freude, das ist
der Wäscheschrank mit seiner
blütenweißen Pracht; besonders,
wenn die guten Webwaren
aus Haagen ihn füllen. Wir
machen Ihnen die Anschaffung
durch unsere i niedrigen Preise
wirklich leicht.
Awssteuerwäsche jeder Art
Stoffe, Fertigkleidung
warme Sachen für den
Herbst
In wohlbekannter , Güte zeigt
Ihnen in großer Auswahl unier
reich bebilderter Katalog. Sie
erhalten denselben
völlig kostenlos.
Postkarte genügt!
Jexfil Manufaktur Haagtn
kW ilhelm Schöpf lin
haupt die Freundschaft unter den Menschen
zu fördern. Nun kamen im Juliheft unserer
Zeitschrift all meine Wünsche wieder zum
Ausdruck und dazu eine große Ermutigung,
daß wir Erblindeten von der Behörde Erleich-
terungen erführen. Bisher hieß es immer,
ein Sendeamateur müsse seinen TX — ent-
schuldigen Sie, TX heißt „Sender" in der
Amateursprache — selbst reparieren können
und noch allerlei weiteren Anforderungen
gewachsen sein, die für uns undurchführbar
sind. Ich habe nun auf Grund dieses Artikels
versucht, einen Sender zu erhalten, und das
hat auch geklappt. Ich besitze ein englisches
Gerät, welches für unsereinen den Vorteil
hat, daß es kombiniert ist, also Sender und
Empfänger zugleich ist. Wenn ich einen Sen-
der höre, der einen allgemeinen Anruf her-
ausgibt, kann ich ihn einschalten und auf der
Welle des Anrufers bleiben. Die Techniker
unter den Kameraden wird es interessieren,
daß dieses Gerät „Ws 19 MK 3" heißt. Es ist
ein 25-Watt-Sender, der aber durch einen
kleinen Umbau mit anderen Röhren (P 30
und P 50) versehen und auf eine höhere
Leistung gebracht werden kann. Noch bin ich
Laie und beherrsche mein Gerät noch nicht
ausreichend, auch muß ich mich mit Hilfe
des Deutschen Amateur-Sende-Klubs noch im
Morsen üben, doch stellte ich fest, daß man
seitens des Klubs offenbar befürchtet, wir
Kriegsblinden könnten wegen unserer Be-
hinderung den Amateurfunk stören, weil wir
die Wellen nicht richtig einstellen könnten.
Gern würde ich den Gegenbeweis erbringen!
Im übrigen aber bemerkte ich bereits seitens
der jetzt lizenzierten sehenden Amateure, daß
diese sich mehr Störungen leisten, als sie uns
bei unserem feineren Gefühl und feineren
Gehör später passieren werden. Ich denke
dabei vor allem an den Telefoniefunk, also
den Sprechfunk, da ich hinsichtlich der Tele-
grafie noch nicht genügend Übung habe.
übrigens möchte ich noch kurz zu dem
Vorschlag des Kam. Back, einen Blindenrund-
funk mit einem Blindensender einzurichten,
meine Ablehnung äußern, denn das würde
uns Erblindete weiterhin von den Sehenden
trennen. Wir sollten auch unsere Wünsche
nicht höher hinaufschrauben als uns gut ist.
Bei meinen Rückfragen wegen der Ama-
teurprüfung hatte ich bei der zuständigen
Oberpostdirektion leider Schwierigkeiten.
Können Sie nicht den Text der Ver-
ordnung, von der Sie in den „Kleinen
Neuigkeiten" des Augustheftes sprechen,
einmal abdrucken?"
Die Schriftleitung hat sich dieser und an-
derer Anfragen wegen an das Bundes-
ministerium für das Post- und
Fernmeldewesen gewandt, das uns
mit Schreiben vom 26. Oktober 1951 den
Text einer Verfügung zustellte, die durch
Anfragen des blinden Sendeamateurs Hein-
rich Bindseil aus Stuttgart veranlaßt worden
ist. Diese Verfügung ist an alle Oberpost-
direktionen und an das Fernmeldetechnische
Zentralamt, Darmstadt, gegangen. Wir dan-
ken auch an dieser Stelle dem Bundespost-
ministerium für das verständnisvolle Ent-
gegenkommen und empfehlen allen inter-
essierten Kameraden, sich mit dem, für den
Wohnort zuständigen Deutschen Amateur-
Sende-Klub in Verbindung zu setzen.
Verfügung des Bundespostministers
Vom Bundesministerium für das Post- und
Fernmeldewesen ist am 13. 4. 1950 eine Ver-
fügung ergangen, die folgenden Wortlaut hat:
„Bei Abnahme der Prüfung von Blinden,
die die Sendegenehmigüng für Funkamateure
beantragt haben, können Erleichterungen
gewährt werden, die dem- körperlichen Ge-
brechen der Antragsteller in großzügiger
Weise Rechnung tragen. Es müssen jedoch
Grundkenntnisse der physikalischen Vor-
gänge in der Sende- und Empfangstechnik,
der internationalen Abwicklung des Amateur-
funkverkehrs (Q-Code und Abkürzungen) so-
wie der gesetzlichen Bestimmungen nach-
gewiesen werden.
Die Einhaltung der internationalen und
deutschen Vorschriften bezüglich der Erler-
nung des Morsens ist auch von Blinden zu
fordern. Es ist darauf hinzuweisen, daß sich
die Betätigungsmöglichkeiten dadurch erheb-
lich erweitern. Auch bei der Morseprüfung
ist weitgehend darauf Rücksicht zu nehmen,
daß der Antragsteller das Augenlicht ent-
behrt.
Zugeständnisse hinsichtlich der Inhalts der
Sendungen können schon wegen der im In-
ternationalen Fernmeldevertrag Atlantic City
festgelegten Vorschriften von uns nicht ge-
macht werden. Die Bestimmungen des Kap.
XVI Art. 42 § 2 (1) VO Funk zum IFV und
des § 1 (2) AFuG sind daher einzuhalten.
Blinden kann auf Antrag in besonders
begründeten Fällen die Befreiung von der
laufenden monatlichen Gebühr für die Sende-
genehmigung zugestanden werden. Die Vf.
HC 2 5332-2/2 Nr. 2327 vom 1. 12 1949 bleibt
jedoch für alle übrigen Fälle unverändert
bestehen.
Die Frage der zu verwendenden Sende-
geräte ist vor Abhaltung der Prüfung zu
klären. Die Genehmigung soll nur dann er-
teilt werden, wenn Sender verwendet wer-
den,- die entweder ausschließlich die Ama-
teurbereiche bestreichen können oder mit
Steuerquarzen für bestimmte Frequenzen in
den Amateurbereichen betrieben werden."
Die Geschichte einer Versöhnung
Im Sommer 1944 wurde über Klagenfurth
eine amerikanische Superfestung durch einen
Volltreffer der schweren Flak abgeschossen.
Unter den im Fallschirm abgesprungenen
Piloten befand sich der Funker Joseph
Goldyn, der durch die Verletzungen sein
Augenlicht verlor. Dieser amerikanische
Kriegsblinde kehrte kürzlich als Gast
nach Österreich zurück und besuchte
jeden einzelnen der früheren Kanoniere jener
Flakabteilung, nachdem durch mühsame Er-
mittlungen die Anschriften festgestellt waren.
Der Kriegsblinde schloß mit den ehemaligen
Gegnern Freundschaft. Wohin ihn sein Weg
führte, hielt er Vorträge. Neun ehemalige
Flakkanoniere erklärten sich unabhängig
voneinander dazu bereit, für den Amerikaner
ein Auge zu spenden — leider ein sehr
utopisches Angebot, das nach dem Stande der
Medizin nichts als eine Geste sein kann.
Nach wochenlangem Aufenthalt hat dieser
amerikanische Kriegsblinde nunmehr im
November eine 17jährige Österreicherin in
Wien geheiratet, die als elfjähriges Mädchen
im Walde Holz sammelte und dabei zufällig
einen amerikanischen Blindgänger zur Explor
sion brachte, ganz in der Nähe jener Stelle,
bei der der Amerikaner sein Augenlicht ver-
lor. Das Mädchen büßte ein Äuge ein und
wurde an einem Bein verletzt.
Gegen den Blindenwaren-Schwindel
Ein richtungweisender Erlaß in Württemberg-Baden
Es darf davon ausgegangen werden, daß
es auch heute im öffentlichen Interesse liegt,
echte Blindenarbeit zu fördern und die M i ß -
stände im B 1 i n d e n w a r e n h a n d e 1
raschmöglichst zu beseitigen. Wie sehr die
Kriegs- und Zivilblinden unter der unbefrie-
digenden Rechtslage leiden, ist in dem Auf-
satz „Um eine Neuordnung im Blindenwaren-
handel. — Eine Darstellung der Rechtsgrund-
lagen mit Vorschlägen zur Beseitigung der
Mißstände im Vertrieb mit Bedarfsgütern,
die von Blinden hergestellt werden kön-
nen"*) — erläutert worden.
Die Vorschläge zur Beseitigung der Miß-
stände haben wohl anerkennendes Echo ge-
funden. Ihre Verwirklichung scheitert offen-
bar an gewissen dekartellierungsrechtlichen
Bedenken verschiedener Regierungsstellen. In
diesem Chaos gedeiht der wilde Blindenwaren-
handel um so üppiger. Das Land wird von
Vertreterkolonnen überschwemmt. Der Fach-
mann wundert sich, woher diese Massen von
angeblich handgearbeiteten Blindenwaren
kommen, die in Wirklichkeit zum großen Teil
Fabrikwaren und gestanzte Fertigwaren
Sehender sind. Als Blindenwaren gelten nach
§ 56a der Gewerbeordnung nur solche Er-
zeugnisse, bei denen Blinde die das Erzeug-
nis in seinen wesentlichen Merkmalen be-
stimmenden Arbeiten verrichtet haben. Ver-
sehrtenwerke und Blindenbetriebe werden
überall eröffnet. Der größte Teil dieser
Betriebe macht mit ein paar Blinden
als Aushängeschild lukrative Ge-
schäfte. Auf einen Blinden werden zwei bis
drei Vertreter beschäftigt, während in Wirk-
lichkeit ein blinder Handwerker höchsten-
falls einen Vertreter zu beschäftigen im-
stande ist. Diese Blindenwarenfabriken zäh-
len auch sehr hohe Provisionssätze; die in
der Deutschen Blindenarbeit e. V. zusam-
mengefaßten blinden Handwerker können
und wollen über einen Provisionssatz von
20°/o nicht hinausgehen. Die Folge ist, daß
es heute schon schwer ist, tüchtige Ver-
trete r für den Absatz der von den Blinden
hergestellten Erzeugnisse zu finden. Es er-
gibt sich das merkwürdige Bild, daß die
Arbeit für die Blinden und die Absatz-
möglichkeiten für die Blindenwaren in aus-
reichendem Umfang vorhanden wäre, daß
der Käufer aber, durch Erfahrungen klug und
mißtrauisch zugleich geworden, mit dem Kauf
von Blindenwaren zögert und lieber nichts
einkauft, als sich von Schwindlern mit über-
teuerten Waren übertölpeln zu lassen. Der
Absatz von reellen Blindenwaren geht von
Monat zu Monat, von Woche zu Woche in
einem steten Umfang zurück. Mit mathema-
tischer Genauigkeit läßt sich der Tag errech-
nen, an dem ein zur Geduld erzogenes, aber
unwillig gewordenes Blindenheer Abhilfe die-
ser Mißstände und die Sicherung seiner
Existenzgrundlage durch ausreichende Arbeit
fordert. Muß es so weit kommen?
Im Land Württemberg-Baden sind
die maßgeblichen Stellen der Wirtschaftsver-
waltung nicht gewillt, diese Mißstände län-
ger hinzunehmen. Weil Taten schwerer wie-
gen als Versprechungen und weil in abseh-
barer Zeit mi't einer gesetzlichen Regelung
der Materie auf Bundesebene kaum zu rech-
nen ist, wurden angesichts der Dringlichkeit
dieser Frage alle Bedenken zurückgestellt
und ein Erlaß vorbereitet, der sich eingehend
mit der Klärung dieses Problems beschäftigt.
Der Erlaß, dessen Wortlaut nachstehend ver-
öffentlicht wird, geht von der Feststellung
aus, daß das Verbot des § 56 a, Abs. 2,
1. Abschn. der Gewerbeordnung, mit Blinden-
waren zu handeln, nach wie vor Gültig-
keit hat. Da es aber natürlich unsinnig und
den Interessen der Blinden gerade entgegen-
gesetzt wäre, den Blindenwarenhandel in
summa zu verbieten, werden von diesem
Verbot Ausnahmen bis zum Erlaß einer
bundesgesetzlichen Neuregelung in denjeni-
gen Fällen gemacht, in denen die Blinden-
ware mit dem patentamtlich geschützten Blin-
denwarenzeichen (zwei nach der Sonne grei-
fende Hände) versehen sind und der Wander-
gewerbetreibende den gelben Einheitsaus-
weis der dem genannten Verein angeschlos-
senen Blindenorganisation besitzt. Vertreter,
die in der Deutschen Blindenarbeit organi-
siert sind, können somit unbehelligt,'
selbstverständlich im Rahmen und unter Ein-
haltung der gesetzlichen Vorschriften, die
Erzeugniss« der von ihnen vertretenen Blin-
den oder Blindengenossenschaften absetzen.
Dagegen ist grundsätzlich in allen anderen
Fällen die Berechtigung zum Blindenwaren-
handel genau zu prüfen und gegen Miß-
bräuche unter Anwendung der in dem Erlaß
aufgeführten Strafbestimmungen un-
verzüglich und mit Nachdruck einzuschreiten.
Der Erlaß soll zweierlei be-
zwecken:
1. den Schutz von reellen Blindenwaren, die
von den Blinden vertrieben werden, die
sich einer freiwilligen Selbstkontrolle un-
terwerfen, also in der Deutschen
Blindenarbeit e. V. zusammenge-
schlossen sind.
2. Die Ausmerzung aller jener Zeitblüten,
die unter Zuhilfenahme gutgläubiger Blin-
der diese als Aushängeschild be-
nutzen, um erhebliche Profite unter Anruf
des Mitleids der Bevölkerung einzu-
stecken, indem sie, neben einem gering-
fügigen Anteil an Blindenwaren, in der
Hauptsache von Sehenden hergestellte
Zusatzwaren ebenfalls als Blindenware
überteuert vertreiben.
Der Erlaß soll aber auch eine Kontrolle
aller am Blindenwarenhandel Beteiligten ge-
statten und damit die Wiedereinführung ge-
sunder, reeller Geschäftsmethoden im Rah-
men einer freien aber sauberen Konkurrenz
ermöglichen. Die rücksichtslose Be-
strafung aller der Elemente, die sich auf
Kosten der Blinden bereichern zu können
glauben, durch scharfe Anwendung der ge-
setzlichen Strafbestimmungen soll der Haupt-
zweck des an alle württembergischen und
badischen Landrats- und Bürgermeisterämter
und die Landespolizeidirektionen und Polizei-
ämter gerichteten Erlasses sein.
Der Erlaß hat folgenden Wort-
laut:
„Nach § 56a Abs. 2 GewO in Verbindung mit
der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung
vom 1. 10. 1934 (RGBl. I S. 868) I 6. 4. 1940
(RGBl. 1 S. 623) ist im Wandergewerbe der Hin-
weis auf die Herstellung der Waren durch Blinde
oder auf die Fürsorge lür solche nur unter be-
Btimmten Voraussetzungen gestattet. Diese zum
Schutze des echten Blindenhandwerks getroffene
Regelung wurde dadurch entwertet, daß der ehe-
malige Reichsverband lür das Blindenhandwerk,
der das amtlich vorgeschriebene Blindenwaren-
zeichen verliehen hat, aus dekartellierungsrecht-
lichen Gründen im Jahre 1945 aufgelöst werden
mußte. Die praktisch an seine Stelle getretene
„Deutsche Blindenarbeit e. V." beruht auf frei-
williger Mitgliedschaft. Da sie keine amtlichen
Funktionen besitzt, ist sie nicht in der Lage,
Mißbräuche zu unterbinden, die hauptsächlich darin
bestehen, daß in großem Umfang Erzeugnisse,
die nicht von Blinden stammen, als Blindenware
mit zum Teil überteuerten Preisen bei mangel-
hafter Qualität vertrieben werden. Um die dem
echten Blindenhandwerk dadurch entstehende
schwere ideelle und materielle Schädigung zu
unterbinden, wird auf folgendes hingewiesen:
1. Das Verbot des Feilhaltens von Waren und
das Aufsuchen von Bestellungen auf Waren im
Umherziehen unter Bezugnahme auf die Beschäf-
tigung von Blinden oder auf die Fürsorge lür
solche besteht nach wie vor und muß grundsätz-
lich durchgeführt werden. Zuwiderhandlungen sind
gemäß §148 Ziff. 7a GewO strafbar. In beson-
deren Fällen kann gleichzeitig der Tatbestand des
Betruges oder des § 4 UWG gegeben sein.
2. Bis zum Erlaß einer gesetzlichen Neuregelung
kann von der Durchführung dieses Verbots ab-
gesehen werden, wenn folgende Voraussetzungen
erfüllt sind:
a) Die Ware muß von Blinden handwerksmäßig
hergestellt sein. Soiern sie mit dem patentamtlich
geschützten Blindenwarenzeichen der „Deutschen
Blindenarbeit e. V." (zwei nach der Sonne grei-
fende Hände) versehen ist und der Wander-
gewerbetreibende außerdem den gelben Einheits-
ausweis der diesem Verband angeschlossenen Blin-
denorganisationen besitzt, kann grundsätzlich an-
genommen werden, daß es sich um echte Blinden-
ware handelt. In anderen Fällen ist diese Vor-
aussetzung in geeigneter Weise unter besonderer
Beachtung der Bestimmungen in Abs. b) und c)
zu prüfen.
b) Die Ware muß die Ursprungszeichnung der
Stelle tragen, die sie zuerst in den Verkehr bringt;
sie muß also erkennen lassen, woher sie stammt.
Damit ist die Möglichkeit einer Nachprüfung ge-
geben, von der nötigenfalls Gebrauch zu machen
ist.
c) Neben der Blindenware dürfen Handels- oder
Fabrikwaren nur zusätzlich, d. h. in unleigeord-
netem Umlang (bis zu rund 25 % des Wertes der
mitgelührten Waren), angeboten werden. Sie
müssen überdies deutlich als Nichtblindenwaren
kenntlich sein. Aul die Einhaltung dieser Be-
stimmung, gegen die häufig verstoßen wird, ist
nach Möglichkeit besonders zu achten. Zusatz-
waren sind vor allem sämtliche Waren, die ihrer
Art nach nicht von Blinden hergestellt sein können
(z. B. gestanzte Bürsten, Seifen, Gummischürzen).
Ich bitte, den ambulanten Handel mit Blinden-
waren in Zukunft nach diesen Richtlinien zu über-
wachen und die Vollzugsbeamten mit den erfor-
derlichen Weisungen zu versehen. Falls Schwie-
rigkeiten aultreten, bitte ich zu berichten."
Reg. -Oberinspektor Norbert M a h 1 e r
(Stuttgart)
Die Wissenschaft hilft dem Praktiker
Ein hervorragendes Werk über den Führhund
i
*) „Der Kriegsblinde", Heft 10, Juni 1951, S. 1— 3
Das Streben, die hundlichen Leistungen zu
steigern und die Arbeit daran ist nach dem
Kriege noch nicht wieder voll in Gang ge-
kommen. Die „Gesellschaft für
Hundeforschung", Sitz Hamburg, hat
nun in dieser Richtung einen Schritt vorwärts
getan. In ihrer Zeitschrift (Band XIX, 1951)
hat sie einen im Blindenführhundwesen
durch und durch erfahrenen Praktiker das
Wort zu wichtigen Ausführungen gegeben.
Dr. Heinz Brüll, Assistent am Institut
für Umweltforschung der Universität Ham-
burg, stand im zweiten Weltkrieg der Blin-
in der Mark
Leitung 3 8 5
denführhundstaffel Biesenthal
vor, an welcher unter seiner
Kriegsblinde mit Führhunden ausgebil
det wurden und zwar, wie bei allen der ehe-
maligen Wehrmacht unterstehenden Schulen,
nach dem Verfahren v. Uexküll-Sarris, also
unter Anwendung des Führhundwagens.
Aus jedem Wort der Brüllschen Arbeit
spricht der Praktiker, aber nicht der ein-
seitige Praktiker, sondern einer, der über das
unentbehrliche wissenschaftlich geschulte
Fachwissen verfügt, ohne welches die bei
der Verwendung von Leistungshunden vor-
WITT
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(Opf.) 60
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der Art Deutschlands
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auf Wunsch Preisliste
liegenden Probleme nicht tiefgründig erfaßt entziehen kann
werden können. Tun oder Lassen.
richtung des Führhun-
des geschaffen hat.
Heute weiß jeder, daß
eine, allen Anforde-
rungen an zuverlässige
hundliche Leistungen
entsprechende Abrich-
tung ohne Hindernis-
garten nicht möglich
ist. Und welchen Fort-
schritt bietet der Führ-
hundwagen, auch
künstlicher Mensch ge-
nannt! Brüll hat ihn
wesentlich verbessert.
Im einschlägigen
Schrifttum ist einmal
der Nutzen des Führ-
hundwagens wie folgt
begründet worden: Bei
dessen Verwendung
gehe der bei der Ab-
richtung nun einmal
unvermeidliche Zwang
vom Abrichter auf den
künstlichen Menschen
über, und damit ent-
falle die bei Zwang-
anwendung entste-
hende Angst des Hun-
des vor dem Abrichter.
Hierzu ist zu sagen:
Bei jeder Zwang-
anwendung entsteht
anfänglich Angst des
Hundes. Sie schwindet
jedoch bei fortschrei-
tender Abrichtung
mehr und mehr und
hört vollkommen auf,
sobald der Hund durch
die Abrichter-Einwir-
kungen gelernt hat,
daß er sich dem Zwang
durch ein bestimmtes
Der so unheilvolle Störenfried bei der Ab-
richtung und Führung: die Vermensch-
lichung des Hundes, die noch immer ihr Un-
wesen treibt, ist von Brüll gründlich ausge-
merzt. Ein großer Fortschritt! Einleitend hebt
Brüll hervor, daß das natürliche Verhalten
des Hundes beim Abrichten zum Führen Er-
blindeter erheblich unterdrückt werden und
daß die hundliche Bewegungsfreiheit stark
eingeschränkt werden muß.
Der Führhund wird durch die Abrichtung
in einen anderen Raum versetzt, insofern
„als der mit nur wenigen Hindernissen aus-
gestattete Raum des Hundes zusätzlich mit
all den Hindernissen angefüllt wird, die sonst
für ihn von keinerlei, für den Menschen da-
gegen von um so größerer Bedeutung sind."
Das Werk Brülls enthält zwei Hauptab-
schnitte: „Biologische Grundlagen der Ab-
richtung des Hundes" und „Die Versorgung
Späterblindeter mit Führhunden." Die letz-
tere Themenbenennung zeigt vor allem, wie
wichtig diese Schrift auch für die Versor-
gungs- und Fürsorgebehörden ist!
Der bedeutsame Inhalt beider Abschnitte
kann im Rahmen dieser Besprechung nur in
groben Umrissen wiedergegeben werden.
Im ersten Abschnitt weist Brüll mit Nach-
druck darauf hin, wie wichtig die Unterord-
nungsübungen für das zuverlässige Arbeiten
des Führhundes sind. „Das Herankommen",
heißt es, „kann nicht oft genug geübt wer-
den." Bei seinen Ausführungen über die
Abrichtung folgt Brüll der Dressurlehre von
Most und verweist dabei auf dessen grund-
legendes Abrichtebuch.
über Haltung, Pflege und Fütterung wer-
den sodann wichtige Richtlinien gegeben.
Es folgt die eingehende Darstellung der
Hindernis-Abrichtung nach dem Verfahren
v. Uexküll-Sarris und Angaben über die
erforderlichen Abrichtegeräte. Brüll ist.es,
der den Hindernisgarten zur Ab-
Nun ist Zwang, der vom Abrichter un-
mittelbar ausgeht und die durch diesen
Zwang anfänglich eintretende Angst — man
denke an die Unterordnungsübungen — so-
gar erwünscht! Denn allein durch Zwang,
ausgeübt auf den Hund durch den Leithund
Mensch, wird die unerläßliche, bedingungs-
lose Unterordnung erzielt. Es ist also un-
mittelbar vom Abrichter ausgehender
Zwang, wie er bei der Hindernisabrichtung
ohne Führhundwagen nötig wird, an sich
von keinerlei Nachteil! Dies allerdings nur
unter der Voraussetzung, daß der Zwang
richtig angewandt wird.
Weil dies aber heute durchaus nicht
durchweg gewährleistet ist, schützt die Be-
nutzung eines künstlichen Menschen vor
falscher Zwanganwendung. Das ist der
eine Vorteil des Verfahrens v. Uexküll-
Sarris. Ein weiterer, nicht hoch genug ein-
zuschätzender Nutzen dieses Verfahrens be-
ruht in folgendem: Die Abrichtung auf Hin-
dernisse wird sozusagen objektiviert. Zwar
sind die beiden so schädlichen Abrichte-
fehler: die Kenntnis des Abrichters von der
Lösung der dem Hund gestellten Aufgabe
sowie die Unkenntnis des Abrichters über
die von ihm auf den Hund ausgehenden
wirksamen Sinnesreize durch die Most-
s c h e Abrichtelehre weitgehend beseitigt
worden, doch erfordert das Vermeiden un-
willkürlicher und oft unbewußter Körper-
bewegungen und -haltungen des Abrichters,
wenn er mit dem lernenden Hund in die
Nähe von Hindernissen gelangt, einen hohen
Grad von Selbstbeherrschung, um zu ver-
hindern, daß der „Bewegungsseher Hund",
anstatt auf die Hindernisse, auf die
Körperbewegungen und -haltungen seines
Abrichters eingestellt wird. Diesem
subjektiven, menschlichen Unvollkommen-
heiten oft unterliegenden Abricht&verfahren
steht nun das durch den Führhundwagen
ermöglichte, objektive mit großem Vorteil
gegenüber. Denn eine Maschine hat kein
Gehirn und keine Nerven, ihr fehlt die
(Körperbewegungen auslösende) Erwartungs-
spannung in der Nähe von Hindernissen.
Damit ist gesichert, daß Sinnesreize, die den
Hund verwirren, vermieden werden. Eine
Maschine arbeitet eben maschinenmäßig, wie
es für den vorliegenden Fall das 'Wünsch-
barste im Sinne des Abrichtezieles ist.
Aber beileibe darf man das Maschinen-
mäßige nicht auf den Hund selbst über-
tragen. Mit Recht warnt Brüll im zweiten
Teil seines Buches („Die Versorgung Spät-
erblindeter mit Führhunden") vor der Illu-
sion: „mit dem Führhund eine exakt arbei-
tende Maschine in die Hand zu bekommen,
an die man sich träumenderweise nur an-
zuhängen braucht, um überall hinzugelan-
gen". Der Hund ist ein Geschöpf, in dem
Verstand, Gefühle und Triebe wohnen, das
Gedächtnis hat, das lernt, freilich auf an-
dere Weise, als der Mensch es vermag, das
aber auch vergißt, kurz, dessen Seelenleben
man kennen muß, um zu einer seinem Auf-
fassungsvermögen angepaßten Verständi-
gung zu gelangen. Deshalb hängt von der
fachmännischen Handhabung der Abrichtung
und nicht zuletzt von ebensolcher Aus-
bildung der Blinden so viel ab, um
Führer und Hund in eine Einheit zu ver-
schmelzen. Und deshalb weist Brüll darauf
hin, daß das Führhundproblem in seiner
Gesamtheit als „Zweig der angewandten
Biologie und Psychologie" anzusehen ist.
Nicht als ob etwa Abrichter und Führer von
Blindenführhunden Wissenschaftler sein,
oder in die Wissenschaft eindringen müß-
ten, nein, die Wissenschaft und in der Regel
allein die Wissenschaft ist jedoch in der
Lage, Fortschritte zu erarbeiten und für
jedermann Verständliches dem Praktiker
in die Hand zu geben. Das Verfahren
v. -Uexküll-Sarris und der Brüllsche Führ-
hundwagen sowie sein Hindernisgarten sind
Beweise genug dafür.
Wie wichtig sind in diesem Zusammen-
hang die Ausführungen Brülls über die zu
berücksichtigenden seelischen Verschieden-
heiten der Menschen im Hinblick auf die
Führung von Hunden, über die Raumbe-
herrschung, über Bewegungssicherheit und
Bewegungsangst, über die besonderen Er-
schwerungen bei Versorgung und Einarbeit
Späterblindeter mit Führhunden!
Unter diesen Gesichtspunkt fallen beson-
ders diejenigen, welche neben der Erblin-
dung noch zusätzliche Verletzungen (Arm-
und Beinamputation, Hirnverletzung) davon-
getragen haben.
An einer großen Anzahl von Beispielen
aus der Praxis werden diese Themen ein-
gehend behandelt und alles läuft darauf hin-
aus, ein harmonisches Zusammenwirken von
Mensch und Hund zu erreichen, damit der
Erblindete mit Hilfe des Führhundes seine
Selbständigkeit wieder erlangt.
Das aufs wärmste zu empfehlende Buch
Brülls: „Der Blindenführhund, ein Leit-
faden für seine Abrichtung und Zuteilung an
Späterblindete" umfaßt 64 Seiten mit 16 Ab-
bildungen. (Verlag Dr. Paul Schöps, Frank-
furt a. M.) Preis 7,50 DM. Konrad Most
Die Kriegserblindung der# Zukunft?
Wird die Kriegserblindung der Zukunft
vornehmlich von der Atombombe her-
rühren? Schon in Hiroshima zeigten sich selt-
same Augenerkrankungen und Erblindun-
gen. Nun macht man ähnliche Erfahrungen in
Las Vegas (USA), das 120 km vom Atom-
bomben-Versuchsplatz entfernt liegt. Hier
haben bereits fünf Frauen auf unerklärliche
Weise ihr Augenlicht verloren. Wahrschein-
lich hängen diese Erblindungen damit zu-
sammen, daß diese Frauen Nickelbrillen tru-
gen, zumal bei Männern Lähmungserschei-
nungen eintraten, dort, wo sie Gegenstände
aus Nickel trugen.
UDaruvn sind rCriegsolindenenen glücltlicher?
Vor kurzem gab ein Kriegsverletzter, dem
es darauf ankam, in tendenziöser Weise
eine Wertung der Schwere des Schicksals
von einem Kriegsblinden und einem Hirn-
verletzten zu geben, folgende kleine Ge-
schichte zum besten:
Ihn habe ein junges Mädchen schriftlich
gefragt, ob sie lieber einen Kriegsblinden
oder einen Hirnverletzten heiraten solle, und
er habe geantwortet, sie solle lieber einen
Kriegsblinden heiraten, da erfahrungsgemäß
die Ehe mit Kriegsblinden glücklicher aus-
falle als mit Hirnverletzten. Abgesehen da-
von, daß eine solche Fragestellung über-
haupt an dem inneren Wesenskern der Ehe
vorübergeht, zeugt die Antwort von der
gleichen Oberflächlichkeit, mit der die
Frage gestellt wurde. So ist dem Wesen
und dem Problem der Kriegsblindenehe nicht
näherzukommen. Zugegeben — mögen uns
auch darüber genauere Zahlen fehlen — , daß
die Ehen mit Kriegsblinden meist glücklicher
verlaufen als die von Hirnverletzten, ja, so-
gar zugegeben, daß nach unseren genauen
Kenntnissen des Verlaufs von Kriegsblinden-
ehen nach dem ersten Weltkrieg es stimmt,
daß Kriegsblindenehen prozentual glücklicher
verlaufen als die uns bekannten Prozent-
sätze bei den Ehen der Sehenden und
gesunden Menschen, so beweist das letztere
gerade, daß durch diese Feststellungen kei-
nerlei Bewertung der Schwere des
Schicksals gegeben ist.
Vielmehr muß gerade behauptet werden,
daß die — wenigstens in der Bewertung der
Sehenden — besondere Schwere des Schick-
sals der Kriegsblinden nur innerlich sehr
reife Frauen den Entschluß fassen läßt,
einen nach ihrer Auffassung so schwer vom
Schicksal getroffenen Menschen zu heiraten.
Diese Feststellung bestätigt aber eine weitere
von uns gemachte Erfahrung, daß gerade die
nach der Erblindung geschlossenen Ehen
in der Regel glücklicher verlaufen als die
Ehen, die schon vor der Erblindung geschlos-
sen waren. Dies ist nur daraus zu erklären,
daß die Frauen, die den Kriegsblinden heira-
ten, von vornherein sich der Schwere
ihrer Aufgabe bewußt sind. Sie wollen ihrem
Mann nun helfen, dies schwere Schicksal
leichter zu ertragen, während die Frauen,
die mit einem Sehenden verheiratet waren,
der nun aus dem Krieg als Blinder heim-
kehrt, dessen schwere Verwundung nicht nur
als Schicksalsschlag des Mannes empfinden,
sondern als einen Schlag des Schicksals, der
sie selbst betroffen hat und den sie erst
selbst für sich überwinden müssen.
Leider muß gesagt werden, daß sehr viele
Frauen hier viel zuviel Kräfte zur Überwin-
dung des eigenen Schicksals verbrauchen,
ja, sogar fh manchen Fällen schon damit
nicht fertig werden, so daß diese Kriegs-
blindenehen häufiger zerbrechen oder zumin-
dest beeinträchtigt werden.
Es ist auch eine Erfahrungstatsache, daß in
sehr vielen Fällen die schon vor der Kriegs-
erblindung bestehenden Verlobungen einer
späteren glücklichen Ehe eher hinderlich als
förderlich waren, denn auch hier empfindet
die Verlobte in vielen Fällen die Kriegs-
erblindung nicht als ein dem Mann allein
widerfahrenes Schicksal. Trotz bestem Wol-
len und tiefstem Mitleid vermögen sie dann
nicht mehr das Verständnis für das Schick-
sal der Kriegsblinden so aufzubringen, wie
es als unbedingte Grundlage einer glück-
lichen Kriegsblindenehe erforderlich ist. Ge-
rade dies ist mit feinster psychologischer
Einfühlung und tiefer Erkenntnis in dem
Kriegsblindenfilm „Sieg über das Dunkel"
in so hervorragender Weise zur Darstellung
gebracht worden.
Wenn dies auch Voraussetzungen für den
glücklichen Verlauf einer Kriegsblindenehe
sind, so vermögen sie allein doch nicht die
oben erwähnte Erfahrungstatsache, daß
Kriegsblindenehen in der Regel glücklicher
als die Ehen von Sehenden sind, zu erklären.
Dies wird in der Hauptsache wohl vor allem
dadurch bedingt, daß die innige Verbunden-
heit des Kriegsblinden mit seiner Lebens-
kameradin in allen Lebenslagen und stünd-
lich, sein Angewiesensein auf ihre dauernde
Hilfe, ihre Unentbehrlichkeit bei den meisten
Verrichtungen des täglichen Lebens, das rest-
lose Ausschöpfen der in allen Frauen zu-
tiefst verwurzelten mütterlichen Liebe, we-
sentliche Grundlagen des glücklichen Zu-
sammenlebens in der Ehe sind.
Wenn man aber weiter bedenkt, daß dem
Kriegsblinden all das, was ihm früher sein
eigenes Augenlicht mühelos vermittelte, jetzt
nur noch durch die Augen seiner Frau ver-
mittelt wird und da* sie ihm nicht nur eine
Vermittlerin der Eindrücke ist, sondern
unwillkürlich bei der Vermittlung auch ihre
eigene Empfindung, ja, ihre ganze Seele in
ihre Augeneindrücke legt, dann wird man
erst begreifen, wie das Bild der Welt, wie
es dem kriegsblinden Manne begegnet, eng
mit dem Weltbild der Frau verbunden ist.
Zwar wird die Erinnerung besonders in den
ersten Jahren der Erblindung noch korrigie-
rend eingreifen, aber je länger die Ehe schon
gedauert hat und je mehr die Welt der
Sehenden für den Kriegsblinden eins-
geworden ist mit der Welt, wie sie seine
sehende Frau betrachtet und auffaßt, be-
sonders, wenn sie es verstanden hat, sich
das Vertrauen ihres Mannes zu erwerben,
um so harmonischer und unzertrennlicher
muß die Kriegsblindenehe sich gestalten.
Die begreifliche Scheu der Sehenden vor
den Blinden wird niemals oberflächliche, son-
dern nur ernst veranlagte Frauen, die ein
Verlangen nach restloser Hingabe und sich
verströmender mütterlicher Liebe im Innern
verspüren, zu einer Ehe mit einem Kriegs-
blinden schreiten lassen. So schmerzlich das
für uns Kriegsblinde dann ist, wenn wir bei
manchen jungen Mädchen, die wir kennen-
lernen, eine Enttäuschung erleben müssen,
so dienlich ist es uns bei der Wahl des
richtigen Lebenskameraden. Daher ist es
nicht verwunderlich, daß in vielen Fällen
diejenigen Frauen, die trotz allen Bedenken
die wahre Liebe zu uns Kriegsblinden in
ihrem Herzen empfinden, älter sind als wir,
und diese Ehen mit älteren Frauen, die sich
bei Sehenden häufig so unheilvoll auswir-
ken, werden bei Kriegsblinden ein Unter-
pfand für das Glück.
Daher kommt es auch, daß in den Kriegs-
blindenehen, ohne daß es die Frau als be-
sonders schmerzlich empfindet, die Kinder
gegenüber dem kriegsblinden Ehemann zu-
rücktreten müssen, weil die Frau in
ihrer Mütterlichkeit ein echtes Empfinden da-
für hat, daß der Mann ihrer Liebe meist noch
mehr bedarf als die Kinder, während bei
den Ehen mit einem gesunden, sehenden
Partner die einseitige Bevorzugung der Kin-
der durch die Frau häufig die Ursache zu
ehelichen Zwistigkeiten wird. In der Kriegs-
blindenehe werden die Kinder meist von
frühester Jugend an sogar von der Mutter
selbst dazu erzogen, ihr in der Betreuung
des kriegsblinden Ehemannes Helfer zu sein,
und in dieser Harmonie der Hilfe
liegt ebenfalls ein Geheimnis der glücklichen
Kriegsblindenehen.
Vielleicht mag die hohe Bewertung der
mütterlichen Liebe als dem innersten Wesen
der weiblichen Liebe eine Überschätzung
sein, zu der die Erfahrungen mit Kriegs-
blindenehen geführt hat, doch haben wir für
unseren Teil als Kriegsblinde darin recht,
wenn wir diese mütterliche Liebe der Frau
als den wichtigtsen Grund dafüi ansehen,
daß die Kriegsblindenehen mehr als andere
Ehen glücklich werden und der Frau die
schönste Erfüllung bringen. P- PI-
C^JUJ CVCtl ^^^t^^i^P^^^ly
Vier Bezirke in Schleswig -Holstein
Der erweiterte Vorstand des Landesver-
bandes Schleswig-Holstein hielt seine zweite
ordentliche Sitzung in Neumünster am
21. Oktober 1951 ab, die durch die Anwesen-
heit unseres Bundesvorsitzenden Dr. Plein
ihr besonderes Gepräge erhielt. Nachdem
Kamerad Eggers die großen Verdienste unse-
rer allzufrüh von uns gegangenen Bundes-
mutter gewürdigt und die umfangreiche
Tagesordnung bekanntgegeben hatte, er-
griff Kamerad Dr. Plein das Wort. In inter-
essanten Darstellungen schilderte er die
Arbeit des Bundesvorstandes und leitete
auf die nach der Satzung vorgeschriebene
Aufteilung des Landesverbandes über. Wäh-
rend sich der Landesverband bisher in den
Bezirk Lübeck und elf Kreisgruppen glie-
derte, empfahl Kam. Dr. Plein, einer klaren
Linie folgend, die Bildung weiterer Be-
zirke. Damit war ein schwieriger, aber
bedeutungsvoller Punkt erneut in den Vor-
dergrund gerückt. Nach einer längeren Dis-
kussion erklärten sich die Kameraden für
folgende Lösung: Mit Wirkung vom 1. Ja-
nuar 1952 ab wird der Landesverband in
vier Bezirke aufgeteilt, die voraussicht-
lich ihre Sitze in Heide, Kiel, Lübeck und
Schleswig haben werden.
Einen breiten Raum nahmen die Erörte-
rungen über die künftige Gestaltung der
Arbeitsgemeinschaft ein. Nachdem die bis-
herigen Zweigniederlassungen der „St.
Georg, Gemeinnützige Arbeitsgemeinschaft
der Erblindeten, GmbH., in Hamburg" zu
selbständigen Gesellschaften erhoben wor-
den sind, wird die genannte Gesellschaft hin-
fort nur noch die Bereiche der Landesver-
Sri|adatf|bwp IRdlhcInnitiD
CIN' WEINBRAND, D€R HÄLT. WAS S6IN NSM€ VERSPRICHT
bände Schleswig-Holstein und Hamburg
umfassen. Da noch verschiedene Fragen tech-
nischer und juristischer Natur zu klären
sind, konnte den Kameraden ein abschlie-
ßendes Bild nicht gegeben werden.
Die im Lande Schleswig-Holstein jetzt an-
gelaufene Arbeitsbeschaffungsaktion wurde
erläutert, und es wurden verschiedene
Zweifelsfragen in der Erholungsfürsorge ge-
klärt. Nach der Beratung mehrerer interner
Angelegenheiten schloß Kamerad Eggers
nach zehnstündiger Dauer die letzte Vor-
standssitzung des Landesverbandes im alten
Gewände. H. K.
Die Kreisgruppe Kiel/Plön und der 11. 11.
Pünktlich am 11. 11., 11.11 Uhr, setzte sich
der große Omnibus mit den 30 Kameraden
der Kreisgruppe Kiel/Plön in Bewe-
gung. Bald war die Schwentinestadt Preetz,
das Ziel des diesjährigen Ausfluges, erreicht.
Unter den Klängen einer Musikkapelle be-
traten die Kameraden den festlich ge-
schmückten Saal der Gaststätte „Stadt Kiel".
Vertreter von Stadt und Kreis featten es sich
nicht nehmen lassen, den Kriegsblinden die
besten Wünsche für das Gelingen ihres
Festes zu übermitteln. Nach dem gemein-
samen Mittagessen wurde die Kirche des
ehemaligen Klosters Preetz „besichtigt". Ein
Beschließer erläuterte die Kunstwerke und
schilderte in launiger Weise das Leben der
ehemaligen Nonnen. Der Organist der
Klosterkirche — ■ selbst blind — erfreute
seine Leidensgefährten mit einigen Orgel-
vorträgen. Dann ging es zurück in die Gast-
stätte, wo die Kaffeetafel wartete. Wenn
auch der Himmel ein gar finsteres Gesicht
zeigte, so konnte dies der fröhlichen Stim-
mung keinen Abbruch tun.
Inzwischen hatte sich die Mädelgruppe
des schleswig-holsteinischen Jugendaufbau-
werkes eingefunden, deren Darbietungen
reichen Beifall ernteten, Die Mädel blieben
bis zum Schluß des Festes gern gesehene
Gäste. Durch eine kleine Tombola konnte
der Preetzer Hausfrauenbund die Kameraden
"mit kleinen Geschenken erfreuen. Dann
folgte ein Tänzchen. Kamerad Strauchmann
hatte keine Mühe gescheut, diesen Tag zu
einem Erlebnis der Teilnehmer werden zu
lassen. Und als Kamerad Kobcke ihm im
Namen der Kameraden für diese Mühe
dankte, da war der Höhepunkt der Fröhlich-
keit erreicht.
Aus dem Bezirk Unterfranken
Am 26. 5. 1951 ist in einem Krankenhaus
in Würzburg der gelähmte kriegsblinde Ka-
merad Hans Krüger nach einem langen
Leiden rasch und unerwartet im 31. Lebens-
jahr verstorben. Als Heimatvertriebener
hatte er bei Familie Gut jahr in Rottendorf
bei Würzburg eine neue Heimat gefunden.
Er wurde wie das eigene Kind gepflegt und
lebte glücklich. Die Kameraden des Bezirks
Unterfranken trauern mit den Pflegeeltern.
Sie werden ihm stets ein treues Gedenken
bewahren. J. Friedel
Erfolgreiche Siedlungsfürsorge in Oberfranken
Vorbildliches Beispiel für Planung und Finanzierung
In der Durchführung einer der vornehmsten
Aufgaben unseres Bundes, nämlich der Sied-
lungsfürsorge, kann das Jahr 1951 für den
Bezirk Oberfranken als besonders er-
folgreich angesehen werden. Das diesjährige
dreißig Projekte umfassende Bauprogramm
fand in der Errichtung einer Randsiedlung in
Bamberg einen beachtenswerten Abschluß.
Nach Beendigung zahlreicher vorangegan-
gener Verhandlungen, Überwindung von
Finanzierungsschwierigkeiten usw., konnte
dort unter Teilnahme von Regierungsvertre-
tern, des Stadtrates und der am Siedlungs-
werk beteiligten Kameraden am 16. Oktober
1951 das Richtfest gefeiert werden. Jedoch
wären unsere gesteckten Ziele niemals er-
reicht worden ohne das Verständnis der
Kommunalverwaltungen, der Bauabteilung
bei der Regierung Oberfranken, der Landes-
versicherungsanstalt sowie der Zweigstelle
der Bayerischen Hauptfürsorgestelle und
nicht zuletzt ohne der vertrauensvollen und
vorbildlichen Zusammenarbeit dieser ge-
nannten Dienststellen mit unserer Schicksals-
gemeinschaft. Heute, nach erfolgreicher Be-
endigung und Durchführung unseres dies-
jährigen Bauprogramms erscheinen uns die
vielen vorangegangenen Verhandlungen von
untergeordneter Bedeutung. Und doch sind
es gerade diese, welche uns erst die Grund-
lage zum Gelingen unseres Werkes schufen.
Es dürfte sicherlich für viele unserer Kamera*
den interessant sein, wie sich die Planung
und auch die Finanzierung bei uns gestaltete.
Nachdem wir im Bezirke unsere baulustigen
Kameraden namentlich und auch örtlich er-
faßt hatten, galt es sogleich, einer der größ-
ten Schwierigkeiten, der Grundstücks-
beschaffung, zu begegnen. Auf dem
freien Markte waren Grundstücke fast oder
überhaupt nicht zu erhalten. Wenn die
Möglichkeit zum Erwerb bestand, so waren
die Preise in den Städten kaum erschwing-
lich. Es mußte ein solcher Kauf naturgemäß
zu einer kolossalen Verteuerung der all-
gemeinen Baukosten führen und machte von
¥i © ft i &
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Horex Columbus-Werk K.G. Fritz Kleemann, Bad Homburg v.d.H.
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vornherein eine sofortige Realisierung unse-
rer Siedlungsfürsorge unmöglich. Nur wenige
Kameraden waren glückliche Besitzer eines
eigenen Grundstückes, und es galt, für die
Mehrheit eine tragbare Lösung zu finden.
Diese konnte nur durch Erstellung von Erb-
baupachtverträgen gefunden werden. Nach
erfolgreichem Abschluß getätigter Verhand-
lungen mit den Stadtverwaltungen Bamberg,
Bayreuth, Coburg und Selb konnten dort
mit den einzelnen Kameraden die Erbbau-
pachtverträge auf die Dauer von 99 Jahren
abgeschlossen werden. Dadurch wurde die
größte Schwierigkeit beseitigt, und es konnte
sofort an die Planung und Herbeischaffung
der benötigten Gelder herangegangen
werden. Hierbei bedarf es der besonderen
Erwähnung, daß sich die meisten Stadtver-
waltungen bereit erklärten, die Erschlie-
ßungskosten für Straßenanteil und
Kanalisation wenn nicht zu erlassen, so doch
auf die Zeit von zehn Jahren vorerst zu
stunden, da bekanntlich während dieser Zeit
die Kameraden die größte finanzielle Be-
lastung zu tragen haben.
In der Herbeischaffung der Finanzierungs-
mittel war uns durch Verhandlungen un-
seres Landesverbandsvorsitzenden, Kamerad
L. Birngruber, mit' der Obersten Baubehörde
in München, ein großer Vorteil in die Hand
gegeben worden. Auf Grund eines, durch
diese Verhandlungen ergangenen 'Rund-
erlasses an die B a u a b t e i 1 u n g e n
der Regierungsbezirke und der kommunalen
Dienststellen bestand die berechtigte Hoff-
nung auf bevorzugte Gewährung von
Staatsbaudarlehen aus Mitteln des Sozialen
Wohnungsbaues. Diese Hoffnung erfüllte
sich hundertprozentig.
Zu Beginn der Projektierung glaubten wir
die Finanzierung ausschließlich mit der Ka-
pitalabfindung und dem oben erwähnten
Staatsbaudarlehen aus dem Sozialen Woh-
nungsbau sicherstellen zu können. Ferner
waren wir der Annahme, auf diesem Wege
jeden einzelnen Kameraden als eigenen Bau-
herrn auftreten lassen zu können, um ihn
somit sofort in den Besitz seines Eigen-
heimes zu bringen. Dieses erwies sich aber
infolge ständig steigender Materialkosten
und Arbeiterlöhne als undurchführbar, weil
uns eine derartige Finanzierung unter den
erwähnten Verhältnissen ein Auffangen von
eintretenden und unvorhergesehenen Mehr-
kosten nicht ermöglichte. Es mußte noch ein
anderer Geldgeber ausfindig gemacht
werden. Die Hypothekenbeschaffung über die
Sparkassen konnte für uns keine Lösung
sein, da diese Mittel eine zu starke Belastung
für den einzelnen Kameraden mit sich brin-
gen mußten. Der einzig mögliche Weg war,
die Landesversicherungsanstalt für unsere
Vorhaben zu gewinnen und von dieser auch
die erstrangigen Hypothekendarlehen zu er-
halten. Man zeigte uns ein bereitwilliges
Entgegenkommen, doch konnten wir die zur
Verfügung gestellten Gelder nur dann ver-
wenden, wenn wir unsere Projekte durch
anerkannte Siedlungsbauträger durchführen
ließen. Dieser Umweg erschien uns anfäng-
lich unangebracht, nach Abschluß von Ver-
handlungen mit einzelnen Siedlungsbauträ-
gern jedoch erwies er sich als vortreff-
lich. Wir hatten die Vereinbarung treffen
können, daß nach Fertigstellung 'der Eigen-
heime diese sofort oder nach spätestens drei
Jahren an die Kameraden übertragen wer-
den. Daraufhin stellte uns die Landesversiche-
rungsanstalt über die von uns vorge-
schlagenen Siedlungsbauträger ein erstran-
giges Hypothekendarlehen von insgesamt
120 000 DM zur Verfügung, und zwar zu
einem sehr günstigen Zins- und Tilgungssatz.
Sie sicherte uns somit die vollkommene
Finanzierung unserer Vorhaben.
Für unsere heimatvertriebene-n Kameraden
erwirkten wir in allen Fällen in Kopplung
der Mittelsgewährung aus dem Sozialen
Wohnungsbau eine Finanzierungsbeihilfe aus
der Soforthilfe bis zu 2000 DM und —
soweit ehre Einliegerwohnung in Betracht
gezogen war und es sich beim späteren
Mieter um einen Flüchtling handelte — zu-
sätzlich eine Finanzierungshilfe aus der
Pietlerkuchenmodel (Norddeutsch 17. Jahrh.)
Soforthilfe in Höhe bis zu 1000 DM als Rest-
finanzierung. Somit gestaltete sich bei fast
allen unseren Kameraden die Finan-
zierung wie folgt: Kapitalabfindung,
Hypothekendarlehen der Landesversiche-
rungsanstalt, Darlehen aus Mitteln des So-
zialen Wohnungsbaues und bei unseren hei-
matvertriebenen Kameraden zusätzlich die
Restfinanzierung aus den bereitgestellten
Mitteln des Soforthilfefonds.
Zusammenfassend wäre zu betonen, daß
die Durchführung der Bauprojekte durch die
Siedlungsbauträger eine wesentliche Verein-
fachung und eine erhebliche Erleichterung
für den Kameraden und seine Familie mit
sich gebracht hat und daß diese Methode im
allgemeinen sehr zu empfehlen ist. Es konnte
von einer Normierung oder Schematisierung
nichts bemerkt werden. Im Gegenteil, abge-
sehen von der vorgeschriebenen und einzu-
haltenden äußerlichen Baulinie, wurden in
jedem Einzelfall die individuellen Wünsche
der Kameraden im Rahmen der bestehenden
Möglichkeiten berücksichtigt. Die Zweigstelle
der Bayerischen Hauptfürsorgestelle in Bay-
reuth gewährte in allen Fällen ein Zwischen-
kreditdarlehen auf die beantragte Kapital-
abfindung und ermöglichte somit einen so-
fortigen Baubeginn.
In Oberfranken haben seit der Währungs-
reform 38 Kameraden ein Eigenheim errichtet,
4 Kameraden durch Ankauf ein Siedlungs-
haus erworben und 9 Kameraden durch An-
bau an elterliche Wohnungen oder Zuschüsse
an Baugenossenschaften ihre Wohnungsver-
hältnisse für immer gebessert.
Wenn nun in diesem Jahre unsere neu-
gesiedelten Kameraden, und vor allem un-
sere Heimatvertriebenen, im Kreise ihrer
Familie im neuen Heim das Fest des Friedens
feiern werden, dann wird diesen Kameraden
das Licht ihres eigenen Herzens heller er-
strahlen. Das eigene Heim, der Anker des
seelischen Gleichgewichtes, das Fundament
der geistigen und kulturellen Entfaltung
und vor allem die Stätte des familiären
Glückes gibt ihm die Kraft, mit dem Alltag
des Lebens fertig zu werden. J- Lukas, Bayreuth
über die Siedlungsfürsorge im Bezirk
Unterfranken wird im nächsten Heft be-
richtet. Die Schriftltg.
KRIEQSBLINDE ERLEBEN WEIHNACHTEN
Not und Glück einer Sonnenwende
Der junge Mann stand vor dem Weih-
nachtsbaum, tastend suchten seine Hände
nach einer Kerze. Und während die Finger
der einen Hand behutsam den Kerzenschaft
erfaßten und die andere Hand sich wie
schützend zu einem Jdeinen Dache geformt
über dem heißen Dunstkreis der Flamme
wölbte, bog er in seltsamer Weise den Kopf
weit in den Nacken, wie wohl die Vögel tun,
wenn sie am Bache ein Trünklein nehmen.
Und wendete den Kopf bald rechts, bald
links, als wolle er unter der Decke' etwas
ergründen. Darauf hielt er ein Weilchen still,
tat einen tiefen Seufzer und ließ dann schwer
und langsam den Kopf vornüber sinken wie
einer, der verzweifelt ist und elend.
„Gestern sah ich es noch!", murmelten
seine Lippen. Sachte, wie liebkosend, ließ er
die Hände an den Zweigen heruntergleiten.
Er spürte deutlich den prickelnden Reiz der
Nadelspitzen in seinen Poren und die
schmiegsame Zartheit des Engelhaares zwi-
schen den Fingern und die metallische Glätte
pendelnden Lamettas.
„Das also sind nun meine Augen!", dachte
er, und ein Gefühl der Zärtlichkeit für diese
Hände durchzog ihn plötzlich, doch wußte er
nicht warum. Herbe lag der Duft des Tannen-
grüns über dem Raum, die Lichter knisterten
leise. Da ließen sich die Gedanken nicht
bannen. Tief aus der Versenkung stiegen sie
auf und hüllten die Seele ein in einen Hauch
von Wehmut und mischten sich -in die leise
weihnachtliche Stimmung, die doch an die-
sem Abend nicht richtig aufkommen wollte.
Wie hatte das Leben sich verwandelt! Vor
einem halben Jahre, nach langem Lager —
im Westen besiegelte die Invasion das Schick-
sal des Krieges — und zunächst von der
feinnervigen Hand eines Chirurgen dem
Lichte wiedergegeben, hatte er glücklich die
Heeresentlassungsstelle verlassen. Kurz war
der Anlauf, um so kühner der Sprung, den er
in das wiedergewonnene Leben wagte.
Wieder anfangen, arbeiten, leben! So war
er allmählich wieder ein Mensch geworden.
Doch dann packte das Schicksal abermals
zu und riß ihn mit hartem Griff mitten aus
stolzem Fluge erbarmungslos hinab . . . ins
Dunkel! — Drei Tage vor Weihnachten, es
war an einem Donnerstag, er hatte eben das
Büro verlassen und schritt durch den klaren,
frostigen Abend der Straßenbahn zu, be-
merkte er plötzlich mit eisigem Schrecken
den schwarzen Schleier, der sich vom
äußeren Winkel her über das Auge schob.
Er hob den Blick; deutlich gegen den klaren,
hellen Himmel hob es sich ab, ein dunkles,
heimtückisches, stetig wachsendes Dreieck,
ein schmutziger Scherben im Fenster zum
Leben!
Da begann er zu laufen, kopflos, in wahn-
sinniger Angst. „Zum Arzt!", dachte er,
„vielleicht, daß er — ?" Aber schon bald hielt
er inne, ein bitteres Lächeln zog ihm die
Mundwinkel herab, und wie er noch hoffte,
es möge nicht wahr sein, war es ihm zu-
gleich schmerzhaft gewiß, daß der Anfang
vom Ende gekommen sei. Und in drei Tagen
ist Weihnachten, dachte er.
Zu Hause nahm er einen Bogen Papier .
und begann zu schreiben. Er wußte, es würde
sein letzter Brief sein. Langsam verfärbte
sich das Papier vor seinem Auge, zuerst
nahm es einen zarten, fahlen, grünen Ton an
und wechselte allmählich mehr und mehr
über Pastell und Oliv, bis es so dunkel wie
Tannengrün war und die Schriftzeichen nicht
10
mehr auszumachen waren. „Mein Lieb", so
schrieb er mit fliegender Hand, als fürchte
er, dieses letzte Werk im~Zwielicht, das ihm
das -ständig kleiner werdende Blickfeld beließ,
nicht vollenden zu können, „mir geht die
Sonne unter! Niemals mehr werden ihre
Strahlen sich in meinem Auge brechen. Heute
ist der kürzeste Tag, Wintersonnenwende;
von morgen an steigt sie Tag um Tag höher
und höher hinauf. Ich aber werde abwärts
steigen, tiefer und tiefer, in die Schatten
der Nacht . . ." und fügte bitter hinzu: „Ich
bin wohl ihrer nicht würdig!"
Drei Tage vergingen, er sprach mit nie-
mand, rührte kein Essen an, hockte nur
stumm in. seiner Kammer, und als der Heilige
Abend gekommen und die Mutter ihn, den
Tränenlosen, an den Händen herausgezogen
hatte, trat er einmal rasch unter den Baum,
um aus schrägem Winkel das Licht einer
Kerze zu prüfen, und es war nur noch ein
verwaschener, milchig flackernder Schimmer
auf letzten kleinen, noch reflektierenden
Teilchen, ein leises ersterbendes Phosphores-
zieren. Es wollte ihn übermannen, er meinte
den Baum wie mit Krallen herabreißen und
sich unter ihm begraben zu müssen, so gleich-
sam den ganzen vernarrten Planeten über
sich wälzend, doch es sank wieder ab wie
. die Tide des Meeres, und er wandte sich
still und ging. .
. In der Nacht hatte es heftig zu schneien
begonnen. Am Morgen blieb er im Bett,
grübelnd und sinnend ließ er die Stunden
achtlos verstreichen. All seine Gedanken
kreisten, der Erde gleich, unausgesetzt um
die Sonne. Warum mußte es gerade am Tage
der Sonnenwende geschehen, lag nicht ein
Zeichen darin? Für „die anderen" würde sie
steigen, von nun an täglich höher hinauf,
doch für ihn war es eine Wende zur Finster-
nis geworden. Spät am Nachmittag stand er
auf und öffnete das Fenster. Schneeflocken
berührten sein Gesicht, immer noch fielen sie
in dichtem Wirbel. Er streckte die bloßen
Arme aus und genoß die feuchte Kühle, wie
etwas Neues, nie Gekanntes. Weiße Weih-
nacht! Kindlicher Traum! Und: „Weiß?",
dachte er und wie bestätigend: „Weiß!
Weiß!" und immer wieder „Weiß!" Und jäh-
lings durchzuckte es seinen Kopf in einer
schönen, ihm selbst unbewußten Verbindung:
„Mutter!" Unsägliches Mitleid überkam ihn,
aus dem eigenen Leide erwachsend. „Es ist
doch Weihnachten", flüsterte er, „und ich hab
dich allein gelassen!"
Da kleidete er sich an und eilte hinaus, so
rasch er vermochte, unbeholfen, taumelnd,
des Gehens im Dunkel ungewohnt. Er fand
die Mutter nicht, doch als er sich dem Fenster
näherte, -hörte er sie draußen Schnee schau-
feln. Seine Arbeit! Wieder ergriff ihn der
Schmerz, aber das Mitleid blieb und die
Liebe.
Langsam trat er an den Christbaum und
suchte eine Kerze, um sie mit dem Feuer-
zeug anzuzünden. Er spürte die Flamme, roch
die Äpfel und das Backwerk, und ein starkes
Glücksgefühl überströmte ihn. „Da liegt es,
das Kindlein, auf Heu und auf Stroh, Maria
und Josef betrachten es froh.". Seine Seele
löste sich, ihm wurde leicht ums Herz, er
griff mit beiden Händen in die Zweige.
Als die Mutter hereinkam, stand er immer
noch dort. Unablässig glitten zwei kleine
grüne Zweige durch seine Hände. Sie sah
ihm lange zu, still und gefaßt. Aber lag nicht
ein leuchtender Schein über seinem Gesicht?
War nicht ein Lächeln um seinen Mund? Ein
Jubeln stieg in ihr auf. Sie trat heran, doch
blieb sie scheu und herb zwei Schritte vor
ihm stehen. „Es ist ein schöner Baum", sagte
die Mutter leise, „wir haben niemals einen
Schöneren gehabt." Immer noch streifte der
Junge die Tannenreiser langsam durch die
Finger. „Denke nur immer an deine Kinder-
zeit", fuhr die Mutter behutsam fort, „dann
wirst du nimmer vergessen, wie es strahlt
und leuchtet!" Und setzte leise hinzu: „Ich
Engel der Verkündigung (Holzschnitt um 1480)
will dir doch helfen, ein Licht, ein kleines
Lichtlein wenigstens, in dir anzuzünden, tief
drinnen. Still, du brauchst mir gar nichts zu
sagen!"
Da kam über ihn ein heißes, beglückendes
Sehnen, und der Raum war voll Engels-
gesang und Posaunenmusik. „Vom Himmel
hoch, da komm ich her . . .!" Und ihm war,
als würde es heller und immer heller in ihm.
War es das, was das' Weihnachtsfest vom
Frieden kündet und vom feurigen Licht der
Liebe, die aus Gottes Hand kommt und in
uns Menschen mächtig sein kann? Da wandte
er sich und umarmte die Mutter. Alle
Schwere, alles Leid fielen von ihm ab, ganz
gelöst ergab er sich dem wundersamen
Fühlen von Geborgenheit und Liebe und
Gemeinsamkeit. „Das ist meine Sonnen-
wende!", dachte er, und staunend horchte er
in sich hinein. Harry Barthel
Jiamecadentceue im £aqec
Weihnachten, das Fest des Friedens unse-
res «igenen Inneren, — hast du diesen Frie-
den gefunden?
Ich war gerade 18 Jahre alt gewesen, als
ich, dem unentrinnbaren Schicksal gehorsam,
Soldat wurde. Zunächst in Holland, dann
bald auf dem Kriegsschauplatz des Ostens.
Erbarmungslos nahm das Geschick seinen
Lauf, — einige Wochen vor Weihnachten er-
litt ich eine Verwundung, die meine völlige
Erblindung mit sich brachte. Ehe ich noch
verbunden werden konnte, geriet ich in rus-
sische Kriegsgefangenschaft.
Man führte mich in ein altes Schulgebäude,
das als sehr behelfsmäßiges Lazarett einge-
richtet war. Dort lag ich wochenlang am Bo-
den auf einem stinkigen Strohsack. Langsam
schlich sich die grausame Erkenntnis des
Geschehenen in mein Bewußtsein. Stumpfe
Verzweiflung wechselte
in mir mit heller Auf-
lehnung gegen das über
mich hereingebrochene
Schicksal. Quälend nagte
in mir der Gedanke an
meine Zukunft, der Gedanke an eine das
ganze Leben währende Hilfsbedürftigkeit.
Manchesmal, wenn jemand an meinem
Lager vorbeiging und ich ihn bat, mir eine
kleine Handreichung zu machen, ging er
weiter. Hatte ich zu leise gesprochen, oder
wollte er mich mit Absicht nicht verstehen,
war es ihm völlig gleichgültig, was ich von
ihm wollte? Ich haßte sie plötzlich alle, die
hier um mich waren. Nur einen nicht, der —
selbst leicht verwundet — mich täglich be-
suchte, es war Georg, der einzige Kamerad,
dessen Gesicht ich mir vorstellen konnte,
da ich ihn bereits vor meiner Verwundung
kannte. Er war ein einfacher, stiller Bauern-
sohn, der es verstanden hat, meine midi
schier erdrückende Seelennot zu lindern. Ja,
ich fand sogar zu einem, wenn auch noch
schwankenden inneren Gleichgewicht zurück.
Er hat mir in dieser schweren Zeit meine
Mutter ersetzt.
Drei Wochen nach unserer ersten Begeg-
nung war Heiliger Abend. Am Morgen des
vorhergehenden Tages wurde eine lange Ko-
lonne deutscher Kriegsgefangener weiter
nach dem Osten in Marsch gesetzt. Auch
Georg befand sich unter ihnen, da er als
ausgeheilt bezeichnet wurde. Es ergab sich
nicht einmal mehr die Gelegenheit, uns zum
Abschied die Hände zu drücken. Dieses Er-
eignis weckte in mir neuerlich einen Zustand
tiefster Niedergeschlagenheit. Vergeblich ver-
suchte ich, mich gegen eine Flut verschwom-
mener und wirrer Vorstellungen zu wehren.
Es war Heiliger Abend geworden. Die Stille
in unserem Zimmer lastete auf uns allen,
bis plötzlich irgendeiner halblaut „Stille
Nacht, heilige Nacht" zu singen begann. Er
hat lange allein gesungen, ehe noch einige
andere mit einstimmten. Viele sind wohl mit
ihren Gedanken weit weg gewesen, daheim,
werden das Lachen ihrer Kinder unter dem
Weihnachtsbaum gehört haben. „O du fröh-
liche . . ," Es klang wie Hohn! Meine Ver-
bitterung steigerte sich ins Maßlose. Ich
konnte sie nicht mehr singen hören. Ich
haßte Gott und seine Welt!
Am Vormittag des ersten Weihnachtsfeier-
tages brachte man mich zum Verbandswech-
sel in das Behandlungszimmer. Als der Arzt
die letzten Handgriffe an meinem neuen
Verband beendet hatte, legte er seine Hand
schwer auf meine Schulter und mit wohlklin-
gender Stimme erzählte er mir zögernd, daß
Georg vor einigen Tagen ihn befragt habe,
ob er mir nicht mit einem seiner beiden
Augen wieder zum Sehen verhelfen könne.
Auch bat er den Arzt, mir nie etwas davon
zu sagen.
Ich konnte keine Tränen mehr weinen,
lange schon waren sie versiegt. Ich fühlte
nur ein Würgen in meiner Kehle und mir
versagte die Stimme.
Längst lag ich wieder auf meinem Stroh-
sack und erlebte eine stille Stunde der Er-
lösung, von einem Kampf, von dem es für
mich keinen Frieden mehr zu geben schien.
Ich wußte, daß Georgs Gedanke nutzlos war,
aber dieses Beispiel solch selbstloser Näch-
stenliebe hatte meinen Geist und mein Herz
zutiefst erschüttert. War das nicht ein über-
wältigendes Geschenk des Himmels! War es
nicht das größte Weihnachtsgeschenk! „O du
fröhliche, o du selige, gnadenbringende
Weihnachtszeit!" — Nein, irdisches Licht
konnte er mir nicht geben, aber er schenkte
mir das Licht, das seine Strahlen weit in das
Dunkel meiner Zukunft warf. Ich hatte mich
selbst wiedergefunden, ein neuer Lebens-
wille beseelte mich, und eine innere Aus-
geglichenheit ließ mich Frieden finden. War
es nicht das Kind in der Krippe, das in mei-
nem Kameraden wirksam geworden war und
11
das sich nur offenbaren wollte, als es mir
zum Siege über Haß und Verbitterung ver-
half?
Wenn ich von meinem eigenen Erleben,
das mich zu einem neuen Menschen gemacht
hat, spreche, so weiß ich, daß ein jeder von
uns einen solchen Kampf mit sich selbst zu
bestehen hatte, und es möge jeder, der in
diesem Kampf Sieger blieb und die Freude
und das Licht des Friedens empfinden darf,
dieses Licht weitertragen in die Herzen
derer, die noch um diesen Frieden ringen.
Gerade wir wollen ein Beispiel geben für
die, die wohl sehenden Auges, aber blinden
Herzens durch ihr Leben schreiten. Es ge-
nügt oft nur ein freundliches Wort, um in
einem vergrämten Herzen neue Zuversicht
lebendig zu machen. Alle brennenden Ker-
zen in uns bleiben nur leere Zier, wenn wir
ihre leuchtenden Flammen nicht in warmes
Leben verwandeln.
Adalbert Wattenbach (Bayreuth)
PERSÖNLICHES
Zu Beginn sei diesmal das Alter geehrt:
Unsere Kameradin Auguste Flecke, die
bei einem Bombenangriff in Wuppertal ihr
Augenlicht verlor, und ihr Ehemann Heinrich
(Lüdenscheid, Kölner Straße 45), konn-
ten am 29. 11. das Fest der goldenen Hoch-
zeit begehen. Frau Flecke ist 76 Jahre alt.
Es gelten ihr und ihrem Gatten unsere aller-
besten Wünsche.
*
Eine andere Meldung aus dem Bezirk
Mark besagt, daß unser Kamerad Herbert
Otto (Neheim-Hüsten I, Trift 11),
nach abgeschlossenem Jurastudium am 9. 10.
in Düsseldorf sein Assessor-Examen bestan-
den hat. Unseren Respekt und unseren
Glückwunsch!
Unser Kamerad Johannes Schümann
(Lübeck, Arfrader Straße 19), hat am
17. 11. Hochzeit gehalten. Wie wünschen ihm
und seiner jungen Frau einen glückhaften,
gemeinsamen Lebensweg.
Unser Kamerad Harry K r i s t a aus
Nienburg, Mindener Landstraße 20, und
seine Frau teilen in dankbarer Freude die
Geburt ihres zweiten Sohnes mit. Der am
20. 10. geborene Junge soll Hartmut heißen.
Möge er zur Freude seiner Eltern heran-
wachsen!
*
Einen Sohn hat auch unser Kamerad
Hawighorst in Osnabrück, Ost-
straße 106, erhalten. Er soll, wie der Vater,
Ernst heißen. Möge ein wackerer Mann aus
ihm werden!
*
Der kleine Helmut unseres Kameraden
Joseph Schimmel und seiner Frau,
Lüneburg, Oedener Weg 36, hat ein
Brüderchen namens Reinhard bekommen.
Wir wünschen dem neuen Erdenbürger einen
gesegneten Lebensweg.
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blinden zw. Heirat kennenlernen.
Bin 31 J., kath., Telefonistin,
d. Fliegerangriff unterschenkel-
amputiert. Zuschriften erb. unt.
L. B. an die Schriftleitung, Biele-
feld, Stapenhorststraße 138.
12
®ec Aefceite !B£uk
Ein weihnachtliches Erlebnis
Seit damals, als jenes Ereignis in mein
Leben trat, von dem ich hier berichten
möchte, sind Jahre dahingegangen. Vieles
ist inzwischen geschehen, das mir wie uns
allen Not und Sorgen bereitete und geeignet
war, Vergangenes auszulöschen. Aber in
jedem neuen Jahre, wenn die Weihnachtszeit
heranrückt, steigen in meiner Seele jene
Weihnachtstage auf, die mir soviel nahmen
und soviel schenkten. Und immer neu erfahre
ich es: das eigentliche, tiefe Weihnachts-
wunder erschließt sich nicht den Lauten und
Satten, sondern den Stillen und Einsamen,
Holzschnitt von Herbert Viseneber
den nach innerer Tröstung Hungernden,
denen, die im Dunkel gehen und nach unver-
gänglichem Licht verlangen.
Es war im Dezember 1937. Unser Zehn-
jähriger, ein gesunder, lebensfreudiger
Knabe, war voll froher Erwartung und voll
munterer Pläne für das Fest", wie alle Kinder
es in diesen Tagen sind. Da mußte er sich
plötzlich wegen einer Halsentzündung zu
Bett legen. Der Arzt kam und traf seine Ver-
ordnungen, er hielt die Erkrankung jedoch
für harmlos. Als es nicht besser werden
wollte^ wurde der Spezialarzt gerufen, der
eine bereits fortgeschrittene Diphtherie fest-
stellte. Auch die Mutter war inzwischen von
dieser Seuche befallen worden. Beide mußten
unverzüglich ins Krankenhaus eingeliefert
werden, um dort ein Zimmer zu beziehen,
das wegen der Ansteckungsgefahr auch mir
verschlossen blieb.
Eine mir bisher fremde Hausgehilfin sollte
meine Häuslichkeit betreuen. So war ich ein-
sam geworden, ganz allein mit meinem
dunklen Geschick. Weihnachten stand un-
mittelbar vor der Türe. Für mich aber begann
der Kampf mit meinem Dunkel, der Kampf
mit dem Ted, der sich angeschickt hatte, mir
mein einziges Kind zu rauben.
Heiliger Abend. Die Menschen rüsteten
sich zum Fest. Und ich? Das Telefon
klingelte: Es sei mir erlaubt, meine Familie
zu besuchen. Das Kind war wohl so sterbens-
krank, daß mir das Abschiednehmen nicht
^verwehrt werden sollte. So begab ich mich
auf den Weg ins Krankenhaus. Und ich nahm
eine Waffe mit gegen die Traurigkeit, gegen
den Tod: meine Geige.
Ich bin kein Künstler. Mein Spiel ist arm-
selig. Aber ich liebe sie, die alte Schulgeige
meines Vaters, denn sie hat mir schon so
manches heitere oder traurige Lied gesungen.
Sie sollte auch diesmal helfen.
Die Krankenschwester ging mir voran mit
einem kleinen Lichterbäumchen in der Hand.
Dann spielte ich, so gut ich es vermochte;
„Stille Nacht, heilige Nacht . . ." und „O du
fröhliche, o du selige, gnadenbringende
Weihnachtszeit . . .". Die Traurigkeit in der
Krankenstube wich einer stillen Freude an
jenem unfaßlichen, unerklärlichen und un-
beschreiblichen Weihnachtswunder.
Und als ich dann am Bett meines Knaben
saß, sprach er zu mir mit kaum noch ver-
ständlicher Stimme von den Sternlein, die
durchs Fenster zu ihm hereinscheinen, Nacht
für Nacht. Es mag wohl letzte Weisheit aus
dem Munde eines früh gereiften Kindes ge-
sprochen haben, als er sagte: ,,Sieh, Vater,
die Menschen draußen auf den Straßen oder
in ihren Stuben richten ihre Blicke alle nur
nach unten, sie sehen nur, was wieder ver-
geht, und das meiste davon ist gar nicht ein-
mal schön. Wir dagegen in unseren Betten
sehen nach oben zu den Sternen, die so hell
und rein leuchten und die immer neu da
sind. Denn der liebe Gott läßt sie für uns er-
strahlen, sie sind schön und sind ewig."
Ich erkannte mit einemmal: Diese Worte .
gelten auch mir, dem Blinden! Ist es nicht
ein Vorrecht, eine Himmelsgabe für meine
Schicksalskameraden wie für mich, denen das
Augenlicht genommen ist, daß keine noch so
bunte Kulisse uns über das wirkliche Gesicht
der Welt, kein Mensch uns durch äußeren
Anschein über sein wahres Wesen hinweg-
täuschen kann! In das tiefste Dunkel unseres
Daseins scheinen uns um so heller die Sterne
wahrer, ewiger Schönheit und göttlicher
Liebe! Um so zielsicherer finden wifc die
Quellen echter Freude, um so unmittelbare!-
empfinden wir die Größe edler Kunst in Ton
und Wort, um so dankbarer empfangen wir
die Gaben echter, treuer Menschenliebe,
lauschen wir auf die Sprache reiner, un-
berührter Natur, und um so leichter öffnen
sich uns die Herzenstüreh unserer Mit-
menschen, wenn es uns gegeben ist, ihnen
Trost und Lebensbejahung zu spenden.
Vielleicht war es die stille Weihnachts-
freude, die unser Kind noch eine kurze Frist
bei uns zurückhielt. Als aber der letzte Weih-
nachtsfeiertag vorübergegangen war, mußten
wir Abschied nehmen.
Es fanden sich damals Leute genug, die in
dem Geschehen das Handeln eines grau-
samen, sinnlosen Schicksals sahen. Doch
bald hernach bekam es für mich einen tiefen
Sinn: Es brach der Krieg aus, der soviel Leid
über unser Volk brachte, soviele Eltern,
ihrer Söhne beraub+e. Oftmals war es der
einzige Nachkomme, den sie verloren. Mir
wurde der Auftrag, so manche von ihnen zu.-
besuchen, um ihnen beizustehen. Und es ist
mir nie widerfahren, daß mich einer der Be-
troffenen von seiner Türe gewiesen hätte.
Hans Haule.
Nütze die einsame Stunde!
Seit meiner frühesten Jugend kannte ich
den knorrigen Alten, der lang und hager,
aus dem Straßenbild des Dorfes nicht weg-
zudenken war. Früher war er stets mit
seinem Führhund durch die Dorfstraße und
über die Feldwege gegangen, seit langem
aber schon ging er allein, nur mit dem Stock,
und in der Dorfflur konnte man ihm oft auf
seinen einsamen Wegen begegnen. Alle,
groß und klein, liebten ihn, denn für jeden
hatte er ein freundliches Wort oder einen
weisen Rat. Und doch war ein Hauch des
Geheimnisses um ihn, der jedem eine ge-
wisse Scheu einflößte.
Jedes Jahr aber, wenn das Weihnachts-
fest herannahte, wurde der Alte verschlosse-
ner. Und am Weihnachtsmorgen flüsterten
es sich die Dorfbewohner heimlich unter der
schützenden Hand zu, man habe ihn in der
heiligen Mitternacht wieder wie jedes Jahr
auf dem steilen Weg hinauf zum Wald
gehen sehen und er sei, wie jedes Jahr, still
und allein nach einer Stunde aus dem Wald
zurückgekehrt. Niemand hatte noch gewagt,
ihn nach dem Warum oder Wohin zu fragen.
Alle, die ihm auf diesem Gang je begegnet
waren, sprachen von einem seltsamen
Leuchten, das von seinem bleichen Gesicht
ausgegangen sei.
Erst als ich schon einige Zeit das gleiche
Schicksal -trug wie er und als wir uns schon
gewöhnt hatten, zusammen die Wege um
das Dorf zu begehen — er lehrte mich, die
tausendiältigen Stimmen der Natur zu
hören — erst dann wagte ich es, ihn nach
seinem einsamen Weg in der heiligen Nacht
zu fragen. Betroffen hielt er im Forlschrei-r
ten inne und faßte mich mit einem harten
Griff an der Schulter; eine tiefe Bewegung
lag in seiner Stimme als er zu mir sprach:
„Nütze wie ich, lieber Freund, deine ein-
same Stunde in der heiligen Nacht, da die
Kinder mit jubelnder Freude vom neuen
Spiel in Anspruch genommen sind und da
du fühlst, wie die Augen der Deinen in
stummer Frage auf dich gerichtet sind, ob
du wohl den Ansturm der Gefühle voll
Wehmut und Erinnerung ertragen mögest.
Nütze diese deine Stunde, wenn dir der
ziehende Schmerz in deiner Brust vom
Heimweh nach Jugend und Sonne kündet — ,
denn in dieser Nacht öffnen sich die sieben
Türen deines Herzens und geben den Weg
dir frei zum wahren Licht. Durchschreite
dann mutig die nie betretenen Räume
deiner Seele und wage es, auch die letzte
Türe aufzustoßen. Mit Staunen wirst du
dann vor einem Lichte stehen, das, zaghaft ,
flackernd wie die Kerze am Weihnachts-
baum, die Kraft nicht hat, um die Finsternis ,
von Haß und Neid, von Gleichgültigkeit
und Lieblosigkeit, die du seit langem um
dein Herz aufgetürmt hast, zu durchdringen.
Gott hat dies Licht dir einst angezündet, als
er dir den Weg wies in diese Welt, auf
daß es auflodere zur Flamme der Liebe, die .
unsere Erdentage erwärme und erleuchte.
Wenn du dieses Licht entdeckt und geschaut
hast, dann wirst du die Kraft gefunden
haben, den Berg der Finsternis von deinem
Herzen zu wälzen. Und dann ist ein Leuch- .
ten in dir, heller und reiner, als die Kerze
am Weihnachtsbaum zu leuchten vermag.
Und die um dich sind, die Frau, die Kinder,
die- Eltern, die Freunde, sie alle werden
erkennen, was du seit deiner einsamen
Stunde weißt: Er ist nicht ohne Licht!
Das inwendige Leuchten aber wird dir
klarer als den Sehenden die Sonne den
Weg erleuchten, den Weg der Liebe, und
es wird dich auf die Innenseite des Lebens
führen, dorthin, wo dir nicht die Irrlichter
dieser Welt den Blick zum Lichte wahren.
Darum nütze wie ich diese einsame Stunde,
lieber Freund, und du wirst ohne Sonne im
Lichte leben, denn Gott nahm dir die Augen,
damit du sehen lerntest!"
Mich durchlief ein ehrfürchtiger Schauer,
als der alte Mann in so tiefer Bewegung
geendet hatte. Seitdem sind so manche Jahre
ins Land gegangen. Der hagere, knorrige
Alte schläft länge schon draußen unter den
Trauerweiden des Friedhofs beim kleinen
Dorlkirchlein. Doch an seiner Stelle gehe ich
nun in der einsamen Stunde der heiligen
Nacht den oft schneeverwehten Weg hinauf
zu. der Stille des dunklen Waldes, das Licht
in meinem Herzen suchend, um den Berg-
der Finsternis von mir zu wälzen, den das
ganze Jahr hindurch unbedacht ich aufge-
häuft. Denn seit meiner ersten einsamen
Stunde in der heiligen Nacht weiß ich um
das Licht in mir, das mir leuchten will auf
dem Weg. \— ■ Dorthin, wo über den Sternen
der heiligen Nacht der Mantelsaum Gottes
die Well berührt.
Karl Kirchner (Stuttgart)
13
Jesef in Verlegenheit
Eine Weihnachtslegenda
Ihr wißt doch, daß im Stall von Bethlehem
ein öchslein und ein Eselein standen, die
mit andächtiger Verwunderung, aber auch
ein wenig freundschaftlich zur Krippe hin-
schauten, denn es war ja ihre Krippe, in der
das heilige Kindlein lag, und so hatten
eigentlich die Tiere als erste etwas hinge-
geben, um dem Kind zu dienen. Aber habt
ihr auch schon einmal bedacht, woraus die
beiden Tiere denn fressen sollten, da sie
keine Krippe mehr hatten?
Dem gutherzigen Josef machte diese Frage
rechte Kopfschmerzen, denn der "Wirt und
Besitzer hatte gesagt: „Ihr könnt meinet-
wegen in den Stall ziehen, aber nur, wenn
ihr morgen früh auch die Tiere füttert.
Knecht und Magd haben für die vielen Gäste
zu tun, und ich will mich ausschlafen." Josef
hatte gern alles versprochen, aber nun, in
der grauen Morgenfrühe des .ersten Tages,
kam er doch sehr in Verlegenheit. Schon
wurden die Tiere so unruhig und zuweilen
brummten oder knurrten sie, aber ganz leise,
um das Kindlein nicht zu wecken.
Da stand ein Sack mit Hafer und ein Sack
mit Häcksel, und Josef wußte wohl, welche
Menge für die Tiere richtig und zuträglich
war. Aber auf den Boden konnte er das
Futter nicht schütten, denn es lag dort un-
term Stroh viel Sand und Kies, und den
sollten die Tiere doch nicht mitfressen. Ver-
geblich durchsuchte Josef den ganzen Stall,
aber er fand unter allem Gerumpel weder
einen Eimer noch-einen Korb. Fragen konnte
er keinen, denn alles schlief noch im Hause.
Vom Klappern und Kramen Josefs und
vom Kettengeklirr der hungrigen Tiere war
Maria, die neben der Krippe auf dem Stroh
lag, aufgewacht. Sie müsse ja gleich dem
Kinde die Brust geben, sagte sie tröstend zu
Josef, als er sich wegen des Lärms Vorwürfe
machte. Nun suchte er nicht weiter und
starrte ratlos vor sich hin. Endlich fiel ihm
was ein: er wollte sein Gewand vorn wie zu
einem Beutel raffen, und daraus würden die
Tiere fressen können. Aber Maria wider-
sprach: „Der gute Mantel! Ich habe ihn für
diese Reise gewebt und genäht. Es wäre zu
schade um ihn."
Das mußte Josef einsehen, wenn auch mit
kläglichem Gesicht. Aber. Maria wußte eine
Lösung: „Ich nehme doch jetzt das Kind zu
mir. Dann räumst du die Krippe ganz leer
und fütterst daraus die Tiere." Gewiß, man
konnte die Krippe ja wieder saubermachen,
und gestern abend noch hatten die Tiere ja
auch daraus gefressen. Schon war das Kind
wach, und bald machte Josef sich ans Werk.
Aber als er die gefüllte Krippe vor die
Tiere hinstellte, die doch vor lauter Hunger
schon so unruhig waren, da rührten sie kein
Körnchen an. Fast schien es so, als ob das
öchslein mit dem Kopf schüttelte, als wollte
es sagen: Nein, aus dieser Krippe fressen
wir nicht, wir müßten sie mit unserem Gei-
fer besudeln, und es ist doch jetzt eine ge-
heiligte Krippe! Auch das Eselein schüttelte
abweisend mit dem Kopf. Josef verstand es
nicht gleich und schüttete noch etwas mehr
leckeren Hafer hinzu, aber die Tiere blieben
standhaft.
Fast hätte Josef gegrollt: „Dann hungert
eben weiter", aber er begriff endlich, was
die Tiere meinen mochten. Was nun? Da fiel
sein Blick auf seinen großen, braunen Hut,
der da auf einem Balken lag. „Den darf ich
doch nehmen?" fragte er, um Maria nicht
vielleicht zu erzürnen, „wenn innen ein paar
Flecken bleiben, so sieht es ja keiner."'
Maria nickte lächelnd, sie war ganz mit dem
trinkenden Kind beschäftigt.
Rasch tat Josef nun das Futter in den Hut
und hielt ihn den Tieren hin. Und wie die
jetzt fraßen! Mit solchem Eifer, daß Josef
ganz wohlgelaunt wurde.
Am Vormittag sägte und nagelte er nun
eine neue Krippe — er war doch Zimmer-
mann. Das heilige Kind sollte in der alten
Krippe bleiben, die ihm ja von Gott zuge-
„Er bringt gut Jahr", heißt es aui die Frage „Wer ist vor dem Tor?", und in großen Säcken
wird das Glück herangetahten. (Neujahrswunsch 1480)
l|T iL) er Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V. entbietet .$,
*** allen Lesern der Zeitschrift, ebenso allen Freunden und För- *$*
j^ derern seiner Arbeit . und allen seinen kriegsblinden Mit- $f£
*|g gliedern und deren Familien *|*
*§* herzliche Weihnachtsgrüße *f*
*§» *i»
#mit den allerbesten Wünschen iür ein glückliches neues jt
Jahr 1952. Unsere sehenden Freunde, lür deren Verständnis- *»*
$|£ volle Unterstützung wir aus ganzem Herzen danken, bitten ^
,|k wir, uns auch im neuen Jahr bei der Kriegsblindenbetreuung *|g
j^ ihr uneingeschränktes Vertrauen und ihre tätige Hüte zuteil ^x^
*** werden zu lassen. ***
*f* Im Namen der Bundesleitung: *f*
3f£ Der 1. Vorsitzende 3§g
*§* Amtsgerichtsrat Dr. PI ein *jfe
*** ***
14
Roger van der Weyden: Madonna von Caen
wiesen war. Die neue stellte er nun zur
Mittagsmahlzeit gefüllt vor die beiden Tiere
hin. Aber wiederum verweigerten sie das
Futter so lange, bis Josef endlich seinen
großen Hut wieder herbeiholte. Aus dem Hut
fraßen sie mit Behagen.
Dieses wunderliche Gehabe vollzog sich
nun all die Tage lang, in denen die heilige
Familie in Bethlehem blieb. Auch der Knecht
des Wirtes mußte Josefs großen Hut zum
Füttern benutzen. Und als nun so eilig zur
Flucht aufgebrochen werden mußte, um den
schrecklichen Henkern des Herodes zu ent-
gehen, da blieb der Hut im Stall
Erst viel später erfuhr Josef, daß eine
merkwürdige Fügung damit verknüpft war.
Als nämlich die mörderischen Häscher nach
allen kleinen Kindern in Bethlehem forschten,
da verriet ihnen der geängstigte und lieb-
lose Wirt, daß die heilige Familie vor eini-
gen Stunden gen Süden fortgezogen sei, und
weil bei der Ankunft des Josef *dem Wirt
jener große, braune Hut aufgefallen war, riet
er den Kriegsknechten zu: „Ihr erkennt den
Mann schon von weitem an seinem großen
Hut." Die Kriegsknechte ritten davon, aber
sie achteten nicht auf Maria, die das Kind
unterm Mantel verbarg, und nicht auf Josef,
denn er trug ja keinen Hut, obwohl ein
feiner Regen niederging. So wurde das Kind
bewahrt.
übrigens verdiente Josef bei Zimmer-
arbeiten in Ägypten rasch so viel Geld, daß
er sich einen schönen, neuen Hut kaufen
konnte. Fried. Wilh. Hymmen
Der erste Gast an der Krippe
Meint ihr, es wäre für die Hirten so ein-
fach gewesen, den Stall von Bethlehem zu
finden? Der Engel, vor dem sie anfangs so
sehr erschrocken gewesen, hatte ja wohl ge-
sagt, daß das heilige Kind in Bethlehem
geboren sei; aber Bethlehem war ein großer
Ort mit vielen Häusern und Hütten. Und zu
jedem Haus gehörte ein Stall. Das Kind sollte
ja in einer Krippe liegen, wer konnte das
überhaupt begreifen! Also in einem Stall,
ganz im Elend, ganz armselig! Das allein
war doch schon sehr verwirrend.
So gingen die Hirten, es war mitten in der
Nacht, voller Aufregung und Unruhe in die
Stadt Bethlehem hinein. Einer redete auf den
anderen ein, fragend und berichtend, und
immer aufs neue wiederholten sie, was sie
gehört und gesehen hatten. Endlich kam es
gar zu einem kleinen Streit, denn an einer
Kreuzung wollten die einen links in die
Gasse, die anderen rechts. Jeder beteuerte,
daß er den besseren Weg zum Christkind
wisse. So standen sie im Licht der paar
Laternen, die sie mitgenommen hatten, recht
ratlos mitten auf der Straße und wußten in
ihrer Dummheit nichts Besseres zu tun, als
sich zu zanken. Und da sie nicht emporsahen,
sondern immer nur auf sich selbst und auf
die Straße, bemerkten sie auch nicht den
hellen Weihnachtsstern, der über' dem Stall
leuchtete.
Nun war aber unter den Hirten ein alter
Mann namens Joas. Der war ganz blind. Vor
zwanzig Jahren hatte ihn nämlich im dichten
Frühnebel ein verirrter Pfeil getroffen, als
sich die Hirten wilder Tiere erwehren muß-
ten. Joas machte sich immer noch in vielerlei
Hinsicht sehr nützlich, drehte die festesten'
Seile, kümmerte sich um kranke Tiere,
schnitzte und strickte, und viele schöne Ge-
schichten wußte er zu erzählen. Er hatte wie
die anderen einen langen Stab, und- auf
unbekannteren Wegen, so wie in dieser hei-
ligen Nacht, legte er die Krücke des Stabes
über die Schulter eines jungen Hirten, der
vor ihm herging. Als der Zug nun bei der
Kreuzung ins Stocken geraten war, stand der
Blinde ungeduldig, aber stumm neben seinen
Gefährten und stützte sich zuhorchend auf
seinen Stab. Niemand achtete auf ihn, denn
er konnte doch wohl am wenigsten den rich-
tigen Weg wissen.
Dann aber wurden die Hirten auf einmal
stumm. Wie erstarrt sahen sie alle gerade-
aus auf- den Weg. Da ging doch wahrhaftig
der Blinde! Ohne zögernd zu tasten, ohne
zu stolpern, so ging er wie ein Erleuchteter
in die Dunkelheit hinein. Nun war dies eben
eine Nacht voller Seltsamkeiten und Wun-
der, und die Hirten spürten, daß auch dies
etwas zu bedeuten hätte, zumal sie in der
Tiefe ihres Herzens immer ein wenig Scheu
vor dem Blinden empfunden hatten. So
folgten sie ihm nun, halb neugierig, halb
ängstlich, und immer mit gehörigem Abstand,
wortlos. Er ging nicht in die rechte und nicht
in die linke Gasse, sondern geradeaus, ob-
wohl da nur noch ein paar wenige einzelne
Häuser standen.
Das Merkwürdigste aber war, daß auch der
Blinde selber keineswegs so recht wußte,
was mit ihm vorging. Er konnte später nur
dies eine erzählen: als er da so neben den
anderen stand, ungeduldig und doch so er-
wartungsfroh, hatte er plötzlich gespürt, wie
sich eine zierliche Kinderhand in seine Linke
schob, ganz sanft und leicht, wie eine trö-
stende Zärtlichkeit. Und doch ging von dieser
kleinen Hand eine unwiderstehliche Kraft
aus, die ihn fortzog, die Straße hinan. Dies
Kind kannte gewiß den richtigen Weg! Und
es führte ihn so sicher und fein, daß er auch
nicht an einen einzigen der vielen groben
Steine stieß, die da im Wege lagen. Zu
dumm, daß er gar nicht auf den Gedanken
gekommen war, mit dem Kind zu plaudern!
Aber er war so erfüllt von Erwartung und
Staunen, und es war so selbstverständlich,
wie die Kinderhand ihn führte, daß außer
ein paar unbeholfenen Dankesworten nichts
über seine Lippen kam.
Die sanfte Festigkeit der Kinderhand führte
ihn schließlich über einen Hof zu einer Tür.
Vor lauter Aufregung vergaß der blinde
Hirte anzuklopfen. Er öffnete die knarrende,
alte Tür und trat ein, ganz langsam und
lauschend. Hörte er nicht ein feines Summen
und Singen? Spürte er nicht eine Wärme, wie
er sie von frühen Sommermorgen kannte,
wenn er in die Sonne trat? Aber schon
drängte ihn die kleine Hand, die sich immer
noch fest um seine Linke schloß, in den Raum
und ließ ihn das rauhe, splittrige Holz der
Krippe fühlen.
Es war eine wundersame, feierliche Minute.
Joas lehnte den Stab an die Schulter und
tastete mit beiden Händen ganz vorsichtig
über die Krippe hin. Er fühlte das Stroh,
ein Tuch darüber, und dann die Windeln,
Conrad von Soest
unter denen es sich leise regte. Aber als er
seine Hände nun weiter dorthin schicken
wollte, wo das Köpfchen des Kindes und
die Händchen zu vermuten waren, da hielt
er erschrocken und ängstlich inne. Seine
zittrigen, klobigen Hände, seine von der
Arbeit rissige, schwielige Haut — wie durfte
er damit das zarte Kind berühren! In seiner
Enttäuschung und Not verharrte er wie ver-
steinert über die Krippe gebeugt. In der Tür
drängten sich schon die Gefährten, ergriffen
wartend und wohl auch in Scheu gebannt
von dem lieblichen Bild, das sich ihnen bot.
Noch war kein Wort gefallen, doch hörte
der Blinde den Atem Marias dicht in der
Nähe.
„Es schläft ganz fest", sagte sie jetzt. Und
da spürte der Blinde auch wieder jene kleine
Hand, die seine verlangend vorgestreckten
Finger berührte und lenkte, und nun, da
er die winzige Faust des Kindleins ertastete,
bemerkte er unter Schauern des Entzückens,
daß seine groben, zittrigen, rissigen Finger
plötzlich ganz ruhig und ganz eben waren,
mit empfindsamer, glatter Haut, so daß er
unvergeßlich genau sogar das Gesicht des
Kindes abfühlen konnte, das Naschen, die
feine Stirn — ein Wunder! Ergriffen, sank
der Hirte neben der Krippe auf die Knie.
WUdunger Altar um 1420
Inzwischen nun schoben sich die anderen.
Hirten durch die Tür, ein wenig täppisch
und zaghaft. Joas hörte eine fremde Männer-
stimme unmutsvoll seufzen: „Was wollt ihr
hier alle? Solche Unruhe mitten in der Nacht!"
Aber Maria meinte in freundlicher Milde:
„Laß sie nur, Josef. Der Herr wird sie ge-
schickt haben."
„So ist es", bestätigte der Blinde, und er
erzählte, was sich draußen bei den Schafen
zugetragen hatte. Als er geendet, sagte Josef
linkisch und ganz verstört: „Verzeiht mir!"
Maria aber schwieg, demütig und übervollen
Herzens.
Erst als die Hirten wieder auf der Straße
standen, erinnerte sich Joas an das Kind,
das ihn hergeführt hatte, und er bemerkte
auch, daß seine Hand wieder zittrig und
rissig war. „Ein Kind?", erwiderten die an-
dern verwundert auf seine Frage, „ein Kind
haben wir bei dir nicht gesehen. Du wärest
immer ganz allein."
„Dann war es einer der Engel, die da ge-
sungen haben: Ehre sei Gott in der Höhe!",
sagte der Blinde leise, und er fügte hinzu:
„Ich habe heute mehr gesehen, als die
schärfsten Augen sehen können."
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jDer Bearbeiter dieser Schachspalte wünscht
allen Schachfreunden ein frohes und geseq-
j netes Weihnachten 1951. Möge auf den
Gabentischen auch hier und da ein Geschenk
in Gestalt eines Schachspieles ein beschei-
denes Plätzchen einnehmen. Nachstehend
wird unseren Schachfreunden als Weih-
i nachtsgeschenk eine Partie beschert, die des
Nachspielens wert ist. W. Würtz, Köln, der
Sieger des westdeutschen Schachturniers für
Blinde 1951, spielte sie in der Kölner Mann-
schaftsmeisterschaft 1948 (Meisterklasse,
3, Brett). Als kleine Zugabe folgt dann eine
Partie, die der Unterzeichnete in dem
Städtekampf Düsseldorf gegen Köln (53. Brett)
am 21. 11. 1951 in Düsseldorf spielte.
Unregelmäßig
Weiß : Würtz, Caissa Köln
Schwarz: Melzer, Köln 1900
1. d4 c5 2. d5 e5 3. e4 d6 4. c4 (eine nette,
aber nicht leicht zu behandelnde Riegel-
stellung) 4.- f5 5. Sc3 Sf6 6. Dc2 f:e4 (hier
war f4-'zu erwägen, was zur Einengung des
weißen Königsflügels führen konnte. Durch
den Textzug öffnet sich Schwarz zwar die
f-Linie, überläßt aber, und das wiegt schwe-
rer, dem Weißen den wichtigen Punkt e4
und damit die Diagonale bl — h7) 7. S:e4 Le7
8. Sf3 o — ö (Läufer g4 war zunächst am
Platze, zumal der Damenspringer nicht über
c6 ins Spiel gebracht werden kann) 9. Ld3
Sbd7 (wiederum versäumt Schwarz Lg4) 10.
Sfg5 S:e4 11. S:e4 De8 12. h4 (im Vertrauen
auf seine günstige Stellung geht Weiß kurz
entschlossen zum Angriff über) 12. Dh5?
(h6 war geboten) 13. Sg3! Dg4 14. L:h7 + Kh8
1:5. Lg5 (mit Lf5 konnte Weiß die Qualität
gewinnen, mißt aber seinem Angriff größere
Bedeutung bei) 15. Sf6 16. Lg6 b5
(Schwarz versucht nun, durch ein Manöver
auf dem Damenflügel Gegenspiel zu bekom-
men, unterschätzt jedoch dabei das weiße
Angriffsspiel. Mehr Widerstand versprach
Springer g8 nebst Lf6) 17. c;b5 Db4+ 18. Ld2
D:b5 (dort steht die Dame denkbar ungünstig
FARBWERKE HOECHST
und kann ihrem
Gebieter nicht mehr
zu Hilfe eilen) 19.
h5 Tb8? 20. h6!
D:b2?? (ist er denn
geistig weggetre-
ten? Ein schöner
Mattangriff macht
ihm nun den Gar-
aus) 21. H:g7 +
K:g7 22. Lh6+ Kg8
23. Lh7+ Kh8 24.
Lg7+! (das ist der
Witz! Diesen Zug
hatte Schwarz an-
scheinend nicht ein-
kalkuliert, als er
seine Dame vom
Königsflügel weg-
beorderte) 24.
K:g7 25. Dg6+ Kh8
26. Lg8+ Schwarz
gab auf; denn nur
der Opfertod des
Springers kann Seine Majestät noch einen
Schachzug lang am Leben erhalten. Eine be-
merkenswerte Leistung des Schachfreundes
W. Würtz.
Damengambit
Weiß: Mertens, Köln
Schwarz : Werschkull, Düsseldorf
1. d4 d5 2. c4 c6 3. e3 Sf6 4. Sc3 e6 5. Sf3
Sbd7 6. Ld3 Le7 7. a3 o— o 8. o— o a6 9. Dc2
Te8 10. Se5 Sf8 11. f4(c:d5 war ratsam;
durch dieses Versäumnis verliert Weiß jetzt
wichtige Tempi) 11. c5 12. Sf3 d:c4 13. L:c4
b5 14. Le2 Lb7 b3 (stärker war Tdl) 15.-
Tc8 16. d:c5 (es drohte: 16. L:f3 17. L:f3
c:d4 18. e:d4 D:d4+ usw.) 16. T:c5 (L:c5
mußte geschehen und damit Druck auf den
schwachen Punkt e3 ausgeübt werden) 17. b4
Tc7 18. Lb2 Dc8 19. Dd2 Td8 20. Del Se4
21. S:e4 L:e4 22. Tel Sd7 (vorzuziehen war
Tdd7) 23. T:c7 D:c7 24. Dc3 D:c3 25. L:c3 Lf6
26. L:f6 S:f6 27. h3 — Hier einigte man sich
auf remis.
Gabriel Mertens,
Köln-Nippes, Escher Str. 63
anfiamn
PASTIUEIM
v<juiux£i a^LlUcl S&tiuo 4-S^Uinirvg ^^m&M,
■
Nochmals: Spezialbesteck
Als Entgegnung auf die im letzten Heft
kundgetane Meinung des Kameraden aus
Moers über das Eßbesteck meines Mannes
möchte ich folgendes sagen und zu bedenken
geben:
Wir Frauen der Kriegsblinden wissen im
allgemeinen, daß und wo unsere Männer
zwar nicht Verwöhnung, wohl aber Hilfe und
Unterstützung nötig haben, und wo man sie
besser selbständig schalten und walten lassen
sollte. Es gibt Gelegenheiten, bei denen der
Einsatz der aufgewandten Nervenkraft in
keinem Verhältnis steht zum Erfolg der Be-
mühungen. Da sollte man aus Gründen der
Kräfteersparnis ohne Scheu zu einem Hilfs-
fnittel greifen. So ist es auch hier. Es sind
nicht alle Kameraden gleichermaßen ge-
schickt im Wiedererlernen früher einmal
gewußter und gekonnter Hantierungen. In
Solchen Fällen ist es für Sehende peinlich,
$ie oft wenig ästhetischen Eßmanieren dieser
Kriegsblinden zu beobachten, und viel stärker
wird hier das Mitleid, das wir so gern ver-
mieden wissen, erregt, als wenn der Blinde
pich eines Gerätes bedient, das gut aussieht,
tias ihn sicher und frei sich bewegen und
benehmen läßt, und ■ mit Hilfe dessen so
feiemlich jeder Schaden zu. vermeiden ist.
Klan wird mit so einem mit ruhiger Selbst-
verständlichkeit gebrauchten Hilfsmittel nicht
unliebsam auffallen. Dazu kommt, daß es
jiiberallhin mitgenommen werden kann und
jbeide Teile des Gerätes je nach Belieben,
Gewohnheit und Geschick sowohl von der
rechten als auch von der linken Hand benutzt
werden können. Man sollte als Nichtsehen-
der unbekümmert und mit sicherem Selbst-
bewußtsein die Grenzen der eigenen Kraft
erkennen und ohne innere Verkrampfung
eingestehen. Lotte Schütz (Hamburg)
Warum nur Kreuzworträtsel?
Unser Kamerad Grywatz fragt in der
Oktobernummer unserer Zeitschrift an, ob
nicht die Einrichtung einer Rätselecke mög-
lich sei. Ich möchte diese Anfrage wärmstens
unterstützen und stehe auch auf dem Stand-
punkt, daß das, was den Schachfreunden
recht ist, den Rätselfreunden billig sein muß.
Ich bin überzeugt, daß es im Kreise unserer
Kameraden sehr viele Rätselfreunde gibt. Wer
im Januar und Februar dieses Jahres zur Kur
in unserem Braunlager Heim weilte, weiß,
mit welchem Eifer und Fanatismus bei
schlechtem Wetter die armen Rätselhefte
und darüber hinaus die noch bedauernswerte-
ren sehenden Hilfskräfte herhalten mußten,
um den Drang der Rätselrater zu befriedigen.
Und es waren nicht einzelne, die diesem
Laster frönten, vielmehr beteiligte sich fast
alles mit mehr oder weniger Leidenschaft,
Geschick und manchmal auch Humor an
unserer Rätselraterei, wobei auch „Denk-
sportunfälle" passierten, wie sie in humor-
voller Form in der diesjährigen Märznummer
unserer Zeitschrift schon einmal geschildert
worden sind. Unsere Raterei hat sich aber
nicht nur auf Kreuzworträtsel, sondern mit
dem gleichen Erfolg auch auf Silbenrätsel
erstreckt. Bei einiger Übung und systemati-
schem Vorgehen ist auch der Blinde in der
Lage, mit seiner sehenden Hilfskraft die ver- ;
schiedensten Rätselarten schnell zu lösen. ]
Darum, liebe Schriftleitung, her mit der
Rätselecke, und nicht nur Kreuzworträtsel! i
Werner Hildebrandt (Neuß) .
Zu den Berichten aus Borkum
Wie schön war es im „Frisia",
dem Borkumer Kb-Kh, i
wenn es nicht die „Palette"
in Untermiete hätte
dann gab es nachts kein „wumm - ta - ta"t |
„Johann, ist der Baron nicht da?",
dann würde es nachts ruhig sein -
von „Pack' die Badehose ein"
und ähnlich lautem Dudelklang,
wie er nachts sieben Stunden lang
von Instrumenten und Gesang
störend in unsere Zimmer drang;
was half all unser Fluchen
beim „Backe-backe-Kuchen",
das uns im Fleiter-Repertaire
fünfmal pro Nacht beschieden war —
mit Händeklatschen und Geschrei
als ob's ein Kindergarten sei.
Wenn man vom Bad, vom Dünensand,
vom Aufenthalt am Badestrand
mit völlig ruhigem Gewissen
ermüdet lag in seinem Kissen
und hoffte sich gesund zu schlummern,
fing die „Palette" an zu bummern —
von zehn Uhr abends bummste sie
in einem durch bis fünf Uhr früh —
dann war es mit der Ruhe aus
im Vorder- und im Hinterhaus;
wir mußten das Gedudel hören,
konnten uns seiner nicht erwehren —
dadurch ist einem Teil von uns
der volle Kur-Erfolg verhunzt.
Und die Moral von der Geschieht':
So geht es auf die Dauer nicht!
Vollen Erfolg der Badekur
verspricht ein Kurheim nämlich nur,
wenn man nach einem langen Tag
nachts seine Ruhe finden mag —
um diese aber hier zu finden,
muß die „Palette" bald verschwinden,
dann steht das Kurheim Frisia
hundertprozentig richtig da!
Karl Stein
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t^/j c*j^ cy3 U4&i/uz4id/&r'
So war es 1945
! Zum erstenmal hat es eine Dichterin ge-
jwagt — und Hanna Stephan ist eine Dich-
perin — die schrecklichen Geschehnisse fest-
zuhalten, die im letzten Kriegswinter über
'die Menschen Ostpreußens hereingebrochen
sind. Und doch ist ihr Roman „Engel,
.'Menschen und Dämonen" bei allem
i Fürchterlichen, was dargestellt wird, nicht
ein Buch der Verzweiflung oder des Hasses.
Neben den Dämonen, über ihnen, stehen die
! Engel, steht Tröstung und Bewahrung. So
ist das Buch ein Dokument von Gültigkeit,
da es nicht bloß die sogenannte, die Wirk-
lichkeit der Oberfläche zeigt, — obwohl auch
diese Wirklichkeit, oft mit geradezu visionärer
Kraft, vor uns aufsteigt. „Das Buch", so sagt
Hanna Stephan zu Beginn, „berichtet ohne
: Klage und ohne Streit, was Menschen wie
1 du und ich erlebt, erlitten und überwunden
haben." Und sie stellt mutig das Pauluswort
I voran: „Das Alte ist vergangen, siehe, es ist
alles neu geworden." Mit der Einfalt wahren
Schöpfertums und der Lauterkeit eines liebes-
starken Frauenherzens ist dieses einzigartige
Buch geschrieben. (508 S., Ganzl. 12,80 DM,
Verlag C. Bertelsmann.)
Aus dem Norwegischen
Die norwegischen Dichter haben auf uns
Deutsche immer wieder eine merkwürdige
i Anziehungskraft ausgeübt. So wird auch der
neue Roman von Johan Bojer, dessen
•; „Lofotfischer" viele kennen werden, seine
[ Leser finden: unromantisch, fast nüchtern
konsequent in dem Vorantreiben des in
: mancher Hinsicht mehr dramatischen als epi-
schen Vorwurfs; komprimiert, ohne den
Atem zu verlieren — so bannt uns sein um-
fangmäßig recht schmaler, neuer Roman
„Die Schuld des Kristen Fjelken"
(Biederstein- Verlag, München). Dieser Kri-
i sten ist nicht eigentlich ein Held, er ist ein
allzu menschlicher Mensch, der mit seinem
Leben nur recht halb fertig wird, aber gerade
deshalb ist er einer von uns, und so wird
manche düstere Note des Buches versöhnlich
überglänzt.
„Die große Flut"
Max Taut, Träger des Friedenspreises der
deutschen Verleger und einer der überlegen-
sten Literaturkenner, sagte uns kürzlich in.
einem Gespräch, daß er „Diegroße Flut"
Waldemar Augustinys für eins der wenigen,
wirklich bedeutenden Werke der Gegen-
wartsliteratur halte. Ein solches Urteil er-
hellt "die Wichtigkeit einer verlegerischen
Leistung, die das Werk nun als Volksaus-
gabe, behutsam und geschickt gekürzt, bei
einem Umfang von 528 Seiten zum Preis von
nur 8,50 DM in Gzl. herausbringt. (Verlag
C. Bertelsmann.) Es ist eine „Chronik der
Insel Strand", die 1634 von einer Sturmflut
verschlungen wurde, eine Chronik, also un-
erbittlich klar, ohne Pathos und ohne lyri-
sches Abschweifen, mit einer außergewöhn-
lichen Plastik nicht nur der spannungsgela-
denen Vorgänge sondern auch der Charak-
tere in ihrer Vielfalt, ihrem Gegeneinander
und Miteinander. Es ist mehr als ein Buch
der Nordsee, es ist ein Buch des Menschen,
der „heute groß dasteht und morgen gebeugt
wird". Schuld und Verhängnis, und daneben
der unerbittliche Kampf zwischen Mensch
und Natur — das gibt dem Buch den zeitlos
lebendigen Atem.
Blindenfilme — die große Mode !
Eine Welle neuer Filme, die das Blinden-
schicksal zum Gegenstand haben, scheint sich
anzukündigen. Nach dem vorzüglichen ame-
rikanischen Kriegsblindenfilm „Sieg über
das Dunkel" wurde nunmehr in Berlin unter
dem Titel „Augen der Liebe" der
Liebesroman eines erblindeten Bildhauers
aufgeführt. Die Kritiken sind recht zwie-
spältig, zumal der Film einen sehr unwahr-
scheinlichen Schluß hat und im ganzen sehr
romantische Farben. Doch sei er ergreifend
und ohne falsche Töne. Dieser Film, mit
den hervorragenden Schauspielern Rene
Deltgen und Käthe Gold sowie Paul Wege-
ner, wurde von dem Regisseur Alfred Braun
bereits 1942 fertiggestellt, ist aber kurz da-
nach verboten worden. Der Regisseur distan-
ziert sich nunmehr von dem Film, weil der
einzig erhaltene Originalfilm bei Kriegsende
nicht mehr vollständig war und 1945 unter
vielerlei entstellenden Eingriffen ergänzt
worden sei.
Zwei neue Blindenfilme werden aus
Frankreich gemeldet, nachdem vor
zwei Jahren der französische Kriegsblinden-
film „Engel der Nacht" (das Schicksal eines
kriegsblinden Bildhauers) in Deutschland
gezeigt wurde. Der neue Film „D i e N a c h t
geht zu Ende" behandelt die Frage der
Hornhautübertragung, durch die mancher
durch Krankheit Erblindete sein Augenlicht
wiedergewonnen hat. Die Vorgänge der
Operation stehen im Mittelpunkt. Minister-
präsident Arnold (Düsseldorf) hat über die-
sen Film das Protektorat übernommen. Die
Uraufführung soll bald erfolgen.
Ein weiterer französischer Film „D i e
Nacht ist mein Reich", der unter
Blinden spielt, hat in Frankreich sehr guten
Erfolg gehabt. Wie wir von den zuständigen
Stellen der Filmwirtschaft erfahren, steht
noch nicht fest, ob dieser Film synchronisiert
und in Deutschland aufgeführt wird. —
übrigens befindet sich auch in der Bundes-
republik nunmehr ein Film in der ersten
Vorbereitung, der das Schicksal eines
Kriegsblinden zum Gegenstand hat.
Unzerbrechliche Kunstaugen?
Wir brachten im Novemberheft („Kleine
Neuigkeiten") einen Hinweis auf angeblich
erfolgreiche Bemühungen um die Entwicklung
unzerbrechlicher künstlicher
Augen. Dazu teilt uns Herr Ministerialrat Dr.
med. Paetzold vom Bundesarbeitsmini-
sterium mit, daß Kunstharz-Augenprothesen
Mit Glockenläuten geht ein altes Jahr zu Ende
Und vor uns liegt ein neues, wie ein großes Meer,
Wir reichen uns bewegt die Hände
Und schreiten in das neue, das so zukunltsschwer.
Das alte brachte vielen Glück und manchem Tränen,
Es brachte vielen Freude über Nacht,
Jedoch, wonach sich alle Menschen sehnen,
Den Frieden hat es nicht gebracht.
Gemeinsam wollen wir die Schwelle überschreiten
Und kämpfen für den Frieden dieser Welt,
Wir wollen leben und nicht miteinander streiten,
In Frieden leben, wie es uns gefällt!
Laßt uns die Gläser heben und das Neue grüßen.
Das schicksalsschwer nun vor uns liegt,
Die Brunnen ewger Liebe sollen fließen,
Aul daß im neuen Jahr die Liebe siegt!
Kriegsbl. C. J. H. Burmester
in Deutschland bereits hergestellt und auch
exportiert werden, daß jedoch diese Kunst-
harzaugen gegenüber den Glasaugen nicht
die besonderen Vorzüge der Transparenz
haben und daß das absolut Menschenähnliche
beim Kunstharzauge trotz raffinierter Technik
verlorengeht.. Im übrigen übe die beste
Kunstharzmasse nach Mitteilungen von Fach-
leuten keineswegs weniger Reiz auf die
Augenhöhle aus als ein Glasauge und werde
sehr bald rauh. In Amerika sei man aus
solchen Gründen wieder zu Glasprothesen
zurückgekehrt.
ES STARBEN:
LANDESVERBAND BAYERN
Krüger, Hans Rottendorf b. Würzburg,
gestorben am 26. 5. 1951 im Alter von
31 Jahren.
S p e i g 1 , Georg, Augsburg, Robert-Gerber-
Straße 30, Postschaffner a. D., geb. am 7. 4.
1885, gest. am 1. 11. 1951.
P e c h e r , Venanz, Eppisburg Nr. 39Vs,
Kreis Dillingen-Donau, geb. am 12. 9. 84,
gest. am 16. 11. 1951.
LANDESVERBAND HAMBURG
G e i c k , Wilhelm, Hamburg 39, Stammann-
straße 10, geb. am 13. 9. 93, gest. am
13. 10. 1951.
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
Unsere Kameradin Frau Helene Schmidt,
Braunschweig, Hildesheimer Straße 61,
geb. am 28. 12. 82, gest. am 24. 10. 1951.
LANDESVERBAND NORDRHEIN
D r i e s s e n , Jakob, Krefeld, Hammerstein-
straße 14a, gest. am 26. 10. 1951.
Michalowski, Grazian, Essen-Frintrop,
Lirichblick 211, gest. am 18. 10. 1951.
G i e s , Helene, Köln, Jülicher Straße 4, gest.
am 17. 10. 1951.
LANDESVERBAND WESTFALEN
L a n g n e r , Julius, Bochum, Heckertstr. 38,
gest. am 27. 10. 1951 im Alter von 64 Jah-
ren.
AUS DER OSTZONE
Heidenreich, Emil, Justizbeamter a. D.,
Kassenwart des ostsächs. Bundes erblinde-
ter Krieger von 1923 bis 1945, Dresden-
Bühlau, Allensteiner Straße 4, geb. am
27. 11. 83, gest. am 31. 10. 1951.
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Das Bundesinnenministerium befaßt sich
entgegen anders lautenden Pressemeldungen
nicht mit der Schaffung eines Versehr-
ten-Sportabzeichens, nachdem die
Arbeitsgemeinschaft „Deutscher Versehrten-
sport" sich einstimmig dagegen ausge-
sprochen hat. Das geht aus einer Mitteilung
im Bundesanzeiger vom 1. 11. 1951 hervor.
Es wird dabei weiterhin gesagt, daß den
Versehrten Gelegenheit gegeben werden soll,
das normale Bundessportabzeichen zu er-
werben, wobei die Bedingungen geändert
werden sollen. Eine einheitliche Regelung
dazu ist in Kürze zu erwarten.
*
In allen Ländern der Bundesrepublik wird
seit einigen Wochen eine verstärkte Propa-
ganda gegen den Blindenwaren-
sehwindel durchgeführt. Wie nötig diese
Aufklärung ist, beweist nicht nur der uns
bekannte Umfang des Schwindels, sondern
auch das Echo des Publikums. So fand z. ß.
in Bielefeld unter dem Vorsitz des Ober-
meisters der Bürsten- und Pinselmacher-
Innung eine Beratung mit Vertretern des
Blindenhandwerks und der Regierung sowie
anderer Dienststellen statt. Direktor Meurer
von der „Deutschen Blindenarbeit" erklärte
dabei, daß allein in Ostwestfalen acht um-
strittene Firmen beständen, die mit dem
Wort „blind" unlautere Geschäfte betreiben.
Am gleichen Tage, an dem die Tagespresse
über diese Konferenz berichtete, gingen beim
Innungsmeister über 50 zustimmende
felefonanrufe ein — ein Beweis für
die Teilnahme der Öffentlichkeit.
In Kiel stellt man zur Zeit Versuche damit
an, einen Blinden am Schalter eines
Postamtes Briefmarken verkaufen zu lassen.
„Das Publikum wird gebeten", so liest man
auf einem kleinen Schild, „nur mit Hartgeld
zu zahlen." Ähnliche Experimente haben
sich früher nicht voll befriedigend bewährt,
doch bleibt der Erfolg in Kiel abzuwarten.
*
Der Operation einer Hornhautüberpflan-
zung stehen in England, wo zur Zeit über
200 Blinde auf eine Operation warten (von
denen 25 Prozent die volle Sehkraft wieder-
erlangen werden), große Schwierigkeiten
entgegen. Und zwar verbietet das Anato-
mie-Gesetz von 1832 und 1871 die Ent-
fernung der Augen Verstorbener unmittelbar
nach Eintritt des Todes. Das Gesetz sollte
einst dem Verbrechen des Raubes und Ver-
kaufes von Leichen für Forschungszwecke ein
Ende machen. Wer seinen Körper nach dem
Tode für anatomische Zwecke zur Verfügung
stellt, muß amtliche Formulare ausfüllen,
jedoch kann ein Angehöriger noch 48 Stun-
den nach dem Tode Einspruch erheben. Diese
Wartezeit bedeutet, daß die Augen für die
Hornhautüberpflanzung unbrauchbar werden,
per Labourabgeordnete Dr. King bemüht sich
jjetzt um eine Änderung des Gesetzes, wie sie
tihnlich von der französischen Regierung be-
reits durchgeführt wurde.
• *
Die medizinischen Kenntnisse eines f a 1 -
schenDr. med., der bei einer englischen
Dienststelle und aushilfsweise auch bei einem
Gesundheitsamt als Arzt tätig war, sind in
der Tat erschreckend gering. Vor der Straf-
kammer des Paderborner Landgerichts bat
er um ein mildes Urteil und erklärte sich
bereit, ein Auge für einen Kriegs-
blinden zu opfern. Soviel weiß aber nun
jeder Heilgehilfe, daß eine Verpflanzung
von Augen nie möglich sein wird, außer in
)reklamesüchtigen Angeboten von Augen-:
Spendern. Wir müssen also leider auf dieses
pochherzige Angebot verzichten. Im übrigen
gäbe es schon längst keine Kriegsblinden
mehr, wenn eine solche Operation möglich
wäre. Unsere Frauen und Mütter hätten mit
freudiger Selbstverständlichkeit längst ein
Auge hergegeben.
*
Die Angebote zum Verkauf gesunder
Augen — bekanntlich gänzlich sinnlose
Angebote — haben in letzter Zeit so über-
hand genommen, daß die Göttinger Augen-
klinik bereits vervielfältigte Absagen ver-
sendet. Durchweg liegt den Angeboten
wirtschaftliche Not zugrunde. Einer meinte,
daß sein Auge wohl 10 000 DM wert sei.
*
Prof. Müller, Leiter der Bonner Univer-
sitätsaugenklinik, hat nach Zeitungsmeldun-
gen erklärt, der „grüne Star" sei jetzt
heilbar und brauche nicht mehr wie bisher
zu vollständiger Erblindung zu führen.
Bestimmte, nicht operierbare Starerkrankun-
gen werden übrigens von sowjetischen
Wissenschaftlern neuerdings in ihren Folgen
dadurch gemildert, daß man durch kompli-
zierte Brillen auf der getrübten Hornhaut
(statt auf der Netzhaut) ein scharfes Bild ent-
stehen läßt. Die getrübte Hornhaut sei mit
der Mattglasscheibe eines Fotoapparates ver-
gleichbar. Dementsprechend gleiche die Brille
einem kurzen Rohr mit eingebauter, verstell-
barer Linse, die ein Bild des vor dem Blin-
den befindlichen Gegenstandes auf die milch-
glasähnliche Hornhaut projiziert. Einer der
Nachteile dieses recht merkwürdigen Gerätes
ist es, daß die Bilder wie auf der Mattscheibe
eines Fotoapparates kopfgestellt erscheinen.
*
Nach einer Mitteilung des Bundesarbeits-
ministeriums erhielten Ende November 1951
bereits zwei Millionen Personen
ihre Bezüge nach dem neuen Bundesver-
sorgungsgesetz. Das ist etwa die Hälfte der
Anzahl aller Versorgungsberechtigten.
*
Das Blindengeld für Zivilblinde in
Bayern soll nach einem Beschluß des
Landtages (Haushaltsausschuß) von 75 DM
auf 90 DM erhöht werden.
*
Das Blindenreferat des VdK in Bayern
ersuchte sämtliche bayerischen Bundestags-
abgeordneten, sich dafür einzusetzen, daß
durch ein Bundesgesetz über die Gewährung
von Blindengeld die bisherigen Länder-
regelungen nicht verschlechtert werden.
*
In Nordrhein-Westfalen erhalten
die^Zivilblinden ein Pflegegeld von 75 DM
(seit 1. Februar 1951). Mit Wirkung vom
1. Oktober 1951 wurden einige Härten in
bezug auf Erwerbseinkünfte gemildert.
*
Der „Bund hirnverletzter Kriegs- und
Arbeitsopfer e. V." beging mit einem Fest-
akt in Köln am 3. November die Feier des
25jährigen Bestehens der Hirnverletz-
ten-Organisation. Vizekanzler Blücher
überbrachte die Glückwünsche der Bundes-
regierung. Unter den zahlreichen promi-
nenten Gästen war auch der Vorsitzende
des Kriegsopferausschusses des Bundestags,
Minister a. D. Kurt Pohle. Im Mittelpunkt
der Veranstaltung standen u. a. Referate
des Vorsitzenden der Hirnverletztenorganisa-
tion, Fritz Götsch, der soeben seinen 60. Ge-
burtstag feiern konnte, und von Obermed.-
Rat Dr. Dubitscher.
Die Hirnverletzten haben aus Anlaß ihres
Verbandsjubiläums eine mit vielen hoch-
interessanten Dokumenten in Bild und Wort
ausgestattete Festschrift herausgegeben,
in der nicht nur die Geschichte der Organisa-
tion beschrieben ist, sondern auch allgemeine
Fragen der Hirnverletztenbetreuung. So wirbt
die Schrift in sehr eindrücklicher Weise um
Verständnis für die Hirnverletzten.
*
Das Landesversorgungsamt Berlin gibt
in zwangloser Folge ein Mitteilungsblatt mit
dem Titel „Kriegsopferversor-
gung" heraus, das vielfältige und inter-
essante Kommentare maßgebender Berliner
Fachleute enthält. Ebenso werden wichtige
Entscheidungen der LVA Berlin abgedruckt
*
Für Stumme und entsprechend auch für
Taubblinde sind im Ausland neue
Sprechgeräte entwickelt worden. So
gibt es den amerikanischen „Vocoder", der
mit einem System von Tasten und Pedalen
bedient wird und der dann durch besondere
Lautkanäle eine künstliche, synthetische
Stimme sprechen läßt. Nicht weniger kom-
pliziert ist das Gerät des amerikanischen
Mathematikers Prof. Norbert Wiener: ein
Mikrophon verwandelt Töne und Geräusche
in wechselnde elektrische Impulse, die von
etwa fünf Schwingungsfiltern aufgefangen
werden. Nur Impulsen einer bestimmten
Schwingungsbreite wird der Durchgang er-
möglicht. Diese Filter aber umfassen zu-
sammen den gesamten Bereich der mensch-
lichen Stimme. Jedem Filter entspricht ein
„Vibrationsknopf". Legt der Taube die Fin-
gerspitzen auf diese Knöpfe, dann kann er,
so heißt es, mit dem Tastsinn die an ihn ge-
richteten Worte verstehen. Das Gerät würde
also eine Unterhaltung in normaler Sprech-
geschwindigkeit ermöglichen.
Sehr viel einfacher ist ein Gerät, das kürz-
lich im Londoner Fernsehprogramm vorge-
führt wurde: der „Sprecher" bedient
eine Schreibmaschinentastatur, die Punkt-
schriftzeichen tippt. Der taubblinde
Gesprächspartner kann die Zeichen mit den
Fingern abtasten. Der Apparat kann bequem
in einer Damenhandtasche untergebracht
werden. Ein zweites Modell des Gerätes er-
möglicht bei elektrischem Antrieb, daß meh-
rere Partner gleichzeitig „zuhören" können.
In den Vereinigten Staaten
werden immer wieder neue Hilfsmittel
für Blinde entwickelt, vor allem zur Bewälti-
gung des Alltags. So gibt es neuerdings Eier-
23
Die Christbescherung oder der fröhliche Morgen (Kupierstich von J. Keller, 18. Jahrh.)
M
un freut euch, lieben Kinderlein:
Der heilige Christ will kommen rein.
Mit seinen lieben Engelein
Will er selbst allzeit bei uns sein.
Er will uns schenken Güter viel
Und was man nur bedarf und will.
Er wird geborn ein Kindlein klein.
Daß er uns mach von Sünden rein.
uhren und Kaffeemaschinen und sogar ein
Angelgerät, das ein lautes Pfeifsignal er-
tönen läßt, sobald ein Fisch anbeißt. Blinde
Elektriker können mit Hilfe eines Spezial-
gerätes elektrische Widerstände ablesen.
Sehr wichtig erscheint uns die Herausgabe
einer Injektionsspritze für zuckerkranke
Blinde, die vom Kranken selbst bedient
werden kann. Auch abtastbare Fieberthermo-
meter gibt es sogar. Sehr gefragt sind zu-
sammenlegbare Blindenstöcke.
*
Die einzige Führhundschule in
Bayern, nämlich die des Roten Kreuzes
in München, feierte ihr fünfjähriges Be-
stehen. In diesen Wochen wird der 400. Hund
ausgebildet. Die Schule steht unter der
Leitung von Direktor Weber.
Wie vorsichtig selbständig tätige Kriegs-
blinde sein müssen, beweist wieder einmal
ein Fall, der vor dem Schöffengericht in Ver-
den (Aller) zur Verhandlung stand. Ein
17mal Vorbestrafter hatte im Auftrag eines
Kriegsblinden Bürstenware verkauft
und hatte ihn um 95 DM betrogen.
*
Einen eigenartigen, aber durchaus sympa-
thischen Beruf übt unser Kamerad Kurt
Reißmann aus Nordenham aus: Dieser ehe-
malige Schlachtermeister ist einer der be-
liebtesten Kasper-Puppenspieler
an der Waterkant. Mit einer, sehr hübschen
kleinen Bühne, di« mit Mikrofon und Laut-
sprecher ausgestattet ist, zieht Reißmann
Mit Freuden wir empfangen ihn
Und gehn fein nacheinander hin.
Gott sei gelobt im höchsten Thron
Daß er uns schickt sein' lieben Sohn.
„Sei uns willkommen, edler Gast,
Den Sünder nicht verschmähet hast.
Du gibst uns alls, es ist alls dein,
Laß uns nur deine Kinder sein."
Nikolaus Seinecker (1579)
durchs Land, kein Radaumacher, sondern ein
begabter Sprecher, Imitator und Musiker,
der vielen Menschen echte Freude bringt.
#
Ein vielseitiger Mann scheint unser Kam.
Lessenich in Merten bei Bonn zu sein,
der als katholischer Geistlicher tätig ist und
über den im neuen Kriegsblinden-Jahrbuch
berichtet wird. Neuerdings erweist er sich
als ein aktiver Förderer der Segel-
fliegerei. Die Jungen seiner Pfarr-
gruppe sind begeisterte Anhänger des
Modellbaues.
*
Eine zweite Soldaten-Dachorganisation
unter dem Namen „Brücke" gründete sich
in Goslar als Oppositionsgruppe gegen den
„Verband deutscher Soldaten"
des Generals a. D. Frießner. Dieser neuen
Gruppe gehören korporativ bereits 415 000
Mitglieder an, zu denen vermutlich die Tra-
ditionsverbände der Fallschirmjäger, des
Afrikakorps und von „Großdeutschland"
stoßen dürften. Der Bund deutscher Kriegs-
beschädigten und Hinterbliebenen (eine
kleinere Vereinigung mit dem Sitz in Bonn)
hat bereits den Beitritt erklärt.
In der Schweiz gründete ein Blinder,
der mit 21 Jahren sein Augenlicht verlor
und dann studierte, einen Buchverlag (Ener-
gecita-Verlag Zürich). Außer einem Werk
„Einblick in die Welt des Blin-
d e n" des blinden Verlegers Heinz Appen-
zeller, der u. a. die Umwelterfassung und
den Orientierungssinn des Blinden schildert,
erscheinen in dem jungen Verlag auch sprach-!
wissenschaftliche Publikationen.
Mehrfach hörten wir schon einmal von Ver-|
suchen, das Fußballspiel für Blinde
dadurch zu ermöglichen, daß man einen Fuß-
ball konstruiert, der mit Glöckchen versehen
ist. Die Blinden eines Heims in Buenos Aires
vergnügen sich auf diese Weise bestens. Es
muß allerdings ein lärmendes Spiel sein,
denn außer dem ständigen Geklingel müssen
sich auch die Spieler gegenseitig durch Zu-
rufen ihres Namens unaufhörlich orientieren.
Ein recht krampfhaftes Bemühen!
Im Rowohlt-Verlag erschien eine No-
velle (132 S., 7,80 DM) von Walter Jens:
„Der Blinde". So meisterlich die dich-
terische Konzeption und die sprachliche
Führung des kleinen Werkes ist, so unbefrie-
digend bleibt doch der Inhalt: Ein vierzig-
jähriger Volksschullehrer erblindet durch
Scharlach und gerät immer mehr in die
Gefahr der Abschnürung von der Umwelt und
der Weltentfremdung.
*
Wir berichteten schon einmal von dem
blinden Motorradfahrer aus Darm-
stadt, der auf ein parkendes Auto auffuhr.
Er ließ sich von einem 17jährigen vom 'So-
ziussitz aus an den Schultern führen. Dieser
17 jährige drohte aber infolge Alkohol-
genusses einzuschlafen. Der Blinde sagte zu
ihm, wie eine Gerichtsverhandlung jetzt er-
gab: „Schlaf nur ruhig weiter, aber gib acht,
daß du nicht herunterfällst. Ich halte den
Fuß am Randstein des Bürgersteigs und
dann weiß ich schon den Weg." Der blinde
Fahrer war wegen Fahrens ohne Führer-
schein bereits fünfzehnmal vorbestraft.
*
Die bisher private Punktschrift-Bibliothek
in Colmar (Elsaß) ist der Blinden-L e i h -
bibliothek am Goetheanum ange-
gliedert worden, die sich die Verbreitung
geisteswissenschaftlicher Literatur (Antopro-
sophie) zur Aufgabe gemacht hat. Es stehen
zur Zeit 225 deutschsprachige Kurzschrift-
bände zum unentgeltlichen Ausleihen zur
Verfügung. Anfragen sind zu richten an:
Mme Kahn-Geismar, Bibliotheque Braille,
27 Rue Stanislas, Colmar (Haut-Rhin) Frank-
reich. Die Werke von Rudolf Steiner können
auch käuflich erworben werden.
*
Der von Geburt an blinde Karel Timmer-
mans ging gerade am Ufer des Flusses Dyle
(Belgien) entlang, als er plötzlich Hilfe-
rufe eines Kindes hörte. Ohne Zögern
sprang er in das Wasser und versuchte, zu-
nächst vergeblich, das Kind zu finden.
Andere Passanten dirigierten ihn schließlich
durch Zurufe an die richtige Stelle, so daß
Timmermans das Kind fassen und an das
Ufer bringen konnte.
*
Ein weiterer, sehr merkwürdiger Fall der
Lebensrettung durch einen Blinden
wird aus England berichtet: Ein aus dem
Mittelalter stammendes Hotel in Sussey
geriet in Brand. Ein Blinder war der einzige,
der mit seinen verfeinerten Sinnen den
Brandgeruch in der Nacht wahrnahm. iEs ge-
lang ihm, einen Gast im Nebenzimmer zu
wecken, der Alarm schlug. Während sich der
20 Gäste eine Panik bemächtigte, fand der
Blinde instinktiv den Weg ins Freie.
*
In Österreich wurde eine Kriegsblinden-
Heimstätten - Gesellschaft, Ge-
meinnützige Gesellschaft mbH., mit dem Sitz
in Wien gegründet und in das Wiener
Handelsregister eingetragen. Aufgabe der
Gesellschaft ist der Bau und die Betreuung
von Kleinwohnungen und die Schaffung von
Heimstätten für Kriegsblinde.
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Ehe und Eiserner Vorhang
„Das Stück iür nur 500 Mark'
(Bremen und Südwesttunk)
Man hatte diesmal nicht den Eindruck, daß
sich das Autorenpaar Piontek-Hühnerfeld,
dessen Hörspiel „Es war ein ungewöhnlich
langer Tag" vor mehr als Jahresfrist im
:NWDR ein großer Überraschungserfolg war,
(der Tragweite seines Stoffes ganz bewußt
^gewesen ist: Berliner Studenten verschaffen
:flüchtigen Mädchen aus der Ostzone für
500 Mark westliches. Bürgerrecht durch „Hei-
f Tat" und anschließende Scheidung — diese
Art -der Ehe im Schwarzhandel ist mehr als
<ein trauriges Zeitbild innerhalb der Ost-
•West-Spannung, mehr vor allem als die
^Grundlage zu einer nicht ganz überzeugen-
den Liebesgeschichte, bei der ein solcher
^Student die Partnerin nicht mehr verlieren
will und in Schuld gerät dadurch, daß er
die Scheidung und damit die Flucht des
•eigentlichen Verlobten verzögert. Hier ver-
schieben sich also die Akzente zur Oberfläche
hin. Denn wenn schon „Schuld" gezeigt wer-
.den soll, so kann sie nicht am Ende einer
Kettenreaktion liegen anstatt am Anfang,
■ da nämlich, wo die Herabwürdigung der Ehe
zum Betrugsmanöver geschah. Dem Zwang
der Verhältnisse muß der Zwang des Gewis-
"sens gegenüberstehen, besonders dann, wenn
noch andere Mittel zur Lebensrettung zur
I Verfügung sind; denn mit 500 Mark kann
man notfalls auch per Flugzeug nach West-
deutschland gelangen. Unverständlich bleibt
auch, daß der Student, obwohl er so gut wie
nichts von seiner „Ehefrau" weiß, plötzlich
nicht in die Scheidung einwilligt. Auch er
verliert damit zunehmend an menschlichem
Rang. Und so bleibt schließlich nicht viel
mehr übrig, als ein politisches Kampfstück,
das zwar geglückter ist als das ebenfalls von
Bremen vor einem halben Jahr gesendete
Hörspiel „Nenn' es Verrat" des gleichen
- Autorenpaares, das aber doch wesentlich
mehr hätte hergeben können. Ein Mangel
I der mit Behutsamkeit auf das Menschliche
I bedachten Aufführung unter Gert Westphal
I war die Ähnlichkeit der männlichen Stimmen.
Darf der Rundfunk Schlager kritisieren?
Zur „Schlagerparade" des NWDR .
Das Kriterium der Demokratie ist — wer
- wüßte es nicht? — die Abstimmung. Darum
üben wir uns darin fleißig. Wenn die Metho-
* den nur immer so vergnüglich wären wie
bei der „Schlagerparade" des NWDR! Und
die Kandidaten so in aller Munde und sich
so ihrer Vergänglichkeit bewußt! Vor weni-
: gen Wochen noch lag „Bei mir zu Haus" an
der Spitze, jetzt läuft er schon nicht einmal
;| mehr unter „ferner", obwohl fünfzehn Schla-
ger jeweils das Ziel passieren, der letzte nur
mit drei- oder vierhundert Stimmen — und
^ m|t ihm beginnt die Sendung — und der
| erste, wie letzthin, mit 6550 Stimmen, Was
i wurde gewählt? Eine sentimentale Limo-
• nade, die dem unsicheren Hörer wie der
gute Wein eines Volksliedes schmecken soll:
„Du kleines Schwalbenpaar, so schnell ver-
. ging das Jahr . . ."; schön schmalzig gesungen
| von einem Männer-, nein, sagen wir: Herren-
quartett. Aber' immerhin, ein Text ohne sex-
appeal. Düsterer stimmte in dieser und an-
derer Hinsicht schon der 2. Preis mit 5814
Stimmen: „Laßt uns träumen am Lago
Maggiore, wo das Glück deine Wünsche er-
füllt." Die Schwülstigkeit und sacharinsüße
Mache von Text, Musik und raffiniert-massi-
vem Darbietung' sind' schon unüberbietbar,
und das Zuhören ist- ein Martyrium. Und
hiej beginnt unsere Frage-.an den Veranstal-
ter: Es gibt doch Schlager mit Witz und Ein-
fallskraft, sollte man bei dieser äußerst be-
liebten Sendung das Publikum nicht — trotz
Demokratie — ein wenig lenken? Wenn im
Sommer ein so netter Schlager wie „Pack
die Badehose ein" das Rennen machen
konnte, so kann das Publikum doch gar nicht
so schlecht sein. Der Sprecher H. Hellhoff
macht seine Sache durchaus geschickt, aber
würde er sie nicht noch geschickter machen,
wenn er sich manchmal ein wenig distanzie-
ren oder bekennen würde? Eine Rundfunk-
instanz sollte — wenigstens in dieser Sparte
— sich nicht hinter Neutralismus verstecken,
sondern ihre Meinung sagen. Hoffentlich hat
sie eine!
Leider importiert
„Der Bäcker und seine Frau" (Südwestlunk)
Ein Ehebruch als Thema eines (dazu aus
Frankreich stammenden) Hörspiels — das
ließe einige Peinlichkeiten befürchten, wenn
man nicht wüßte, daß Marcel Pagnol bei
aller blutvollen Vitalität und bei allem güti-
gen Verstehen doch ein Moralist ist, beim
„Bäcker und seiner Frau" fast ein Prediger,
der nicht mit doktrinärer Strenge sondern
mit heiterer Sanftmut zu lehren weiß und
dazu auf eine überaus elegante Art. Wie
sein „Goldener Anker", so zeugtauch dieses
Stück von seinem Geschick, unter einer reiz-
vollen Oberfläche, mit deren Zeichnung
manche Autoren sich (erfolgreich) begnügt
hätten, immer wieder in die Tiefe zu leuch-
ten. So wirkt es keineswegs deplaciert, wenn,
gegen Schluß des Hörspiels, dessen Haupt-
rolle von einem Komiker gespielt wird, ein
Abschnitt aus dem Evangelium (Christus und
die Ehebrecherin) gesprochen wird. Die Be-
setzung der Hauptrolle mit dem schwäbischen
Conferencier und Spaßmacher Willi Reichert
war insofern riskant, als es Pagnol gerade
darauf ankommt, den betrogenen Ehemann
nicht als komische, zum Verspotten reizende
Figur ein Opfer der triumphierenden Umwelt
werden zu lassen, sondern zu zeigen, daß
man helfen. und verzeihen muß. Und es
hilft das ganze Dorf, wenn auch nicht ganz
selbstlos, denn der Bäcker streikt in seiner
Verzweiflung und man braucht doch Brot.
Ein Musterbeispiel für eine gute Funk-
komödie!
Schauplatz: Das menschliche Herz
„Denn sie sollen getröstet werden"
(Hessischer Rundiunk)
Mut und Unternehmungsgeist standen bei
dieser Inszenierung Pate. Mut zum außer-
gewöhnlichen, zum anspruchsvollen Thema,
Mut auch zum langen Atem des Epischen.
Es wäre ungerecht, hiervon nicht zu reden,
bevor man erwähnt, was an der auf zwei
Abende verteilten Sendung nicht ganz ge-
glückt war. Diese Roman-Bearbeitung, die
JDrograHitnvorsdtau für -f^örspieU
15.
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14.
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15.
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20.30
NWDR/UKW-Nord: „Zehnter Hochzeitstag" von Felix Langer.
Beromünster: „Christ ist erschienen" von K. W. Dähler.
Stuttgart: „Die Stumme" von Ernst Glaeser.
Frankfurt: „Mann Nummer soundsoviel" von J. M. Becker.
NWDR: Melvilles „Redburn", bearbeitet von H. Regnier.
München: „Venus im Licht" von Christopher Fry.
NWDR/UKW-Nord: „Amerigo schwieg" von Hans Baumann.
Frankfurt/UKW: „Rabatzkolonne" von R. A. Stemmle.
N WDR/UKW- West: „Dem Himmel bin ich auserkoren" von Thornton Wilder.
Südwestfunk: „Eine alltägliche Geschichte" von Jochen Huth.
Stuttgart: „Alkestis" von Erwin Wickert.
Bremen: „Und Pippa tanzt" von Gerhart Hauptmann.
Südwestfunk/UKW: „Abenteuer in der Unendlichkeit" (II)
RIAS: „Birnbaum und Hollerstauden" von Josef Maria Lutz.
München/UKW: „Der Turm" von H. v. Hofmannsthal.
NWDR: „Stern der Offenbarung" von Jean Prieur.
Beromünster: „Das Weltgetriebe von Pisa" von S. v. Vegesack.
Frankfurt: Hörbild um Albert Schweitzer von Peter Lothar (2).
NWDR: „Ein deutsches Weihnachtsspiel".
Frankfurt: „Das Heiligenhafener Sternsingerspiel" von Fr. Grasshoff.
Südwestfunk: „Dein Herz für mich und meinen Hund" von James Dale.
Frankfurt/UKW: „Das Heiligenhafener Sternsingerspiel" von Fr. Grasshoff.
NWDR: „Die Bürger von Bethlehem". -
München/UKW: „Ein altes deutsches Weihnachtsspiel" von Max Meli.
RIAS: „Seine Majestät Gustav Krause" von Eberhard Förster.
Südwestfunk/UKW: „Dein Herz für mich und meinen Hund" von James Dale.
München: „Rückkehr" von Pierre M. Richard.
NWDR: „Unsere kleine Stadt" von Thornton Wilder.
Frankfurt: „Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist.
München/UKW: „Der Silvesterabend des Herrn Crepin" von Toon Rammelt.
München: „Der Silvesterabend des Herrn Crepin" von Toon Rammelt.
NWDR: „Paul Temple und der Fall Curzon (4).
Südwestfunk/UKW: „Das Stück für nur 500 Mark" v. Piontek und Hühnerfeld.
NWDR: „Unser Gartenzimmer" von Werner Illing.
Frankfurt: „Blau und Rot im Regenbogen" von Walter Bauer.
Frankfurt/UKW: „Blau und Rot im Regenbogen" von Walter Bauer.
Südwestfunk: „Venus im Licht" von Christopher Fry.
Südwestfunk/UKW: „Der veruntreute Himmel" von Fred von Hoerschelmann
nach Franz Werfel.
NWDR: „Gericht bei Nacht".
Frankfurt: „Glasmenagerie" von Tennessee Williams,
■ Frankfurt/UKW: „Mann Nummer Soundsoviel" von J. M. Becker.
Südwestfunk: „Wer erbt das Himmelreich" von Kurt Heynicke.
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
Denke an den „Hörspiel- Preis der Kriegsblinden"!
27
Weihnachten vor hundert Jahren
Heinz Schwarzmann vor Jahresfrist für den
Bayerischen Rundfunk nach dem Buch von
'Alan Paton geschrieben hat, gehört zu den
ernsthaftesten Versuchen, die Frankfurt sei-
nen Hörern in letzter Zeit beschert hat. „Der
eigentliche Schauplatz der Geschichte ist das
menschliche Herz", hieß es zu Beginn. Es
war also mehr, als nur (wie die VorankünT
digung des Senders wahrhaben wollte) die
„Rassenfrage aus christlicher Sicht", um die
es ging. Es ging vielmehr bei dem Schicksal
des Negerpfarrers Kumala um die Bewäh-
rung eines echten Christenglaubens in allen
Stationen Hiobschen Ausgesetztseins. Nicht
zuletzt hatte Otto Rouvels starke Darsteller-
und Sprecherpersönlichkeit einen Hauptanteil
am Erfolg. Ihm war es zu verdanken, daß
aus der Fülle der Worte und Gestalten immer
die Aussage des alten Mannes deutlich her-
ausragte. Seine unbeirrbare Gläubigkeit ge-
rät auch dann nicht ins Wanken, als er am
Ende seiner Entdeckungsreise nach Johannis-
burg den Sohn als Mörder, die Schwester als
Dirne und den Bruder als kalten, zynischen
Politiker vorfinden muß.
Formal gesehen muß unentschieden, blei-
ben, ob die Ausdehnung auf über zwei Stun-
den und die Verteilung auf zwei Abende
für die .Sendung unumgänglich war. Eine
stärkere Straffung hätte durch das Entfernen
manches gewiß reizvollen, aber auch verwir-
renden Rankenwerks die Konturen nur schär-
fer heraustreten lassen. Um dieses Ziel zu
erreichen, wäre es wohl auch gut gewesen,
wenn man die Funktion des Sprechers und
der Sprecherin eingeschränkt hätte.
tLW UDeiUnacliisabend
Was ein Weihnachtsbaum unseren Kindern erzählt
Das hätte ich denn doch nicht gedacht, daß
ich ein so schönes Weihnachtsfest erleben
sollte! Wenn ich so dran denke, wie un-
scheinbar ich da im großen Walde gestanden
hab neben all den anderen Tannenbäumen,
auf die ich oft so böse war, weil sie mir das
Licht wegnahmen — ■ — . Aber gut gewachsen
bin ich! Und jetzt? Anfangs gefiel es mir
gar nicht in der großen Stadt, als ich durch
die Straßen getragen wurde, die so voll
Lärm waren, und so grau die Häuser, und
so eilig und unfroh die Menschen, und so
unrein die Luft. Da hatte ich erst mal Heim-
weh nach meinem Wald und war sehr müde.
Aber dann kam ich zu diesen Leuten hier,
und an diesem eben vergangenen Abend
habe ich mein Weihnachtsfest erlebt. Ich
bin noch ganz taumelig von all dem Glanz
28
und der Wärme meiner vielen Lichter, und
auch etwas müde. Aber ich werde mich
schon wieder erholen. Es ist ganz still und
dunkel um mich. Alle schlafen sie nun, und
so will ich euch, ihr Kinder, ein wenig
erzählen. „
Stundenlang stand ich heute schon festlich
geputzt da, mit roten Äpfeln behängt und
mit dicken Kerzen besteckt, und wartete. Ab
und zu kam ein Rüchlein von Gebratenem
und von Sauerkraut aus der Küche zu mir,
und auch der Pfefferkuchenduft von sechs
wohlgefüllten bunten Tellern umwehte mich.
Schon am Vormittag war die Mutter ge-
schäftig-leise im Zimmer hin und her ge-
gangen, hatte weiße Decken aufgelegt und
hatte Päckchen herbeigetragen. Manchen
Gegenstand hatte sie behutsam dem Vater
in die Hand gegeben, damit er ihn befühle
und sich dran freuen solle. Und da erkannte
ich, daß der Mann ja blind war. Ja, kann
denn jemand, der nicht sieht, am Weihnachts-
abend auch seine Freude haben? Das zu er-
leben, war das Schönste für mich.
Endlich war es soweit! Die vielen Kerzen
auf meinen Zweigen wurden entzündet, so
daß mir ganz wohl und warm wurde und
ich mir unbeschreiblich schön und festlic
vorkam. Dann tat sich die Tür auf, und mit
leuchtenden Augen und ganz erwartungsvoll
kamen die drei Kinder und die gute alte
Großmutter herein und schauten gebannt
und glücklich auf mich. Dabei lauschten sie
den weihnachtlichen Klängen, die vom
Klavier her leise den Raum durchzogen, \\n
mischten ihre Stimmen darein. Der Vater
und die Mutter nahmen ihre Flöten zur
Hand und spielten eine schöne alte Weise
auch eins der Kinder, ein Mädchen, gesellte
sich dazu; und als es noch ein Weihnacht
liches Gedicht gesprochen hatte, da standen
alle im Halbkreis vor mir, und der Vater
der doch gar nichts von all dem Glanz
sehen konnte, sprach dann vom Sinn des
Weihnachtsfestes und vor allem davon, dal
die Menschen durch die Liebe zueinander
mehr Wärme und mehr Licht in die Welt
tragen sollten. Alle sahen einander froh ins
Gesicht und hielten sich bei den Händen
Nun nahm die Mutter den Vater beiseite
und wies ihm und dann auch allen anderen
den Platz, da einem jeden von ihnen die
SCHNEEFLOCKCHEN
Schneellöckchen iällt
nieder aut die Erde,
daß der grauen Welt
weich ein Laken werde.
Schneellöckchen sacht
schmiegt sich an die Stoppeln,
über die bei Nacht
braune Häschen hoppeln.
Schneeflöckchen bleich
wird gar bald verblassen,
wenn das Eis im Teich
die Sonnenstrahlen fassen.
Schneellöckchen arm
auf der frischen Erden,
muß im Frühling, warm,
wieder Wasser werden.
Kriegsbl. Karl Stein
sichtbaren Freuden des Abends aufgebaut
waren. Da gab es nun viele Ahs! und Ohs!,
viel Verwundern und Sich-miteinander-
freuen. Und auch die Kinder kamen mit
ihren Gaben herbei. An allem hatte der
Vater in seiner stillen, heiteren Weise sei-
nen vollen Anteil. Zum Schluß wurden noch
von flinken Fingern die Päckchen ausge-
packt, die liebe Menschen in der Ferne auf
den Weg gebracht hatten. Wie schön war es,
die heißen Wangen der Kinder zu sehen,
ihr glückliches Lachen zu vernehmen, Jbis
endlich Mutters Stimme leise mahnte, daß
auch der schönste Abend einmal zu Ende
gehen müsse.
Meine Lichter waren allmählich herunter-
gebrannt. Die Eltern saßen bei einem Glase
Wein still beieinander, gedachten ihrer,
großen Kinder, die irgendwo draußen waren
und die nicht hatten dabei sein können und
nun gewiß auch herdachten, und all der
anderen Lieben, die in ihrem Herzen einen
festen Platz hatten. Sie hielten sich still bei
den Händen und warteten schweigend ab,
wie eines meiner Lichtlein nach dem anderen
flackernd verlöschte. Die Frau sah es, und
der Mann hörte es, und so ließen sie dank-
baren Herzens den Abend leise verklingen,
so leise, wie er begonnen hatte.
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H. van der Goes: Anbetung der Hirten (Ausschnitt) — Ulfizien, Florenz
I i.-
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E.V.
NR. 5 . 3. JAHRGANG
JANUAR 1952
VERLAGSORT BIELEFELD
Mein Bruder, ich bin nicht niedergeschlagen,
ich habe den Mut nicht verloren. Das Leben ist überall das Leben,
das Leben ist in uns und nicht in der Welt, die uns umgibt.
In meiner Nähe werden Menschen sein,
und ein Mensch unter Menschen zu sein und immer zu bleiben,
unter welchen Umständen auch immer,
nicht schwach zu werden, nicht zu fallen, das ist das Leben,
das ist der wirkliche Sinn des Lebens, ich habe ihn verstanden.
DOSTOJ EWSKIJ
(Brief vom 22. 12. 1849, unmittelbar nachdem die drohende Vollstreckung der Todesurteile in eine Verschickung nach
Sibirien umgewandelt war.)
AUS DEM INHALT
Rückschau und Ausblick. Von Dr. Peter Plein .
Zur Jahreswende. Gedicht von Kam. Bodo Schütz (Hamburg
Ausgewandert — aber treu
Sehr guter Rat. Gedicht von Kam. Gottfried Schwendy
Wir halfen italienischen Schicksalsgefährten
Zur Klarstellung.
(Erwiderung an die „Blindenwelt") Von Dr. Plein .
Die Blinden aller Welt gedenken Brailles.
Von Otto Althauser . ....*....
Erholungs- und Badekuren 1952. Von Albert Bierwerth
Masseure auf der Schulbank. Von W. A
Lesermeinung
Kriegsblinder am Postschalter. Von Erich Theil
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Aus den Landesverbänden
Das „Erna-Plein-Kriegsblindenkurheim" in Bad Münster
am Stein 10
Streiflichter von unseren Weihnachtsfeiern .... 10
Weihnachten in der Viersektorenstadt
Kohlenzuteilung in Opladen
Gute Laune in Südbaden
Weihnachten im Kurheim Braunlage.
Von G. Hillmann (Berlin)
Kleine Neuigkeiten
Persönliches
Saure Wochen, frohe Feste . . .
(Aus der Arbeit des Landesverbandes Bayern)
Programmvorschau für Hörspiele ....
Für unsere Schachfreunde.
(Erste Schachmeisterschaft für Blinde)
Ein Kriegsblinden-Hörspiel?
Der Film „Sieg über das Dunkel" im Südwestfunk
Der Hörspielpreis der Kriegsblinden
Kriegsblinde Organisten. Von Theo Volk .
Auch so etwas soll's geben. Von Claus Faß (Köln
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Unser T i t e I I o t o , eine Aufnahme von Walter E h m a n n (Köln) zeigt den kriegsblinden Organisten Theo Volk an der Orgel.
Das Foto aul der Umschlagrückseite ist von Willi K 1 o u b e r t (Mainz-Kastel).
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.Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
Nr. 5 . 3. Jahrgang . Januar 1952 . Verlagsort Bielefeld
Rückschau und Ausblick
Von Amtsgerichtsrat Dr. Peter PI ein, 1. Vorsitzender des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V.
Wiederum liegt ein Jahr schwerer Mühen
und großer Sorgen in der Betreuung und in
der Arbeit für die Kriegsblinden Deutsch-
lands hinter uns. Wenn wir das Jahr 19 5 0
in unserer rückschauenden Betrachtung als
eins der ereignisreichsten in der
jahrzehntelangen Geschichte unserer Schick-
salsgemeinschaft bezeichnet haben, so kön-
nen wir mit Recht das Jahr 1951 als ein
Jahr der Ernte und ein Jahr der Ver-
tiefung und Verankerung unserer Bundes-
arbeit bezeichnen. Wenn es auch in erster
Linie galt, die durch Inkraftsetzung des Bun-
desversorgungsgesetzes am 22. Dezember
1950 notwendig gewordene Umanerkennung
mit aller Beschleunigung zu erwirken, so galt
es doch auch — neben anderen Gründen —
die hieraus erforderliche organisatorische
Vorbereitung zu treffen.
Diesem Zweck diente vor allem die schon
im Januar 1951 einberufene Bundesbeirats-
sitzung. Durch die Zusammensetzung des
Beirates, dem alle Landesverbandsleiter mit
einem der Größe ihres Landesverbandes an-
gemessenen Stimmrecht angehören, ergibt
sich für jeden kriegsblinden Kameraden seine
besondere Bedeutung für die praktische Bun-
desarbeit und seine besondere Rolle als
Helfer und Glied der Bundesleitung. Im
Bundesbeirat verkörpert sich jahrzehnte-
lange praktische Erfahrung neben der
Schwungkraft der jungen Kameraden des
letzten Krieges, wie sie alle durch das Ver-
trauen der kriegsblinden Kameraden ihres
Landesverbandes aus der Front der prak-
tischen Kriegsblindenarbeit kommen. Sie
geben der Bundesleitung in kameradschaft-
licher Mitarbeit die Richtlinien und Anre-
gungen für die richtige Art und Weise der
Durchführung schwierigster Bundesarbeit,
aber in wechselseitigem Austausch nehmen
sie auch von der Bundesleitung einheitliche
Gesichtspunkte, neue Informationen und
wertvolle Anregungen für ihre weitere Ar-
beit in den Landesverbänden mit. Daher
wird es jedem kriegsblinden Kameraden
verständlich sein, wenn auf dieser ersten
Bundesbeiratssitzung im Januar 1951, aber
auch auf der weiteren zweitägigen Bundes-
beiratssitzung Anfang Juli 1951 in ernstem
Bemühen und verantwortungsvoller Pflicht-
erfüllung schwer gerungen wurde, das Beste
für unsere Schicksalsgemeinschaft und damit
für alle kriegsblinden Kameraden in Stadt
und Land zu erreichen.
Diese Tagungen sind um so notwendiger,
weil trotz umfangreichster schriftlicher Un-
terrichtung (durch Niederschriften der Bun-
desvorstandsberichte, Sonderrundschreiben
an die Landesverbände und allgemeine
Rundschreiben) niemals so ausführlich die
schwerwiegenden Fragen behandelt und ge-
klärt werden können, wie dies bei einer
mündlichen Besprechung bei Frage und Ant-
wort möglich ist. Das wissen die Kameraden
aus eigener Erfahrung: wie erst die münd-
liche Besprechung mit ihrem Bezirks-
oder Landesverbandsleiter manches erst klar
macht, was zwar schon schriftlich in der
Zeitschrift oder in den Rundschreiben der
Landesverbände und Bezirke gestanden, aber
meist doch wegen seiner Kompliziertheit
und wegen der besonders gelagerten Einzel-
fälle doch noch zu Zweifel und Fragen Ver-
anlassung gibt.
Eine sehr wichtige Frage der Bundes-
beiratssitzung war auf organisatorischem Ge-
biete die Frage unserer Zeitschrift und
ZUR JAHRESWENDE
Ein Jahr will sich nun runden,
ein neues Jahr erwacht.
Am Lichterbaum entzünden
die Kerzen sich und künden:
verwunden ist die tieiste Nacht!
Sind kurz jetzt auch die Tage,
die Nächtetlang und kalt:
bang' nicht und laß die Klage.
Leise steigt schon die Waage,
drängt junges Leben nach Gestalt.
Glaub' nur! Vertrau dem Leben!
Der Tod bezwingt es nicht.
Sein Wirken und sein Weben
läßt neues Blüh'n anheben,
die Welt wird wieder warm und licht.
BODO SCHÜTZ
des Kriegsblinden-Jahrbuches.
Unsere bezügl. der Zeitschrift und des
Kriegsblinden-Jahrbuches gehegten Hoffnun-
gen hatten sich schon so erfüllt, daß darüber
keine Zweifel mehr bestanden, sie in der
inhaltlich und äußerlich guten Form unbe-
dingt zu erhalten. Bei dem Kriegsblinden-
Jahrbuch hatten sich bezügl. des Vertriebs
größere Schwierigkeiten ergeben. Da wir aus
Gründen des Ansehens unseres Kriegsblinden-
namens und unserer Schicksalsgemeinschaft
(und um eine Gewähr dafür zu haben, daß
die Kriegsblinden-Jahrbücher auch an die-
jenigen gelangen, in deren Händen wir sie
zwecks Werbung von Verständnis und Ver-
ständigung gerne wissen wollten) — da
wir also aus diesen Gründen den Absatz
nicht unkontrollierbaren oder schwer kon-
trollierbaren Vertretern überlassen durften,
mußten wir die Bezirke und Landesverbände
bitten, sich der mühevollen Aufgabe des
Vertriebs des Jahrbuches zu unterziehen.
Diese Aufgabe wurde von den Bezirken und
Landesverbänden noch dadurch erschwert,
daß das erste Kriegsblinden-Jahrbuch infolge
der zu spät eingesetzten Vorbereitung im
Jahre 1950 viel zu spät in den Besitz un-
serer kriegsblinden Kameraden gelangte, so
daß sie oft erst im Januar 1951 mit dem
Vertrieb beginnen konnten. Um so größerer
Dank gebührt all denen, die sich trotzdem
nicht entmutigen ließen und das Kriegs-
blinden-Jahrbuch 1951 in mühevoller Klein-
arbeit absetzten, und es muß lobend erwähnt
werden, daß neben vielen Kameraden, die
über 150 Kriegsblinden-Jahrbücher in ihren
Bekanntenkreisen, bei Behörden, Schulen
usw. abgesetzt haben, es sogar ein Kamerad
zu der erstaunlichen Leistung von über 9 0 0
abgesetzten Kriegsblinden-Jahrbüchern ge-
bracht hat.
Hierdurch wurde vermieden, daß der Ver-
trieb des Kriegsblinden-Jahrbuches schwer
kontrollierbaren und aus eigensüchtigen Be-
weggründen tätigen Vertretern überlassen
werden mußte, die niemals das Verständnis
für unsere seelische Einstellung und Ziele
aufbringen können und zu leicht geneigt
sind, unter Ausnutzung der uns so verhaßten
Mitleidserregung sich an die Öffentlichkeit
zu wenden und damit unserem Ansehen
viel mehr schaden als es durch das
Kriegsblinden-Jahrbuch mit seinem wert-
vollen Inhalt gehoben werden sollte.
Im Vertrauen auf die Mitarbeit aller
kriegsblinden Kameraden hat der Bund auch
für das Jahr 1952 das nun schon zum festen
Bestandteil unserer Aufklärungsarbeit ge-
wordene Kriegsblinden-Jahrbuch heraus-
gegeben. Dank der diesmal rechtzeitig be-
gonnenen Vorbereitung und erfreulichen
Mitarbeit schriftgewandter kriegsblinder Ka-
meraden gelang es, ein inhaltsreiches Werk
zu schaffen und so frühzeitig an die Landes-
verbände und Bezirke herauszuliefern, daß
dieses Jahr der Absatz keine außergewöhn-
lichen Schwierigkeiten bereitete und trotz
der Erhöhung der Auflage von 100 000 auf
131 000 Exemplare die zahlreich jetzt noch
einlaufenden Forderungen auf Nachlieferung
nicht mehr befriedigt werden kön-
nen. Wer das Kriegsblinden-Jahrbuch im
vorigen Jahre erhalten hat, hat sich meistens
in diesem Jahre schon selber gemeldet, wenn
ihm keins angeboten wurde, und wir be-
dauern es lebhaft, daß wir vielen unserer
Freunde ihren Wunsch nicht erfüllen können,
auch ihnen das Kriegsblindenjahrbuch 1952
zuzusenden.
Bezüglich des Inhaltes und der guten Auf-
machung unserer Zeitschrift „Der Kriegs-
blinde" bestand keinerlei Meinungsver-
schiedenheit, und es war daher auch ver-
ständlich, daß man allgemein den Wunsch
hatte, die Zeitschrift in der bisherigen schö-
nen Ausgestaltung unbedingt auch weiter zu
erhalten. Da aber die Beschaffung der finan-
ziellen Mittel hierfür wegen der aufgetre-
tenen Mißhelligkeiten und Schwierigkeiten
in der bisherigen Form nicht mehr durch-
geführt werden konnte, erschien dies fast
kaum noch möglich. Nach allen bisherigen
Erfahrungen konnte kaum erwartet werdet!,
mit einer reinen Anzeigenwerbung die finan-
zielle Sicherung des Weiter-Erscheinens un-
serer Zeitschrift in der bisherigen Weise auf-
recht zu erhalten. Unser Wille, die führende
Stellung unserer Zeitschrift „Der Kriegs-
blinde" innerhalb der Kriegsopferzeitschrif-
ten und sogar innerhalb aller Sozialzeit-
schriften zu erhalten, ließ uns aber das
Wagnis unternehmen, und der Erfolg hat
uns recht gegeben. Wir freuen uns ganz
besonders, daß wir unseren Freunden und
kriegsblinden Kameraden unsere Zeitschrift
in der geschmackvollen Ausstattung mit
ihrem gediegenen Inhalt weiter zusenden
können, und wir hoffen, daß es hier auch
durch rührige Mitarbeit geeigneter kriegs-
blinder Kameraden gelingen möge, durch
Werbung zahlender Jahresbezieher
nicht nur die finanzielle Grundlage weiter
zu sichern, sondern auch durch einen grö-
ßeren Leserkreis innerhalb der Sehenden
mehr für Verständnis und Verständigung zu
werben. Auf die im vorigen Jahr in einer
Auflage von 160 000 Exemplaren erschienene
Weihnachtsausgabe, die in gr ßem Umfange
von Schulen und Betrieben, großen Behörden
usw. bestellt worden war, mußten wir aber
in diesem Jahr verzichten, da das finanzielle
Risiko zu groß und der Absatz zu schwierig
gewesen war.
Am Schluß des Jahres gesellte sich zu
diesen beiden wichtigen Werbemitteln un-
seres Bundes noch der Film hinzu. Der von
unserem Standpunkte aus mit einem sel-
LAusgewaiiderl — aber heu
Im April 1950 wanderte unser Kamerad
J. J. Friesen, der bis dahin unweit von
Oldenburg gewohnt hatte, zu Verwandten
nach Kanada aus. Weiterhin aber fühlt er
sich unserer Schicksalsgemeinschaft eng ver-
bunden und bezog auch in Kanada unsere
Zeitschrift, die, wie er jetzt schreibt, ihm
unentbehrlich geworden sei und die er nicht
missen möchte.
Aber Kamerad Friesen will nicht nur der
Empfangende sein. So schickte er vor Weih-
nachten an die Schriftleitung zwei Pakete
mit Kinderkleidung, mit der Bitte, die Sen-
dung für Kameraden in der Ostzone zu ver-
wenden. Das ist inzwischen nach besten
Möglichkeiten geschehen; aber da unsere
Kameraden in der Ostzone möglicherweise
ihren Dank nicht unmittelbar abstatten kön-
nen, sei hier im Namen der beglückten
Empfänger recht herzlich für diese Kamera-
dentreue eines ' ausgewanderten Kriegs-
blinden gedankt.
Wer folgt diesem Beispiel?
Bei dieser Gelegenheit teilen wir mit, daß
der Bundesleitung in den letzten Wochen
weitere Anschriften von Kameraden aus der
Ostzone bekannt geworden sind, die bisher
noch nicht betreut wurden. Wer von unseren
Lesern einem Kriegsblinden aus der Ostzone
schreiben will und ihm auch mit Paketen
helfen kann, der erfrage eine Anschrift un-
mittelbar bei unserer Geschäftsstelle: Bund
der Kriegsblinden Deutschlands, Bonn, Schu-
mannstraße 35. Die Bundesleitung wäre sehr
dankbar, wenn recht bald eine regelmäßige
Verbindung zu diesen bisher unbetreuten
Kameraden der Ostzone zustandekäme, von
Kamerad zu Kamerad. Bei nach Bonn ge-
richteten Anfragen können auch besondere
Wünsche (nach Alter oder Heimat des Ost-
zonenkameraden usw.) vermerkt weiden, die
von der Buniesleitung nach Möglichkeit be-
rücksichtigt werden.
tenen Einfühlungsvermögen in bester künst-
lerischer Qualität von der amerikanischen
Filmproduktion herausgebrachte Film „Sjeg
über das Dunkel" ist ebenfalls geeignet,
unter dem Schutz des Kriegsblindenbundes
bei den Sehenden das richtige Verständnis
für unser Schicksal und unser schweres Opfer
zu wecken.
Die Vertiefung unserer Schicksals-
gemeinschaft
Organisatorisch trug auch das vergangene
Jahr dazu bei, überall bei unseren kriegs- .
blinden Mitgliedern durch zahlreiche Ver-
anstaltungen das Zugehörigkeitsgefühl
zur einheitlichen Schicksalsgemeinschaft zu
stärken und das Bewußtsein zu wecken, daß
unser schweres Schicksal uns mehr als an-
dere Kriegsopfer und sonstige Träger des
gemeinsamen Leides zu einer einheitlichen,
in Freud und Leid verbundenen Familie ver-
eint. Jeder Kamerad hat sinnfällig im. Jahre
1951 erfahren, welch große Arbeit der
Kriegsblindenbund auch für ihn persönlich
und seine Familie geleistet hat und welche
Erfolge errungen wurden. Es ist schon wie-
der so weit, daß die unmittelbare Zugehörig-
keit zu unserer Schicksalsgemeinschaft so
tief im Herzen des einzelnen verwurzelt ist,
daß es für jeden nicht nur eine große Leere,
sondern eine Strafe bedeutet, dieser Schick-
salsgemeinschaft nicht angehören zu dürfen.
Dies gilt natürlich in erster Linie für die-
jenigen, die durch ihr eigenes Verhalten
(Bettelei usw.) sich der Zugehörigkeit zu
unserer Schicksalsgemeinschaft selbst un-
würdig gemacht haben. Aber auch diejenigen
möchten weiter zu unserer Schicksalsgemein-
schaft gehören, die auf Grund der Besserung
ihres Versorgungsleidens bei der Umaner-
kennung auf Grund der ärztlichen Gutachten
nicht mehr als blind im Sinne der strengen
Bestimmung des Bundesversorgungsgesetzes
anerkannt wurden, sondern nur als hoch-
gradig schwachsichtig bezeichnet werden
konnten. So sehr wir es bedauern, diese
Kameraden wegen unserer eindeutigen
Satzungsbestimmung zu verlieren, die wir
im Interesse der Wahrheit und Klarheit ge-
genüber der Öffentlichkeit so treffen mußten,
daß nur auf Grund amtlicher Rentenbescheide
als kriegsblind anerkannte Kriegsbe-
schädigte unserer Kriegsblindenschicksals-
gemeinschaft als Mitglieder angehören kön-
nen, so freuen wir uns doch über die Besse-
rung ihres Versorgungsleidens.
Die Öffentlichkeit muß aber wissen, daß
derjenige, der unserem Bunde angehört, auch
auf Grund amtlicher ärztlicher Unter-
suchung und amtlichen Rentenbescheides a 1 s
Kriegsblinder anerkannt ist. Diese
Tatsache muß um so mehr betont werden, als
von unverantwortlicher Seite in der Öffent-
lichkeit der Eindruck erweckt werden soll, als
ob ein großer Teil der Kriegsopfer zu Unrecht
ihre Renten beziehe. Wir Kriegsblinde legen
durch unsere Kriegsblindenschicksalsgemein-
schaft allergrößten Wert darauf, daß
nur solche als Kriegsblinde anerkannt
werden und zu unseren Mitgliedern zählen,
die auf Grund einwandfreier Untersuchung
als Kriegsblinde anerkannt wurden und daher
mit Recht einen Anspruch auf ihre Versor-
gung haben.
Um organisatorisch unsere Betreuungs-
arbeit für jedes einzelne unserer kriegs-
blinden Mitglieder sowohl bei den Bezirken
und Landesverbänden wie auch bei der Bun-
desgeschäftsstelle noch besser und erfolg-
reicher durchführen zu können, müssen uns
die Kameraden durch die Mithilfe und zur
Verfügungstellung bester Unterlagen
helfen, denn es hat sich schon im Jahre 1950,
aber noch mehr im Jahre 1951, als besondere
Stärke unserer Schicksalsgemeinschaft er-
wiesen, daß wir neben der restlosen Erfas-
sung, aller Kriegsblinden auch über die besten
zahlenmäßigen und sonstigen Unterlagen
verfügten und dadurch viele Irrtümer beseiti-
gen und falsche Berechnungen richtigstellen
konnten. Um aber hier noch bessere Unter-
lagen zu haben, sind von erfahrenen Kame-
raden Karteiblätter ausgearbeitet wor-
den, die alle wesentlichen Angaben enthalten
und übereinstimmend bei Bezirk, Landesver-
band und Bundesgeschäftsstelle geführt wer-
den. Die Kameraden, insbesondere die Ka-
meradenfrauen, werden gebeten, durch sorg-
fältige Angaben und sofortiger Mittei-
lung jeder Veränderung uns hier
im Gesamtinteresse tatkräftig zu unterstützen,
wenn es auch neben der sonstigen Belastung
unserer Hilfskräfte für diese eine zusätzliche
Mühe bedeutet. Besonders Anschriftenände-
runnen sind allein schon wegen der richtigen
Zeitungszustellung umgehend erforderlich.
Die Betreuung der Ostzonenkame-
raden wurde auch im vergangenen Jahr
erfolgreich weitergeführt, und soweit , wie
möglich wurden alle Kameraden in der Osl-
. zone' unentgeltlich mit einem Kriegsblinden-
jahrbuch beliefert. Die Bezirke und Landes-
verbände wie auch ein großer Teil einzelner
kriegsblinder Kameraden haben auch im ver-
gangenen Jahr durch schriftlichen Gedanken-
austausch und materielle Unterstützung ihre
kameradschaftliche Verbundenheit mit unse-
ren kriegsblinden Kameraden in Ostberlin
und in der Ostzone zum Ausdruck gebracht.
Wir bedauern lebhaft, daß wir aus Mangel
an finanziellen Mitteln und wegen unserer
eigenen Mühen und Sorgen und dadurch,
daß man diesen kriegsblinden Kameraden
noch immer nicht gestattet, unserer Schick-
salsgemeinschaft als Mitglieder anzugehören,
unseren Betreuungsaufgaben ihnen gegenüber
nicht so nachkommen können, wie wir es
gerne möchten. Wir ersehnen mit ihnen heiß
den Tag herbei, wo alle Zonengrenzen fallen
und ein Friede die Einheit unseres deut-
schen Volkes in Recht und Freiheit
wieder herbeiführt.
Der L mdesvorsitzende hatte im vergange-
nen Jahr sehr häufig Gelegenheit, bei den
Landesverbänden und Bezirken sowohl bei
internen Arbeitstagungen wie bei öffentlichen
Kundgebungen neue Anregungen zu empfan-
gen und die persönliche Verbindung mit den
Kameraden herzustellen, sie zu unterrichten
und in der Öffentlichkeit Verständnis und
tatkräftige Unterstützung für unser Schicksal
zu erwirken. Man weiß allmählich im deut-
schen Volke, daß die so oft nur bedauerten
und gemiedenen Kriegsblinden trotz ihres
schweren Schicksals die treuesten und ver-
antwortungsbewußten und auch die 1 e -
bensbejahendsten Mitglieder ihres
Volkes sein wollen und sind.
Mitwirkung beim Versorgungsrecht
Dank des besonderen Vertrauens und
Freundschaftsverhältnisses all unserer Gliede-
rungen zu den zuständigen Versor-
g u n g sbehörden und dank der von uns
schon unterlagenmäßig rechtzeitig gut durch-
geführten Vorbereitungsarbeit war es schon
möglich, die Umanerkennung von Kriegs-
blinden sogar vor dem rechtswirksamen Er-
SEHR GUTER RAT
Ein Mensch, der selber recht gut sieht
und außerdem noch voll Gemüt,
wird, triiit er einmal einen Blinden,
des Zustand wirklich traurig finden.
Er denkt, es dürfte sich empiehlen,
sein Mitgefühl nicht zu verhehlen.
Und also wählt er zarte Worte,
zum Beispiel welche von der Sorte:
„Sind Sie ganz blind? Und das lür immer?
Blieb Ihnen nicht der kleinste Schimmer?
Das ist das Schlimmste, und ich meine,
da hält' ich lieber keine Beine!"
So geht der Mensch entlastet weiter
und stimmt den anderen dadurch heiter.
- Eugen Roth gewidmet
Gottfried Schwendy
Eine der Hauptaufgaben unseres Bundes ist es, jedem arbeitswilligen Kameraden einen angemessenen Arbeitsplatz zu verschallen. Neuerdings hat sich
vis günstiger Berulszweig eine Tätigkeit in den Fernmeldezeugämtern der Deutschen Bundespost erwiesen: Hier arbeiten Kriegsblinde vor
allem in der Zerlegeabteilung. Unser Bild zeigt westfälische (links) und rheinische Kameraden (rechts) bei der Arbeit.
laß der Verwaltungsvorschriften und Rechts-
verordnung zum BVG zu erreichen. Dies war
deshalb möglich, weil es uns bei der Schaf-
funq des BVG gelungen war, die für Blinde
maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen so
klar und eindeutig im Gesetz zu formulieren,
daß die Verwaltungsvorschriften meist nicht
mehr, notwendig waren. Selbstverständlich
haben wir bei der Schaffung der Rechtsver-
ordnung und Verwaltungsvorschriften zum
BVG sowohl im Beratenden Beirat für das
Versorgungsrecht wie auch durch schriftliche
Eingaben und mündliche Vorsprachen ein-
gehend mitgewirkt. Ebenso geschah
dies bei der Schaffung der gesetzlichen Be-
stimmung zur Errichtung einer Versor-
gungsverwaltung. Als Lohn unserer
großen Mühe konnten wir es daher aber auch
verbuchen, daß die Kriegsblinden und Pflege-
zulageempfänger wohl von allen Kriegs-
opfern zuerst umanerkannt wurden und in
den Genuß der neuen Versorgungsbezüge mit
den für manche erheblichen Nachzahlungen
kamen. Damit konnte besonders bei den
heimatvertriebenen Kriegsblinden manche
drückende Not beseitigt, manche dringend
notwendige Anschaffung an Betten, Hausrat
usw. gemacht werden, Damit wurde aber auch
der außerordentlich großen Unterschiedlich-
keit in der Berentung des gleichen schweren
Opfers, des Augenlichtes, und manchem un-
haltbaren Notzustand wegen viel zu geringer
Versorgung ein Ende gemacht. Wir möchten
nicht verfehlen, den Versorgungsbehörden
an dieser Stelle für ihre schnelle Uman-
kennung bei den Kriegsblinden unseren
herzlichsten Dank zu sagen.
Unseren kriegsblinden Kameraden Wird
der Erfolg dieser Arbeit offensichtlich, wenn
sie erfahren, daß die Kriegsblinden schon seit
August zu 97 — 98 Prozent endgültig umaner-
kannt sind, während die Durchschnittszahl
der Umanerkennungen im gesamten Bundes-
gebiet damals um 30 Prozent betrug und
jetzt noch 50 Prozent aller Kriegsopfer, also
über zwei Millionen, nicht umanerkannt
werden konnten. Bei den restlichen 2 — 3 Pro-
zent der Kriegsblinden handelt es sich um
solche Fälle, wo infolge Versendung der
Akten oder ärztlicher Unersuchungen Ver-
zögerungen in der Bearbeitung der Umaner-
kennung eingetreten sind. In den wenigen
Fällen, wo gegen die Umanerkennungs-
bescheide .bei Kriegsblinden von uns Ein-
spruch eingelegt werden mußte, wurden die-
selben mit über 90 Prozent zugunsten un-
serer Kameraden entschieden.
Die neuen Bestimmungen des BVG über
Heil, und Krankenbehandlung
für Kriegsblinde und ihren Angehörigen
sowie Pflegepersonen haben sich ebenfalls
schon sehr günstig ausgewirkt und auch in
der Versorgung mit orthopädischen Hilfs-
mitteln ist eine wesentliche Besserung einge-
treten und sind die Klagen fast ganz aus-
geblieben. Die Belieferung mit Schreib-
maschinen und gut ausgebildeten Führ-
hunden hat wesentliche Fortschritte ge-
macht. Nur bezüglich des Kleiderverschleißes
bei Kriegsblinden liegen noch aus einzelnen
Bundesländern Klagen über unterschiedliche
Behandlung vor. Leider konnten auch unsere
kriegsblinden Ohnhänder nicht so mit
den erforderlichen Schlagwerkuhren beliefert
werden, wie wir und die Versorgungsverwal-
tung es gewünscht hätten, da zuerst die
Devisenbeschaffung, dann aber die Produk-
tionseinstellung der Schweizer Firma hier
größte Schwierigkeiten bereitete. Es ist aber
zu hoffen, daß im Interesse dieser Ärmsten
unter uns Kriegsblinden bald gute Schlag-
werkuhren geliefert werden können.
Die Zusammenarbeit mit den Behörden
Badekuren wurden auch im vergange-
nen Jahr in erheblich größerem Umfange ge-
währt, so daß im Jahre 1951 fast jeder
siebente Kriegsblinde eine Badekur er-
hielt. Die hier im April/Mai bezüglich der
notwendigen Begleitperson auftreten-
den Schwierigkeiten konnten, wenn auch
nicht zur vollsten Zufriedenheit unserer
kriegsblinden Kameraden, so doch im Rahmen
der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten
dank des entgegenkommenden Verständ-
nisses der zuständigen sachbearbeitenden
Herren im Bundesarbeitsministerium durch
einen Erlaß so günstig wie möglich
geregelt werden. Er bringt gegenüber dem
früheren Recht des Reichsversorgungsgesetzes
doch noch erhebliche Verbesserungen und
macht es allen kriegsblinden Kameraden,
auch wenn ihnen nicht auf Grund zusätzlicher
Verletzungen und Gesundheitsstörungen die
Notwendigkeit der Mitnahme einer Begleit-
person mit Übernahme der vollen Kosten für
diese bestätigt wird, doch die Mitnahme der
vertrauten Pflegeperson in die Kriegsblinden-
kurheime mit einer gewissen Zuzahlung
möglich.
Bei der Bundesbeiratssitzung Anfang Juli
hatten alle Landesverbandsleiter Gelegen-
heit, mit dem zuständigen Leiter der Ver-
sorgungsabteilung im Bundesarbeits-
ministerium, Ministerialrat Dr. Schön-
leiter, alle Zweifelsfragen bezüglich der
Versorgung in eingehender Aussprache zu
klären. Hierbei wurden besonders die Fragen
der Pflegezulage, der Ausqleichsrente für
Kinder, der Heil- und Krankenbehandlung
besprochen. Die in ihrer Sachlichkeit und
Verantwortungsbewußtheit außerordentlich
hochstehende und allerseits von größten
Kenntnissen zeugende Aussprache trug dazu
bei, unser gutes Verhältnis zu den höchsten
Wir halfen italienischen Schicksalsgefährten
Unser Auslandsreferent im Hochwasserkatastrophengebiet — Südtiroler Kriegsblinde
ohne Rente
Nach Kenntnisnahme einer Pressemeldung,
wonach bei der Hochwasserkatastrophe in
Italien auch Kriegsblinde betroffen wurden,
beauftragte der Bundesvorsitzende Dr. Plein
unseren Auslandsreferenten A 1 f o n s
Schramm, Freiburg, sofort nach Italien
zu reisen, um im Katastrophengebiet eine
Hilfsaktion einzuleiten. In einer Sonder-
sitzung des Heimausschusses wurden sofort
Freiplätze in unseren Kriegsblinden-
heimen bereitgestellt. Kam. Schramm berich-
tete nach seiner Rückkehr, daß alle betroffe-
nen Blinden inzwischen in Ausweichquar-
tieren untergebracht waren. Es' wurde in
einer Aussprache mit dem Präsidenten der
Blindenorganisation in Italien auf die be-
sondere Not an Kleidungsstücken und Bett-
wäsche hingewiesen. Außerdem baten un-
sere Kameraden um Blindenuhren. Kam.
Schramm hat sofort 50 Satz Bettwäsche und
50 Blindenwecker im Namen der deutschen
Kriegsblinden an die Zentralleitstelle in
Padua zum Versand gebracht. Der Präsident
der italienischen Blinden hat an den Bund
der Kriegsblinden ein Dankschreiben gesandt
und darin im Namen aller italienischen
Blinden und im persönlichen Namen seine
Anerkennung in herzlichen- Worten ausge-
drückt.
Wie Kam. Schramm weiter berichtet, hat
er in Mailand in einem Kriegsblinden-
heim 13 Kriegsblinde angetroffen, die be-
dauerlicherweise keine Versorgungs-
rente beziehen. Diese S ü d t i r o 1 e r
Schicksalsgefährten sind auf
Grund eines Einberufungsbefehls in die
deutsche Wehrmacht eingetreten und haben
im Kampfeinsatz für unser Vaterland das
Augenlicht verloren. Wir haben beschlos-
sen, diese Kameraden zu einem Erho-
lungsurlaub in unsere Heime in
Deutschland einzuladen, um dadurch einen
kleinen Beitrag zur Linderung ihrer wirt-
schaftlichen und seelischen Not zu leisten.
Versorgungsbehörden zu vertiefen und aus-
zuwerten.
Mit größtem Bedauern mußten wir
es aber erleben, daß die Verwaltungsvor-
schriften und die Rechtsverordnung
zu den §§ 25, 27 BVG, obwohl sie schon
längst im Bundesausschuß für KB- und KH-
Fürsorge eingehend beraten und fertig-
gestellt worden waren, wegen Zuständig-
keitsstreitigkeiten und sonstiger formaler
Bedenken hinausgezögert wurden und erst
mit Wirkung vom 10. 12. 51 rechtsverbindlich
wurden. Wir hoffen, daß damit endlich auf
dem umfangreichen Gebiete der Sozial-
fürsorge für Kriegsopfer insbesondere auch
die Sondermaßnahmen für Kriegs-
blinde, Ohnhänder, sonstige Pflegezulage-
empfänger und Hirnverletzte sich praktisch
für unsere Kameraden auswirken und
die noch immer bestehenden Zweifel bei den
Hauptfürsorgestellen beseitigt werden. Nach
unserer Auffassung sind damit die Grund-
lagen für eine großzügige Berufsförderung
und soziale Fürsorge mit allen erforderlichen
Sondermaßnahmen für Kriegsblinde sowohl
auf dem Gebiete der Wohnungs- wie auf dem
der Erholungsfürsorge geschaffen worden.
Leider ist zum Schluß des Jahres 1951 die
vom Beratenden Beirat für das Versorgungs-
recht und allen Kriegsopferverbänden so
dringend gewünschte Regelung des Ver-
fahrensrechts in Versorgungssachen
und der Versorgungsgerichtsbarkeit noch
nicht fertiggestellt worden. Dies ist um so
bedauerlicher, weil dadurch den Kriegsopfern
ihr verfassungsmäßiges Recht auf richterliche
Entscheidung in ihren versorgungsrechtlichen
Streitigkeiten immer noch nicht gewähr-
leistet i 3t. Wenn wir auch hoffen, daß dank
der intensiven Mitarbeit unseres Kriegs-
blindenbundes nicht nur bei der Gestaltung
des Versorgungsrechts für Kriegsblinde,
sondern auch bei der befriedigenden Rege-
lung der Umanerkennung die Notwendigkeit
der Inanspruchnahme von Versorgungs-
gerichten für Kriegsblinde wohl nur zu den
seltenen Ausnahmefällen gerechnet
zu werden braucht, so müssen wir doch im
Interesse der gesamten Kriegsopfer der Er-
wartung Ausdruck geben, daß im Jahre 1952
ohne irgendwelche Verguickung mit der Ge-
samtfrage der Sozialgerichtsbarkeit die Ver-
sorgungsgerichtsbarkeit vorab
eine s lbständige gesetzliche Regelung
findet.
Erhaltet die Kaufkraft!
Mit nrößter Sorge muße allerdings auch
unsere Kriegsblindenschicksalsgemeinschaft
im vergangenen Jahr die wirtschaftliche Ent-
wicklung im Bundesgebiet ansehen, durch die
schon die Kaufkraft unserer Versor-
gungsrente durch die Preisentwicklung
wesentlich entwertet war, bevor das auf
der wirtschaftlichen Grundlage von Anfang
bzw. Mitte des Jahre 1951 aufgebaute Bundes-
versorgungsgesetz in Kraft getreten war ge-
schweige denn die Umanerknnung und die
Beim Messen und Schleifen
zu ABA greifen
flbawerk G.m.b.H.
Aschaffenburg
Auszahlung der Renten vorgenommen wurde.
In der Erkenntnis, daß bei einem Wettlauf
zwischen Preisen einerseits und Löhnen,
Renten usw. andererseits die Kriegsopfer als
die wirtschaftlich Schwächeren stets zuerst
auf der Strecke liegen bleiben und daher jede
derartige wirtschaftliche Entwicklung wegen
ihrer fürchterlichen Folgen gerade für die
Kriegsopfer von diesen in erster Linie be-
kämpft und nicht noch unterstüzt werden
muß, haben wir Kriegsblinden entgegen
der allgemeinen Tendenz, durch Teuerungs-
zulagen, Lohnerhöhungen, Rentenzulagen
und dergleichen den davonlaufenden Preisen
nachzurennen, die Bundesregierung, Bundes-
tag und alle sonstigen verantwortlichen
Stellen einschließlich des Deutschen Gewerk-
schaftsbundes dringend gebeten, durch
eine Preisstabilisierung und Wiederherstel-
lung der gesunkenen Kaufkraft der ein-
setzenden Wirtschaftskrise Herr zu werden
und nicht durch falsche Maßnahmen noch
dazu beizutragen, daß die wirtschaftliche Lage
der großen Masse unseres Volkes, ins-
besondere der wirtschaftlich Schwächsten,
noch verschlechtert wird. Auch die
Beamten und Lohnempfänger und die ge-
samte gewerbliche Wirtschaft sowie die
Bundes- und Länderregierungen müssen ein-
sehen, daß auf die Dauer das immer wieder
einsetzende Davonlaufen der Preise und die
dadurch eintretende Existenzunmöglichkeit
von Bevölkerungsgruppen allein schon im
Größenverhältnis der Kriegsopfer mit über
4 Millionen oder einschließlich der Familien-
angehörigen mit 8 — 10 Millionen sonst neue
Steuern und neue Steuererhöhungen im
Milliardenausmaße unvermeidlich machen,
unabhängig von der Frage, ob diese Steuer-
belastungen für die Betroffenen noch wirt-
schaftlich tragbar sind. Von dem, der sich
selbst in einer wirtschaftlich unerträglichen
Lage befindet, soll und kann man nicht er-
warten, daß er allein das erforderliche Ver-
ständnis für das wirtschaftlich Tragbare der
anderen Bevölkerungsgruppen aufbringen
soll, die sowieso körperlich und seelisch und
auch wirtschaftlich sich ihm gegenüber in der
Lage der stets Bessergestellten befinden. Wir
Kriegsblinden sind gerade diejenigen unter
den Kriegsopfern, obwohl sie wohl anerkann-
termaßen das schwerste Opfer an Leib und
Seele für ihr Volk gebracht und mit das
schwerste Schicksal zu tragen haben, die
immer wieder betonen, daß wir nicht so blind
sind, um an der Not unseres Volkes achtlos
vorüberzugehen und deshalb nicht
wünschen, daß die unerträgliche Steuer-
last unseres Volkes noch durch Renten-
erhöhungen vermehrt wird, sondern die
immer wieder fordern, daß durch Preisherab-
setzung und Preisstabilisierung die Kauf-
kraft der Kriegsopferrenten hergestellt
wird.
Wir sind aber auch nicht so blind, um zu
übersehen, daß soziale Ungerechtigkeit und
daraus herrührende soziale Verzweiflung auf
die Dauer nicht mit bloßen Hinweisen
auf staatsbürgerliche Einsicht und zukünftige
katastrophale Entwicklungsmöglichkeiten für
die Gesamtwirtschaft in ihrer Unerträglich-
keit für die Betroffenen beseitigt werden
können. Was nützt der Wirtschaft alle Preis-
erhöhung und den Lohn- und Gehalts-
empfängern jede Erhöhung ihrer Bezüge,
wenn sie auf der anderen Seite durch neue
unerträglichere Steuerbelastung nicht nur
wieder alles entzogen erhalten, sondern dazu
noch neue Einbrüche in ihre alte Substanz
erfahren müssen! Aus dieser ernsten Sorge
und Verantwortung heraus bitten die 11 000
deutschen Kriegsblinden dringendst, die zur
Preisstabilisierung und Kaufkrafterhaltung
erforderlichen wirtschaftlichen Maßnahmen
im Einvernehmen mit der Wirtschaft durchzu-
führen. Wir haben uns trotz unserer schweren
Not und unseres Leides doch noch den Opti-
mismus bewahrt, daß wir der festen Über-
zeugung sind, daß dies auch durchführbar ist,
wenn nur alle Beteiligten so felsenfest von
der untrüglichen Schicksalsverbundenheit des
gesamten Volkes überzeugt sind, wie wir
Kriegsblinde es von der unlösbaren Schick-
salsverbundenheit aller Kriegsblinden sind.
(2. Teil iolgt)
Zur Klarstellung
Um keinem Zweifel darüber zu lassen, daß
Bundesleitung und Schriftleitung in der Ab-
wehr des unter der irreführenden Überschrift
„Humanität oder Kausalität" erschienenen
Artikels eines Herrn Wolnik1) und auch in
der Zurückweisung des unter der Überschrift
„Unangebrachter Husarenritt" vom Vor-
sitzenden des Deutschen Blinden-Verbandes
e. V., Dr. G o 1 1 w a 1 d , der sich gegen die
Stellungnahme unseres Kameraden Hymmen
richtet, vollständig einig sind,
weise ich auf folgendes hin:
Die deutschen Kriegsblinden bedauern es
auf das lebhafteste, daß die Zivilblinden
einschließlich ihres Vorsitzenden Dr. Gott-
wald durch unangebrachte Vergleiche und
Begründungen immer wieder in der Öffent-
lichkeit gegen das unbestreitbare besondere
Recht auf Versorgung, wie es nun einmal
den Kriegsblinden auf Grund ihrer Dienst-
beschädigung für Volk und Vaterland zu-
steht, eine Stellung einnehmen, die mit
Recht die Empörung aller Kriegsblinden so-
wie aller unserer Freunde im deutschen
Volke hervorruft und nur geeignet ist, bei
oberflächlich denkenden . Sehenden einen
irrigen Eindruck zu erwecken und bei Zivil-
blinden Gefühle des Neides auszulösen.
Auch gegenüber der neuen Begründung von
Dr. Gottwald, daß gleiche soziale Notstände
den gleichen Lastenausgleich bedingen und
daher die Zivilblinden zum mindesten den
gleichen Rechtsanspruch auf das Blinden-
pflegegeld in derselben Höhe wie die
*) Siehe: „Der Kriegsblinde", Oktober 1951,
Seite 5.
Kriegsblinden hätten, muß als rechts-
irrig und auch moralisch ungerecht-
fertigt zurückgewiesen werden.
Wenn Dr. Gottwald für die Zivilblinden
das gleiche Pflegegeld wie für die Kriegs-
blinden nach § 35 des Bundesversorgungs-
gesetzes fordert, weil es anderenfalls „ein
Verstoß gegen den Grundsatz der gleichen
Behandlung gleichdrückender sozialer Tat-
bestände ohne Unterscheidung der Ursache
und damit ein Verstoß gegen die soziale
Gerechtigkeit" wäre, und wenn er weiter
schreibt: „Ein Zivilblindenpflegegeld nur auf
Fürsorgebasis kann niemals die Lösung sein.
Das Gebot gleiche Behandlung gleichbe-
drückender sozialer Tatbestände fordert ein
Pflegegeld für alle", so weiß er aus seiner
eigenen Praxis als Rechtsanwalt ganz ge-
nau, daß diese gleichen sozial drückenden
Notstände niemals im Leben die gleiche
rechtliche Behandlung erfahren.
Niemand wird es einfallen, der Witwe, die
ihren Mann im besten Lebensalter durch
einen Herzschlag verloren hat, die gleiche
rechtliche Behandlung zuzugestehen wie der
Witwe, die ihren Mann durch beruflichen
Unfall oder durch Kriegsgeschehen verloren
hat. Er weiß auch ganz genau, daß die
Unfallblinden bzw. die durch unerlaubte
Handlung Erblindeten ganz andere recht-
liche Ansprüche haben, wie z. B. die Kriegs-
blinden, und dies auch sogar bezüglich des
Pflegegeldes, das nach der Unfallversiche-
rungsgesetzgebung anders geregelt ist.
In diesem Zusammenhang muß unbedingt
darauf hingewiesen werden, daß die Pflege-
zulage für Kriegsblinde nach § 35 BVG ein
Die Blinden aller Welt gedenken Brailles
Hat uns der Erfinder der Punktschrift auch heute noch etwas zu sagen?
Wenn wir uns zum 6. Januar 1952 des
100jährigen Todestages von Louis Braille
erinnern, dann sollten wir diesen Tag nicht
nur als Gedenktag begehen, als Anlaß also
nur zu vielen schönen Worten, sondern wir
sollten uns Gedanken darüber machen, ob
seine Erfindung, sein Werk, die Schaffung
einer allgemein brauchbaren Blindenschrift,
auch heute noch Bedeutung für das Blinden-
wesen hat. Lediglich seines Hinscheidens vor
100 Jahren zu gedenken, hieße, diesem gro-
ßen französischen Schicksalsgefährten ein
schlechtes Andenken bewahren.
Der am 4. Januar 1809 geborene und im
3. Lebensjahr infolge eines Unfalls erblindete
Franzose Louis Braille schuf in seinen Jüng-
lingsjahren die Blinden-Punktschrift auf der
6-Punkte-Basis aus allerlei Anfängen und
Versuchen heraus. Ursprünglich von einem
französischen Offizier als Geheimschrift ent-
wickelt, fand Braille einen Schlüssel in Form
der 6 Punkte, auf welchem seine tastbare
Schrift aufgebaut ist und die bis heute die
Grundlage für die allgemeine Blindenbil-
dung darstellt. Dies geschah in einer Zeit, in
welcher die allgemeine Blindenbildung noch
in ihren Anfängen stand, und Braille schloß
durch seine Erfindung ein jahrelanges Rin-
gen nach einer wirklich brauchbaren Blin-
denschrift damit mit Erfolg. ab.
Nun, inzwischen sind über 125 Jahre ver-
gangen, und aus der Urpunktschrift wurde
die Kurzschrift entwickelt, in welcher fast
das gesamte Schrifttum geschrieben ist und
welche auch in den Blindenschulen gelehrt
wird. Des weiteren wurden weitere Kurz-
schriften für berufliche Zwecke geschaffen
und zwar in verschiedenen Systemen. Als
Ausgangspunkt und Grundform dienen je-
doch immer die 6 Punkte in der Anordnung
von Louis Braille. Es wurden zwar schon
Versuche unternommen, gerade zum Zwecke
der Schaffung von Stenografien das Punkt-
bild zu erweitern auf 8 Punkte und neuer-
dings auf 7 Punkte. Für den Druck der allge-
meinen Blindenliteratur hat dies jedoch
keine Bedeutung.
Man könnte nun geneigt sein, anzuneh-
men, daß die schon vor so langer Zeit ge-
schaffene Blindenschrift in absehbarer Zeit
durch technische Geräte, wie z. B. das Spre-
chende Buch, abgelöst werden wird. Dies
untrennbarer Bestandteil ihres
Rechtsanspruches auf Versorgung bildet.
Die Kriegsblinden erhalten diese Pflege-
zulage nicht, weil sie als Blinde in einer
sozial dringenden Notlage sind, sondern
weil sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung für
Volk und Vaterland, insbesondere Dienst-
verpflichtung für dieses Volk, ihr Augenlicht
verloren haben.
Wir bedauern es außerordentlich, daß die
Friedensblinden uns immer wieder zwingen,
zur Abwehr ihrer unberechtigten Angriffe
auf unseren Rechtsanspruch auf Versorgung
einschließlich des Pflegegeldes, in der Öffent-
lichkeit Stellung zu nehmen; denn niemand
gönnt den Zivilblinden mehr eine aus-
reichende Existenzsicherung durch die Öffent-
lichkeit als gerade wir Kriegsblinden, die
wir die Schwere des Schicksals der Erblin-
dung besser kennen als jeder andere. Die
Bundesleitung der gesamten deutschen
Kriegsblinden gibt daher der Hoffnung Aus-
druck, daß im Interesse der gesamten Blin-
densache sowohl von seifen verantwortlicher
Stellen in den Organisationen der Zivil-
blinden, wie auch von einzelnen mit unbe-
rechtigten Angriffen und falschen Ver-
gleichen mit unserer Kriegsblindenversor-
gung Schluß gemacht wird, damit
wir nicht immer wieder zu schärfster Abwehr
derartiger Angriffe gezwungen werden.
Amtsgerichtsrat Dr. Plein
wird jedoch nur zu einem gewissen Teil
möglich sein, im übrigen dienen solche Ge-
räte nur zur Ergänzung und Erleichterung.
Vielleicht lächelt bei solcher Feststellung
mancher der Technik verschriebene Blinde,
insbesondere mancher meiner späterblinde-
ten Kameraden.
Es steht aber eines fest: In der schulischen
Ausbildung für blinde Kinder wird man nicht
auf die Punktschrift verzichten können und
im Berufsleben kommt der Blinde —
auch der Kriegsblinde — nicht ohne die
Punktschriftzeichen aus. Selbst
etwas aufschreiben zu können, was man
selbst auch lesen kann, sei es auch nur eine
Notiz, das ermöglicht auch in Zukunft
allein die Punktschrift.
Vor 100 Jahren starb Louis Braille, der Erfinder
der Blinden-Punktschrilt
Während von dem Gehörten nur ein sehr
ungefähres Hörbild entstehen kann, dessen
Schriftbild der Späterblindete z. B. sich auf
Grund der Seherinnerungen ins Gedächtnis
zurückrufen kann, hinterläßt die Punktschrift
ein festumrissenes Bild eines jeden
Schriftzeichens, ein Bild, das zwar nicht der
Form des Buchstabens der Kurrentschrift,
also der Schwarzschrift entspricht, aber eben
auf seine Art ein Bild in der Vorstelluhgs-
welt des Nichtsehenden abgibt. Es kann
daher auch nicht ausbleiben, daß das einst
als sehender Mensch gewonnene und be-
herrschte Schriftbild allmählich verblaßt und
visionenhaft vor unserem geistigen Auge die
neuen Formen der Punktschriftbuchstaben
auftauchen.
Wir sehen: Es geht also in der Grund-
schule nicht ohne Blindenschrift, und dies
trifft auch für das Berufsleben des einzelnen
Erblindeten zu. Will man auf dem Gebiet
der Rechtschreibung keinen Rückschritt er-
leiden, muß man selbst lesen und schreiben
können. Nach dem Gehörten ist es nicht mög-
lich, festzustellen, wie dieses oder jenes
weniger gebräuchliche Wort geschrieben
wird oder wo das Satzzeichen hinkommt.
Denken wir ferner an Fremdwörter oder
Eigennamen aus fremden Ländern, die oft
ganz anders ausgesprochen werden als sie
zu schreiben sind. Beim Vorlesen kann man
sich solche Ausdrücke hin und wieder buch^
stabieren lassen, beim Abhören des Rund-
funks ist dies nicht möglich. Der Späterblin-
dete wird sich nach dem Buchstabieren das
Wortbild nun auf Grund seiner Seherinne-
rungen wieder vorstellen können, was aber
macht der Blinde, der keine Seherinnerungen
hat?
Da bleibt immer nur der Weg über
die Punktschrift, um sich Klarheit
zu verschaffen. Wir sehen, daß auch der
blinde Mensch auf eine Schrift als Grund-
lage der Bildung nicht verzichten kann und
erkennen daran den ungeheuren Wert der
Erfindung Louis Brailles für die Erblindeten
der ganzen Welt. Er hat damit bereits seiner-
zeit den entscheidenden Sieg über das Dun-
kel errungen, der auch dadurch nicht ge-
schmälert werden kann, daß die Sache nur
für einen kleinen Teil der Menschheit Be-
deutung hat.
Für die Institutionen auf dem Gebiet des
Blindenwesens ergeben sich auch heute noch
große Aufgaben im Sinne Louis Brailles.
Schafft Schrifttum im Blindendruck! Und
weist immer wieder auf die Notwendigkeit
des Lesens und Beherrschens der Punktschrift
hin! Schafft vor allem Schriften
aktueller Art in Blindendruck!
Und hier erhebe ich erneut die Forderung:
Gebt uns unser Bundesorgan in Punktschrift
in die Hand!
Nachdem der Mann, der die Punktschrift
schuf, bereits 100 Jahre tot ist, wäre dies
eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Im
100. Gedenkjahr sollte dies aber Verpflich-
tung sein. Denkt daran, daß der Durch-
schnittsblinde keine Vorleserin hat und daß
unsere Ehefrauen und Familienangehörigen
die ganze Zeitschrift als Vorlesestoff nicht
bewältigen können. Hier könnte eine Punkt-
druckausgabe wesentliche Abhilfe schaffen.
Anders wird es erst, wenn jeder Kamerad
ein Abhörgerät besitzt und die Zeitschrift
als Tonband geliefert wird.
Darum, und dieser Aufruf ergeht an je-
den einzelnen Kameraden, erweist
euch des Erbes Louis Brailles würdig und
bedient euch nach wie vor seines Bildungs-
mittels! Wer glaubt, nicht oder nicht mehr
die nötigen Fertigkeiten zu besitzen, der
habe den Mut und den Schwung, die Kennt-
nisse neu zu erwerben. Gutes Lehr-
material liefert die Blindenstudienanstalt
Marburg. Was Fünfzigjährige, ja Siebzig-
jährige aus unseren Reihen ohne Lehrer
und ohne Kursus geschafft haben, nur aus
eigener Energie, mit Zähigkeit und Geduld,
das sollte von uns Jüngeren jeder leisten
können. Sein Leben wird erfüllter
und glücklicher sein. Otto AUhauser
Erholungs- und Badekuren 1952
Bei Anmeldungen für Erholungs- und Bade-
kuren im Jahr 1952 ist folgendes zu beachten:
Braunlage i. Harz, ganzjährig geöffnet
S ö c k i n g a. Starnberger See, ganzjährig
geöffnet
W i 1 d b a d i. Schwarzwald, ganzjährig
geöffnet
Bad Pyrmont, geöffnet vom 1. März bis
30. November
Bad Münster a. Stein, geöffnet vom
1. März bis 30. November
Bad Salzhausen, geöffnet vom 1. März
bis 30. November
Borkum, Nordsee, geöffnet vom 1. Mai
bis 31. Oktober.
Anmeldungen für die Monate bis einschl.
Mai müssen sofort über die zuständige
Gliederung der Organisation eingereicht
werden;
Anmeldungen für die Monate Juni bis
Jahresschluß: bis zum 3 1. März.
Direkte Anmeldungen sind zwecklos, da
sie an die Gliederung zurückgehen. Wird
eine Badekur (kostenlose) nach dem BVG
gewünscht, so ist der Antrag, ebenfalls über
die zuständige Gliederung, an das zuständige
Versorgungsamt zu stellen, und zwar in
solchen Fällen sofort, wo es sich um eine
Kur bis einschließlich Mai handelt, da die
Bearbeitung längere Zeit beansprucht. In
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den Anträgen ist besonders darauf hinzu-
weisen, daß eine ständige Begleitung mit-
genommen werden soll und für diese die
vollen Kosten oder ein Zuschuß von 3, — DM
für den Tag beantragt werden. Nach dem
Erlaß des Bundesarbeitsministers vom 15. 6.
1951 werden die vollen Kosten für die Be-
gleitung nur dann übernommen, wenn neben
der Erblindung noch weitere, schwere Ge-
sundheitsstörungen vorliegen.
Wird nur ein Zuschuß von 3, — DM bewil-
ligt, hat der Gast an das Heim täglich 2,50 DM
zuzuzahlen. Ebenso werden für die Woche
je erwachsene Person 1, — DM und für Kinder
0,50 DM Bedienungszuschlag erhoben. Dieser
Zuschlag ist auch bei Badekuren zu ent-
richten.
Kameraden,' die als Selbstzahler ein
Heim aufsuchen wollen, werden darauf auf-
merksam gemacht, daß der tägliche Ver-
pflegungskostensatz 5,50 DM beträgt, daß
jedoch die Möglichkeit besteht, bei der
zuständigen Hauptfürsorgestelle vor Kur-
antritt einen Zuschuß zu beantragen. Der
Zuschuß wird bis zur Höhe von 2,50 DM
pro Tag und Person, jedoch nicht für Kinder,
gewährt, wenn der Gast in den Heimen
Kurmittel in Anspruch nimmt. In allen ande-
ren Fällen kann von den Hauptfürsorge-
stellen nur ein Tageszuschuß von 2, — DM
übernommen werden. Die Genehmigung muß
beim Kurantritt im Heim vorliegen, da sonst
der Gast zur Zahlung von 5,50 DM täglich
herangezogen werden muß.
In Bad Pyrmont werden Kinder nicht
aufgenommen, in allen anderen Heimen nur
Kinder von über drei Jahren.
Die in den Einteilungsbescheiden ange-
gebenen Daten sind die An- bzw. Abreise-
tage. Da die Kurzeiten künftig wieder auf
29 Tage ausgedehnt werden, wird am An-
reisetag die Verpflegung erst ab 12 Uhr,
also mit dem Mittagessen, abgegeben. Am
Abreisetag müssen die Heime bis 12 Uhr
mittags geräumt sein, Mittagessen wird nicht
mehr abgegeben. Ebenso werden Reisebrote
nicht mehr gegeben. Diese Neuregelung, die
für alle Heime durchgeführt wird, ist beson-
ders zu beachten, um Verärgerungen zu ver-
meiden.
Schließlich weisen wir immer wieder darauf
hin, daß die Aufnahmen in den Sommer-
monaten wegen der großen Zahl der Erho-
lungsuchenden nie voll berücksichtigt werden
können. Wer nur irgendwie dazu in der Lage
ist, sollte daher die Übergangsmonate
ab l.März oder im Herbst für seine Erholungs-
oder Badekur auswählen.
Anmeldeformblätter können bei den zu-
ständigen Gliederungen angefordert werden.
Die sieben Kriegsblindenkurheime werden
bemüht sein, jedem Gast einen guten Kur-
erfolg zu sichern. Wir bitten jedoch auch die
Kameraden, den Schwierigkeiten bei der
Platzzuteilung gerecht zu werden, über die
Kurmöglichkeiten haben sich unsere Heim-
ärzte in verschiedenen Monaten im Bundes-
organ „Der Kriegsblinde", Jahrgang 51, ge-
äußert. Hierdurch dürfte den Kameraden die
Wahl des für sie geeigneten Kurheims er-
leichtert werden. Wir hoffen gern, daß diese
Gedankengänge von allen Kameraden bei
ihren Anmeldungen für einen Heimaufenthalt
berücksichtigt werden. Vor allem sollten die
Anmeldungen für die Monate März, April
und Mai schon jetzt eingereicht und bei
den Versorgungsämtern die Kuranträge ge-
stellt werden. Albert Bierwerth
Keine Anfragen
an die Beschaffungsstelle richten !
Von der Beschaffungsstelle für Heil- und
Hilfsmittel, Hannover, wird uns geschrieben:
Immer wieder gelangen an die Beschaf-
fungsstelle für Heil- und Hilfsmittel An-
fragen von kriegsversehrten Kameraden, in
denen um unmittelbare Abstellung von Män-
geln bei der Belieferung mit orthop. Hilfs-
mitteln oder gar um die Gewährung neuer
orthop. Hilfsmittel gebeten wird. Da es sich
bei der Beschaffungsstelle für Heil- und
Hilfsmittel um eine Dienststelle innerhalb
der Kriegsopferversorgung handelt, die durch
das Gesetz zwecks Errichtung von Kriegs-
opferbehörden errichtet wurde, liegt natur-
gemäß deren Aufgabenkreis fest. Die Erle-
digung der genannten Anträge, Anfragen
und Einwände ist aber nicht Sache dieser
Beschaffungsstelle, sondern le'diglich — wie
es sich auch aus ihrem Namen ergibt —
eben diese Beschaffung selbst, die auf Er-
suchen der einzelnen orthop. Versorgungs-
stellen innerhalb der Bundesrepublik erfolgt.
Es wird daher freundlichst darum gebeten,
in Zukunft derartige Zuschriften unmittelbar
an die zuständigen orthop. Versor-
gungsstellen zu richten, damit einmal
keine Verzögerungen eintreten, wodurch die
kriegsversehrten Kameraden nur verärgert
werden, und andererseits die Dienststellen
nicht ungerechterweise mit dem Odium be-
lastet werden, daß sie ihreu Aufgaben nicht
gewachsen wären oder nur schleppend ihre
Pflichten erfüllen.
Auch bitten wir, noch zur Kenntnis zu
nehmen, daß es sich bei der Beschaffungs-
stelle für Heil- und Hilfsmittel nicht um eine
private Firma, um eine öffentlich-rechtliche
Körperschaft oder ein sonstiges privates
Unternehmen handelt, sondern um eine
staatliche Dienststelle, deren Hauptaufgabe
es ist, mit staatlichen Mitteln höchste Quali-
täten zu billigsten Preisen sowohl im Inter-
esse der Kriegsopfer als auch des Staats-
haushaltes zu beschaffen.
Masseure auf der Schulbank
Nachdem bereits vom 7. bis 26. September
in Tegernsee ein ähnlicher Kursus statt-
gefunden hatte, fanden sich nun auch im
November insgesamt 25 Masseure, davon
23 Westfalen, für drei Wochen in unserem
Erholungsheim Bad Salzhausen zu-
sammen, um hier zur Erweiterung ihrer Be-
rufskenntnisse in die Theorie und Praxis der
Bindegewebsmassage eingeführt zu
werden. Als anerkannter Experte auf diesem
Gebiet übernahm Herr Professor Dr. med.
Kohlrausch (Marburg) mit einer Lehre-
rin die Leitung der theoretischen und auch
praktischen Ausbildung. Begünstigt durch
den Umstand, daß wir kriegsblinden Masseure
durchweg sehr sattelfest in der theoretischen
Kenntnis der allgemeinen Anatomie und
Physiologie des menschlichen Körpers sind,
konnte ein großer Teil der theoretischen
Lehrstunden zur Vertiefung der Krankheits-
lehre verwandt werden. Hierbei fanden ge-
rade jene Krankheiten besondere Berück-
sichtigung, die speziell mit der Bindegewebs-
massage durch den Masseur gut behandelt
werden können.
Es war schon vonnöten, daß man sich wäh-
rend dieser drei Wochen auf den Hosen-
boden setzte, um Aussicht zu haben, das Lehr-
gangsziel zu erreichen Trotzdem, und das
muß zu Ehren aller Lehrgangsteilnehmer ge-
sagt werden: wenn wir arbeiteten, dann
wurde intensiv gearbeitet, zur offensicht-
lichen Freude unserer Lehrer. Aber in den
Freizeiten, da standen andere Themen im
Vordergrund, wie etwa: Der vermutliche
Rauminhalt der im Cafe Quisisana verab-
reichten Windbeutel? Oder: ob der Schwung
beim Tanzen im Kurhaus noch erhöht wer-
den könnte, wenn man statt auf dem vorhan-
denen Teppich- oder Linoleumfußbodenbelag
die holde Weiblichkeit auf Parkett drehen
würde?
Der Höhepunkt aber, nämlich die Ab-
schlußprüfung des Lehrganges, wurde
besonders dadurch unterstrichen, daß unser
1. Bundesvorsitzende Kam. Dr. Plein hierbei
zugegen war. Und der Erfolg unserer all-
gemeinen Ausbildung und unseres Könnens
sowie der Erfolg des Lehrganges spiegelt
sich darin wider, daß alle Teilnehmer die-
sen Kursus mit Erfolg beendet haben. Am
Abschiedsabend beschlossen wir Westfalen
noch, uns in etwa einem halben Jahr zu
einer zwanglosen Aussprache wieder zu
treffen, um die bis dahin gemachten Er-
fahrungen untereinander auszutauschen.
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den Küchenmeister vor. Dabei fiel
mir ein persönliches Erlebnis ein. Leider
hatte ich nicht soviel Erfolg.
Meine Frau war krank. Nun tat ich, was
ich konnte. Also, am Morgen zuerst Kaffee
kochen. Es war noch Vorwährungsreform-
zeit. Schnell das Wasser auf den Kocher
gestellt. Meine Frau sagt mir vom Bett aus,
wo die Sachen alle zu finden sind. So auch
mit dem Kaffee. In einer Konservenbüchse
unten im Büfett. Ja, natürlich, das finde ich
mühelos. Aber da stehen ja noch mehr Büch-
sen! Was bleibt mir übrig als in jede hinein-
zufassen? Aha, da ist er, meinte ich. Ich
rufe aus der Küche: Wieviel muß ich neh-
men? Einen Eßlöffel voll, ruft meine Frau.
Also, einen Eßlöffel heraus aus der Schub-
lade, denn das Wasser kocht schon. Und
dann hinein. Gut aufkochen lassen, höre ich
noch. Daran soll es nicht fehlen. Doch, was
war das? Wenn auch der Duft dieses Kaffees
früher immer undefinierbar war, jetzt roch
ich gar nichts. Mir war nicht ganz geheuer.
Also nehme ich den Topf und wandere ins
Schlafzimmer. Ich muß doch wissen, was da
los ist. Meine Frau schaut in den Topf und
lacht. „Nun, warum lachst du?" frage ich. —
Immer noch lachend erklärt mir meine Frau,
daß ich Paniermehl anstatt Kaffee ge-
kocht habe.
Ergo, ich koche kein Paniermehl und auch
keinen Kaffee mehr. Heinz Everaers (Nagold)
Ein Stoßseufzer
. . . und. nun noch zu einem kleinen Vers-
chen kurz, die Vorgeschichte. Unsere Köpfe
zieht es doch mit außerordentlicher Sicher-
heit zu offenstehenden Türen hin. So erging
es mir auch einmal. Ich gehe ins Schlaf-
zimmer, die Türe und ich sehen uns nicht —
und schon begrüßt mein Kopf die Kante der
Tür. Das kann ein schönes Hörn werden,
denke ich, und eile in die Küche. Wie immer
bei solchen Anlässen sind die Frauen ja
nicht da. Schnell ein Messer aus. der Schub-
lade und ich versuche, das Hörn ein-
zudrücken. Dabei fällt mir nach und nach
ein Verschen ein. Und das geht so:
Ihr lieben Leute, schließt doch alle Türen,
sonst muß es mein Kopf so arg verspüren.
Und erstens krieg ich einen Zorn,
zum zweiten gibts am Kopf ein Hörn!
Ich glaube, wenn man diese Zeilen in
großer Schrift deutlich an allen Türen an-
bringt, dann hört das Kopfstoßen auf.
Heinz. Everaers (Nagold)
Peinlich für den Schriftleiter
Auf der letzten Textseite unserer Weih-
nachtsausgabe erschien ein sehr hübsches,
kleines Gedicht unter dem Titel „Schnee-
flöckchen". Als die Zeitschrift in Druck gehen
sollte, wurde festgestellt, daß unter dem
Gedicht kein Verfassername stand. Auch
auf dem Manuskript stand kein Name. Aber
alle Berater glaubten sich zu erinnern, daß
es vom Kameraden Stein aus Heiligenhaus
bei Düsseldorf geschickt sei, zumal Papier
und Schreibmaschinentypen anderen Ein-
sendungen dieses Kameraden aufs Haar
glichen. Also wurde der Name Karl Stein
auf allgemeinen Beschluß darunter gesetzt.
Aber ach, kaum war die Zeitschrift erschie-
nen, schrieb uns der wahre Verfasser, näm-
lich unser Kamerad Harry Barthel aus
Bremerhaven:
„Heute erlebte ich die Überraschung, daß
Sie mir ein Pseudonym erteilt haben,..,
Es war mein Fehler, meine Manuskripte nicht
zusammenzuheften, so ist Ihnen der Zettel
vielleicht versehentlich zu einem falschen
Manuskript gekommen. Besagtes ,Schnee-
flöckchen' hatte ich auf einem Zettel noch
in letzter Minute meinem Brief beigelegt.
Aber es ist nicht schlimm. Vielleicht können
Sie mir bei Gelegenheit mal mitteilen, ob
sich auch jener ,Karl Stein' meldet, oder ob
er vor Verwunderund stillschweigt." Nun,
auch Karl Stein meldete sich natürlich, eben-
falls nicht böse, denn das Schneeflöckchen-
gedicht hat ihm sehr gut gefallen und er faßt
es nicht als Schande auf, daß sein Name
darunter stand. Der Schriftleiter aber kann
sich hiermit nur errötend bei beiden Kame-
raden öffentlich entschuldigen.
Und die Moral von der Geschichte? Wer
Manuskripte an die Schriftleitung schickt,
der setze unter jedes Manuskript seinen
Namen! Und übrigens außerdem: er
schreibe w e i t z e i 1 i g und einseitig,
damit die Setzer bei guter Laune bleiben.
Kriegsblinder am Postschalter
Neun Jahre lang erfolgreich im Briefmarkenverkauf
In der Dezember-Ausgabe unseres Bundes-
organs „Der Kriegsblinde" veröffentlichten
Sie eine kurze Notiz darüber, daß man im
Postamt Kiel einen Briefmarkenschalter für
einen Kriegsblinden einrichten will; derartige
Experimente hätten jedoch bisher nicht zu
einem befriedigenden Erfolg geführt.
Hierzu möchte ich in folgender Weise Stel-
lung nehmen:
Am 1. Juli 1934 trat ich in den Dienst der
Reichspostdirektion Potsdam als Maschinen-
schreiber; ich legte sofort meinen Beamten-
schein vor, um für eine planmäßige Stelle im
mittleren Dienst vorgemerkt zu werden. So
wurde ich am 1. September 1935 zum Probe-
dienstjahr einberufen, welches ich mit sehen-
den Militäranwärtern zusammen durchmachte.
Am 5. und 6. August 1936 war die Prüfung,
die ich mit „gut" bestand. Nun wurde für
mich im Hauptpostamt Potsdam der
Schalter 15 als Briefmarkenschalter versuchs-
weise eingerichtet. Diesen Arbeitsplatz habe
ich b i s 19 4 5 mit vollem Erfolg und großer
Freude innegehabt. Oberhalb meines Schal-
ters standen die Worte „Postwertzeichen und
Auskunft". Auf der Rückseite des drehbaren
Schildes „Hier keine Abfertigung" war zu
lesen: „Kriegsblinder. Bitte sich durch die
Glocke bemerkbar zu machen!" Am Schalter
hatte ich einen Zahlteller und eine Glocke
stehen, wie man sie in den Gastwirtschaften
auf den Tischen stehen hat. Ich fing mit
einem Markenbestand von 76 RM an und
sollte kein Papiergeld in Zahlung nehmen.
Schon am ersten Tage meiner Praxis erwies
sich jedoch, daß ich ein größeres Betriebs-
kapital brauchte und daß ich dem Papiergeld
nicht aus dem Wege gehen konnte, wenn ich
jeden Kunden abfertigen wollte. Zunächst
erweiterte ich meinen Bestand auf 500 Mark,
später auf 1000 Mark und endlich auf
2000Mark; nun konnte ich schön arbeiten
und einkaufen.
Die Marken hatte ich von 1 Pf bis 42 Pf
und war nunmehr in der Lage, auch ganze
Bogen von Postwertzeichen abgeben zu kön-
nen. Mein Bestand war eine Zweigkasse von
Schalter 8 (dem Hauptmarkenschalter), und
dort kaufte ich für das Geld ein, welches ich
aufnahm, so daß mein Bestand immer der-
selbe blieb. Meine Kassenabschlüsse fertigte
ich mit Hilfe eines Sehenden.
In den 9 Jahren meiner Schaltertätigkeit
habe ich nicht e-in einziges Mal
Minus gemacht. Bis zu 20 RM nahm
ich das Papiergeld auf mein Risiko an;
50- und 100-Mark-Scheine zeigte ich erst dem
Schalter 16, um mich zu sichern, ob ich den
Schein in Zahlung nehmen konnte.
Ich gab Auskunft über alle postalischen
Fragen; freilich konnte ich nicht das Brief-
GEBR. SEIM
Nürnberger Lebkuchen-, Schokolade- und
Waf elfabrik • Niirnberg-O, unt. Baiistr. 13
postbuch für den Auslandsverkehr auswen-
dig lernen. Hierzu war ja auch der Stellen-
vorsteher da. Am besten ging es mit den
Beschwerden — wobei sich immer wieder
herausstellte, daß ein Grund hierzu nicht
vorlag, sondern die Unkenntnis des Publi-
kums der Anlaß war. Nach der Allgemeinen
Dienstanweisung soll der Verkehrsbeamte
höflich und nett mit dem Publikum verkehren
und aufklärend wirken. Dies habe ich getan :
und mir bald einen großen Kundenkreis
erworben. In der. Markenmappe und in der ;
Kasse hatte ich nur — wie der Sehende —
Ordnung und Genauigkeit. Es ist
nach meiner jahrelangen Erfahrung durchaus
möglich, daß man als Blinder einen Brief- ;
markenschalterdienst hundertprozentig aus- '
füllen kann.
Wir Blinde brauchen die Arbeit zur Erhal- ;
tung cles Geistes nicht weniger nötig als das
tägliche Brot zur Erhaltung des Körpers. Am
30. Juni 1945 wurde ich in den einstweiligen
Ruhestand versetzt. Obwohl ich bereits 53
Jahre alt bin, habe ich keinen größeren
Wunsch, als wieder einen Postschalter zu
übernehmen. Im April 1951 zog ich aus der ■
Ostzone nach Bodenteich; das Zuzugsrecht
bekam ich ohne Schwierigkeit durch die Re- :
gierung in Lüneburg auf Grund meiner Ehe-
schließung. Sogleich bemühte ich mich bei ■
der Oberpostdirektion Hannover um Wie-
dereinstellung in den Postdienst, was
jedoch mit dem Bedauern abgelehnt wurde, ■
daß dies nicht möglich sei, weil ich kein poli- i
tischer Flüchtling sei und weil ich nicht unter
Artikel 131 des Bundesverfassungsgesetzes
falle, da ich am Stichtage, dem 23. Mai 1949,
noch nicht im Bundesgebiet wohnhaft war.
Wäre es nicht möglich, den Artikel;
1 3 1 durch das zuständige Ministerium dahin
zu erweitern, daß für uns wenige
Kriegsblinde, die sich vielleicht in meiner i
Lage befinden, eine Ausnahme gemacht wird?'
Allen Behörden, Arbeitsämtern, Fürsorge- ^
stellen und allen sonstigen Personen, welche
uns Blinde betreuen und uns einen Arbeits-
platz einräumen oder verschaffen wollen, i
möchte ich jedoch von dieser Stelle aus
besonders auch des Jahreswechsels geden-
kend, zurufen: Wo ein Wille ist, ist auch
ein Weg!"
Erich T h e i 1 , Kriegsblinder und
Oberpostsekretär (Bodenteich).
Zusatz der S c h r i i i 1 e i t u n g : Einer Leset'
Zuschrift im Berliner „Tagesspiegel" ist zu ent-
nehmen, daß während des Krieges auch im Post-
amt Berlin W 15, Lielzenburger Straße, ein
Kriegsblinder Briefmarken verkauft habe, der
auch Papiergeld angenommen habe. Weiß jemand
unter unseren Lesern darüber näheres? Oder kann
sich der Kamerad selbst einmal zu Wort melden?
Friedrich Beck . Pinselfabrik
Nürnberg W . Lenaustrafje 6-14
C^4uj 4^^^z^t4^cJ^i^va^^Ccfv
„Erna- Plein -Kriegsblindenkurheirn"
in Bad Münster am Stein
Auf Einladung des Landesverbandes Rhein-
land-Pfalz hatten sich am Abend des 29. No-
vember geladene Behördenvertreter, der
Heimausschuß, der Bundes- und Landesver-
bandsvorstand, der Beirat der Arbeitsfürsorge
und Kameraden aus Bad Kreuznach einge-
funden, um in einer schlichten Feier den auf
Antrag der Kameraden des Bezirks Trier
gefaßten Vorstandsbeschluß, das Kurheim in
Bad Münster „Erna-Plein-Kriegs-
blindenkurhei m" zu benennen, durch-
zuführen.
Von den Behörden waren Ministerialrat
Dr. Paetzold von der Bundesregierung in
Bonn, Landrat Sommer vom Sozialministe-
rium in Mainz, Regierungsrat Wiede-
mann von der Hauptfürsorgestelle Koblenz,
Regierungsmedizinalrat Dr. Geis und Ober-
amtmann Fingerhut vom Landesversor-
gungsamt Koblenz, der Vertreter des Land-
rates vom Kreise Kreuznach, der Bürger-
meister von Bad Münster am Stein und
andere Gäste anwesend. Graf und Gräfin
von Lüttichau, die nächsten Anver-
wandten von Frau Dr. Plein, waren eigens
zur Teilnahme an der Feierstunde nach Bad
Münster gekommen. Schwester Maria hatte
den Speisesaal, in dem die Feier stattfand,
mit Blumen geschmückt. Eine naturgetreue
Büste, von einer Künstlerin aus Köln ange-
fertigt, war auf einem mit Alpenveilchen' und
Asparagus geschmückten Tisch aufgestellt.
Ein Quartett der Kurkapelle von Bad Mün-
ster leitete die Feier mit einem Satz von
Bach ein. Nach Begrüßung der Gäste führte
Kamerad N e 1 1 u. a. aus:
„Zu dieser Feierstunde haben wir einge-
laden, um ein Werk abzuschließen, welches
zwar schon Monate vollendet, dessen Über-
gabe sich aber dann hinauszögerte. Die Er-
holungsfürsorge beschäftigt uns schon . seit
den letzten Junitagen des Jahres 1947, als
wir in Gerolstein den Landesverband Rhein-
land-Pfalz gründeten. Das Vaterland war
arm, ärmer noch als heute. Eine Hauptfür-
sorgestelle gab es nicht. Die damalige Für-
sorge, die noch mit den Versorgungsstellen
verbunden war, hatte Mittel für diese Zwecke
nicht zur Verfügung. Not aber macht er-
finderisch. So faßten wir denn den Gedanken,
beim Innenministerium eine Haus- und Stra-
ßensammlung zu beantragen, durch deren
Ertrag wir die uns gesteckten Ziele zum
Erfolg verhelfen wollten. Dank dem Wohl-
wollen des Sozialministeriums und des Innen- ■
ministeriums, besonders Herrn Regierungs-
rat Dr. Walti, wurde uns diese Sammlung
genehmigt, und so wurden wir in die Lage
versetzt, schneller als es unsere kühnsten
Hoffnungen erwartet hatten, : dieses Haus
zu kaufen. Ausgekundschaftet wurde das
Heim durch den hier anwesenden Kame-
raden Kapfer aus Bad Kreuznach. Die
erste Verhandlung führte Amtsgerichtsrat
Dr. Plein. Im Mai 1950 wurde der Ankauf
mit dem früheren Besitzer getätigt und im
Frühjahr 1951 wurde ein größerer Umbau
durchgeführt, durch den nun ein Kurheim
geschaffen ist, welches unseren erholungs-
bedürftigen Kameraden in jeder Beziehung
einen angenehmen Aufenthalt verbürgt. Es
ist als Badekurheim von der zuständigen Be-
hörde anerkannt und gehört dem Landes-
verband Rheinland-Pfalz. , Es steht allen Ka-
meraden des Bundesgebietes zur Verfügung.
Verehrte Gäste, Kameraden! Im August
1951 gaben wir der Gattin unseres ersten
Bundesvorsitzenden in Mürlenbach das letzte
Geleit. Mit ihr ist eine Frau aus dem Leben
geschieden, bei der Geist und Fraulichkeit
harmonisch vereint waren. Ein ganzes Men-
schenalter stand sie im Dienst der Krieg«-
10
blinden. In ihren jüngeren Jahren als Heim-
leiterin im Kriegsblindenheim in Berlin und
dann als Gattin von Kamerad Dr. Plein, an
dessen Seite sie unermüdlich zum Wohle der
Kameraden mitarbeitete. Um nun dem Dank
der Kriegsblinden Ausdruck zu verleihen,
faßte der Landesverbandsvorstand auf An-
trag der Kameraden de.s Bezirks Trier den
Im „Erna- Plein- Kriegsblindenkurheim" zu Bad
Münster am Stein wurde eine Büste unserer ver-
storbenen Bundesmutter aulgestellt.
Beschluß, in Würdigung der großen Ver-
dienste, die sich die Verstorbene um die
Kriegsblinden erworben hat, das Kriegs-
blinden-Kurheim Bad Münster am Stein
„Erna-Plein-Kriegsblindenkurheim" zu be-
nennen.
Wir übergeben mit dieser Bekanntgabe
das Heim der Heimverwaltung, ver-
treten durch Kamerad Bierwerth aus Göttin-
gen, zu treuen Händen und wünschen, daß
es allen Kameraden des Bundesgebietes eine
Stätte der Erholung sein möge. Der Landes-
verbandsvorstand . beschloß ferner, eine
Büste der Verstorbenen zu beschaf-
fen, die im Heim einen Ehrenplatz erhalten
soll. Auch diese Büste übergeben wir der
Obhut der Heimleitung. Möge dieses Haus,
möge diese Büste, möge die Heilung der hier
Genesung suchenden Kämeraden von dem
tiefen Sinn der Worte umwoben sein, nach
der die Verstorbene lebte: „Herr, dir in die
Hände sei Anfang und Ende, sei alles ge-
legt."
Kamerad Bierwerth, der Leiter der
Erholungsfürsorge, ergriff sodann das Wort
und schilderte das Leben „dieser für uns
Kriegsblinde so unvergeßlichen Frau". Schon
als sie die Leitung des Umschulungsheimes
in Berlin während des 1. Weltkrieges über-
nahm, habe sie „ihre ganze frauliche und
schwesterliche Kraft" in den Dienst dieser
neuen Aufgabe gestellt. Schon seit jener
Zeit gelte ihr sehr viel Dankbarkeit aus
unseren Reihen, erst recht aber, seitdem
unser Kamerad Dr. Plein 1929 den Bundes-
vorsitz übernahm. „Nie trat sie her-
vor, und doch spürte man immer,
sie war da." Und dabei habe ihr das
Leben nichts erspart, und viel Leid habe sie
tragen müssen. Trotzdem: „Immer war sie
es, die anderen Mut zusprach und von ihrer
reichen Güte abgab. War es da ein Wunder,
wenn sie, ohne daß von irgendeiner Seite
die Anregung kam, den Ehrennamen einer
.Bundesmutter der Kriegsblinden' führte?"
Kamerad Bierwerth schloß mit dem Wunsch,
daß in diesem Haus, mit dem der Verstor-
benen nun ein schönes und dauerndes Denk-
mal gesetzt sei, fortan ihr Geist herrschen
möge. •
Warme Worte der Anerkennung für die
Verstorbene fand Ministerialrat Dr. Paetzold,
der bei dieser Gelegenheit auch seine Ver-
bundenheit mit den Kriegsblinden zum Aus-
druck brachte. Dann sprach Landrat Sommer
vom Sozialministerium. Er überbrachte die
Grüße des Ministerpräsidenten von Rhein-
land-Pfalz. Auch er sagte Worte der Ver-
ehrung und Hochachtung für Frau Plein, um
sich dann persönlich an Dr. Plein zu wenden.
— Im gleichen Sinne sprachen Regierungs-
medizinalrat Dr. Geis und der Kurarzt Dr.
Rabel.
Kamerad Dr. Plein dankte allen Sprechern
in bewegten Worten.
Den Abschluß bildete das von dem Streich-
quartett vorgetragene Werk „Der Tod und
das Mädchen" von Schubert.
Streiflichter von unseren Weihnachtsfeiern
Was das Fest des Lichtes, das Fest der
Erlösung aus dem Dunkel für jeden Kriegs-
blinden bedeutet, das zeigten wieder einmal
die vielen Weihnachstfeiern unserer Schick-
salsgemeinschaft,, die überall im Lande
längst zur Tradition und zum festlichen
Höhepunkt des Jahres geworden sind.
Nicht alle Bezirksvorsitzenden haben es
. dabei so leicht wie unser Kamerad Giesler
im Bezirk Siegen-Olpe. Für ihn genügt ein
Gang zur Kreisfürsorgestelle Siegen und
zur Stadtfürsorgestelle, und die Vorberei-
tungen rollen ohne sein Zutun in der aller-
schöhsten Weise. Das Programm hat darin
schon seine Tradition. Die Herren der Kreis-
fürsorgestelle leiten den Ablauf der Vor-
tragsfolge, bieten eine Kinderschar zu Spiel
und Gesang auf und ein kleines Orchester
und alles, was sonst Herz und Gaumen be-
gehren. Alle Amtsdirektoren des Kreises,
wenigstens aber ihre Vertreter, sitzen mit
den Kriegsblinden zusammen. Landrat Bütt-
ner, der in diesem Jahre an drei verschie-
denen Stellen zugleich verpflichtet war,
blieb eine Stunde lang mit den Kameraden
zusammen und übergab jedem Kriegsblinden
einen inhaltsschweren Briefumschlag. —
Die nach Anzahl der Teilnehmer wohl
kleinste Weihnachtsfeier fand
in gleicher Weise im Kreise Olpe statt, wo
nur acht Kriegsblinde wohnen. Einer von
ihnen ist schon seit 9 Jahren bettlägerig.
Auch hier richtete der Kreisfürsorger, Herr
Schulte, die Feier. Dankbar sind die Kame-
raden, doppelt dankbar aber der Bezirks-
vorsitzende von Siegen-Olpe, zumal ihm
Kreisinspektor Hüseken versicherte, daß die
nächste Weihnachtsfeier der Kriegsblinden
schon in seinem Terminkalender stehe.
Im großen Rittersaal zu Dortmund,
der einem Tannenwald glich, feierte der
Bezirk Ruhrgebiet II mit namhaften Gästen
von Behörden und Industrie ein Weihnachts-
fest, dessen umfangreiches und gehaltvolles
Programm den Anwesenden in einer schön
gedruckten Programmfolge vorlag. Außer
einer Kapelle und dem Postgesangverein
Dortmund waren sechs Sängerinnen und
Sänger der städtischen Bühnen zur Stelle.
Besonderen Beifall fand der kriegsblinde
\
Künstler Heinz Grzabka mit seinen Rezita-
tionen. Es war eine feierliche, oft ergrei-
fende Stimmung, die in allen Teilnehmern
noch lange nachklingen wird.
Der Bezirk Münsterland verband die
Weihnachtsfeiern mit seiner Hauptversamm-
lung, die am Vormittag unter Anwesenheit
Für die Kinder von Kriegsblinden ist es nicht ver-
wunderlich, daß der St. Nikolaus eine dunkle
Brille trägt. Der „richtige" Dortmunder Nikolaus
war nämlich krank geworden, und ein Bezirks-
vorsitzender muß vielseitig sein . . .
des Landesverbandsvorsitzenden Kam. Schütz
stattfand. — In Bielefeld zeichnete sich
die . mühevoll und sorgsam vorbereitete'
Feier außer durch die Mitwirkung hervor-,
ragender Bühnenkünstler auch durch eine
schon zur Tradition gewordene Verlosung
eines Damenfahrrades aus. Es gab viel
Freude bis in die späten Abendstunden
hinein.
Eine Feier mit Reportage
Besonders umsichtig war die große Weih-
nachtsfeier unserer Kameraden aus dem Be-
zirk Essen- Kettwig-Mülheim-Oberhausen,
die im Essener Saalbau stattfand. Hier
wurde die gesamte Feier den Kameraden
durch eine Reportage höchst lebendig ge-
schildert und erklärt, so daß alle dem Pro-
gramm folgen konnten. Als Märchenfee
hatte Frau Lutz von der Stein diese Repor-
tage übernommen. Nicht weniger Beifall
fand die Quinta der Luisen-Schule, die
außer reizvollen Chordarbietungen auch ein
Märchenspiel aufführte. Auch der Männer-
gesangverein Liedertafel wirkte mit, und
Christian Sieferl
Bürstenhölzerfabrikation
Hinterbach (Odenwald)
der von Kam. Borchert verfaßte und vorge-
tragene Prolog bewies, daß auch die Kriegs-
blinden selbst in bester Weise bei solchen
Feiern auftreten können. Neben dem Bür-
germeister der Stadt Oberfeausen war auch
der Oberbürgermeister von Essen, Dr. Tous-
saint, erschienen, der mit feinsinnigen Wor-
ten zu den Kriegsblinden sprach. Vom Lan-
desverbandsvorstand waren die Kameraden
Jansen, Hildebrand und Weber vertreten.
Nicht nur die Kameraden, auch die vielen
Ehrengäste meinten nach der Veranstaltung,
daß sie eine so schöne Weihnachtsfeier noch
nicht miterlebt hätten.' Davon zeugen auch
die Eintragungen , der Gäste in dem auf-
gelegten Gästebuch.
Krippenspiel der Waisenkinder
Die Weihnachtsfeier unserer Düssel-
dorfer Kameraden fand ihren Höhepunkt
mit der Aufführung eines Krippenspiels
durch 53 Waisenkinder aus Düsselthal. Nach
der Verteilung schöner Geschenke und nach
Darbietungen eines Mädchenchors sprach der
Bezirksvorsitzende, Kam. Heinemann, zu den
Herzen seiner Kameraden. Vielerlei musi-
kalische Darbietungen und Kurzweil, dazu
eine Tombola und die freundlichen Mah-
nungen' des Weihnachtsmannes gaben dem .
festlichen Abend immer neue Höhepunkte,
über 100 Kinder waren anwesend, die zu
ihrem großen Jubel vom Weihnachtsmann
beschert wurden.
Viel Verständnis in Köln
Unsere Kölner Kameraden hatten sich
die Mitwirkung der Kapelle der Schutzpolizei
gesichert, überhaupt war hier die Mithilfe
von Behörden, Wirtschaft und Privatleuten
besonders groß. Mit Dankbarkeit konnte
der Bezirksvorsitzende, Kam. Hamann, fest-
stellen, daß die Kriegsblinden in Köln durch
die Hilfe der Sehenden fast alle einen
Arbeitsplatz gefunden haben, und daß man
in Köln mit Recht eingesehen habe, es sei
nicht damit getan, daß „man uns etwas in
die. Hand drückt".
Kam. Otto Jansen nahm an mancherlei
Weihnachtsfeiern im Landesverband Nord-
rhein teil, so auch in A a c h e n, wo ein fest-
licher Abend die Kameraden bis zu den
frühen Morgenstunden zusammenhielt —
auch die Behördenvertreter, von der Feier
stark beeindruckt, gingen mit der allgemei-
nen Fröhlichkeit mit und blieben bis zum
Schluß da. — Auch in Bonn sprach Kam.
Jansen, wo vor allem in musikalischer Hin-
sicht viel Auserlesenes gebo-
ten wurde.
Unser Bundesvorsitzender,
Kam. Dr. Plein, nahm an
einer ganzen Anzahl von
Weihnachtsfeiern teil, soweit
ihn nicht wichtige Sitzungen
in Bonn festhielten. So wurde
er mit Freude auch in Mai-
kammer (Pfalz) begrüßt,
wo der Bezirksvorsitzende,
Kam. Platz, ein besonders
harmonisches Familenfest der
Kriegsblinden vorbereitet
hatte. Hier wurde in bei-
spielhafter Weise versucht,
nicht nur dem Gemüt, son-
dern auch dem Geist neue
Nahrung zu geben: Stadien-
rat Dr. Litzenburger deutete
den Sinn des Weihnachts-
festes, ausgehend von Tex-
ten aus dem Oratorium „Sam-
son" von Händel. Vielerlei
Nachdenklichkeit blieb in den
Kameraden zurück.
zirksleiter, Kam. Cyrus, etwa 350 Teilneh-
mer begrüßen, darunter neben Behörden-
vertretern auch viele Künstler. Man lauschte
einem sehr vielseitigen Programm an Rezi-
tationen, Gesang und Musikstücken — die
vorzügliche Kapelle der Schutzpolizei gab
dem gesamten Programm den Rahmen — ,
aber auch gemeinsam wurden Weihnachts-
lieder gesungen. Es sprachen zu den Kame-
raden der Leiter der Hauptfürsorgestelle
Wiesbaden, Landesrat Urban, ferner Herr
Kappes als Dezernent im Landesversorgungs-
amt und Herr Amtmann Hohrdan vom So-
zialamt der Stadt Frankfurt. Auch der Lan-
desverbandsvorsitzende, Kam. Ludwig Eckert,
ergriff das Wort. Nach einer Bescherung für
die Kinder und einem gemeinsamen Abend-
essen kam im zweiten Teil der Feier der
sprühendste Humor zu seinem Recht. Be-
kannte Künstler der Städtischen Bühnen und
des Hessischen Rundfunks versetzten die
Gesetzlicher Blindenwarenschutz?
Wie wir erfahren, werden zur Zeit im
Bundeswirtschaftsministerium Bestimmungen
zur Ergänzung bzw. Änderung des § 56a der
Gewerbeordnung ausgearbeitet, mit denen
ein besserer Schutz der Blindenarbeit ge-
währleistet werden soll. Es ist sehr zu
hoffen, daß durch diese neuen gesetzlichen
Bestimmungen endlich der Blindenwaren-
schwindel eingedämmt werden kann.
Kameraden in die vergnügteste Stimmung.
Auch unser Kamerad Werner trug als Tenor
zur Unterhaltung bei. Immer wieder kam
die Freude aller Kameraden über den wohl-
gelungenen Abend zum Ausdruck.
So ließe sich noch vielerlei und schier end-
los von den vielen hundert Feiern berichten,
die für unsere Kameraden stattgefunden
haben. Man könnte noch davon erzählen,
wie das „Niedersächsische Landvolk" unsere
Kameraden in Braunschweig beschert
hat oder wie die Kriegsblinden des Kreises
Stade in einem so besonders herzlichen
Kontakt mit der Bevölkerung stehen, was
sich bei ihrer Weihnachtsfeier in Horneburg
erneut bewies. Aber der Raum in unserer
Zeitschrift reicht zu weiteren Schilderungen
nicht aus. Diese wenigen Streiflichter sagen
ja all unseren Lesern genug und lassen etwas
von dem Geist unserer Schicksalsgemein-
schaft spüren.
Aus Hessen hören wir
vor allem etwas über die
wohlgelungene Weihnachts-
feier des Bezirks Frank-
furt. Hier konnte der Be-
Zu der großen Kriegsblindenlamilie, die sich in unseren Weihnachts-
leiern zusammenfand, gehören auch unsere Kinder. So versuchte
jeder Bezirk, auch den Kindern eine Extralreude zu machen. Hier
sind Kinder hingerissen von einem Kasperlespiel in Dortmund.
Fotos (2): G. Zoll
11
Weihnachten in der Viersektoren Stadt
Die große Familie der Berliner Kriegs-
blinden feierte am 22. Dezember ihr Weih-
nachtsfest, sicherlich in ähnlicher Weise wie
in allen Landesverbänden. Und doch kommt
dem Weihnachtsfest der Berliner Kriegs-
blinden noch eine besondere Bedeutung zu.
So wie sich die allgemeinen Verhältnisse in
und um unserer Stadt im täglichen Leben
Widerspiegeln, so trägt auch unsere Ber-
liner Schicksalsgemeinschaft den Charakter
gerade dieses Raumes, und es ist unserem
Berliner Landesverband die schöne und
ehrenvolle Aufgabe gestellt, über seinen
eigentlichen Rahmen hinaus die
Kameradschaft zu pflegen und zu verwirk-
lichen.
Das Weihnachtsfest zeigte nun wieder
einmal, mit welchem Gefühl der Verbunden-
heit die Berliner Kameraden diese Aufgabe
Zu ihrer persönlichen Herzenssache machen.
Der Vorstand hatte gleichzeitig alle Mittßl
und guten Beziehungen ausgeschöpft, und
der eingesetzte Festausschuß war seit
Wochen bemüht, um dieses Fest in seiner
traditionellen Form als große Familienfeier
festlich begehen zu können. Schon die Suche
nach einem geeigneten Saal bereitete dem
Festausschuß große Sorgen und so war es
geradezu symbolisch, daß in diesem Jahr das
Weihnachtsfest in dem hart an der Sektoren-
grenze gelegenen Hotel „Esplanade" statt-
finden mußte. Bereits in den frühen Nach-
mittagsstunden strömten die Kameraden mit
ihren Angehörigen aus allen vier Sektoren
durch die festlichen Räume, und bald strahlte
der Weihnachtsbaum seinen Glanz in über
tausend erwartungsvolle Gesichter, wäh-
rend Kaffee und Kuchen bei den weihnacht-
lichen Klängen der Kapelle Kaiser gereicht 1
wurden. Eine gemütliche Stimmung hatte ;
sich sehr schnell von Tisch zu Tisch ."•aus.- -
gebreitet, und bei bester Laune wurden zwi,- .
sehen den Familien die Weihnachtsgrüße
gewechselt. ■ ■ . .■
Doch dann wurde plötzlich der Weihnachts-
mann angekündigt, auf den besonders unsere ;
kleinen Geister ungeduldig gewartet hatten.
Mit heißen Wangen nahmen sie ihre Ge-
schenke in Empfang. Der gute, alte Mann
mit dem langen Bart hatte an alles gedacht
und wurde immer wieder von den Kleinen
vertrauensvoll umringt. Aber auch unsere
Kameraden aus dem Ostsektor hatte er
sicherlich ebenso in sein Herz geschlossen,,
denn ein jeder von ihnen wurde mit einem
stattlichen Weihnachtspaket beschert.
Schicksalsmäßig verbunden bilden wir so
eine Gemeinschaft, die durch keine Sektoren-
grenzen getrennt werden kann. Diese Ge-
danken stellte auch Kam. Bischoff in seiner
Festansprache heraus und gab im Namen
des Berliner Landesverbandes der Hoffnung
Ausdruck, daß die Kameraden aus dem
Osten auch äußerlich bald zu uns gehören
mögen; und wenn uns Kriegsblinden das
Jahr 1951 wieder eine gesicherte Versor-
gung und eine günstigere Berufsentwicklung
gebracht habe, so dürften wir doch nicht
vergessen, daß viele Kameraden heute noch
davon ausgeschlossen sind und daß in der
gegenwärtigen Welt des Unfriedens täglich
neue Menschen von dem gleichen Schicksal
der Kriegserblindung betroffen werden. Wir
Kriegsblinden sollten daher für unsere Um-
welt eine ständige Mahnung sein, den
Frieden auf Erden zu erhalten.
Als Weihnächtsmann "von besonderer Art
stellte sich dann der Rundfunks (RJ A S) in
einem zweistündigem Programm mit seinen
populärsten ' Künstlern vor, und:, wenn ; hier
am -Rande nur-die S chon e b-e-r g erSän-
g.e r k n a b e n genannt werden können, so
zeigte der immer wieder aufbrausende Bei-
fall allen Künstlern, daß sie dankbare Zu-
hörer gefunden hatten. Die schönsten Gaben
ihrer Kunst hatten sie für uns bereitgehalten,
die durch unseren Kameraden und Rund-
funks an gef W e r n e r S &h m a h einen
begeisterten Abschluß fanden und zu einer
fröhlichen Weihnachtsstimmung überleiteten.
Nach einem guten Abendessen ging es im
Berliner Tempo hinein in den gemütlichen
Teil des Abends. Beliebte Weisen und der
Rhythmus moderner Tanzmusik sorgten Cbis
spät in die Nacht für eine ausgelassene
Fröhlichkeit. — So wurde das Weihnachts-'
fest der Berliner Kriegsblinden sinnvoll und
harmonisch gefeiert und der Weihnachts-
glanz dieses Festes wird auch zu jenen hin-
überleuchten, die unsere Kameradschaft
nicht miterleben können und doch zu uns
gehören. Paul Pöhlsen
So etwas geht also !
Opladens Oberkreisdirektor voran
Der Oberkreisdirektor des Rhein- Wupper-
Kreises in Opladen hat den Kriegsblinden
seines Bereiches eine Sonderzuteilung von
10 Zentnern Kohle bewilligt, die durch
die Kohlenhändler, bei denen die Kameraden
eingetragen sind, zur Ausgabe gelangen.
Dieses dankenswerte Beispiel einer groß-
zügigen Verfahrensweise sollte von allen
Kommunalbehörden nachgeahmt werden. Ein
Kriegsblinder muß sich in seinem eigenen
Heim wohlfühlen können, wenn er den An-
sprüchen des Alltags gewachsen sein will.
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Weihnachten im Kurheim Braunlage
Wie man hier deutlich sehen kann,
kam auch zu uns der Weihnachtsmann.
Ein weißer Bart war ihm gewachsen,
der Mundart nach kam er aus Sachsen.
Zwei kleine Englein bei ihm waren
von etwa fünfzehn, sechzehn Jahren.
Das Lied der Lieder war verklungen,
wir hatten „Stille Nacht" gesungen,
wohl mit Paul Reuter — Mandoline,
mit Herbert Kunert — Violine,
Ernst von der Laden am Klavier,
und tief nach innen blickten wir,
wir, die wir nicht mehr sehen konnten,
wir, die erblindet an den Fronten.
Die anderen sahen unverwandt
zur Stelle, wo Knecht Ruprecht stand,
auf seinen Sack, auf seine Rute . . .
Und allen war jetzt bang zumute,
und allen ward um's Herz so schlimme,
als er nun rief mit Bärenstimme:
„Könnt ihr auch beten, liebe Leute?"
Da liefen dreißig Gänsehäute
über Männer-, Frauen- und Kinderrücken.
Jedoch der Angst folgte Entzücken,
er griff nun in den Sack hinein,
unterstützt von beiden Engelein.
Manch Verslein wurde aufgesagt.
Doch mancher fiel in stilles Brüten
vor seinen schönen Weihnachtstüten:
Wer hat den Weihnachtsmann bestellt?
Kam wirklich er vom Himmelszelt?
Wer schickte uns den Rauschebart?
War's etwa Schwester Hildegard?
Hat sie nachts, wenn die Füchse bellen,
mit ihren munteren Gesellen
die ganzen Sachen vorbereitet,
die uns Knecht Ruprecht ausgebreitet?
Durch Schlüssellöcher sieht man nicht,
wenn es an Augenlicht gebricht!
Drum — bleibt bei eurem Kinderglauben,
laßt euch die Illusion nicht rauben!
So saßen wir im frohen Kreise
und sangen manche Weihnachtsweise.
Und draußen stand in Sternenpracht
die stille und die heilige Nacht.
G. Hillmann, Berlin
Gute Laune in Südbaden
Anläßlich der Weihnachtsfeier des Landes-
verbandes Baden, welche aus zwingenden
Gründen zum erstenmal zentral durchgeführt
wurde, bescherten die Kameraden ihrem
Landesverbandsvorsitzenden, Kam. Alfons
Schramm, eine Gabe, die bestimmt nicht
alltäglich ist und wohl selten einem Kriegs-
blinden auf den Arm gelegt wird. Unter
hellem Grunzen und dem tosenden Jubel der
Kameraden wurde Kam. Schramm ein statt-
liches Glücksferkel auf den Arm ge-
legt. Neben seinem „Blindensekretär" er-
fordert nun das Glücksschweinchen, auch
„Schrammophon" genannt, seine Aufmerk-
samkeit und Pflege.
Der erste Bundesvorsitzende, Kam. Dr.
Plein, der unerwartet im Laufe der Feier
erschien, war Zeuge der gelungenen Über-
raschung. Kam. Dr. Plein wurde sehr herzlich
begrüßt und fand reichen Beifall für seine
eindringlichen und markanten Worte.
Der Feier voraus ging eine kurze General-
versammlung, die aus Anlaß der kommenden
Neuordnung der südwestdeutschen Länder
notwendig war.
Die musikalische Ausgestaltung der Feier
hatte das kleine Orchester des Südwestfunks,
Studio Freiburg, unter Leitung von Kapell-
meister Willi Stech wie üblich in dankens-
werter Weise übernommen. Die Kameraden
gaben ihrer Befriedigung hierüber durch
stürmischen Beifall Ausdruck. O. Althauser
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Der Entwurf des Schwerbeschädig-
ten- Einstellungsgesetzes, der nunmehr dem
Bundeskabinett vorliegt, erfährt von vielen
Seiten eine höchst kritische Beurteilung, in
Einzelfragen auch seitens der deutschen
I Kriegsblinden. Der VdK begründet seine Ab-
lehnung mit dem Wunsch nach einem mehr
fürsorgerischen Charakter des Gesetzes.
*
In einer stürmischen Bundestagssitzung
wurden die von der SPD und der KPD ein-
gebrachten Mißbilligungsanträge
gegen den Bundesjustizminister Dr. Dehler
erörtert. Es wurde Dr. Dehler zum Vorwurf
gemacht, er habe behauptet, ein Drittel aller
Renten würde zu Unrecht bezogen.
*
Eine hochinteressante Schrift, die den
Amtsärzten bei der Untersuchung von prak-
tisch Blinden dienen soll, ist vom west-
fälischen Blindenverein (Witten-Bommern)
herausgegeben worden. Doz. Dr. Friemann,
Oberarzt der Universitäts-Augenklinik
Hamburg-Eppendorf, stellt hier unter dem
Titel „über die Sehschärfenprü-
fung" sehr interessantes Material über die
Untersuchungsmöglichkeiten zusammen, zu-
mal auch solche, mit denen „Täuscher" über-
führt werden können.
Die Evangelische Filmgilde hat den ameri-
kanischen Kriegsblindenfilm „Sieg über das
Dunkel", der unter dem Protektorat des
Bundes der Kriegsblinden Deutschlands steht,
für das ganze Bundesgebiet zum F i l'm des
Monats Januar erhoben.
Nach einer Mitteilung unseres Bezirks
Essen hatte dieser Film einen besonderen
Erfolg beim Publikum in Mülheim/Ruhr.
Jede Vorstellung war restlos ausverkauft.
*
Der Kreis Stuttgart des Jugendrot-
kreuzes hat für die Kriegsblinden und
Schwerbeschädigten auf Schloß Solitude die
Patenschaft übernommen und will dort künf-
tig regelmäßig mit kulturellen und heiteren
Darbietungen aufwarten.
Unser Kamerad C. J. H. Burmester
aus Hamburg hat besondere Freude an
schriftstellerischer Tätigkeit. Wir
berichteten kürzlich von der Aufführung-
seines plattdeutschen Singspiels „Glück in
Glückstadt an de Tarpenbek". Die Musik
zu diesem abendfüllenden Stück schrieb der
Kapellmeister der angesehenen Hamburger
Hochbahnkapelle. Zuerst aufgeführt wurde
es von der Volksbühne „Krohnskamp", einer
Laienspielgruppe, der Burmester auch selbst
angehört. In der Presse fand die Aufführung
viel Beifall. Das „Hamburger Echo" ver-
öffentlichte eine Anzahl von Gedichten und
Geschichten unseres Kameraden.
*
Die älteste Fabrik der Welt für Blinden-
schriftmaschinen, die Firma Herde&Wei-
m a n n in Berlin, befindet sich zunehmend in
Schwierigkeiten. Die letzten zehn Jahre
haben der Firma schwere wirtschaftliche
Schäden zugefügt; in der Bundesrepublik
entstanden Konkurrenzunternehmen und
während der Blockadezeit wurde die Ver-
bindung zum Ausland unterbrochen. Vor dem
Kriege exportierte die Firma den größten
Teil der Erzeugnisse. In den letzten Jahren
wurden große Summen in die Entwicklung
der neuen Punktschrift-Bogenmaschine ge-
steckt, die seit einiger Zeit in einem einzigen
Mustermodell vorhanden ist. (Dieses
mit erstaunlichen Vorzügen 'ausgestattete
Modell wurde bereits im Novemberheft 1950
beschrieben.) Die Serienproduktion kann
wegen Kapitalmangels nicht aufgenommen
werden. Wenn seitens der Behörden keine
Hilfe kommt, muß die Firma die letzten
Arbeiter entlassen.
*
Anläßlich eines Landeswettschreibens der
Meisterstenografen schaffte der blinde Steno-
typist Fritz Hübsch, Chemnitz, am 11. No-
vember in Meißen die geradezu unwahr-
scheinliche Leistung, ein Diktat mit 3 2 0
Silben pro Minute aufzunehmen und
einwandfrei zu übertragen. Fritz Hübsch be-
diente sich dabei der 7-Punkte-Stenografie.
Er hält zweifellos den Geschwindig-
keitsrekord unter den blinden Steno-
typisten. Der Kriegsblinde K. H. Möbius,
Leipzig, der das 7-Punkte-System entschei-
dend vorangetrieben hat, bestand im Okto-
ber 1951 eine Prüfung mit einem Tempo von
300 Silben. Die beste Leistung mit dem 6-
Punkte-System lag bei dem Wettbewerb in
Meißen bei 220 Silben.
*
In Ergänzung zu unserem Bericht über den
kriegsblinden Töpfer Kotz in Landshut ent-
nehmen wir der ostdeutschen Blindenzeit-
schrift „Die Gegenwart", daß auch in der
Ostzone einige kriegsblinde Töpfer
am Werke sind. Der Kriegsblinde W. Richter,
Waidenburg, und der Kriegsblinde Lippold
haben als Töpfer soviel Ansehen erlangt,
daß ihre Erzeugnisse regelmäßig in verschie-
denen Museen Sachsens und auch im Grassi-
Museum in Leipzig ausgestellt werden.
*
Im November ist Aurelio N i c o 1 o d i
gestorben, der Gründer der italienischen
Blindenvereinigung und angesehene Mit-
arbeiter in internationalen Blindeninstitu-
tionen. Nicolodi, als Kriegsfreiwilliger 1915
an der Front erblindet, ursprünglich als
Geometer tätig, hat nach seiner Verwundung
sehr viel für die italienischen Kriegsblinden
und ihre Berufsförderung getan. Seine Ar-
beit weitete sich jedoch- sehr bald auch auf
den Kreis der Zivilblinden und zivilblinden
PERSÖNLICHES
Das schöne Fest der goldenen Hochzeit
konnte am 2. Jan. unserer Kamerad Major
a. D. Alexander Freiherr von Uslar-
Gleichen und seine Gattin feiern (Bezirk
Südhannover). Viele Wünsche und Grüße
aus unserem Kameradenkreis gelten dem
Paar. %
Unser Kamerad Gustav S t r ä t e r und
seine Ehefrau Elfriede, geb. Kettler, Duis-
burg- Hamborn, Gertrudenstr. 5, feierten
am 4. 12. 1951 das Fest der silbernen Hoch-
zeit. Wir Kameraden sagen von Herzen
unsere Glückwünsche.
*
Unser Kamerad Georg Dietrich aus
Ebstorf (z. Z. Kriegsblinden-Kurheim Braun-
lage) feierte Hochzeit mit Fräulein Lieselotte
Klein aus Korbach. Dem Paar gelten unsere
besonders herzlichen Glückwünsche, vor
allem hinsichtlich der Berufs- und Wohnungs-
sorgen. %
Auch unser junger Kamerad Paul Gry-
w a t z aus Schwarzenbek (Kreis Lauen-
b u r g) hat die Ehe geschlossen, und zwar
mit einer Ostpreußin, Fräulein Josefa Schle-
siger. Wir wünschen alles Gute für den
gemeinsamen Lebensweg.
*
Unser Obmann für den Kreis Stade
im Bezirk Niederelbe, Kam. Rudolf Frei-
mann, Horneburg, ist Vater eines Töchter-
chens geworden. Herzliche Glückwünsche,
vor allem seitens der Kameraden aus Nieder-
elbe.
Kinder aus. Nicolodi hat eine entscheidende!
Wandlung im gesamten italienischen Blin-j
denwesen herbeigeführt.
Auf einer Flüchtlingsweihnachtsfeier in;
Lübeck zeigte ein kriegsblinder Artist;
seine Künste. Es handelt sich um unseren!
Kameraden Erich Schmidt, der als Fallschirm-;
Jäger im Kriege 27 Absprünge gut über-'
stand, aber in den letzten Kriegstagen beij
Berlin sein Augenlicht verlor. Schon vor demj
Kriege hatte er sich für kurze Zeit als Draht-;
seilkünstler versucht. Mit ungewöhnlicher
Energie trainierte er auch nach seiner Ver-.
wundung, obwohl ihm anfangs selbst beim:
Handstand schwindlig wurde. Heute führt er!
auf den Händen einen Steptanz vor sowie
komplizierte Balance-Akte unter Besteigung!
einer Stuhlpyramide.
*
Wegen Auftragmangels sind die Blinden-
werkstätten in Rheinland-Pfalz zun
Zeit nur zu dreißig bis sechzig Prozent be-j,
schäftigt. Das Innenministerium hat deshalbi!
die Regierungspräsidenten angewiesen, zuj
prüfen, wie der Absatz der im Lande her-
gestellten Blindenwaren gesichert werden
kann. ...
• *
Im Dezember fand in Paris wiederum eine
Konferenz zur Standardisierung des Blin-
denschrift-Alphabets statt Wie
schon bei mehreren vorhergehenden Kon-
ferenzen dieser Art hatte die UNESCO die
Delegationen aus zehn Ländern dazu ein-
geladen.
Neuwahl im Bundesausschuß
für Kb.- und Kh.-Fürsorge
Im Vorsitz des Bundesausschusses für Kb.-
und Kh.-Fürsorge trat turnusmäßig ein Wech-
sel ein. Jeweils ein Jahr lang führt den
Vorsitz ein Vertreter der Hauptfürsorge-:
stellen oder ein Vertreter des stärksten'
Kriegsopferverbandes.
Vom Bundesministerium des Innern wird
uns dazu mitgeteilt:
Der Bundesausschuß der Kriegsbeschädig-I
ten- und Kxiegshinterbliebenenfürsorge ist]
_am 12. 12. 1951 im Bundesministeriunf desi
Innern zu seiner 3. Sitzung zusammenge-'
treten. Nach Erledigung der Tagesordnung
wurde gemäß § 2 der Satzung der neue Vor-!
stand gewählt. Es sind einstimmig gewählt
worden:
Zum Vorsitzenden: Oberverwaltuhgsrat
S e u f e r 1 e , Stuttgart, Lindenspürstraße 39.
Zum stellvertr. Vorsitzenden: Stadtrat
N i t s c h e , Kassel-Wolfsschlucht.
Zum Schriftführer: Frau Ober-Reg. -Rätin
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Saure Wochen, frohe Feste .
Aus der Arbeit des Landesverbandes Bayern
Die bayerischen Kriegsblinden trafen sich
im Dezember 1951 in verschiedenen Bezirks-
versammlungen, um zu den aktuellen Fragen
Stellung zu nehmen. Den Versammlungen
ging am 1. und 2. Dezember 1951 im Kriegs-
blinden-Erholungsheim Söcking eine Ar-
beitstagung voraus, an der der Vor-
stand des Landesverbandes Bayern, sämtliche
Bezirksobmänner, die leitenden Angestellten
der Bayerischen Kriegsblinden-Arbeitsfür-
sorge g.G.m.b.H. und die Kriegsblinden-
Sachbearbeiter bei der Hauptfürsorgestelle
und ihren Zweigstellen teilnahmen. (
Hierbei kamen alle Fragen der Versorgung
und Fürsorge, insbesondere der Arbeits- und
Berufsfürsorge sowie alle organisatorischen
Probleme zur Sprache. Der Meinungs- und
Gedankenaustausch war überaus frucht-
bringend für jeden einzelnen. Es wurde fest-
gestellt, daß die Bayerische Kriegsblinden-
Arbeitsgemeinschaft ein enger Bestand un-
seres Bundes ist und daß deren Arbeit immer
nur vom Wohle der Gesamtheit her geleitet
werden dürfe. Den Sachbearbeitern bei den
Zweigstellen der Hauptfürsorgestelle wurden
zahlreiche Anliegen vorgetragen und um eine
baldige und erfolgreiche Realisierung er-
sucht. Die Gesamtveranstaltung war für alle
Beteiligten äußerst wertvoll.
Am 8. Dezember 1951 folgte die Jahres-
versammlung des Bezirks Niederbayern in
Landshut unter Beteiligung sehr vieler
Gäste und Behördenvertreter. Am 15. De-
zember 1951 kamen die Kriegsblinden der
Regierungsbezirke Schwaben in Augs-
burg und Oberfranken in Bayreuth
zusammen.
Am 16. Dezember 1951 war die Haupt-
versammlung des Bezirks Unterfranken in
Würzburg, am 22. Dezember die für
Oberbayern in München und am 23. De-
zember 1951 fanden sich die Kameraden aus
Mittelfranken in Nürnberg zusammen.
Der Bundesvorsitzende, Kamerad Dr. PI ein,
nahm an der Versammlung in Würzburg teil,
und der Landesverbandsvorsitzende, Kamerad
Birngruber, an sämtlichen Veranstaltungen
mit Ausnahme der in Bayreuth.
Die Bezirksobmänner konnten überein-
stimmend berichten, daß im Jahre 1951 hart
und schwer zu arbeiten war, daß aber fast
auf der ganzen Linie auch schöne Erfolge
erzielt worden seien. Die Bezüge der Kriegs-
blinden nach dem BVG wurden im gesamten
bayerischen Land vorzugsweise durch-
geführt. Verschiedene strittige Fälle sind
zwischenzeitlich im Rechtszug erledigt wor-
den, so daß am Schluß des Jahres nur noch
wenige Fälle anhängig gewesen sind.
Sehr produktiv war die Arbeitsfür-
sorge. In der Oberpfalz wurden sehr viele
Kameraden als Telefonisten untergebracht.
In Unterfranken und Schwaben hat sich der
Umsatz der Kriegsblinden-Arbeitsfürsorge
wesentlich erhöht, zum Teil verdoppelt,
ebenso in Oberfranken. In Nürnberg fanden
Verschiedene Kameraden geeignete Arbeits-
plätze in der Industrie. Die Ausbildung der
Kameraden im Staatlichen Umschulungsheim
in Tegernsee fand überall ungeteilte An-
erkennung.
Auch der Ansiedlung der Kriegs-
blinden wurde gesteigerte Aufmerksamkeit
gewidmet. Trotz der Schwierigkeiten auf
diesem Sektor kamen u. a. in Schwaben 56,
in Oberfranken 45 und in Unterfranken 36
Kameraden zu einem Eigenheim. Recht zu-
friedens' Tlend war auch die Beschaffung von
Wohnungen.
Bei Versorgungskuren und Erholungs-
aufenthalten wurde fast ausschließlich das
Heim in Söcking in Anspruch ge-
nommen. Dort herrscht ein besonders starker
Betrieb. Das Heim zählte im Jahre 1951 -nehr
eis 24 000 Verpflegstage. Das neue Verwalter-
Ehepaar Hegele wird das in dasselbe gesetzte
Vertrauen rechtfertigen. Diese erfreuliche
Feststellung darf heute schon gemacht
werden.
Sehr kritisch wurde in den Tagungen die
verzögerte Behandlung der Verwaltungs-
vorschriften zu §§ 23 ff. erörtert.
Die Obmänner haben aber auch dankbar
anerkannt, daß die Zweigstellen der
Bayerischen Hauptfürsorgestelle bei den Re-
gierungen in verantwortungsfreudiger Wür-
digung ihrer Verpflichtung im Rahmen der
eingeengten verwaltungsmäßigen und auch
finanziellen Möglichkeiten im vergangenen
Jahr nach besten Kräften geholfen haben.
Soweit Neuwahlen erforderlich waren,
erfolgten sie durchweg einstimmig. Im Be-
zirk Oberbayern war an Stelle des verstor-
benen Kameraden Schäffer ein neuer Bezirks-
obmann zu wählen. Kamerad Karl Wen-
del, München — Sachbearbeiter für
Handwerkerfragen beim Bundesvorstand — ,
wurde mit großer Mehrheit zum neuen Be-
zirksobmann gewählt. Als zweiter erhielt
Kamerad Stark — Sachbearbeiter bei der
Zweigstelle der Bayerischen Hauptfürsorge-
stelle München — das Vertrauen der Kame-
raden. Beide Kameraden werden das in sie
gesetzte Vertrauen sicherlich nicht ent-
täuschen.
Den Jahresversammlungen schloß sich je-
weils eine Weihnachtsfeier an, welche die
Kameraden zu frohen Stunden vereinigte.
Die Bezirke waren in allen Fällen Gastgeber
und die Kameraden konnten zusätzlich auch
mit einem schönen Geschenk erfreut werden.
Diese feierlichen Stunden standen überall
unter dem herrlichen Dreiklang:
Licht, Liebe und Freude.
Die Ergriffenheit der Kameraden und die
strahlenden Augen der Kinder waren
beredtes Zeugnis dafür, daß allgemein erfaßt
worden ist, was diese weihnachtliche Stunde
zum Ziele hatte.
Daß die Versammlungen außerordentlich
gut, mitunter bis zu 95 Prozent der Mit-
glieder, besucht worden sind, trotz der er-
schwerlichen Verkehrsbedingungen in den
ländlichen Bezirken, sei nur am Rande
erwähnt.
Für Kamerad Birngruber, der das
Vertrauen der bayerischen Kameraden seit
mehr als 33 Jahren besitzt und ebenso lange
amtlich in der Kriegsbeschädigtenfürsorge
gearbeitet hat, konnten die Veranstaltungen
volle Genugtuung sein. Er kann mit dem
Bewußtsein in das Jahr 1952 eintreten, daß
die Organisation in Bayern unerschütterlich
ist, die sachlichen Belange der Kameraden
bestens gewahrt werden und daß auch im
neuen Jahre diese Zusammenarbeit wieder
ihre Früchte bringen wird.
Ihm, dem stets hilfsbereiten Kameraden
Birngruber, und seiner Frau, die in selbst-
loser Hingabe nur dem Wohle der Kameraden
leben, gilt am Schluß des Jahres 1951 unser
besonderer Dank. J. F.
15.
1.
20.00
20.05
20.15
20.30
16.
1.
20.30
20.45
20.45
17.
1.
20.00
20.20
18.
1.
20.00
20.05
19.
1.
20.05
20.
1.
21.
1.
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1.
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20.30
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21.30
24.
1.
20.15
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20.35
21.00
25.
1.
20.00
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1.
28.
1.
29.
1.
20.30
30. 1. 20.30
31. 1. 20.00
1.
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20.00
4.
2.
5.
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20.30
6.
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20.30
7.
2.
8.
2.
20.00
11.
2.
12.
2.
20.30
13. 2. 20.30
JDrogrammvorscltau für -f~4örspiele
NWDR/UKW-Nord: „Gift" von Edgar und Waldemar Maaß
Frankfurt/UKW: „Mann Nummer soundsoviel" von Julius M. Becker
NWDR/UKW-West: (plattd.) „Grinkenschmid" von Franz Mehring
Südwestfunk: „Wer erbt das Himmelreich?" von Kurt Heynicke
Südwestfunk/TJKW: „Venus im Licht" von Christopher Fry
RIAS: „Der Graue" von Friedrich Forster
Bremen: „Der Graue" von Friedrich Forster
München/UKW: „Tomek Baran" von Wladislaw St. Reymont
Saarbrücken: „Kaspar Hauser" von Kurt E. Heyne
München: „Das Lied der Wildgänse" von Helmut Habrich (s. Notiz)
NWDR: „Vater braucht eine Frau" von Herbert Dührkop
NWDR/UKW-Nord: „Das dunkle Element" von Hans Drahn
Stuttgart: „Blau und Rot im Regenbogen" von Walter Bauer
Frankfurt: „Mordkommission klärt auf" (Dokumentarbericht)
München: „Ein Mord für die Welt" von Hans Kades
Südwestfunk: „Dunkle Wünsche" von Walther von Hollander
Frankfurt/UKW: „Glasmenagerie" von Tennessee Williams
Südwestfunk/UKW: „Eine alltägliche Geschichte" von Jochen Huth
Stuttgart: „Der Strom" von Max Halbe
RIAS: „Der Teufel fährt in der 3. Klasse" von Herbert Dührkop
Bremen: „Ich bin der Wassersucher Atteo" von Wolfg. Weyrauch
NWDR: „Hauptmann Matjuschenko" von O. E. Kühner
Saarbrücken: „Gäste im schwarzen Rock" von Günter Eich
Beromünster: „Schiffe, die ins Nichts fahren" von W. E. Schäfer
München/UKW: „Das Lied der Wildgänse" von Helmut Habrich
Südwestfunk: „Sieg über das Dunkel" (Hörfilm)
NWDR/UKW-Nord: „Verwehte Spuren" von Hans Rothe
Stuttgart: „Malmgreen" von Walter Erich Schäfer
Frankfurt: „Es geht ums liebe Geld" von Ernst Nebhut
Südwestfunk: „Ich kannte die Stimme" von Wilhelm Wehmeyer
Frankfurt/UKW: „Blau und Rot im Regenbogen" von Walter Bauer
Südwestfunk/UKW: „Wer erbt das Himmelreich?" von Kurt Heynicke
Stuttgart: „Das Lied der Lieder." von Jean Giraudoux
München/UKW: „Ein Mord für die Welt" von Hans Kades
NWDR: „Der Weg zum Weltraumschiff"
München: „Zwei Männer und ein Gentleman" von Irwin Shaw
Frankfurt: „Anatol", drei Szenen von Arthur Schnitzler
München/UKW: „Zwei Männer und ein Gentleman" von Irwin Shaw
Südwestfunk: „Des Esels Schatten" von Friedrich Dürrenmatt
Frankfurt/UKW: „Leonce und Lena", Lustspiel von Georg Büchner
Südwestfunk/UKW: „Dunkle Wünsche" von Walther von Hollander
NWDR: „Kaspische Mäuse"
München: Zweites Hörspiel aus dem Preisausschreiben
Frankfurt: „Blau und Rot im Regenbogen" von Walter Bauer
Südwestfunk: „Wendemarke" von William Faulkner
Frankfurt/UKW: „Anatol", drei Szenen von Arthur Schnitzler
Südwestfunk/UKW: „Des Esels Schatten" von Friedrich Dürrenmatt
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
Denke an den „Hörspiel- Preis der Kriegsblinden"!
t€
*2M .anbete Sdiack^HccncLe
Erste Deutsche Schachmeisterschaft für Blinde
Ein großes Schachereignis, auf das viele
blinde Schachfreunde lange warteten, liegt
hinter uns. In der Zeit vom 18. bis 24. 11.
1951 trafen im jetzigen Landesblindenheim
Wernigerode (Harz) die jeweils fünf Best-
placierten aus den im Frühjahr 1951 durch-
geführten Schachturnieren für Blinde in
Stukenbrock und Wernigerode zusammen,
um den ersten Schachmeister unter den Blin-
den Deutschlands zu ermitteln. Es war —
hauptsächlich aus finanziellen Gründen —
nicht möglich, diese Meisterschaft noch im
vergangenen Jahr auf westdeutschem Boden
auszutragen. So nahmen die Teilnehmer aus
der Bundesrepublik das Angebot der ost-
deutschen Schachfreunde an, nach Wernige-
rode zu kommen. Sie trugen lediglich die
Kosten für die Hinfahrt. Un£er den gleichen
Bedingungen für die ostdeutschen Teilneh-
mer ist die Deutsche Schachmeisterschaft für
Blinde 1952 auf westdeutschem
Boden in Aussicht genommen.
Das Turnier nahm einen spannungsvollen
Verlauf. Die an sechs Tagen zu erledigenden
neun Partien stellten eine harte Nervenprobe
dar, der einige Spieler nicht ganz gewachsen
waren, zumal wie bei Turnieren der Sehen-
den mit Aufschreiben und Zeitkontrolle ge-
spielt wurde. Dennoch herrschte ein beacht-
liches Spielniveau. Die ostdeutschen blinden
Schachfreunde zeichneten sich besonders
durch eine äußerst zähe Spielweise aus. Wer
aber annahm, daß die fünf Vertreter des
westdeutschen Blindenschachs drüben „nicht
viel zu bestellen" hätten — für H. Unverdröß,
Berlin, und den Unterzeichneten mußte sogar
noch Ersatz gestellt werden — , wird sich ent-
täuscht sehen; denn so lautet das Ergebnis:
1. W. Würtz, Köln F/s Pkt.
2. H. Wünsch, Görlitz 7
3. H. Lange, Görlitz 6V« „
4. W. Steinert, Frankenberg
(Sachsen) 5
5. H. Uekermann, Herford ... 5
6. F. Uekermann, Lieme (Lippe) . 3'/2 „
7. R. Schütz, Leipzig 3'/2 „
8. F. Diehl, Köln .3
9. J. Burska, Leipzig 2
10. F. Weist, Großheubach (Main) . 2
W. Würtz, der sich in Kölner Schachkreisen
schon lange Geltung verschafft hat, konnte
seinen bisherigen Erfolgen einen schönen
hinzufügen. Wir gratulieren herzlich und
freuen, uns, daß der Titel eines ersten Deut-
schen Schachmeisters unter den Blinden mit
in die Bundesrepublik gebracht wurde.
Nachstehend eine Partie aus dem Wernige-
rode!" Turnier:
Blindennot in Afrika
Lord Halifax gab bei der Eröffnung einer
Aktion zur Bekämpfung der Blindheit im
britischen Empire bekannt, daß es
in den Kolonien 1 Million Blinde gebe, je-
doch nur 11 kleine Schulen, die für 300
blinde Kinder sorgen können. Nur eine
Kolonie hat eine Werkstatt. Nirgends gibt
es Einrichtungen für den Druck von Blinden-
schriften.
Das Furchtbare an diesen Zahlen ist, daß
mindestens dreiviertel der Erblindungen in
Afrika vermieden werden könnten, da
viele ansteckende Augenkrankheiten infolge
von Unwissenheit, mangelnder Sauberkeit
und Aberglauben übertragen werden. John
Wilson, der bei einem Unfall im Schul-
laboratorium sein Augenlicht verlor und
später Jura studierte, hat nun einen Kreuz-
zug gegen die Blindheit in Afrika ins Leben
gerufen: den bereits Erblindeten soll Schu-
lung und Hilfe zuteil werden und die Augen-
krankheiten sollen bekämpft werden. Schwie-
rig ist dieser Kampf nicht zuletzt wegen der
fatalistischen, gleichmütigen Einstellung der
Eingeborenen. .:. .
Colle-Auibau
Weiß: W. Würtz, Köln
Schwarz: F. Weist, Großheubach
1. d4 d5 2. Sf3 Sf6 3. e3 e6 4. Ld3 c5
5. c3 Sbd7 6. Sbd2 Dc7 7. 0-0 e5? (verfrüht!
Schwarz hätte seiner Entwicklung zunächst
noch einige Aufmerksamkeit schenken sol-
len) 8. d:e5 S:e5 9. S:e5 D:e5 10. Sf3 Dc7
11. Tel Le7 12. e4 d:e4 13. L:e4 S:e4
14. Da4+ Dc6? (geschehen mußte 14.— Ld7
15. D:e4 Lc6) 15. D:c6+ b:c6 16. T:e4 Le6
17. Se5 Ld5 18. Te2 00-0? (hier findet der
König keinen sicheren Unterschlupf, 18. — 0-0?
19. S:c6 L:c6 20. T:e7. Zu überlegen war, den
König auf Umwegen über f6 — Kf7 — The8
in Sicherheit zu bringen) 19. Lf4 (die Ver-
lockung 19. S:c6 L:c6 20. T:e7 reizt Weiß
nicht wegen 20. — Tdl+) 19. — Lf6 20. c4
L:e5 21. T:e5 L:c4 22. T:c5 Ld5 23. b4 Kb7
24. b5 c:b5 25. T:b5+ Ka6 26. Tc5 Le6
27. Tbl! Tc8 28. Lc7! T:c7 (es drohte
29. Ta5++) 29. T:c7 Tc8 30. T:c8 L:c8
31. f4 Le6 32. a3 — und Weiß gewann.
Gabriel Mertens, Köln-Nippes
Escherstr. 63
Ein Kriegsblinden-Hörspiel ?
Der Bayerische Rundfunk verteilte jetzt
drei Preise in Höhe von je 3000 DM für die
besten Arbeiten, die bei seinem 2. Hörspiel-
Preisausschreiben eingesandt waren. An
erster Stelle wurde das Hörspiel „Das Lied
der Wildgänse" von Helmut Habrich (Leer,
Ostfriesland) ausgezeichnet. Die Sendung
dieses Hörspieles soll am 18. Januar,
20 Uhr, erfolgen. Es handelt sich hier um
ein Hörspiel, in dessen Mittelpunkt ein
Soldat steht, der schließlich im Osten sein
Augenlicht verliert. Es bleibt abzuwarten, ob
es dem — bisher übrigens unbekannten —
Autor gelungen ist, die Erlebniswelt eines
Kriegsblinden zu treffen. Wir bitten unsere
Kameraden dringend, das Hörspiel anzu-
hören und Zuschriften darüber an die
Schriftleitung zu schicken. Der Sender Mün-
chen ist auch außerhalb Bayerns über die
Nürnberger Welle (187,3 m) einigermaßen
ausreichend zu empfangen.
Der Film „Sieg über das Dunkel"
im Südwestfunk
Bemerkenswerter „Hörfilm" am 25. Januar
Am 25. Januar, 20 Uhr, bringt der Südwest-
funk eine einstündige, allem Verlauten nach
hervorragende Uebertragung eines „Hör-
filmes" nach dem amerikanischen Kriegs-
blindenfilm „Sieg über das Dunkel". Da der
Südwestfunk mit seinen verschiedenen Wel»
len der für den Empfang günstigste deutsche
Sender ist, freuen wir uns über diese Pla-
nung ganz besonders. Wir empfehlen allen
Kameraden, die Sendung abzuhören und
auch ihre Bekannten und Kollegen auf den
Termin aufmerksam zu machen.
Kriegsblinder auf Stuttgarter Welle
Wie wir schon einmal kurz berichteten, ist
unser Kamerad Willi Blank aus Wurm-
berg als Akkordeonsolist tätig. Schon ini
Januar 1950, sodann im Januar 1951, irrt
Juni und im Oktober 1951 führte der Süd-»
deutsche Rundfunk (Stuttgart) mit seiner Ab-
teilung Unterhaltungsmusik Bandaufnahmen
mit Willi Blank durch. Diese Aufnahmen
werden laufend in die Frühkonzerte einge-
streut. Wie uns der Süddeutsche Rundfunk
mitteilt, wird am Dienstag, 22. Januari
15.30 bis 15.45 Uhr, eine geschlossene Vier-
telstunde mit Willi Blank am Akkordeon
gesendet. Sicherlich werden viele unserer
Kameraden aus nah und fern zuhören.
Der Hörspielpreis der Kriegsblinden
Vorbereitungen und erste Sichtung
In Kürze wird das Preisrichterkollegium,
das aus den ersten deutschen Fachkritikern
und aus ausgewählten Kriegsblinden besteht,
zusammentreten, um zum erstenmal den
„Hörspielpreis der Kriegsblinden" zu ver-
geben. Die Preisrichter werden eine ganze
Anzahl von Hörspielbändern abhören, um
ein wirklich sorgfältiges und gerechtes Ur-
teil zu treffen. Die Zusammenkunft der
Preisrichter wurde dankenswerterweise
durch die Arbeitsgemeinschaft der deutschen
Rundfunkanstalten finanziert, ohne daß bei
der Entscheidung des Preisgerichtes auch nur
der geringste Einfluß seitens der Sender be-
fürchtet werden müßte.
So hat auch eine Rundfrage der Schrift-
leitung an die Hörspielabteilungen der Sen-
der nur den einen Sinn, Informationen für
das Preisrichterkollegium einzuholen und der
immerhin denkbaren Möglichkeit vorzubeu-
gen, daß infolge irgendwelcher
Zufälle ein wirklich bedeuten-
des Hörspiel von den Preis-
richtern einmal übersehen wird.
Da manche Sender nicht einmal _
im eigenen Sendebereich immer V» mm
einwandfrei zu empfangen sind, -- ,.
läßt sich das deutsche Hörspiel |^| Q
von einem einzelnen Hörer _
ohnehin nicht zuverlässig ver- \ 9
folgen.
• Die Schriftleitung des „Kriegs-
blinden" richtete also an die
Sender eine Umfrage, um fest-
zustellen, welche Hörspiele sei-
tens der Sender für die besten
des vergangenen Jahres gehal-
ten werden bzw. für unseren
Hörspielpreis empfohlen wer- | r
den. Danach bezeichnet der Süd- I " *
westfunk als die wichtigsten
Hörspiele seiner Produktion von 1951 zwei
Bearbeitungen, nämlich „Bambi" von Chri-
stian Boehme (nach Felix Saiten) und
„Fünfundzwanzig Uhr" von Manfred Häber-
lein (nach Gheorghiu), ein Hörspiel, das den
leidvollen Weg eines verschleppten rumä-
nischen Bauern schildert. Dieses letztere
Hörspiel, eine Gemeinschaftsproduktion von
Südwestfunk und Bremen, wird von Radio
Bremen mit Abstand an erste Stelle gesetzt.
Der Hessische Rundfunk setzt ebenfalls eine
Bearbeitung an erste Stelle: Fontanes
„Unterm Birnbaum" in der Bearbeitung von
Günter Eich. Außerdem wird „Zwei Nächte
und ein Leben" von Hermann Stahl ge-
nannt. Nach einer Mitteilung des Süddeut-
schen Rundfunks empfiehlt die Stuttgarter
Hörspielabteilung Christian Bocks (,Nacht-
gespräche" und Walter Bauers „Blau und
14.
r z
5 2
Internationale
ankfurter Messe
19
Rot im .Regenbogen". Der NWDR-Köln
nennt — nach den Erfolgen bei Presse und
Hörern urteilend — neben Hölderlins
„Empedokles" die Grabbe-Sendung von
Semmelroth „Verhandlung gegen Grabbe"
und sodann das Hörspiel „Ich bin 45 Jahre
alt" von Heinz Vollmer. Auch der NWDR
Hamburg setzt ein umstrittenes Werk an die
Spitze: „Träume" von Günter Eich, jedoch
ferner mit besonderer Rücksicht auf den Hör-
spielkreis der Kriegsblinden, der außer dem
künstlerischen auch das „menschlich gewinn-
reiche" Hörspiel auszeichnen will, Günter
Eichs „Gekaufte Prüfung" und „Die Krank-
heit des Herrn Satory" von Waldemar
Maass. Auch der Bayerische Rundfunk traf
seine Auswahl mit besonderer Rücksicht auf
die Absicht des Preises und nennt an erster
Stelle „Der Soldat und die Puppe" von Heinz
Ullrich, ein Hörspiel, das den Konflikt eines
Soldaten schildert, der beim Rückzug in
Frankreich eine Brücke sprengen soll und
dabei zwangsläufig ein Kind töten müßte.
Ferner wird von München „Die Geschichte
vom Zaren Joann" nach Henry von Heiselei"
empfohlen. Der NWDR-Berlin hält die bei-
den Hörspiele „Affäre Dreyfuß" und „St.
Louis Blues" für die besten seiner Produk-
tion. Diese Hörspiele haben auch den größ-
ten Publikumserfolg gehabt.
Wir danken an dieser Stelle den Sendern
•sehr herzlich für das aktive Interesse an
-unserer Planung, und wir hoffen, eine Aus-
wahl zu finden, die auch seitens der Sender
Anerkennung und Zustimmung findet.
Und was meinen die Kriegsblinden?
Unseren kriegsblinden Lesern muß die
Schriftleitung für eine sehr große Anzahl
"von Zuschriften danken. Es wäre ungerecht,
hier eine Aufstellung über die eingesandten
Zuschriften zu veröffentlichen, da beispiels-
weise ein in Stuttgart gesendetes Hörspiel
infolge der sehr ungünstigen Empfangsver-
hältnisse notwendigerweise ein schlechteres
Echo haben muß als ein Hörspiel im NWDR.
Immerhin seien ein paar Hörspiele genannt,
die unseren Lesern besonders gut gefallen
zu haben scheinen. In jüngster Zeit war das
vor allem das von Frankfurt gesendete
Hörspiel „Denn sie sollen getröstet werden"
(wir besprachen es im Dezemberheft). Viel
Beifall fand auch „Der Teufel fährt in der
3. Klasse", Reineckers „Abteilung für Not-
wohnungen", Erwin Wickerts Hörspiel um
die Frage der Tötung unheilbar Leidender
(„Darfst du die Stunde rufen?") und Christian
Bocks „Nachtgespräche", ein Hörspiel, das
über Stuttgart und auch im RIAS zu hören
war, und das während eines Abendgewitters
uns zu verschiedenen Menschen und Familien
in einem Miethaus führt, zu deren kleinen
und großen Konflikten, zu menschlicher
Schwäche, aber auch zu menschlicher An-
ständigkeit.
Wer die seitens der Sender oder seitens
der Kameraden genannten Hörspiele kennt
oder eines von diesen in besonders guter
Erinnerung hat — oder auch ein anderes — ,
der teile spätestens zum 1. Februar
der Schriftleitung seine Meinung mit. Je
mehr Zuschriften die Schriftleitung bekommt,
um so berechtigter können wir unseren Hör-
spielpreis wirklich als Hörspielpreis der
Kriegsblinden bezeichnen.
Bereits jetzt erwartet die Schriftleitung
auch Zuschriften über Hörspiele der Produk-
tion des neuen Jahres. Alle diese Zu-
schriften werden sorgfältig gesammelt. Es
kann ja durchaus die Möglichkeit bestehen,
daß gerade jetzt im Januar oder Februar
ein Hörspiel gesendet wird, das als bestes
des Jahres 1952 bezeichnet werden muß und
dann im nächsten Jahr preisgekrönt wird.
Gedenksendung für Braille
Der Südwestfunk brachte in der
Reihe seiner groß angelegten und ausgezeich-
neten Reportagesendungen am Sonnabend-
nachmittag, dem 5. Januar, eine Sendung zum
100. Todestage von Louis Braille. Den Rah-
men dazu bildete ein Besuch des Reporters
Dr. Toni Maus in der Blindenschule von
Neuwied. Wohltuend war dabei vor allem
die - sachlich wie menschlich vorbildliche
Sprechweise des Reporters. Er vermied jeden
auch nur leisesten Ton des Mitleids ebenso
wie jede schwärmerische Heroisierung.
Kriegsblinde Organisten
Unser Titelfoto auf der ersten Umschlag-
Seite zeigt einen kriegsblinden Organisten
am Orgeltisch, — zweifellos ein idealer Beruf
für einen Nichtsehenden, denn die Welt der
Musik kann ihn ohne Einschränkung er-
füllen. Allerdings, der Gebende zu sein, das
erfordert allerlei an Können, besonders von
Kriegsblinden, die ja — im Gegensatz zu
Früherblindeten — allein schon zur Bewäl-
tigung der ungemein komplizierten Noten-
Punktschrift sehr viel Kraft aufwenden müs-
sen. Daß trotzdem eine ganze Anzahl Kriegs-
blinder ihre Prüfung bestanden haben und
als Organisten tätig sind, gereicht uns
allen zur Ehre. Einen nüchternen, kurzen
Bericht über seinen Ausbildungsweg gibt
uns unser Kamerad Theo Volk (Brühl-Kier-
berg), den übrigens auch das Umschlagfoto
zeigt. Er schreibt uns auf eine Anfrage hin
das Folgende:
Bevor mein Soldatenleben als 19jähriger
begann, studierte ich an der Orchesterschule
der Hochschule für Musik in Köln und
wirkte gleichzeitig als 1. Flötist in einem
Kulturorchester mit. Diese Tätigkeit wieder
aufzunehmen, blieb mir jedoch versagt, da
am 14. 4. 45, durch Granatsplitter getroffen,
mein Augenlicht erlosch. Nach 7jähriger
Unterbrechung begann ich im Frühjahr 1946
erneut zu studieren. Diesmal belegte ich
Klavier als Hauptfach und besuchte gleich-
zeitig das Privatmusiklehrersemifiar. Be-
reits im Sommer des folgenden Jahres legte
ich das Staatsexamen als Privatmusik-
lehrer in den Hauptfächern Flöte und Kla-
vier ab.
Anschließend studierte ich am Institut für
katholische Kirchenmusik der Hochschule
weiter und bestand im Juli 1951 die staat-
liche Prüfung für Organisten und
Chorleiter mit dem Prädikat „sehr gut".
Geprüft wurde in folgenden Fächern: Künst-
lerisches Orgelspiel, Liturgisches Orgelspiel,
Klavierspiel, Gregorianischer Choral, Chor-
leitung, Singen und Sprechen, Liturgik und
Kirchenkunde, Musikgeschichte, Gehörbil-
dung und Musiklehre, Orgelkunde.
Meine Arbeitsmethode ist erheblich er-
leichtert, da ich durch die Kenntnisse meiner
Frau in der Lage bin, jedes Werk sofort in
Punktschrift zu übertragen oder es mit ihr
am Klavier auswendig zu lernen.
Instrumentalwerke fasse ich schneller ge-
hörsmäßig durch Vorspielen auf, wogegen
bei Chor- und Gesangstücken die Punkt-
schrift mir bessere Dienste tut. Auch das
Dirigieren hat mir keine besonderen Schwie-
rigkeiten gemacht, hatte ich doch während
meiner früheren Orchesterpraxis genug Ge-
legenheit, die Schlagtechnik und Zeichen-
gebung der einzelnen Kapellmeister zu stu-
dieren. Seit fast 3 Jahren leite ich
einen Kirchenchor und erfreue mich
einer großen Beliebtheit. Doch nicht nur
diese Menschen, sondern auch meine ehe-,
maligen Lehrer und Mitschüler sind ebenso
von meiner Fähigkeit als Chorleiter über-
zeugt.
Mag nun bald mein Herzenswunsch in Er-
füllung gehen, an einer schönen Kirche mit
einer guten Orgel dem Allmächtigen dienen
zu können. Theo Volk
Auch so etwas solVs geben
Es war ein herrlicher Abend gewesen und
noch immer gingen mir die Melodien in tur-
bulenter Folge durch den Kopf. Ich glaube,
es war die schönste Aufführung der Oper
„Carmen", die ich je gesehen, oder besser
gesagt: gehört hatte. Erst war ich bei Be-
kannten zu Gast gewesen und dann waren
wir zusammen ins Theater gegangen. Nun
stand ich auf der hinteren Plattform der
Straßenbahn und war im Begriffe, nach
Hause zurückzufahren.
Die Begleitung durch meine Bekannten
hatte ich mir verbeten, da ich den Weg von
der Haltestelle aus genau kannte. Nun kam
nur noch die große Kurve und dann mußte
ich aussteigen.
Mit einem Ruck hielt die Bahn und ich
wartete, bis sie weitergefahren war. Als ich
dann rechts und links keinen Ton mehr
hörte, konnte ich beruhigt die Straße über-
queren. Diesen Weg war ich schon oft ohne
jede fremde Hilfe gegangen und hatte auch
heute die Absicht, dies zu tun. Die Burg-
straße, die ich hinaufsteigen mußte, mündete
gleich in den Park, an welchem meine da-
malige Bleibe lag. Die rechte Bürgersteigseite
war in zwei Hälften unterteilt, rechts war
eine Grasnarbe und die linke Seite war mit
Asphaltplatten ausgelegt. Wenn ich also
mit dem linken Fuß auf dem Asphalt und
dem rechten auf der Grasnarbe lief, dann
konnte nichts passieren. Ich hatte nun, den
Bürgersteig erreicht und konnte unbesorgt
weitergehen; nun würde ich den Weg mit
nachtwandlerischer Sicherheit und ohne be-
sonders auf den Weg achten zu müssen,
finden. ■
Kaum dreißig Meter hatte ich hinter mir,
als eine zaghafte Frauenstimme neben mir
ertönte: „Sachen Se mol, sin Se mer beese,
wensch e Stickel mit Ihnen loofe?"
Erst war ich ungehalten, weil ich in
meinen Gedanken - — siehe „Carmen" —
gestört wurde. Dann aber siegte meine Gut-
mütigkeit und ich antwortete: „Wenn Sie
durchaus wollen, dann will ich Sie auch nicht
daran hindern!" Eigentlich hatte ich mich
auf diesen Weg allein und ohne mich mit
jemanden unterhalten zu müssen, gefreut.
Da ich aber der Meinung war, die Frau
würde mir nicht zutrauen, den Weg ohne
fremde Hilfe zu finden und da sie es gut
gemeint hatte, wollte ich sie auch nicht
kränken.
Nach einiger Zeit frug ich: „Sie wohnen
wohl dort oben?"
„Scha", meinte sie, „ich bin erseht vor
eener Woche noffgezochen und heide binch
in Kino gewäsen un hob mer een scheen
Film ogeguggt."
Unter solchen und ähnlichen Redensarten
hatten wir nun mittlerweile das Ende der
Straße erreicht, und bevor ich zu meiner
Haustür abbog sagte ich: „Nun brauchen
Sie aber nicht weiter mitzugehen, hier
kenne ich mich gut aus und hier kann nun
wirklich nichts mehr passieren. -
Die Frau hatte aber, ohne auf meine Worte
zu achten, meine Hand gepackt und meinte
treuherzig: „Nu bich aber froh, dasch mit
Ihn' hob gähn gennen, wissense, ich gann
nämlich ä bissei schlecht sahn und da hob'ch
mich alleene so sehre gfirscht, aber nu bich
glei derheeme."
Erst war ich platt, dann aber habe ich
herzlich gelacht, ohne meiner „Begleiterin"
allerdings zu sagen, warum. Ich wollte ihr
nicht noch nachträglich einen Schreck darüber
einjagen, wen sie sich da als „Führer und
Beschützer" angelacht hatte, ausgerechnet
einen Kriegsblinden! Claus Fass (Köln)
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14—20 FAMILIENBAD
FR 7—13 BESATZUNG
13—20 FAMILIENBAD
SA 8—20 FAMILIENBAD
SO 9—13 FAMILIENBAD
KASSENSCHLUSS 19.00
WANNtiNABTMLLNG:
MO— DI GESCHLOSSEN
MI— DO 8—20
FR— SA 8—20
SO 9—13
KASSENSCHLUSS 19.30
MEDIZINISCHK ABTEILUNG:
MO GESCHLOSSEN
DI 14—18 FRAUEN
MI 8—12 MÄNNER
14—18 FRAUEN
DO 8—12 MÄNNER
14—18 FRAUEN
FR 8—12 FRAUEN
14—18 MÄNNER
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.
„Der Blinde", ein Werk des kriegsblinden Bildhauers Jakob Schmitt (Mainz)
kl die Gebärde eines Augenblicks ist es, die diesen Mann wie horchend den Kopf neigen läßt Blind sind die
S„ abefS wohnf ein Schauen unter ihren Bögen, das nach innen SehUJ^vibnerendeF^end^
Hände strebt gesammelt nach dem Erkennen von Gestalt. Wissende Krait birgt s.ch hinter den gereuten Zügen
des Antlitzes, mit einer leisen, gebändigten Trauer.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 6. 3. JAHRGANG FEBRUAR 1952 VERLAGSORT BIELEFELD
Vv as ich für Heldentum halte,
das ist nicht auf dem Schlachtfelde zu Hause,
das hat keine Zeugen
oder doch immer nur solche, die mit zugrunde gehn.
Alles vollzieht sich stumm,
einsam, weitabgewandt.
F ONTAN E
AUS DEM INHALT
Seite
Heroisierung? Von F. W. H 1
Rückschau und Ausblick (II. Teil) von Amtsgerichtsrat
Dr. Peter Plein 1
Vom Echo des Jahrbuches 2
Allgemeine Privathaftpflichtversicherung (Wichtiger Hin-
weis der Bundesleitung) 3
Neuer Reliefglobus 3
Kriegsblinde in der Telegrammaufnahme
Von Oberpostsekretär Schild 5
Der Kündigungsschutz für Schwerbeschädigte
Von Landesoberinspektor Sielker 6
Was erwarten wir von der Sonderfürsorge?
Von Christian Wilhelm 7
Seite
Die Sonderfürsorge für Kriegsblinde nach den Verwaltungs-
vorschriften zum BVG 8
Aus den Landesverbänden 8
Mein Heim — meine Welt. Beispiele aus Unterfranken zur
Siedlungsfürsorge. Von J. F 11
Wie steht es um die Kriegsblindenbücherei in Marburg?
Von Dr. Ludwig 12
Erfolge kriegsblinder Künstler 12
Kleine Neuigkeiten 13
Für unsere Schachfreunde 13
„Das Lied der Wildgänse" — ein Kriegsblinden-Hörspiel? 14
Irren ist menschlich! Von Fritz Bloch 16
Lesermeinung (Kritische Betrachtung eines Lesers)
Von F. Mezger 16
Das Foto auf der ersten Umschlagseite — eine norddeutsche Winterlandschalt — ist von S a e b e n s (Worpswede). Das Foto
der Meißener Porzellangruppe aut der Umschlagrückseile ist aus dem Archiv i ü r Kunst und Geschichte (Berlin)
479 - 577 - 576 - 575 - 586 - 585 - 581 - 573 - 555 - 556 - 557 - 558 - 559 - 560 - 562 - 564 - 565 - 567 - 568 - 569 - 527.
.Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V. {1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld,
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DBS BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
Nr. 6 . 3. Jahrgang . Februar 1952 . Verlagsort Bielefeld
Heroisierung ?
„Ick bin doch keen wandelndes Kriejer-
denkmal" — mir klingt heute noch die
Stimme jenes stämmigen Berliner Ka-
meraden im Ohr, der diesen Ausspruch ver-
ärgert tat, als er von einer Stadtfahrt ins
Lazarett zurückkehrte. Damals meinte der
Kamerad damit nur dies: den eifrigen,
betulichen Respekt, der oft zur Scheu der
Mitmenschen vor dem Kriegsblinden wird,
als ob man ihn auf einer Art Thronsessel,
über allen Menschen erhöht, sich Vorzu-
stellen habe. Diese Heroisierung braucht sich
keineswegs, wie es vor allem während des
Krieges der Fall war, auf den „Helden der
Front" zu beziehen. Heute sprechen andere
Argumente, bis hin zu der verworrenen
Vorstellung mancher Sehender, daß der
Erblindete — ohnehin ja ein besonders ge-
heimnisvolles Wesen — an Weisheit und
Güte und Fähigkeiten eine Art von Über-
mensch sei. Das geht oft so weit, daß alles,
was der Kriegsblinde tut, bewundert wird.
Es fehlt nur noch, daß man bewundert, wie
er sich ganz selbständig und ungemein ge-
schickt selber die Nase schneuzt.
Unter uns: Manchem Kameraden tut es
sicherlich bisweilen wohl, von seiner Um-
welt bewundert zu werden, und solange
diese Bewunderung eben nur bisweilen ge-
schieht und ehrlich gemeint ist, mag sie als
Anerkennung und Ermutigung auch sinnvoll
sein. Aber jeder muß wissen, daß sehr rasch
zuviel des Guten getan wird und aus der
ehrlichen Anerkennung plötzlich etwas Ge-
fährliches wird, eben diese Heroisierung.
Gefährlich aus folgendem Grunde: Ganz ge-
nau so wie das Mitleid, führt auch diese
übermäßige Bewunderung dazu, daß der
Kriegsblinde aus dem Kreis der normalen
Sterblichen herausgedrängt wird, in
eine abseitige Sonderstellung. Mitleid und
Heroisierung, beide bewirken eine gefähr-
liche Distanz, die den Erblindeten von den
Sehenden trennt. Und gerade eine solche
Distanzierung ist das Gefährlichste, was
einem Kriegsblinden geschehen kann, denn
seine Vereinsamung wird dadurch gefördert.
Die glückliche Mitte zwischen falschem
Mitleid und falscher Bewunderung zu er-
reichen, ist natürlich nicht zuletzt eine Sache
des Kriegsblinden selbst. Beides wird er,
wenn er geschickt ist, möglichst humorvoll
abwehren, wenn es ihm begegnet. Er wird
sagen, daß man durch eine Erblindung
weder automatisch ein besserer noch ein
begabterer Mensch wird und daß er nur
ganz nüchtern die Möglichkeiten nutzt, die
ihm trotz allem geblieben sind. Wie bitter-
schwer es war, diese Möglichkeiten zu
wecken und zu trainieren, das ist eine Sache
für sich, die man den Kollegen in Büro oder
Fabrik gar nicht erst auftischen sollte, wenn
man zum wirklich gleichgeachteten Kollegen
werden möchte. Die anderen wissen auch
ohnehin, was ungefähr dazugehört haben
mag. Überhaupt legen manche Kameraden
unbedacht selber eine Distanz zwischen sich
und ihre Umwelt, nicht zuletzt durch Forde-
rungen und Ansprüche, die sie ständig an
ihre Umwelt stellen.
Allerdings: die Blindheit sozusagen leug-
nen zu wollen und nun krampfhaft so zu
tun, als ob man sich überhaupt nicht vom
anderen unterscheide, das ist auch nicht der
richtige Weg. Diese Frage werden wir ein-
mal bei anderer Gelegenheit in der ~ Zeit-
schrift erörtern müssen. Hierzu gehört sicher-
lich auch die Gefahr, die in mancher Ver-
öffentlichung liegt und die den Eindruck
erwecken kann, als ob Blindheit ja eigent-
lich eine Bagatelle sei, ein Lappalie.
Es gibt aber durchaus einen Weg, mit dem
sich der Kriegsblinde auf gesunde Weise in
seine Umwelt einfügt, in Bescheidenheit und
Tüchtigkeit. Daß man „auffällt", das ist nun
mal leider nicht zu vermeiden, jedenfalls
nicht in einem Kreis, dem man nicht ver-
traut ist. Aber dieses Auffallen möglichst
gering zu halten, das ist die Aufgabe jedes
einzelnen von uns.
Die Aufgabe unserer Gemeinschaft
aber geht auf diesem Gebiet in eine andere
Richtung. Es gilt, in der Öffentlichkeit allerlei
oft geradezu sagenhafte Voreingenommen-
heiten und Mißverständnisse wegzuräumen.
Es gilt, vor allem die übliche Vorstellung
wegzuräumen, daß ein Kriegsblinder zu
einer sinnvollen beruflichen Tätigkeit nicht
mehr in der Lage sei und daß er eigent-
lich nichts anderes verdiene als eben wohl-
wollendes Mitleid. Deshalb, zeigen wir
im Kriegsblindenjahrbuch und in der Zeit-
schrift immer wieder Beipiele von Leistungen,
mit denen Kameraden den vollen Anschluß
an die Umwelt wiedergefunden haben —
nicht aus Gründen einer „Heroisierung",
wie es kürzlich ein Leser uns vorwarf, son-
dern als Akt der Selbstverteidigung. Nur
auf solche Weise erreichen wir, daß jedem
einzelnen Kriegsblinden in der Öffentlichkeit
endlich mehr Vertrauen entgegengebracht
wird, ein berechtigtes Vertrauen. Einst-
weilen haben wir, von unserer Schicksals-
gemeinschaft her gesehen, leider nur Mühe
damit, eine U n t e r Schätzung des Kriegs-
blinden zu beseitigen. Die über Schätzung,
so gefährlich sie für einzelne Kameraden
sein mag, ist nicht gang und gäbe. Aber
jeder hüte sich vor ihr. F. W. H.
Rückschau und Ausblick
Von Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein
II. Teil
Arbeits- und Berufsbeschaffung
In Erkenntnis der gerade in Krisenzeiten
erhöhten seelischen Bedeutung einer befrie-
digenden Betätigung für unsere kriegsblin-
den Kameraden versuchte der Bund im Jahre
1951 mit verdoppelter Anstrengung, die be-
rufliche Unterbringung der zwar schon aus-
gebildeten, aber noch nicht beruflich tätigen
Kriegsblinden durchzuführen. Auch hier
konnte der Bund mit all seinen Gliederungen,
bei denen ja naturgemäß das Schwergewicht
dieser Arbeit lag, schöne Erfolge erzielen.
Für die kriegsblinden Masseure ver-
suchten wir, in Krankenhäusern neue Stel-
lungen zu erobern bzw. sie durch Unterstüt-
zung bei den Krankenkassen, Berufsgenos-
senschaften usw. in ihrer selbständigen Arbeit
zu fördern. Da sich im Zuge der Weiterent-
wicklung der Massage auch die Ausbildung
unserer kriegsblinden Masseure in der
Bindegewebsmassage als sehr förderlich
erwies, haben wir hier mehrere Ausbildungs-
kurse für kriegsblinde Masseure in der
Bindegewebsmassage durchgeführt, z. B. in
Tegernsee und Bad Salzhausen, über 100
kriegsblinde Masseure konnten im vergan-
genen Jahr mit Erfolg in dreiwöchigen Binde-
gewebsmassagekursen unter Leitung der auf
diesem Gebiete besten Fachkräfte ausgebilr
det werden. An dieser Stelle gilt es, beson-
ders Herrn Prof. Kohlrausch von der
•Universität Marburg, der auf dem Gebiete
der Bindegewebsmassage führend in Deutsch-
land tätig ist und der in Tegernsee und Bad
Salzhausen die Kurse persönlich leitete,
unseren herzlichsten Dank auszusprechen.
Wir hoffen, diejenigen kriegsblinden Mas-
seure, die aus zeitlichen und dienstlichen
Gründen im vergangenen Jahr die gewünschte
Ausbildung in der Bindegewebsmassage
noch nicht bekommen konnten, in diesem
Jahre noch zu einem Kursus vereinigen zu
können.
Die Unterbringung kriegsblinder Steno-
typisten konnte im vergangenen Jahr,
soweit ausgebildete Kräfte vorhanden waren,
fast restlos durchgeführt werden. Ja, in
vielen Teilen des Bundesgebietes war eine
solche Nachfrage nach gut ausgebildeten
kriegsblinden Stenotypisten, daß ein über-
gebietlicher Ausgleich vorgenommen wurde
und noch eine erhebliche Nachfrage nach
kriegsblinden Stenotypisten besteht. Leider
ist hier die Ausbildung von längerer Dauer
und die Voraussetzungen sind nicht überall
so gegeben, daß man in kürzester Zeit ge-
eignete Kräfte ausbilden und zur Verfügung
stellen kann.
Leider liegt es bei der Unterbringung
kriegsblinder Telefonisten nicht so
günstig wie bei den Stenotypisten. In allen
Teilen des Bundesgebietes warten noch viele
gut ausgebildete kriegsblinde Telefonisten
seit Jahren auf eine berufliche Unterbrin-
gung. Obwohl der Telefonistenberuf gerade
für Blinde besonders geeignet ist und sehr
viele kriegsblinde Telefonisten schon durch
eine jahrzehntelange Tätigkeit bei privaten
Arbeitgebern und Behörden bewiesen haben,
daß sie hier nicht nur gleichwertige, sondern
infolge ihrer blindheitbedingten konzen-
trierten Ausübung ihrer Tätigkeit bessere
Leistungen als sehende Telefonisten aufzu-
weisen haben. Gedächtnis, Lust und Liebe
zur Arbeit und der Wille, sich ihren Beruf
auch geistig interessanter zu machen, haben
hier meistens die Kriegsblinden veranlaßt,
mit ihren Kenntnissen über ihren Betrieb,
über die Zuständigkeit der einzelnen Be-
triebsangehörigen usw. es zu Leistungen zu
bringen, die zur Freude des Betriebes und
der Telefonkunden schnellste und sachgemäße
Vermittlungen zustande bringen. Oberfläch-
liche Feststellungen in einzelnen Städten
haben ergeben, daß überall noch geeignete
Fernsprechvermittlungsstellen für Blinde in
so ausreichender Zahl vorhanden sind, daß,
selbst wenn nur ein Bruchteil dieser Fern-
sprechvermittlungsstellen mit Blinden besetzt
worden wäre, schon längst alle blinden
Telefonisten beruflich untergebracht wären.
Leider mußten auch im vergangenen Jahr
manche Vorurteile, die selbst in höchsten
Fachkreisen bestanden hatten, beseitigt wer-
den. Auch die Bedenken und Befürchtungen,
die aus der fortschreitenden Automati-
sierung der Fernsprechvermittlungszen-
tralen entstanden waren, konnten auf Grund
eingehender Feststellungen und Verhand-
lungen mit den führenden Telefonbaufinnen
als nicht begründet behoben werden.
Den Kriegsblinden, die noch als Telefonisten
umgeschult werden wollen, kann nur eine
gründliche Ausbildung empfohlen werden,
wobei eine zeitliche Mindestbegrenzung nicht
möglich ist, weil die Voraussetzungen bei
allen kriegsblinden Kameraden aus ihrer
früheren Vorbildung, Beruf, geistigen Auf-
fassungsmöglichkeit, weiteren Verwundun-
gen usw. überall verschieden sind und eine
verschiedenartige Umschulung notwendig
machen.
Das Jahr 1952 muß, das ist unser fester
Wille und Vorsatz, auch dem letzten kriegs-
blinden Telefonisten eine befriedigende Be-
tätigung bringen. Es ist zu hoffen, daß die
vielfachen Hinweise und gutachtlichen Äuße-
rungen des Bundesarbeitsministeriums und
sonstiger behördlicher und privater Stellen
wie Industrie- und Handelskammern usw.
dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen.
Aus Zahlenunterlagen, die sich auf etwa
3000 Kriegsblinde beziehen, also weit weni-
ger als die Hälfte aller deutschen Kriegs-
blinden, geht hervor, daß im Vorjahre 129
Kameraden inneueBerufe untergebracht
wurden und daß sich 14 Kameraden mit einer
selbständigen Gewerbetätigkeit auf eigene
Füße gestellt haben. Von den 129 Arbeits-
vermittlungen beziehen sich 32 auf Hand-
werker, die in einen anderen Beruf umge-
schult worden sind. 115 Masseure nahmen
an Kursen für Bindegewebsmassage teil.
Sorgen um die Handwerker
Größte Sorge bereitete auch im vergan-
genen Jahre allen Mitarbeitern im Bunde
und in den dem Bund angeschlossenen
Kriegsblinden-H andwerkerfürsorge-
Einrichtungen die ausreichende Beschäftigung
der rund 2000 kriegsblinden Bürsten- und
Korbmacher, Mattenflechter, Handweber usw.
Die Preisentwicklung bei den Hölzern und
Rohstoffen machte hier auch die Erhöhung
des Betriebskapitals erforderlich. Es gelang
zwar, aus ERP-Mitteln für Beschaffung von
Rohstoffen eine größere Summe zu erhalten,
die aber leider infolge Verzögerung des Ein-
satzes sich nicht so auswirken konnte, wie
es von uns gewünscht worden wäre. Wenn
wir auch im gesamten Bundesgebiet einen
Umsatz von über 3 Mill. DM erreichten und
in einzelnen Bundesländern eine erfreuliche
Steigerung des Umsatzes gegenüber dem
Vorjahre herbeiführen konnten, so trat auf
Grund des Gesamtüberblickes doch im Jahre
1951 gegenüber dem Jahr 1950 keine Steige-
rung, sondern eher, wenn man die Preis-
erhöhungen in Betracht zieht, eine gewisse
Vom Echo des Jahrbuches
Minister und Abgeordnete bestätigen ihre Verbundenheit mit den Kriegsblinden
Ähnlich wie im Vorjahr, hat auch jetzt
wieder unser Kriegsblinden- Jahrbuch in der
Öffentlichkeit einen starken Eindruck er-
weckt, angefangen vom Bundeskanz-
ler, der den Wunsch aussprach, daß das
Jahrbuch „das Verständnis für das schwere
Los der Kriegsblinden fördern möge", bis
hin zu den vielen unbekannten iLesern, die
von den Darstellungen oft auf das tiefste
bewegt und auch überrascht waren. Viele
Briefe hoher Behördenstellen erreichten unse-
ren Bundesvorsitzenden. So schreibt der
Bundesminister des Innern, Dr. Lehr, über
das Jahrbuch: „Es vermittelt einen außer-
ordentlichen Eindruck von der menschlichen
Willensstärke, wie sie gegen ein hartes Ge-
schick ankämpft und gibt auch ein Bild von
der Gemeinschaftsleistung der Organisation,
die sich um die Verschönerung des Lebens
unserer Blinden erfinderisch und tatkräftig
bemüht." Bundesminister Franz Blücher
nimmt das Jahrbuch zum Anlaß, um Kam.
Dr. Plein mitzuteilen: „Ich werde ebenso
wie in der Vergangenheit nicht nur aus
dem Bewußtsein der Pflicht, sondern darüber
hinaus auch mit dem Herzen immer bei der
Vertretung Ihrer Anliegen sein." Ähnlich
äußert sich Finanzminister Schäffer, der
seiner Freude über den ungebrochenen Le-
bens- und Schaffenswillen der Kriegsblinden
Ausdruck gibt, „denen ich auch in Zukunft
helfen will, soweit es in meinen Kräften
steht." Auch Mitglieder des Deutschen Bun-
destages äußern sich mit großer Anerken-
nung, so besonders der Vorsitzende des
Kriegsopferausschusses, Abg. Dr. Kurt
P o h 1 e , der u. a. schreibt: „Ich hoffe, daraus
noch so manche Anregung für unsere gemein-
same Arbeit entnehmen zu können."
„Dieses Buch ist mir die edelste und liebste
Gabe zur Weihnacht", so schreibt die Bun-
destagsabgeordnete Frau Dr. Maria Probst
und fährt fort: „Es wird Kraft daraus strö-
men auch für das kommende Jahr, in dem
wieder große und schwere Aufgaben auf dem
Gebiete der Kriegsopferversorgung der Lö-
sung harren." Frau Dr. Probst betont dabei
ihre enge Verbundenheit mit dem Bund der
Kriegsblinden Deutschlands und findet so-
dann ehrende Worte „für das so weithin
wirkende Beispiel fraulicher Güte und müt-
terlicher Hilfsbereitschaft" der verstorbenen
Gattin unseres Bundesvorsitzenden. Der
Innen- und Sozialminister von Rheinland-
Pfalz, Dr. A. Zimmer, spricht in seinem
Schreiben ebenfalls von der Aufmunterung,
die für ihn das Beispiel der Kriegsblinden
und insbesondere auch das Beispiel unseres
Kameraden . Plein für ihn bedeute. Ver-
ständnisvolle Worte findet auch Minister-
präsident Kopf (Hannover) : „Das Jahrbuch
hat mir wieder einmal bestätigt, von welch
großer sozialer Bedeutung es ist, den Kriegs-
blinden zu ihrer eigenen Befriedigung und
zum allgemeinen Nutzen angemessene Ar-
beitsmöglichkeiten zu verschaffen. Das Jahr-
buch bestätigt, daß hier zwar schon viel ge-
leistet ist, daß aber in Zukunft noch sehr viel
zu tun sein wird."
Wir könnten noch vielerlei weitere inter-
essante Äußerungen anfügen, doch geht aus
diesen Ausschnitten bereits überzeugend
hervor, in welch hohem Maße unser Jahr-
buch dazu beiträgt, das Verständnis für die
Kriegsblindensache in der Öffentlichkeit zu
fördern.
Minderung des Umsatzes ein. Wenn auch
bei größerem Verständnis von Behörden und
privaten Auftraggebern noch eine wesentliche
Steigerung der Arbeitsaufträge für kriegs-
blinde Handwerker herbeizuführen wäre, so
hat sich doch gezeigt, daß die beste Kriegs-
blinden-Handwerkerfürsorge darin besteht,
daß alle diejenigen kriegsblinden Hand-
werker, die noch einer anderen beruf-
lichen Betätigung, insbesondere auch in der
Industrie, zugeführt werden können, baldmög-
lichst vom Handwerk wegkommen.
Nur so ist es allein möglich, denjenigen
Kriegsblinden, die infolge anderweitiger Ver-
wundungen, ihres Alters oder ihrer nicht
mehr abänderbaren Wohnlage auch weiter-
hin als kriegsblinde Handwerker tätig sein
müssen, eine wenigstens einigermaßen be-
friedigende Beschäftigung durch Auftrags-
erteilung zu verschaffen. Aber auch hier
muß der Umsatz, wie er jetzt ist, mindestens
verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht
werden, wenn diesen kriegsblinden Hand-
werkern eine durchschnittliche Beschäftigung
von 50 bis 75 °/o der Normalbeschäftigung
vermittelt werden soll.
Die Bemühungen, durch die „Deutsche
Blindenarbeit" (DBA) einen besseren Schutz
des Blindenhandwerks vor den vielen
Schwindeiunternehmungen her-
beizuführen und eine größere Werbung
durchzuführen, haben zwar erfreuliche Fort-
schritte im vergangenen Jahr gebracht, und
es ist zu hoffen, daß das in Vorbereitung
befindliche Gesetz zum Schutze des Absatzes
von Blindenwaren noch in der ersten Hälfte
des Jahres 1952 beschlossen und in Kraft
gesetzt wird; aber hier kann auch nur die
Mitarbeit aller Beteiligten und insbesondere
der Käufer von Blindenwaren zu einem
wirklichen Erfolg führen. Allen Behörden
und privaten Käufern von Blindenwaren,
die ihre Aufträge kriegsblinden Handwer-
kern zukommen lassen wollen, kann deshalb
nur dringend empfohlen werden, sie nur
denjenigen zu erteilen, die ihnen als selb-
ständige kriegsblinde Handwerker ihres Be-
reichs genau bekannt sind oder diese
Aufträge nur den anerkannten Kriegsblin-
den-Handwerkerfürsorge-Einrichtungen des
Kriegsblindenbundes zu erteilen, die auf das
ganze Bundesgebiet verteilt sind und auf
gemeinnütziger Grundlage z. Z. noch fast
2000 kriegsblinde Handwerker mit Aufträgen
versehen müssen. Die Anschriften dieser
Kriegsblinden - Handwerkerfürsorge - Einrich-
tungen sind im Kriegsblinden-Jahrbuch ent-
halten und können auch bei allen Gliede-
rungen des Bundes in Erfahrung gebracht
werden.
Das Schwerbeschädigtengesetz
Leider ist das schon seit 1949 in Bearbei-
tung befindliche Gesetz zur Beschäftigung
von Schwerbeschädigten immer noch
nicht fertiggestellt worden. Die Kriegsopfer
haben sich schon mit schärfsten Protesten
wegen dieser Verzögerung an die Öffent-
lichkeit gewandt. Immerhin ist am 29. Januar
wenigstens insoweit ein Fortschritt herbei-
geführt worden, daß der Gesetzentwurf vom
Bundeskabinett verabschiedet wurde und nun
den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet
wird. Wir rechnen mit Bestimmtheit darauf,
daß diese sich nicht durch das bisherige
schlechte Beispiel beeinflussen lassen, son-
dern das Gegenteil unter Beweis stellen.
Wir haben noch manche Verbesserungs-
wünsche für dieses Gesetz, von denen
wir hoffen, daß sie im Bundestag eine bessere
Berücksichtigung finden, nachdem sie im Laufe
der langen Vorarbeiten schon mehrfach in
den Gesetzentwurf aufgenommen, dann aber
wieder gestrichen wurden. Wir Kriegsblinden
wissen zwar, daß der Zwang gerade für uns
Kriegsblinde keine geeignete Voraussetzung
für die Einstellung und spätere Berufsbetäti-
gung ist. Wir mußten aber durch jahrzehnte-
lange Erfahrungen erkennen, daß doch in
sehr vielen Fällen die gesetzlich verankerte
Pflichteinstellung die notwendige Voraus-
setzung für die endgültige Bereitschafts-
erklärung für die Einstellung eines Kriegs-
blinden war. Die Rechtsverordnung zu § 26
BVG mit ihren berufsfördernden Maßnahmen
gibt auch allen beteiligten Behörden, ins-
besondere den Hauptfürsorgestellen für Kb.-
und Kh. -Fürsorge, geeignete Handhaben und
Möglichkeiten, alle erforderlichen Sonder-
maßnahmen für die Umschulung, Versorgung
mit besonderen Hilfsmitteln, Arbeitsvermitt-
lung und nachgehende Fürsorge am Arbeits-
platz zu ergreifen.
Wohnungs- und Siedlungsfürsorge
Schon bei der Berufs- und Arbeitsfürsorge
erwies sich die Wohnungs- und Sied-
lungsfürsorge als eine notwendige und
vorauszugehende Maßnahme, denn die be-
rufliche Unterbringung war in sehr vielen
Fällen von der Beschaffung einer geeigneten
Wohnung am Arbeitsort abhängig. Aber auch
sonst erwies sich die Beschaffung nicht nur
geeigneten, sondern überhaupt menschen-
würdigen Wohnraumes tä: Kriegsblinde auch
noch im vergangenen Jahr 1951 als eine
dringende Notwendigkeit. Trotz größter Be-
mühungen war es besonders in den Flücht-
lingsgebieten von Schleswig-Holstein, Nie-
dersachsen und Bayern nicht möglich ge-
wesen, alle Kriegsblinden auch nur in men-
schenwürdige Wohnungen unterzu-
bringen. Wenn auch in Bayern besonders
viel getan wurde und wenn auch Schleswig-
Holstein die größten Anstrengungen machte,
hier in den schlimmsten Fällen abzuhelfen,
so waren doch immer noch im Jahre 1951
Fälle vorhanden, wo Kriegsblinde in Lagern
oder in den unwürdigsten und die Ge-
sundheit gefährdendsten Wohnungen unter-
gebracht waren. Notdürftig hergerichtete
Teile von Feldscheunen, verfallene Hütten
an Berghängen und unwürdigste Dachkam-
mern und Vorräume mußten Kriegsblinden
und ihren oft zahlreichen Familien als Unter-
kunft dienen.
Ein Kriegsblinder mußte mit Frau und
erwachsenem Sohn, der aus dem Kriege eine
schwere Lungentuberkulose mit nach Hause
gebracht hatte, in zwei kleinen Dachkammern,
von denen die eine als Schlafzimmer für ihn
und seine Frau, die andere als Küche, als
Arbeitsraum für den kriegsblinden Bürsten-
macher und Schlafraum für den schwer
lungentuberkulosekranken Sohn dienen. Ar-
beitsstaub und Tuberkelbazillen waren das
tägliche Gewürz der in der Küche bereiteten
Nahrung. Wenn wir den Fall nicht nament-
lich belegen könnten, könnte man nicht glau-
ben, daß solche Zustände im Bundesgebiet
möglich wären.
Wenn auch die ideale Lösung für Kriegs-
blinde die Beschaffung eines Einfamilien-
hauses ist (wir hatten es nach dem ersten
Weltkriege durch die Arbeit unserer Schick-
salsgemeinschaft schon so weit gebracht, daß
von den damals rund 3000 Kriegsblinden
Neuer Reliefglobus
Der „Verein zur Förderung der Blinden-
bildung" (VzFB) hat einen blindengemäßen
Erdreliefglobus von 30 cm Durchmesser mit
Schrägachse herausgegeben. Et ist außerdem
in Farben gehalten, die von Sehrestlern noch
gut zu erkennen sind. Der Globus ist mit
307 Namensbeschriftungen in Schwarzschrift
für Städte, Flüsse, Seen und Inseln versehen.
Mit Hilfe von ERP-Mitteln ist es dem
VzFB möglich, diesen Globus zu dem er-
mäßigten Preis von 70, — DM je Stück ab-
zugeben. Außerdem sind die Versandkosten
zu tragen. Die berechnete Verpackung wird
bei einwandfreier Rücksendung derselben
voll vergütet. Bestellungen sind zu senden
an den Verein zur Förderung der Blinden-
bildung, Hannover-Kirchrode,
Bieekstraße 22.
Die Belieferung erfolgt im Rahmen - der
zur Verfügung stehenden Mittel.
über 2000 im Besitz eines Eigen-Einfamilien-
hauses waren) und wenn wir auch nach dem
jetzigen Kriege größten Wert darauf legten,
diese Entwicklung fortzusetzen und zu fördern,
so zwang uns doch die Preisentwicklung zu
Anfang des Jahres 1951, hier eine abwar-
tende, vorsichtige Haltung einzunehmen. Wir
mußten in vielen Fällen unseren kriegsblin-
den Kameraden den Rat geben, von der Be-
schaffung eines Eigenheimes abzusehen,
weil verschiedene kriegsblinde Kameraden
mit ihren halbfertigen Bauten durch die Preis-
entwicklung in katastrophale Lagen kamen.
Wenn es zwar auch durch den Bund gelang,
hier immer noch das Schlimmste abzuwenden,
so konnte doch niemandem mehr empfohlen
werden, auf solch ungewissen Finanzplänen
den Aufbau vorzunehmen.
Wenn es trotzdem in vielen Fällen im
Bundesgebiet gelungen ist, auch noch im
Jahr 1951 Kriegsblinden-Eigenheime fertig-
zustellen, so zeugt das von der großen Findig-
keit, Energie und unermüdlichen Willenskraft
sowohl der Leiter der einzelnen Gliederungen
wie auch der kriegsblinden Siedlerkameraden
selbst. Diese haben manchmal bitterste Not
und Hunger gelitten und auf alles verzichtet,
um ihr Häuschen zustande zu bringen.
Das Hauptgewicht wurde aber auf die Be-
schaffung von Wohnungen gelegt, und es
konnte vielen kriegsblinden Kameraden eine
Neubauwohnung beschafft werden. Die
Kapitalabfindung konnte in vielen Fällen auch
jenen Kriegsblinden noch helfen, die schon
daran gezweifelt hatten, das notwendige
Kapital für den Bau eines Eigenheims zu-
sammenzubringen. Selbstverständlich bleibt
für alle Kriegsblinden, insbesondere für die-
jenigen, die durch weitere Verletzungen und
Gesundheitsstörungen noch mehr als andere
an ihre Häuslichkeit gebunden sind, der
Besitz einer geeigneten und in allen Teilen
vertrauten Wohnung, in der sie sich ohne
fremde Hilfe überall hin bewegen können,
also der Besitz eines Einfamilienhauses mit
kleinem Garten, die beste Voraussetzung,
um sich trotz der Blindheit zu Hause wohl-
zufühlen und das Schicksal der Blindheit
leichter zu überwinden. Mietswohnungen
mit öfterem Wechsel sind für die seelische
Eingewöhnung der Kriegsblinden die schlech-
teste Voraussetzung. Wir werden daher auch
weiterhin bemüht sein, allen Kriegsblinden
zu einer solchen Dauerwohnung zu verhelfen.
In vielen Fällen konnten auch durch Ankauf
von Althäusern mit Hilfe der Kapital-
abfindung die Möglichkeiten einer sol-
chen Dauerwohnung geschaffen werden. Es
zeigte sich hier deutlich, wie wichtig es ist,
daß den Kriegsblinden durch Kapitalabfindung
und- sonstige billige Kredite die Beschaf-
fung von Eigenheimen ermöglicht wird. Es
muß anerkannt werden, daß trotz der großen
Schwierigkeiten des vergangenen Jahres auf
diesem Gebiete unserer Arbeit Vorbildliches
geleistet wurde, wovon nachstehende Zahlen
einen kleinen Überblick geben:
An Hand zahlenmäßiger Beispiele
aus dem Gebiet der Siedlungsfürsorge ergibt
sich allein aus Mitteilung von acht Landes-
verbänden, ohne so große Landesverbände
wie Bayern, Nordrhein, Hessen und Schles-
wig-Holstein, also für weit weniger als die
Hälfte aller deutschen Kriegsblinden, daß
außer 45 vermittelten Neubau-Wohnungen
169 Eigenheime erstellt wurden, und zwar alle
169 Eigenheime unter Inanspruchnahme einer
Kapitalabfindung. An weiteren Teilzahlen
liegen Berichte vor, wonach allein in drei
bayerischen Bezirken insgesamt weitere 137
Eigenheime gebaut wurden. Bei den genann-
ten acht Landesverbänden ist es naturgemäß
so, daß in den großstädtischen Verbänden
wie Hamburg und Berlin der Eigenheimbau
auf größte Schwierigkeiten stieß und nur
wenig Erfolg hatte.
Kriegsblindenkur- und Erholungsfürsorge
Nachdem uns schon das Jahr 1950 beacht-
liche Erfolge auf dem Gebiete der Kriegs-
blindenkur- und -Erholungsfürsorge
Allgemeine
Privat-Haftpflichtversicherung
Allen Kriegsblinden ist durch ihren zustän-
digen Bezirk oder Landesverband ein
Merkblatt über eine allgemeine Privat-
Haftpflichtversicherung zugegangen, auf das
die Frauen unserer kriegsblinden Kameraden
besonders aufmerksam gemacht werden.
Die Bundesleitung hat es nach schwierigen
Verhandlungen ermöglicht, daß sich nicht nur
Halter von Führhunden an dieser Versiche-
rung beteiligen und gegen eine geringe
Jahresprämie das ganze Jahr vor Haftungen
aus solchen Schäden schützen oder sichern
können, die sie und die im Merkblatt
genannten Angehörigen und Hilfspersonen
anrichten können oder die ihnen als
Wohnungsinhaber oder Eigentümer von
selbst bewohnten Eigenheimen erwachsen,
sondern alle anderen Kriegsblin-
den dieselbe Möglichkeit haben. Voraus-
setzung dieser Gruppenversicherung ist aber,
daß möglichst alle Mitglieder des Bundes
sich beteiligen und spätestens bis 1. März
19 5 2 ihre, dem Merkblatt beigefügte Bei-
trittserklärung dem Bezirk oder Landes-
verband schriftlich einreichen. Die Ver-
sicherung gilt ab 1. April auf ein Jahr. Wer
später eintritt, muß trotzdem den vollen
Jahresbetrag noch nachzahlen. Die Kame-
raden, die schon eine private Haftpflicht-
versicherung abgeschlossen haben, wissen,
daß die allgemein übliche Jahresprämie fast
das Dreifache beträgt.
Es wird besonders darauf aufmerksam ge-
macht, daß im Gegensatz zu den üblichen
Haftpflichtversicherungen hier jene Bestim-
mung fortfällt, wonach nur Haftleistungen
von über 20, — DM ersetzt werden. Unsere
Vereinbarungen sehen vielmehr vor, daß
auch Haftleistungen, deren Betrag unter
20, — DM liegt, von der Versicherung ge-
deckt werden. Leider wurde es übersehen,
den Landesverbänden den Fortfall dieser
Beschränkungsklausel mitzuteilen. (AHB § 3,
II, Abs. 1).
Es sollte daher kein Kriegsblinder ver-
säumen, sich durch Zahlung dieser geringen
Jahresprämie für ein qanzes Jahr die Sicher-
heit für sich und seine Familienangehörigen
vor Haftungsansprüchen zu schaffen.
gebracht hatte und wir schon die besten
Vorbereitungen getroffen hatten, diese Er-
folge im Jahre 1951 noch zu vergrößern,
so wurden doch auf diesem Gebiete alle
Erwartungen übertroffen. Zwar brachte der
Beginn des Jahres 1951 hier gewisse Krisen
mit sich, da die ungeklärte finanzielle Lage
(besonders bezügl. des verlorengegangenen
Betriebskapitals), aber auch die Umstellung
auf die Regelung der Badekuren nach dem
BVG zu Schwierigkeiten führte, die erst
beseitigt werden mußten. Es gelang aber mit
dem Bundesarbeitsministerium, einen Erlaß
herbeizuführen, der zwar nicht all unseren
Wünschen Rechnung trug, aber doch hinsicht-
lich der Mitnahme von Begleitpersonen eine
einheitliche Regelung brachte. In den sieben
Kriegsblindenkur- und -erholungsheimen, die
im vergangenen Jahr unseren Kameraden
mit fast 500 Betten täglich zur Ver-
fügung standen, konnten über tausend Ver-
sorgungskuren durchgeführt werden, daneben
noch eine größere Zahl von Erholungs- und
sonstigen Aufenthalten. Mit Hilfe der Landes-
verbände konnten, wenn auch nur im geringen
Umfange, an Ostzonenkameraden
einzelne Freistellen gewährt werden. Leider
erwies sich die Zahl der yorhandenen Plätze
immer noch als zu gering, da über 500
kriegsblinde Kur- und Erholungsuchende, oft
trotz bereits erfolgter Gewährung der Bade-
kuren, wegen Platzmangels nicht in
unseren Heimen Aufnahme finden konnten,
so daß sich die Anschaffung eines weiteren
Kriegsblindenkurheims doch noch als not-
wendig erweist. Hoffen wir, daß die erforder-
liche Mittelbeschaffung bald gelingt und uns
die Möglichkeit gibt, wiederum in einem
vorzüglichen Kurort unseren kriegsblinden
Kameraden und auch ihren Pflegepersonen
neue Kurmöglichkeiten erschließt. Bad Wild-
bad im Schwarzwald, Bad Pyrmont, Bad Salz-
hausen bei Bad Nauheim, Seebad auf der
Insel Borkum, Braunlage im Harz, Bad Mün-
ster am Stein bei Bad Kreuznach, und Söcking
am Starnberger See sind Namen, die durch
ihre Bekanntheit und Kurmöglichkeit allen
beweisen, daß unsere Schicksalsgemeinschaft
alles getan hat, den Kriegsblinden die besten
Kur- und Erholungsmöglichkeiten zu bieten.
Die finanzielle Entwicklung ist dank bester
Wirtschaftsführung auch so gewesen, daß wir
sorgloser dem neuen Jahr 1952 auf diesem
Gebiete unserer Bundesarbeit entgegensehen
können. Söcking, Braunlage und Wildbad
sind ganzjährig geöffnet, während die vier
anderen Bäder entsprechend den gebotenen
Kurmöglichkeiten ab 1. März bis Ende Okto-
ber oder November zur Verfügung stehen,
das Seebad Borkum erst vom 1. Mai ab.
Es ist zwar zu befürchten, daß auch in
diesem Jahre manchen Wünschen auf eine
Unterbringung in den Hauptmonaten des
Sommers nicht Rechnung getragen werden
kann. Doch können hier die Kameraden
selbst helfen, indem sie in größerem Um-
fange die Kurmöglichkeiten des Winters
in den ganzjährig geöffneten Heimen und die
Übergangsmonate mehr in Anspruch
nehmen.
Orthopädische
und sonstige Blindenhilfsmittel
Innerhalb der Versorgung unserer kriegs-
blinden Kameraden mit orthopädischen Hilfs-
mitteln nahm natürlich die Versorgung mit
Führhunden und Kleinschreib-
maschinen einen wichtigen Raum ein.
Auf beiden Gebieten brachte das vergangene
Jahr ziemlich den Abschluß herbei, so daß
alle Kameraden, die noch einen Führhund
wünschten bzw. bei denen die Voraussetzun-
gen für die Gewährung einer Kleinschreib-
maschine gegeben waren, mit diesen Hilfsmit-
teln versorgt sind. Zahlenmäßige Beispiele lie-
gen zunächst nur aus 8 Landesverbänden vor
(ohne Bayern, Hessen, Nordrhein und Schles-
wig-Holstein). Danach sind — also für weit
weniger als die Hälfte aller deutschen Kriegs-
blinden — im Vorjahre 1281 Schreibmaschinen
zur Verteilung gekommen. Während es nach
dem BVG aber mit der einmaligen Belieferung
mit Kleinschreibmaschinen beendigt ist, weil
Ersatz und Instandsetzungen der Kleinscheib-
maschinen nach den Verwaltungsvorschriften
zum BVG nicht mehr von den Versorgungs-
behörden getragen werden, wird die Beliefe-
rung mit Ersatzhunden noch weiter fort-
dauern. Wenn sich auch im vergangenen
Jahr die Zahl der Führhundbesitzer entgegen
unseren Erwartungen doch noch um einige
Hundert erhöht hat, so ist sie doch im
Verhältnis zu den Zahlen nach dem ersten
Weltkriege aus den schon im vorjährigen
Bericht genannten Gründen sehr gering ge-
blieben.
Diesem geringen Bedarf stand ein über-
höhtes Angebot von seifen viel zu vieler
und insbesondere zu kleiner Führhundaus-
bildestellen gegenüber. Es ist nicht verwun-
derlich, daß bei dem dadurch hervorgerufe-
nen ' starken Wettbewerb die Auswahl
der für die Führertätigkeit wirklich geeig-
neten Flunde stark unterschiedlich ist und
nicht immer den Anforderungen genügt, die
wir Kriegsblinde, die wir den Hunden unser
Leben und unsere Gesundheit anvertrauen
müssen, zu stellen gezwungen sind. Die
durch den Einkauf geringwertigen Hunde-
materials gemachten Ersparnisse für die Be-
messung des Übernahmepreises der Hunde
durch die Versorgungsverwaltung stellt sich
in Wirklichkeit aber als eine Verteuerung
dar, weil nach unseren Erfahrungen durch
Nachdressur und die Notwendigkeit schnelle-
ren Ersatzes der Führhunde — insgesamt
betrachtet — der Versorgungsverwaltung
viel größere Unkosten als in den anderen
Fällen entstehen. Die kriegsblinden Kame-
raden müssen mehr als bisher darauf achten,
daß ihnen nur bestes Hundemate-
rial übergeben wird, das aufs sorgfältigste
ausgebildet ist, und müssen sich davor hüten,
zu schnell Anerkennungs- und Belobigungs-
schreiben der Führhundausbildestelle auszu-
Holzschnitt von Frans Masereel
stellen. Nach unseren Erfahrungen können
solche Anerkennungs- und Belobigungsschrei-
ben erst nach mehrmonatiger Benutzung des
Führhundes am dauernden Wohnort des
kriegsblinden Kameraden überhaupt nur An-
spruch auf Beachtung erheben.
über kriegsblinde Führhundhalter liegen
aus zehn Landesverbänden (ohne Nordrhein
und Schleswig-Holstein, die etwa Vt aller
deutschen Kriegsblinden umfassen) Zahlen
vor. In diesen zehn Landesverbänden werden
1692 Führhunde gehalten, davon allein
in Bayern 340 Führhunde. In acht Landesver-
bänden (ohne Bayern, Hessen, Nordrhein und
Schleswig-Holstein) wurden bei einer Ge-
samtzahl von 1206 Führhunden im vergan-
genen Jahr 190 Führhunde neu angeschafft.
Erstaunlich gering ist die Anzahl der bereits
gewährten orthopädischen Beihilfen. Nach
ersten Zahlenangaben aus sieben Landes-
verbänden sind bisher nur in 80 Fällen die
Beihilfen bereits gewährt worden.
Nach unseren Erfahrungen ist die auf allen
anderen Gebieten weit fortgeschrittene Tech-
n i k noch nicht so für die Blinden dienstbar
gemacht worden, als wir es erwarten konn-
ten. Die sogenannte Lesemaschine für Blinde
steckt noch in den Uranfängen, nicht nur in
ihrer technischen Konstruktion, sondern auch
in der ideenmäßigen Vervollkommnung.
Wenn die Firmen, wie es z. B. AEG-Magne-
tophon schon getan hat, ein nicht zu teures
und geeignetes Gerät für Aufnahme und
Wiedergabe von Magnetophonbändern her-
ausbringen und wenn in geeigneter Anzahl
den kriegsblinden Kameraden der Erwerb
ermöglicht wird, steht unseres Erachtens dem
Aufbau einer Hörbücherei keine we-
sentliche Schwierigkeit mehr im Wege. Es
muß aber darauf hingewiesen werden, daß
hierdurch noch keinesfalls die von Braille
erfundene Blindenpunktschrift ersetzt wird.
Wir wollen daher auch an dieser Stelle dank-
bar des Erfinders der Braille-Blindenschrift
aus Anlaß der hundertjährigen Wiederkehr
seines Todestages gedenken.
Tätigkeit der Geschäftsstelle
Aus den einzelnen Angaben unseres Über-
blicks werden die Kameraden schon ersehen
haben, welch gewaltigen Umfang die Arbeit
in der Geschäftsstelle in Bonn, Schumann-
straße 35, genommen hat, obwohl die An-
gaben noch nicht einmal erschöpfend sind.
Bei der fortschreitenden Festigung unserer
organisatorischen Arbeit mußten auch manche
Einrichtungen der Geschäftsstelle vervoll-
ständigt werden, die bisher infolge ander-
weitiger Aufbauarbeit zurückgestellt werden
mußten. So ist jetzt die Mitglieder-
kartei mit Ausnahme von Bayern voll-
ständig in Bonn, nach Landesverbänden ge-
trennt, vorhanden. Der Aufbau einer Sach-
kartei ist auch schon sehr weit gediehen,
doch sind hier manche Landesverbände noch
im Rückstand, weil die Mitwirkung der Ka-
meraden teilweise noch sehr zu wünschen
übrig läßt. Obgleich wir volles Verständnis
dafür haben, daß die Überfütterung mit
Fragebogen besonders vor 1945 und teil-
weise auch nach 1945 lebhaften Widerwillen
gegen die notwendigen Erhebungen erzeugt
hat, so müssen wir unsere Kameraden doch
darauf aufmerksam machen, daß wir nur auf
Grund genauesten Zahlenmate-
rials und zuverlässigster Angaben unserer
kriegsblinden Kameraden in der Lage waren,
bei den gesetzgeberischen Maßnahmen, ins-
besondere auch beim Bundesversorgungs-
recht, d i e Erfolge zu erzielen, die wir an-
erkanntermaßen erreicht haben. Wir bitten
also dringend unsere Kameraden, im eigen-
sten Interesse uns bei der Aufstellung unse-
rer Suchkartei durch zuverlässige Beantwor-
tung unserer Fragen zu unterstützen und
auch ihre Frauen und Hilfspersonen von der
'unbedingten Notwendigkeit der Erledigung
iunserer Anfragen und des genauen Durch-
lesens unserer Zeitschrift und Rundschreiben
zu überzeugen. Wir sprechen diesen Frauen
und Hilfspersonen für ihre Unterstützung
unseren herzlichsten Dank aus.
Die günstige Aufwärtsentwicklung unserer
Erholungsfürsorge und der steigende Anfall
des Schriftverkehrs mit der Schriftleitung
brachten ebenfalls für die Bundesgeschäfts-
stelle eine wesentliche Erweiterung der Ar-
beit. Es muß festgestellt werden, daß ins-
besondere grundsätzliche Fragen in größerem
Maße als früher nur der Bundesleitung zu-
geleitet wurden, die aber eine intensivere
Bearbeitung erforderlich machten.
Nachstehende Zahlen vermögen wenigstens
für diejenigen, die etwas mit der Bundes-
arbeit vertraut sind, einen kleinen Einblick
in die umfangreiche Geschäftsstellentätigkeit
zu gewähren. Im Jahre 1951 fanden zwei
Bundesbeiratssitzungen statt, wovon die eine
über zwei Tage dauerte und die erste mit der
vorangegangenen Tagung der Kriegsblinden-
Arbeitsfürsorgeeinrichtungen sich ebenfalls
über zwei Tage erstreckte. Wer weiß, in
welch konzentrierter Form Fragen von grund-
sätzlichster Bedeutung hier den Landesver-
bandsleitern vorgelegt und von ihnen bera-
ten werden, der kann ermessen, welche Ar-
beit auf und vor und nach diesen Tagungen
anfällt. Daneben fanden noch drei besondere
Bundesvorstandssitzungen statt. Im vergan-
genen Jahr fand ebenfalls in der Erholungs-
fürsorge eine Sitzung des Heimausschusses
statt. Der Bundesvorsitzende nahm im Jahre
1951 an 31 Tagungen von den Landes-
verbänden und Bezirken teil, die ebenfalls
eine intensive Vor- und Nachbearbeitung
erforderlich machten. Daneben war auch seine
Teilnahme an Tagungen der Deutschen Blin-
denarbeit e. V. erforderlich. Im vergangenen
Jahr fanden 4 Tagungen des Bundesaus-
schusses für Kb- und Kh-Fürsorge statt, drei
Tagungen des Beratenden Beirates des Ver-
sorgungsrechts beim Bundesarbeitsministe-
rium und zweimal eine Teilnahme des 26er
Bundestagsausschusses für Kriegsopfer- und
Kriegsgefangenenfragen. Daneben kamen die
, unzähligen Besprechungen in den einzelnen
Bundesministerien und sonstigen Bundes-
stellen. Die Dringlichkeit mancher Ange-
legenheiten machte es erforderlich, im
Jahre 1951 in großem Umfange Sonderrund-
schreiben zu versenden, so daß neben den
7 allgemeinen Rundschreiben, die jedesmal
in einer Anzahl von über 150 Exemplaren
zum Versand gelangen, noch 18 Sonderrund-
schreiben an die Landesverbandsleiter ver-
schickt werden mußten. Die Bundesgeschäfts-
stelle hatte im vergangenen Jahr 4489 Post-
eingänge und 4350 Postausgänge zu
verzeichnen.
So können wir auch voller Dankbarkeit
auf die Arbeit des vergangenen Jahre*s zu-
rückblicken. Leider konnte mir meine treueste
Mitarbeiterin, meine Frau, seit Ende Juni
vergangenen Jahres nicht mehr bei der Be-
wältigung der ungeheuren Arbeitslast behilf-
lich sein. Aber bis zuletzt waren all ihre
Kriegsblinde in der Telegrammaufnahme
ty$0>
RADIO
Die bei der Deutschen Bundespost tätigen
Kriegsblinden werden in der Hauptsache bei
den Fernsprechämtern am Zahlengeber be-
schäftigt. Diese Tätigkeit wird mit der zu-
nehmenden Mechanisierung in naher Zukunft
durch den Selbstwählfernverkehr fast ganz
in Fortfall kommen. Um diesen Kriegsblin-
den für die Zukunft einen Arbeitsplatz zu
sichern, hat die Oberpostdirektion Dort-
mund Maßnahmen ergriffen, diese Kriegs-
blinden für die Telegrammaufnahme umzu-
schulen. Beim Fernsprechamt in Bochum er-
halten sie ihre theoretische und praktische
Ausbildung am Aufnahmetisch. Zur Erleich-
terung des theoretischen Unterrichts steht
den Schülern die Telegraphenordnung VI, 1
und Allgemeines aus der Telegraphenord-
nung VI, 2, sowie ein Merkblatt über Rede-
wendungen im Telegramm- und Zusprech-
dienst in Punktschrift zur Verfügung.
Für den späteren Dienst in der Telegramm-
aufnahme ist diese Lektüre als Nachschlage-
werk unentbehrlich. Allgemein war man bis-
her der Ansicht, daß eine Beschäftigung von
Kriegsblinden in der Telegrammaufnahme
nur an kleinen Ämtern möglich sei. Seit
dem 1. Oktober 1951 wird nun ein Kriegs-
blinder, nachdem er seine Prüfung mit
„ g u t" bestanden hat, beim Fernsprech-
amt Dortmund in der Telegrammauf-
nahme beschäftigt. Hiermit ist der Beweis
geliefert, daß ein Kriegsblinder sehr wohl
an einem großen Fernsprechamt in der
Telegrammaufnahme tätig sein kann.
Das Publikum hat sich längst daran ge-
wöhnt, daß nun eine freundliche Männer-
stimme ihre Wünsche entgegennimmt. Mit
Hilfe der Stenomaschine wird das Telegramm
in Blindenschrift aufgenommen
und durch Abtasten des Stenostreifens dem
Teilnehmer zum Vergleichen zurückgelesen.
Nunmehr erfolgt die Übertragung mit der
Schreibmaschine auf das amtliche Formblatt
und wird nach Fertigstellung an den Spring-
schreiber weitergeleitet. Auf Wunsch der
Teilnehmer erfolgt die Gebührenberechnung
sofort. Selbständig und sicher werden die
Arbeiten zur größten Zufrieden-
heit der Amtsleitung ausgeführt.
Kriegsblinder Oberpostsekretär Schild
Unser Kamerad Bruns (Dortmund) ist der erste
Kriegsblinde, der am Groß-Fernsprechamt in der
Telegrammaufnahme tätig ist. Wenn man von
Einzelfällen absieht, in denen Kriegsblinde mit
Hille eines Dimalons, also eines Tonautnahme-
gerätes, diesen Posten bekleiden, so ist dieser
Berulszweig neu. Nur in Wunstori bei Hannover
ist seit einigen Jahren ein Kriegsblinder mit Erlolg
in der Telegrammaulnahme tätig, der ebenialls
wie Kamerad Bruns, den unser Bild zeigt, den
Telegrammlext zunächst mit einer Stenomaschine
in Punktschrilt aulschreibt. Die Oberpostdirektion
Dortmund bildet weitere Kriegsblinde für dieses
Fach aus.
Gedanken bei der Kriegsblindenarbeit und
sie verschob sogar die ärztliche Behandlung
und die Untersuchung ihrer Krankheit, und
direkt von einer großen Fahrt im Dienste
der kriegsblinden Kameraden ging sie ins
Krankenhaus, um nach kurzen Wochen, die
wiederum in großen Maßen selbst auf dem
Krankenlager der Sorge für meine Arbeit
im Dienste der Kameraden galten, aus dem
Leben zu scheiden. Die zahlreiche Beteili-
gung und Anteilnahme fast aller kriegsblin-
den Kameraden sind für mich und meine
Frau die beste Anerkennung und der Dank
für diese restlose Aufopferung gewesen.
Das Versprechen meiner treuen Mitarbeiter,
insbesondere der Landesverbandsleiter, das
Kamerad Schütz in ihrer aller Namen am
offenen Grabe gab, mir noch mehr als bisher
in der Arbeit zu helfen, war mir ein Ansporn
und gab mir die Kräfte, trotz meines großen
Verlustes die Kriegsblindenarbeit weiter zu
leisten. Voller Dankbarkeit erkenne ich auch
an, daß gerade die Arbeit für meine kriegs-
blinden Kameraden mir über manche dunkle
Stunden der letzten Monate hinweggeholfen
hat. Ich danke allen Mitarbeitern im Bunde,
insbesondere den Landesverbands- und Be-
zirksleitern und Sachbearbeitern, denen ge-
rade im vergangenen Jahr insbesondere bei
der Durchführung des BVG eine ungeheure
Arbeitslast aufgebürdet war.
Mein Dank gilt aber auch allenFreun-
d e n und Gönnern der Kriegsblindensache,
die uns auch im vergangenen Jahre treu und
redlich unterstützt und mit ihrem großen
Verständnis geholfen haben. Wir können
überhaupt dankbar anerkennen, daß das
Verständnis für unser Schicksal in weiten
Kreisen unseres Volkes wesentlich vertieft
und die Unterstützung zugenommen hat.
Das Hohelied der Dankbarkeit für
unsere Frauen kann leider mit Worten
nicht gesungen werden. Es hat Ende Novem-
ber vergangenen Jahres einen beredten Aus-
druck durch die Tatsache gefunden, daß auf
Wunsch der Kameraden eins unserer schön-
sten Kriegsblindenkurheime, das Heim in
Münster am Stein bei Bad Kreuznach, den
Namen einer der Frauen erhielt, die als
Sinnbild für alle Kriegsblinden-Frauen wohl
auf Grund ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit
in der Kriegsblindenarbeit gelten kann. Es
liegt in ihrem Geiste, wenn wir die Ehrung,
die sie durch diese Namensgebung eines
unserer Kriegsblindenkurheime erfahren hat,
so auffassen. Aber auch den Kräften, die
auf unseren Geschäftsstellen uns schon seit
langer Zeit aus tiefinnerster Verpflichtung
heraus helfen und keine Mühe und Über-
stunden scheuen, gilt unser herzlicher Dank.
Ausblick
Dieser stolze Rückblick läßt uns auch
voller Hoffnungen der Arbeit im Jahre 1952
entgegensehen. Wir wissen, daß das neue
Jahr ernste Sorgen und viele mühevolle Ar-
beit wieder mit sich bringt. Wir haben schon
auf eine schwere Sorge bezüglich der Erhal-
tung der Kaufkraft unserer Versorgung mit
allem Ernste hingewiesen. Auch sonst wird
auf dem Gebiete der Gesetzgebung noch
schwere Arbeit zu leisten sein. Wir erinnern
nur an das Gesetz zur Beschäftigung Schwer-
beschädigter, das Sozialgerichtsbarkeitsgesetz,
den Lastenausgleich und vieles andere. Es
ist also kein Grund vorhanden anzunehmen,
daß die unbeugsame Kampf- und Willens-
kraft und die einheitliche Geschlossenheit
unserer Schicksalsgemeinschaft nicht mehr so
erforderlich wäre, wie in den beiden vergan-
genen Jahren. Gerade das Gegenteil ist der
Fall. Wir müssen organisatorisch noch fester
zusammenstehen, noch unermüdlicher jeder
Kamerad an seinem Platz, und vor allem
die Landesverbands- und Bezirksleiter in
ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit als Bei-
spiel für alle Kameraden, die ihnen ver-
trauen, alle Kräfte einsetzen, um die ge-
achtete Sonderstellung auch weiterzuerhalten,
die sich die Kriegsblindenschicksalsgemein-
schaft im ganzen deutschen Volke erworben
hat.
Jeder Kriegsblinde weiß, daß er durch sein
Schicksal nicht mehr Träger eines einzelnen
Namens sondern Träger einer Schicksals-
bezeichnung geworden ist, die ihn ver-
antwortlich macht für die Ach-
tung oder Nichtachtung, die man
all seinen 11000 kriegsblinden Kameraden
entgegenbringt. Darum gilt es im Jahr 1952
für jeden kriegsblinden Kameraden, noch
vertrauensvoller und noch intensiver in sei-
ner Schicksalsgemeinschaft mitzuarbeiten, in
der Öffentlichkeit allüberall um größeres Ver-
ständnis zu werben und so die Achtung aller
zu erwerben. Wir aber, meine Kameraden,
die das Glück haben, gewählt und getragen
von dem Vertrauen unserer Kameraden
ehrenamtlich an leitender Stelle in dieser
Schicksalsgemeinschaft arbeiten zu können,
müssen und wollen uns durch unser Beispiel,
durch treue kameradschaftliche Verbunden-
heit, durch mitfühlendes Verstehen und durch
Einsatz all unserer Kräfte dieses Vertrauens
würdig erweisen. Wir wissen — und alle
anderen Kameraden sollen es auch wissen
— , daß wir damit gerade unseren Frauen
und Hilfspersonen eine fast untragbare Be-
lastung aufbürden. Wir hoffen aber, daß sie
uns im neuen Jahre ebenso freudig und un-
ermüdlich helfen, wie es im vergangenen
geschehen ist. Enttäuschungen werden uns
auch im neuen Jahre nicht erspart bleiben,
wenn sie uns aber wie unser Schicksal selbst
noch unbeugsamer machen, zum Wohle
der Kriegsblindenschicksalsgemeinschaft in
treuer und einheitlich geschlossener Kame-
radschaft zu arbeiten und zusammenzustehen
und uns durch nichts trennen zu lassen, dann
braucht uns auch um den Erfolg unserer
Arbeit im neuen Jahre nicht bange zu sein.
Was wir deutschen Kriegsblinden dabei mit-
helfen können, so an dem seelischen und
materiellen Aufbau unseres Volkes mitzu-
arbeiten und unserem Volke und der gan-
zen Welt hierzu den Frieden zu erhalten,
das wollen wir trotz unseres Schicksals gern
und freudig tun. Bei all unseren Bestrebun-
gen soll uns der alte Wahlspruch unserer
Kriegsblindenschicksalsgemeinschaft leiten:
„Vorwärts und aufwärts!"
Der Kündigungsschutz für Schwerbeschädigte
Bundesarbeitsminisler Storch hat dem Bundes-
tag die baldige Vorlage des Schwerbeschädigten-
gesetzes angekündigt. Der Entwurf des Gesetzes
wurde mit den Organisationen im Beratenden Bei-
rat iür das Versorgungswesen beim BAM be-
handelt. Hinsichtlich des im folgenden bespro-
chenen Kündigungsschutzes ergeben sich künftig
wahrscheinlich keine wesentlichen Änderungen.
Die Kündigungsschutzbestimmungen des
Schwerbeschädigtengesetzes (§§ 13 bis 17)
bilden neben der gesetzlichen Einstellungs-
pflicht einen wichtigen und unentbehrlichen
Faktor auf dem Gebiete der Arbeits- und
Berufsfürsorge für Schwerbeschädigte. Wäh-
rend durch die gesetzliche Einstellungspflicht
des Arbeitgebers die berufliche Unterbrin-
gung des Schwerbeschädigten erleichtert wer-
den soll, hat der Kündigungsschutz den Zweck,
dem Schwerbeschädigten den Arbeitsplatz
nach Möglichkeit zu erhalten bzw. ihn vor
einer ungerechtfertigten Kündigung zu schüt-
zen. Ohne Kündigungsschutz würde beson-
ders in Zeiten wirtschaftlichen Tiefstandes
der größte Teil der Schwerbeschädigten sich
seinen Arbeitsplatz nicht erhalten können.
Der Zweck dieses Aufsatzes soll es sein,
über diese wichtigen gesetzlichen Bestimmun-
gen, über die in Kreisen der Beteiligten oft
erhebliche Unkenntnis besteht, die notwen-
dige Aufklärung zu geben.
Die Vorschriften über den Kündigungs-
schutz schränken das freie Bestimmungsrecht
des Arbeitgebers insoweit ein, als er zur
rechtswirksamen Entlassung eines Schwer-
beschädigten der Zustimmung der
Hauptfürsorgestelle bedarf. Solange
die Zustimmung nicht erteilt ist, bleibt das
Arbeitsverhältnis des Schwerbeschädigten
bestehen. Eine Ausnahme von der Zustim-
mungspflicht besteht nur dann, wenn der
Arbeitgeber dem Schwerbeschädigten aus
einem wichtigen Grunde fristlos kün-
digt, über die Rechtswirksamkeit der frist-
losen Kündigung hat im Anfechtungsfalle
das Arbeitsgericht zu entscheiden.
Der Kündigungsschutz gilt schlechthin für
alle im Betrieb beschäftigten Schwerbeschä-
digten. Kündigungsschutz und Einstellungs-
pflicht sind Schutzmaßnahmen, die selbstän-
dig nebeneinanderstehen. Dabei geht der
Kündigungsschutz weiter als der Einstellungs-
zwang. Er gilt auch für die über die gesetz-
liche Einstellungspflicht hinaus beschäftigten
Schwerbeschädigten.
Zustimmungsbedürftig ist lediglich die
Kündigung durch den Arbeitgeber. Der
Schwerbeschädigte selbst kann jederzeit ent-
sprechend den allgemeinen gesetzlichen oder
vertraglichen Bestimmungen ohne Zustim-
mung der Hauptfürsorgestelle kündigen. Er
kann auch im Falle einer ihm gegenüber
ausgesprochenen Kündigung auf den Kün-
digungsschutz verzichten, indem er sich mit
der Lösung des Arbeitsverhältnisses einver-
standen erklärt. Hier erübrigt sich dann eine
Entscheidung der Hauptfürsorgestelle.
Auch zu einer Änderung wesentlicher
Arbeitsvertragsbedingungen — etwa Ände-
rung des Arbeitsvertrages, Lohnminderung
usw. — ist, wenn der Schwerbeschädigte mit
den Absichten des Arbeitgebers nicht
einverstanden ist, grundsätzlich die
Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erfor-
derlich.
Der Kündigungsschutz kommt andererseits
nur bei einer Kündigung zur Auswir-
kung, besteht also nicht, wenn das Arbeits-
verhältnis ohne Kündigung endet. Das ist
nach § 620 BGB der Fall, wenn die Dauer des
Arbeitsverhältnisses von vornherein fest be-
stimmt ist. Ist ein Arbeitsvertrag aber auf
bestimmte Zeit, z. B. ein Jahr, abgeschlossen,
jedoch seine jeweilige Verlängerung man-
gels Kündigung um unbe-
stimmte Zeit vorgesehen,
so ist eine Kündigung und
damit auch die Zustim-
mung der Hauptfürsorge-
stelle erforderlich.
Die Zustimmung der
Hauptfürsorgestelle ist
nicht erforderlich, wenn
ein Schwerbeschädigter
von einem Arbeitgeber,
der seine Einstellungs-
pflicht erfüllt hat, aus-
drücklich nur zur vor-
übergehenden Aushilfe,
für einen vorübergehen-
den Zweck oder versuchs-
weise angenommen wird,
es sei denn, daß das Ar-
beitsverhältnis über drei
Monate hinaus fortgesetzt
wird (§ 17).
Durch den Zwang, zu der Kündigung eines
Schwerbeschädigten die Zustimmung der
Hauptfürsorgestelle einholen zu müssen, ist
der Arbeitgeber in seiner Personalpolitik
stark eingeschränkt. Zwar ist es selbstver-
ständliche Pflicht der Hauptfürsorgestelle,
die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des
Betriebes zu berücksichtigen. Dennoch er-
schien es dem Gesetzgeber geboten, beim
Vorliegen bestimmter Tatbestände der Haupt-
fürsorgestelle in ihrer Entscheidung über Zu-
stimmungsanträge Bindungen aufzuerlegen.
Darum bestimmt § 14 des Schwerbeschädigten-
gesetzes, daß die Hauptfürsorgestelle die Zu-
stimmung zur Kündigung eines Schwer-
beschädigten nicht versagen soll, wenn der
Arbeitgeber, der seine Einstellungspflicht
erfüllt hat, auf den freiwerdenden Arbeits-
platz im Einvernehmen mit der Hauptfür-
sorgestelle einen anderen Schwerbeschädig-
ten einstellt, der in ähnlichem Umfang wie
der bisherige erwerbsb'eschränkt ist. Das gilt
jedoch nicht, wenn der zu Entlassende ein
Vertrauensmann der Schwerbeschädigten ist.
Ob die Voraussetzungen des § 14 erfüllt
sind, entscheidet allein die Hauptfürsorge-
stelle. Besondere Umstände, etwa die be-
sonders schwierige anderweitige Unterbrin-
gung des Schwerbeschädigten, können jedoch
die Versagung der Zustimmung rechtfer-
tigen.
Die Vorschriften der §§ 15 und 16 des
Schwerbeschädigtengesetzes machen der
Flauptfürsorgestelle die Zustimmung zur
Kündigung unter bestimmten Voraussetzun-
gen zur Pflicht (Auflösung oder wesentliche
Einschränkung des Betriebes). Hier gilt meist
die Regelung, daß noch für drei Monate vom
Kündigungstage ab Lohn oder Gehalt zu
zahlen ist. Die Vorschrift der Lohn- oder
Gehaltszahlung für die Dreimonatsfrist soll
es dem Schwerbeschädigten bzw. der Haupt-
fürsorgestelle erleichtern, einen neuen Ar-
beitsplatz ausfindig zu machen.
Die Hauptfürsorgestelle hat in jedem Falle
unter gebührender Berücksichtigung der bei-
derseitigen Interessen nach pflichtmäßigem
Ermessen zu entscheiden. Sie wird daher
Wert darauf legen, die Verhältnisse an Ort
und Stelle vor der Entscheidung einwand-
frei zu klären. Soweit das nicht in jedem
Falle durch ihre Außenbeamten möglich ist,
wird die örtliche Fürsorgestelle mit den Er-
mittlungen . beauftragt. Bei Aufklärung der
Sachlage kann der etwa vorhandene Ver-
trauensmann der Schwerbeschädigten viel-
fach wertvolle Hilfe leisten. Den Parteien
wird Gelegenheit gegeben, ■ ihren Stand-
punkt in der Angelegenheit darzulegen. In
manchen Fällen kann durch Betriebsüber-
prüfung der Arbeitgeber von der Möglich-
keit der Weiterbeschäftigung des Schwer-
beschädigten überzeugt und eine Zurück-
nahme der Kündigung erreicht werden. In
geeigneten Fällen wird die Hauptfürsorge-
stelle mit Erfolg einen Vergleich zwischen
den Parteien anstreben und damit oft uner-
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sprießliche Arbeitsverhältnisse beseitigen. Die
verantwortungsbewußte Hauptfürsorgestelle
wird immer nach Kräften bemüht sein, ihre
Entscheidung so zu treffen, daß beide Par-
teien bei objektiver Überlegung keinen
Grund zur Beanstandung finden.
Nach § 4 der Ausführungsverordnung zum
Schwerbeschädigtengesetz kann die Haupt-
fürsorgestelle, wenn örtliche Bedürfnisse es
erfordern, alle oder einzelne Fürsorge-
steilen ihres Bezirks ermächtigen, über
die Erteilung oder Zustimmung zu einer Kün-
digung gegenüber einem bei einem priva-
ten Arbeitgeber beschäftigten Schwerbe-
schädigten zu entscheiden. Gegen diese Ent-
scheidung können der Arbeitgeber und der
Schwerbeschädigte die Entscheidung der
Hauptfürsorgestelle anrufen.
Gemäß § 21 des Schwerbeschädigtengeset-
zes kann gegen die Entscheidung der Haupt-
fürsorgestelle Beschwerde beim Schwer-
beschädigtenausschuß bei der Hauptfürsorge-
stelle, der sich aus dem Leiter der Haupt-
fürsorgestelle und aus Vertretern der Arbeit-
geber und der Schwerbeschädigten zusam-
mensetzt, erhoben werden. Die Beschwerde-
frist beträgt nach § 49 in Verbindung mit
§ 45 der Mil.-Reg. -Verordnung Nr. 165
einen Monat.
Gegen die Entscheidung des Schwerbeschä-
digtenausschusses bei der Hauptfürsorge-
stelle kann nach der gleichen Verordnung
innerhalb derselben Rechtsmittelfrist Klage
beim Landesverwaltungsgericht erhoben
werden. — Im übrigen sind die Gerichte an
die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle
bzw. des Schwerbeschädigtenausschusses ge-
bunden. Sie können lediglich nachprüfen, ob
überhaupt eine rechtswirksame Entscheidung
vorliegt bzw. der Rahmen des pflichtmäßigen
Ermessens nicht überschritten wurde.
Anträge auf Zustimmung zur Kündigung
von Schwerbeschädigten häufen sich erfah-
rungsgemäß in Zeiten einer ungünstigen
Wirtschaftslage, während bei Hochkonjunk-
tur das Bestreben, Arbeitskräfte abzustoßen,
naturgemäß seltener ist. Die Hauptfürsorge-
stelle wird sich aber besonders bei ungün-
stiger Wirtschaftslage in erhöhtem Maße
bemühen, den Schwerbeschädigten den
Arbeitsplatz zu erhalten, da sie wegen ihrer
unzureichenden Renten auf einen Arbeits-
verdienst angewiesen sind. Leider geben in
manchen Fällen Schwerbeschädigte durch
ihr persönliches Verhalten selbst Anlaß zur
Kündigung. Für die Hauptfürsorgestelle sind
das erklärlicherweise die unangenehmsten
Entscheidungsfälle.
Einige Zahlen aus der Tätigkeit der
„Hauptfürsorgestelle Westfalen"
auf diesem Gebiete mögen beweisen, wie
sich der Kündigungsschutz für Schwerbeschä-
digte praktisch auswirkt: In der Zeit vom
1. April 1950 bis zum 31. März 1951 wurden
der Hauptfürsorgestelle Westfalen insgesamt
991 Anträge auf Zustimmung zur Kündigung
von Schwerbeschädigten vorgelegt. Den
Hauptanteil daran hatten Bergbaubetriebe,
denen es vielfach an Beschäftigungsmöglich-
keiten für die durch Unfälle oder Bergbau-
untauglichkeit laufend stark anfallenden
Schwerbeschädigten fehlt. Von den vorge-
nannten- 991 Anträgen mußte in 595 Fällen
die Zustimmung erteilt werden. In 162 Fäl-
len wurde die Zustimmung versagt. 64 Kün-
digungen wurden nach Verhandlungen zu-
rückgenommen. 170 Fälle fanden durch Ver-
gleich oder sonstwie ihre Erledigung.
In dem gleichen Zeitraum hatte der Schwer-
beschädigtenausschuß bei der Hauptfürsorge-
stelle über 119 Beschwerden gegen Entschei-
dungen der Hauptfürsorgestelle zu entschei-
den. Davon wurden 80 Beschwerden als
unbegründet zurückgewiesen. 36 Beschwer-
den konnte meist infolge nachträglich ein-
getretener Änderung der Verhältnisse statt-
gegeben werden. Drei Beschwerden wurden
zurückgenommen.
Abschließend kann festgestellt werden,
daß sich der Kündigungsschutz nach dem
Schwerbeschädigtengesetz außerordentlich
bewährt hat und aus der sozialen Gesetz-
gebung nicht mehr wegzudenken ist.
Landesober Inspektor Sielker
Was erwarten wir von der Sonderfürsorge?
Zehn Grundforderungen zur Durchführung von Sondermaßnahmen für Kriegsblinde
Wir leben in einer Zeit, in welcher der
öffentlichen Fürsorge eine größere Bedeu-
tung denn je zukommt. Weite Kreise unseres
Volkes haben kein oder nur ein unzurei-
chendes Einkommen und müssen zur Fristung
ihres nackten Lebens von der amtlichen
Fürsorge unterstützt werden oder bedürfen
der Hilfe für den Neuaufbau ihres Daseins.
Unter ihnen befinden sich auch Zehntausende,
die wegen einer erlittenen Kriegsdienst-
beschädigung vollständig erwerbsunfähig
oder nur mehr beschränkt arbeitsfähig sind
oder denen der Krieg ihren Ernährer ge-
raubt hat. Hier muß die Fürsorge als die
sorgende Mutter ihre wohltätigen Hände
ausstrecken, um auf diese Weise wenigstens
die härteste Not abzuwenden.
Wir unterscheiden nach den Reichsgrund-
sätzen über Voraussetzung, Art und Maß
der öffentlichen Fürsorge vom 4. 12. 24 zwi-
schen der allgemeinen und der ge-
hobenen Fürsorge. Während in der all-
gemeinen Fürsorge die gesetzlichen Pflicht-
leistungen begrenzt sind, können in der
gehobenen Fürsorge erheblich weitergehende
Maßnahmen durchgeführt werden. Handelt
es sich doch im letzteren Falle um einen
Personenkreis, der durch die verheerenden
Folgen zweier Weltkriege einen beträcht-
lichen Schaden an Leben und Gesundheit
erlitten und in vielen Fällen die frühere
Existenzgrundlage vollständig verloren hat.
Seine schwierige Lage ist nicht etwa durch
Selbstverschulden oder sonstige, etwa zu-
fällige Zeitumstände bedingt, sondern in-
folge eines pflichtgetreuen Einsatzes für das
Volksganze hervorgerufen worden. Aus
dieser unbestreitbaren Tatsache erwächst für
ihn der Anspruch auf eine petsön-
1 i c he , berufliche und wirtschaft-
liche Betreuung, die notwendig ist,
um die ihm verbliebenen und die inzwischen
neu entfalteten Kräfte in neue Lebensformen
zu bringen und sie als Ganzes nutzbar zu
machen.
Dieser grundlegende Neuaufbau ist bei
uns Kriegsblinden in jedem Falle zur zwin-
genden Notwendigkeit geworden. Die
schwere Verwundung mit ihren kaum zähl-
baren Folgeerscheinungen hat uns die ehe-
dem mit großen Hoffnungen aufgebaute
Lebens- und Berufsgrundlage restlos zerstört
und uns vor ein unvorstellbares Chaos ge-
stellt. Jeder von uns mußte von Grund auf
neu beginnen, wir mußten lernen und immer
wieder dazulernen, insbesondere lernen, im
Leben auf vieles zu verzichten. Diesen viel-
seitigen Erfordernissen kann der Kriegs-
blinde nur gerecht werden, wenn Einrich-
tungen bestehen, die ihm eine weitgehende
Hilfe angedeihen lassen.
Dazu gehört:
1. Eine eingehende Beratung des Kriegs-
blinden mit dem Ziele, ihm das verlorene
Selbstvertrauen wieder zurückzugeben
und den neuen Lebensweg aufzuzeigen,
2. eine sachgemäße Berufsberatung,
bei welcher die Frage geklärt werden
soll, ob der Kriegsblinde freiberuflich
schaffen will oder eine betriebsgebun-
dene Tätigkeit bevorzugt,
3. eine gründliche blindentechnische und
blindenberufliche Umschulung nach
einem zeitgemäß ausgerichteten Lehr-
plan innerhalb einer Sondereinrichtung,
in der den besonderen Bedürfnissen der
Späterblindung weitgehend Rechnung ge-
tragen wird und die geeignet ist, eine
umfassende Berufsertüchtigung für einen
erfolgversprechenden Einsatz zu gewähr-
leisten,
4. eine im Anschluß an die Berufsausbil-
dung durchzuführende Arbeitsver-
mittlung unter Berücksichtigung der
Kenntnisse und Fähigkeiten des Kriegs-
blinden, oder bei der Selbständigmachung
eines Kriegsblinden eine erschöpfende
Beratung, auf welche Weise der erlernte
Beruf mit Aussicht auf Erfolg ausgeübt
werden kann,
5. die Bereitstellung aller erforderlichen
blindentechnischen Hilfsmittel, wie
Schreibapparate, Punktschriftmaschinen,
Schreibmaschinen, Werkzeuge und die
sonstigen Maschinen für einen blinden
Handwerker,
6. die Vermittlung von Wohn- und
Arbeitsräumen oder die Schaf-
fung von Eigenheimen, entweder durch
Ankauf von Altanwesen oder Erstellung
von Neusiedlungen, ferner Bereitstellung
der hierfür benötigten Geldmittel zu
günstigen Bedingungen,
7. eine großzügige finanzielle Unterstützung
zur Hausstandsgründung, wo-
bei zu beachten ist, daß die eigene Häus-
lichkeit für den Kriegsblinden einen
wesentlichen Bestandteil für seine innere
Befriedigung und die Festigung seiner
wirtschaftlichen Existenz bedeutet,
8. die Sicherstellung einer ausreichenden
Erholungsfürsorge zur Erhaltung
und Stärkung der Arbeitskraft des
Kriegsblinden und seiner Pflegeperson,
sowie die Übernahme der Kosten für
die Krankenbehandlung des
Kriegsblinden und seiner Familienange-
hörigen, soweit hierfür ein anderer
Kostenträger nicht vorhanden ist,
9. die Gewährung angemessener Erzie-
hungsbeihilfen für eine ordnungs-
gemäße Schul- und Berufsausbildung der
Kinder der Kriegsblinden,
10. eine gutorganisierte nachgehende
Fürsorge, die zum Ziele haben soll, dem
Kriegsblinden und seiner Familie in allen
Fragen und in jeder Lebenslage Auf-
klärung und Hilfe angedeihen zu lassen.
Wir Kriegsblinden wissen aus der Ver-
gangenheit, daß die eben aufgezeichneten
Forderungen nur im Rahmen einer Son-
derfürsorge erfüllt werden können.
Diese von uns begehrte Sonderfürsorge
kann weder durch die allgemeine Fürsorge
noch innerhalb einer Kb.- und Kh. -Fürsorge
durchgeführt werden, mit anderen Worten,
sie soll aus dem Rahmen der übrigen Für-
sorge herausgenommen und Zentralstellen
übertragen werden. Hierdurch soll erreicht
werden, daß die in der Fürsorge strenge
Begrenzung der Leistungen wegfällt und an
deren Stelle ein Maßstab angelegt wird, der
den ganz anders gearteten Bedürfnissen des
Schwerstbeschädigten sinngemäß Rechnung
trägt. Der Schwerstbeschädigte unter-
scheidet sich von dem hilfsbedürftigen
Fürsorgeempfänger so erheblich, daß eine
Gleichstellung mit diesem von vornherein
ausgeschlossen und abgelehnt werden muß.
Die Fürsorge bedeutet für ihn eine notwen-
dige Ergänzung der knappen Rentenversor-
gung, auf die er im Interesse seiner sozialen,
beruflichen und gesellschaftlichen Stellung
Anspruch erheben kann.
In wahrer Erkenntnis dieser Sachlage hatte
die Reichsregierung in dem Änderungsgesetz
zum RVG vom 3. 7. 34 in Art. 5 § 1 fol-
gende gesetzliche Regelung getroffen:
„Um die Fürsorge für die Kriegsblinden
und Hirnverletzten zu vereinheitlichen und
zu verbessern, wird sie den Landesfürsorge-
verbänden — Hauptfürsorgestellen — zur
Durchführung übertragen."
Zum Vollzug dieser gesetzlichen Vorschrift
wurden in der Folgezeit Durchfüh-
rungsbestimmungen erlassen, und
zwar:
a) Die Bekanntmachung des RAM vom
21. 9. 34,
b) (in Bayern) das Bayer. Fürsorgegesetz
vom 30. 3. 35, in dem die Aufbringung
der Geldmittel für die Kriegsblinden- und
Hirnverletztenfürsorge geregelt wurde,
c) die VO der Reichsregierung vom 28. 6. 40,
in der der Personenkreis und die für ihn
zu treffenden Maßnahmen genau um-
schrieben wurden.
In dem Runderlaß des Bundesinnenmini-
sters vom 17. 3. 50 wurde in Ziffer 17 aus-
drücklich erwähnt, daß die VO vom 28. 6. 40
weiterhin vollinhaltliche Gültigkeit hat
und nicht außer Kraft gesetzt ist. Wir fragen
uns daher: Warum fordern wir immer noch
die zentralisierte Kriegsblindenfürsorge,
wenn diese bereits besteht? Der Volksmund
gebraucht des öfteren die Redewendung:
„Das steht nur auf dem Papier." Ähnlich
verhält es sich mit der Sonderfürsorge für
Schwerstbeschädigte, die im Bundesgebiet
praktisch bisher auch nur auf dem Papier
steht.
Allen Kriegsblinden ist es unverständlich,
daß, obgleich das BVG schon fast seit 14
Monaten in Kraft gesetzt ist, die Vorschrif-
ten der §§ 25—27 BVG über die soziale
Fürsorge und darunter auch besonders die
Vorschriften über die Sonderfürsorge für
Kriegsblinde, Hirnverletzte, Pflegezulage-
empfänger usw. praktisch noch nicht ver-
wirklicht werden konnten, weil die
Rechtsverordnung zu § 26 BVG und die Vor-
schriften zu §§ 25—27 BVG erst am 12. 12.
1951 in Kraft gesetzt wurden und z. B. be-
züglich der Erziehungsbeihilfen noch immer
der ergänzenden Erlasse bedürfen, um durch-
geführt zu werden. Die Kriegsblinden erwar-
ten nun dringend, für sich und die ihnen
gleichgestellten schwerstverletzten Kamera-
den die beschleunigte Durchführung
der nach dem BVG vorgesehenen Sonder-
maßnahmen, wie sie in den oben genannten
10 Punkten dargelegt wurden.
Wir freuen uns übrigens ganz besonders,
daß in den Verwaltuhgsvorschriften bei den
Sondermaßnahmen für Kriegsblinde auch der
selbständig tätigen Kriegsblin-
den und ihre Unterstützung durch geeignete
Maßnahmen von Seiten der Hauptfürsorge-
stellen gedacht wurde. Christian Wilhelm
Die Sonderfürsorge für Kriegsblinde
Nach den Verwaltungsvorschriften
zum BAG § 25 Absatz 2
I.
1. In den Verwaltungsvorschriften ist die
ausschließliche Zuständigkeit
der Hauptiürsorgestellen für die
Kriegsblinden, Ohnhänder und sonstigen
Empfänger einer Pflegezalage sowie Hirn-
verletzten eindeutig lestgelegt. Eine Über-
tragung der Entscheidungsbefugnis ist nicht
zulässig.
2. Maßgebend lür die Entscheidung, wer
als Kriegsblinder . . . anzusprechen ist, ist
aHein die Versorgungsbehörde and deren
rechtskräftiger Rentenbescheid. Die Entschei-
dung des zuständigen Versorgungsamtes ist
lür andere Behörden bindend.
3. Die Hauptiürsorgestellen haben die ge-
samte öffentliche Fürsorge für Kriegs-
blinde . . . und der Familienmitglieder durch-
zuführen, deren Ernährer der Kriegsblinde . . .
ist oder ohne die Schädigung voraussichtlich
geworden wäre. Dies gilt nicht für Familien-
mitglieder, die nach besonderen Vorschriften
in Anstaltspllege untergebracht sind.
Die Zuständigkeit der Hauptiürsorgestellen
bleibt auch dann bestehen, wenn sich diese
Familienangehörigen vorübergehend oder bei
Kindern in Berufsausbildung außerhalb des
Haushaltes belinden.
Wegen der Eigenart und der Schwere der
Lebensbedingungen der Kriegsblinden . . . ist
diese Zuständigkeit auch auf den Verwandten
oder Verschwägerten auszudehnen, der
anstatt des Ehegatten mit dem Beschädigten
in Haushaltsgemeinschait lebt und ihn pilegt.
Personen, deren Trennung von der Haus-
haltsgemeinschait eine ollensichtliche Härte
bedeutet, können den obigen Personen gleich-
gestellt werden.
II.
1. Das Schwergewicht der Betreuung liegt
in der Arbeitstürsorge. Sorgtältige
Beruisberatung und Ausbildung haben der
Arbeitsvermittlung vorauszugehen. Die ver-
mittelten Arbeitsverhältnisse sind zu über-
wachen und am Arbeitsplatz eine besondere
Betreuung, evtl. unter Einschaltung des
Werksarztes, durchzuführen.
Selbständigen Kriegsblinden ... ist
bei der Einrichtung und beim Aufbau ihrer
Existenz seitens der Hauptfürsorgestellen
nachdrücklich Hilfe zu leisten. Späterhin sind
sie auch durch Vermittlung von Arbeits-
aufträgen zu unterstützen.
2. Die Hauptiürsorgestellen sollen die
Kriegsblinden . . . bei der Beschattung aus-
reichenden und gesunden Wohnraums,
eriorderlichenialls auch durch finanzielle
Maßnahmen, unterstützen.
Das Bestreben nach einem Eigenheim oder
nach einem grundstücksgleichen Recht sollen
die Hauptfürsorgestellen durch Rat und Hilfe,
soweit irgend möglich, unterstützen durch
Vermittlung von Darlehnsgewährung.
Auch Ehe- und Haushaltsgründung soll
den Kriegsblinden . . . durch finanzielle Maß-
nahmen erleichtert werden.
3. Soweit Erholung zur Erhaltung von
Gesundheit und Arbeitsfähigkeit erforderlich
ist, soll sie Kriegsblinden ... in ausreichen-
dem Maße durch die Hauptfürsorgestellen
gewährt werden. Die Mitnahme einer Be-
gleitperson, insbesondere der Eheirau, soll
bei Kriegsblinden und Ohnhändern, in be-
sonderen Fällen auch bei Hirnverletzten und
sonstigen Emplängern einer Pflegezulage, er-
möglicht werden.
*
Auf Grund dieser in den Verwaltungsvor-
schriften genannten Sondermaßnahmen für
Kriegsblinde, deren Aufzählung keinesfalls
erschöpfend sein soll, ist den Hauptfürsorge-
stellen, und zwar in ausschließlicher Zustän-
digkeit, weitestgehend die Möglichkeit ge-
geben, der schweren Lage der Kriegsblinden
in jeder Beziehung gerecht zu werden. In
der Hauptsache dürften die hierfür erforder-
lichen Mittel als Kriegsfolgelasten in aus-
reichendem Maße durch die Bundesregierung
zur Verfügung gestellt werden. Soweit dies
in besonderen Fällen, z. B. bei der Woh-
nungs- und Siedlungsfürsorge, nicht der Fall
ist, müssen wir der Hoffnung Ausdruck ge-
ben, daß die Länder wie früher, gerade
für diese zentralisierte Fürsorge für Kriegs-
blinde, in ausreichendem Maße die erforder-
lichen finanziellen Mittel zur Verfügung
stellen.
Da alle diese Sondermaßnahmen eine ver-
ständnisvolle Einfühlung in das Schicksal
der Kriegsblindheit erfordern, dürfte, soweit
nicht schon bei den Hauptfürsorgestellen ge-
eignete Kriegsblinde mit der Durchführung
der Sonderfürsorge für Kriegsblinde betraut
sind, es notwendig und zweckmäßig sein,
zur Mitwirkung die zuständige Gliede-
rung der Schicksalsgemeinschaft der deut-
schen Kriegsblinden heranzuziehen.
Vertrauen und Verständnis sind gerade bei
der Fürsorge die wichtigste Grunri 'age jeder
durchzuführenden Maßnahme und Voraus-
setzung der besten Auswirkuna bei den
Kriegsblinden. Die kriegsblinden Kameraden
können daher voller Vertrauen darauf rech-
nen, daß ihnen, wenn sie in eine Notlage
geraten, durch die Hauptfürsorge-
stellen geholfen wird.
OfiiJ de*t ^^ft^ej^eraa^u^c^v
Erfolgreiche Arbeitsvermittlung
Als Erfolg der verschiedenen intensiven
Bemühungen und nicht zuletzt der großen
Werbeveranstaltung im Steglitzer Rathaus
ist in Westberlin zu verzeichnen, daß
zu Anfang dieses Jahres noch 21 Blinde beim
Senat oder bei den Bezirksämtern als Büro-
kräfte eingestellt worden sind, darunter auch
eine Anzahl von Kriegsblinden. Angesichts
der besonderen Schwierigkeiten in Berlin,
die z. B. eine Unterbringung als Industrie-
arbeiter praktisch unmöglich machen, ist
dieser Erfolg unseres Kameraden Bischoff
höchst bemerkenswert.
Selbstlose Siedlungshilfe
Vorbildliche Haltung
einer Gemeindeverwaltung
Wie wir aus dem- Bezirk Oldenburg
erfahren, hat die Gemeindeverwaltung D ö t -
1 i n g e n , Kr. Oldenburg, unserem kriegs-
blinden Kameraden Karl-Heinz Schütte aus
Barel i. O. zur Errichtung eines Eigenheimes
kostenlos einen Bauplatz zur Verfügung ge-
stellt. Der Bürgermeister Schwarting und der
Gemeindedirektor Willms haben die Ge-
meindemitglieder zur Mithilfe bei der
Errichtung dieses Eigenheimes aufgerufen.
Eine durchgeführte Sammlung ergab den Be-
trag von fast 3000, — DM, der durch die
beiden genannten, wahrhaft echten „Ge-
meindeväter" aus eigener Tasche auf 3000r-^-
DM abgerundet wurde. Anfuhren und Hand-
reichungen besorgten Arbeitslose und Bauern
kostenlos.
Dieses vorbildliche und verständnisvolle
Verhalten hat nur wenig Parallelen. Nur bei
Düren und bei Detmold sind in den letzten
Jahren, soweit wir wissen, zwei Eigenheime
für Kriegsblinde auf Grund einer ähnlich
selbstlosen Aktivität der Gemeinde fertig-
gestellt worden. Hoffen wir, daß dieses neue
Beispiel aus Oldenburg bald Schule macht!
„Wir Jecken halten zusammen"
Karnevalssitzung der Kölner Kriegsblinden
War das ein Abend im großen Sartorysaal
am 30. 1. 1952! Die Kölner Kriegsblinden
veranstalteten nach langer Pause wieder
einmal eine karnevalistische Sitzung, die zu
einer prunkvollen, also einer Prunksitzung,
wurde. Hätten die närrischen Kölner geahnt,
was sie hier erwartete, der 1500 Menschen
fassende Saal wäre viel zu klein gewesen.
Selbst die großen Karnevalsgesellschaften
vermögen kaum mit einem solchen Pro-
gramm aufzuwarten. Das ist keine Über-
treibung; die Kölner Presse äußerte sich
ähnlich Man hört oft, die bekannten Kölner
Karnevalisten seien nur um des Geldes
willen so närrisch. Aber hätten sich dann so
viele beliebte Obernarren kostenlos iür
unsere Sitzung zur Verfügung gestellt, daß
gar nicht alle auftreten konnten? Dieses
prächtige Erlebnis verdanken wir in erster
8
Linie unserem allezeit regen Bezirksvorsit-
zenden Christian Hamann und dem Karne-
valspräsidenten Klaus Bintz, der schon vor
dem Kriege immer dafür sorgte, daß die
Kriegsblinden im Kölner Karneval nicht zu
kurz kamen, und der auch diese Sitzung
leitete.
Als der Elferrat einzog, der diesmal —
für Köln — erstmalig aus Kriegsblinden be-
stand, außer dem Präsidenten natürlich, pas-
sierte ein Malheur, das wir als ein gutes
Omen ansahen. Die letzten Fünf des Rates
verloren beim Hinaufsteigen einer Treppe
die Verbindung und standen hilflos da, bis
ein Ober sie ins Schlepptau nahm und zur
Bühne brachte. Und dann hörten wir ein
vierstündiges, pausenloses Programm, ein
Alaafgeschrei, ein Raketensteigenlassen, ein
Klatschen und eine Lachsalve nach der
anderen, '
Zunächst wären zu nennen die Tanzkorps
der Roten Funken, der Luftflotte, der Treuen
Husaren und der Rheinflotte, die alles mit
ihrer Farbenpracht und ihren unnachahm-
lichen Tänzen in Entzücken setzten. Und erst
die Funkenmariechen in ihrer Mitte, die so
wunderbar tanzen und . . . küssen können!
Das erfuhren selbst die prominenten Ehren-
gäste, die sie für ihre schönen Darbietungen
„mündlich" belohnen mußten. Sehr an-
sprechend waren auch der Kellermeister
(Fritz Grunding), der zur Einleitung Wein-
und Rheinlieder sang, und Martin Däntier,
der echte Kölsche Boor, der äußerlich einer
alten Bronzestatue glich und uns mit
humor- und geistreichem Vortrag erfreute.
Dann erschien Fibbes Kneip und sang sein
Loblied auf die Kölsche Mund- und Eigen-
art und machte Vorschläge, wie sie erhalten
und gepflegt werden können. Als erster
kletterte Jupp Weller als Tünnes in die
Butt. Allein die unheimlich monotone Sprech-
weise, in der er seine witzige Rede zum
Besten gab, reizte schon zum Lachen. Nach
ihm wurde uns Hans Schiffer, guter Nach-
wuchs auf dem Kölner Karnevalsschlager-
markt, serviert. Er sang sein Lied von den
musikalischen Bohnen: „Bei Schmitze jitt
et Bunnezupp, fupp, fupp, fupp". Er wurde
abgelöst vom Büttenredner Paul Müller, der
als UNO-Soldat zu uns sprach. Köstlich, wie
er seine politische Rede mit angloamerikani-
schen Akzenten zu würzen verstand! Was
dann auf uns einstürmte, klingt uns heute
noch in den Ohren: die Negerköpp, ein
Kölner Kegelklub, 18 Mann hoch. Es war
eine einzige, eine einzigartige Geräusch-
kulisse, an der selbst unsere schwerhörigen
Kameraden ihre Freude hatten. Sie lösten
durch ihre Krachmacherei, ihre originelle
Kostümierung und akrobatischen Tanzkunst-
stückchen tolle Lachsalven aus.
Nach der hier vorgesehenen Pause ge-
lüstete es niemand im Saale. Es ging weiter
mit Hans Vey, der in der Butt die Nöte
eines Schrotthändlers schilderte. Mit Klatsch-
marsch geleiteten wir sodann Willi Klett
in die Butt. Als „Hä selvs" ist er weit über
Köln hinaus bekannt und weiß seinen Zu-
hörern in jedem Jahr eine neue treffliche
Rede vorzusetzen. Wie sagte er noch? Er
habe das ganz bestimmte Gefühl, daß er
jeck sei, und wir Jecken müßten viel mehr
zusammenhalten; wir sähen ja, wo die Ver-
nünftigen uns hingebracht hätten! Nach
ihm trat das Gesangs- und Tanzpaar Latz
und Lätzchen ins Rampenlicht. Sie gleichen
tatsächlich fast einer Latte und einem Lätt-
chen und erregten so viel Heiterkeit, daß
wir bedauerten, die beiden nicht sehen zu
können. Dafür hatten wir mehr von den
vier Botzen und ihrer Sangeskunst. Auch
Leo Kowalski vom NWDR beglückte uns mit
seiner Anwesenheit. Hans Herpens schrieb
die Texte zu seinen Schlagern und trug sie
vor, u. a. das Lied „Dreimal darfst du raten".
Daraufhin folgte der würdige Abschluß.
Unser Präsident Klaus Bintz rief die Ge-
mahlin unseres Christian auf die Bühne und
ehrte in ihr alle Frauen der Kriegsblinden
durch ein Geschenk stollwerkscher Prägung
und einen herzhaften Kuß!
An Ehrengästen begrüßten wir den
Herrn Regierungspräsidenten, Dr. Warsch,
Herrn Oberbürgermeister Görlinger, mehrere
Kölner Stadtverordnete, unseren Bundesvor-
sitzenden Dr. Peter Plein, den Landesver-
bandsleiter Nordrhein, Otto Jansen, vier
Vertreter der Firma Stollwerk, die es uns
ermöglichte, die Auftretenden für ihre
Mühewaltung mit leckeren Sachen zu be-
lohnen, und andere.
Diese sorglosen Stunden werden uns noch
lange in guter Erinnerung bleiben, und wir
freuen uns schon auf die Fortsetzung im
nächsten Jahre. Gabriel Mertens
Berufsjubiläen
40 Jahre bei der Hüttenunion
Der Kriegsblinde Josef Gerlach,
Dortmund-Hörde, Am Marksbach 12, feierte
am 10. Dezember 1951 sein 40jähriges Arbeits-
jubiläum. Seit 1911 ist er bei der Dort-
mund-Hörder-Hüttenunion tätig. Nach seiner
Erblindung im Jahre 1917 stellte ihn das
Werk sofort wieder ein und beschäftigte ihn
in der Ankerwickelei. Seit dieser Zeit ist er
als Stabankerwickler tätig und hat
sich durch seinen Fleiß und sein ruhiges
Wesen das größte Vertrauen seiner Firma
erworben. Das Werk ehrte den Jubilar in
einer Feierstunde an seinem Arbeitsplatz.
Schild
30 Jahre Lotterie-Einnehmer
Sein Geschäftsjubiläum zur 30jährigen
Tätigkeit als Lotterie-Einnehmer kann am
22. März der Kamerad PaulDreier, (20b)
Wolfenbüttel, Breite Herzogstraße 13, be-
gehen. Ihm wurde 1922 von der damaligen
Preuß. -Süddeutschen Klassenlotterie die von
seinem Vater zu seinen Gunsten nieder-
gelegte Einnahme übertragen. Kamerad Dreier
baute diese in Schneidemühl weiter aus und
hatte gute Erfolge für sich und seine Spieler.
Nach dem Verlust der Heimat ist es ihm
gelungen, sich in Wolfenbüttel in seinem
alten Beruf als Lotterie-Einnehmer der Nord-
westdeutschen Klassenlotterie wieder eine
neue Existenz zu schaffen. Hoffen wir —
nicht zuletzt auch zur Freude von Kamerad
Dreier — , daß er in der neuen, am 7. März
beginnenden Lotterie wieder an manche bei
ihm spielende Kriegsblinde dicke Beträge
auszahlen kann!
Kriegsblinder
(Emsländer), 34 J., 1,72 gr., sehr
gut aussehend, mit eig. Haus
(Neubau)- in ländlicher Gegend,
wünscht die Bekanntschaft eines
gut kath. Mädels oder Witwe
ohne Anhang, nicht unter 28 J.,
zw. Heirat. Nur ernstgem. Zu-
schriften erbeten unter R. L. an
„Der Kriegsblinde", Bielefeld,
Stapenhorststraße 138
Junges Mädchen
26 J., 1,75 gr., berufst., ordent-
lich und solide, mit kl. Körper-
fehler, sucht auf diesem Wege
die Bekanntschaft eines lieben
und netten Kriegsblinden. Alter
bis 35 J. Zuschriften mit Bild
(zurück) unt. A. BS. a. d. Schriftl.
Bielefeld, Stapenhorststraße 138.
Kriegsbl. Bürstenmather
schuldl. gesch., 1,75 gr., schlank,
ev.: blond, 37 J., sucht zwecks
baldiger Heirat liebevolle und
treue Kameradin im Alter von
35 bis 40 J. Witwe mit Kind
sehr angenehm. Vollständige
Wohnungseinrichtung Vorhand.
Zuschriften erbeten unter Seh. B.
an die Schriftleitung.
Flüchtlingsfrau
35 J., mit 12j. Tochter, möchte
Ib. Kriegsblinden kennenlernen.
Zuschriften erbeten unter B. L.
an die Schriftleitung, Bielefeld,
Stapenhorststraße 138.
Kriegsbl. Bürstenmacher
28 J., 1,67 gr., schlank, dunkel,
kath., Wohnung vorh., wünscht
Briefw. mit ehrsamem, häusl.,
nett. Mädel entsprechend. Alters
zw. späterer Heirat. Zuschriften
erb. unt. B. D. a. d. Schriftleitg.,
Bielefeld, Stapenhorststraße 138.
Kriegsblinder verkauft aus ge-
sundheitlichen Gründen
last neues Tandem
komplett, Modell Dame-Dame.
Interessenten werden gebeten,
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10
Mein Heim meine Welt / Beispiele aus Unterfranken
Die Situation bis 1939
Die soziale Kriegsbeschädigten- und Kriegs-
hinterbliebenenfürsorge in Bayern hat bald
nach dem 1. Weltkrieg die Schaffung von
Eigenheimen für die Kriegsopfer, vor allem
für die Schwerstbeschädigten, als eine be-
sonders förderungswürdige Aufgabe heraus-
gestellt. Diesem Gebiet wurde daher auch in
den folgenden Jahren besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet.
Der bayer. Staat gewährte in großzügiger
Weise Staatsbaudarlehen und für Schwer-
kriegsbeschädigte noch Zusatzdarlehen, mit
denen die Hausneubauten im wesentlichen
finanziert werden konnten. Schon im Jahre
1926 wurde die Zinsverpflichtung für die
staatlichen Darlehen aufgehoben, die Kriegs-
blinden hatten fortan nur eine Tilgung von
4 j v. H. zu leisten, die später noch weiter
ermäßigt worden ist.
1 Bei den gegebenen Verhältnissen konnten
die Kriegsblinden in Bayern großzügig an-
gesiedelt werden. Für die rund 400 Kame-
raden in Bayern des 1. Krieges wurden da-
mals fast 300 Neusiedlungen erstellt, ein
weiterer Teil wurde im Zuge des Anwesens-
Erwerbs seßhaft gemacht; auch hierfür wur-
den staatliche Ankaufsdarlehen zu den glei-
chen Bedingungen wie die Baudarlehen ge-
währt. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der
bayer. Kameraden blieb ohne Eigenheim.
Wer zwischen den beiden Kriegen das
Glück hatte, die Kriegsblinden mit ihren
Familien im eigenen Heim, auf eigener
Scholle aufzusuchen, dem wurde deutlich be-
wußt, daß diese Art der Fürsorge die erfreu-
lichsten Erfolge zeitigte: Versöhnung mit
dem Schicksal, Ausgleich der Widerwärtig-
keiten des Alltags, Friede und Wohlfahrt
für den Erblindeten und seine Familie. Die
Freiheit und Unabhängigkeit im vertrauten
Räume, Arbeit und Aufenthalt im Garten
und Hofwesen, die gesunde Atmosphäre für
die heranwachsenden Kinder, das liebevolle
Einrichten, Verschönern und Pflegen der
Heimstätte erzeugten nicht nur berechtigten
Besitzerstolz, sondern vor allem die fried-
volle Ruhe des Geborgenseins vor einer
gefahrvollen Außenwelt mit ihrer Hast und
den mannigfachen unausbleiblichen Enttäu-
schungen.
Voll Wehmut und doch auch voll stillen
Glückes gedenken viele Kameraden des
1. Krieges der frohen Zeit ihrer jungen Ehe
und der mit den blühenden Gärten wett-
eifernden Kinderschar, der Söhne, die in
Gottes freier Natur und in den sonnendurch-
fluteten Räumen des Siedlungshauses zu
lebensfrohen, kraftstrotzenden Jünglingen
heranwuchsen. Viele verließen auf Nimmer-
wiederkehr das Elternhaus, gaben ihr Leben
hin draußen auf den Schlachtfeldern, wie
auch zahlreiche der trauten Heimstätten der
Kriegsfurie zum Opfer fielen.
Nach 1945
j Bei dem Zusammenbruch 1945 stand man-
cher der fleißigen Siedler verzweiflungsvoll
am Grabe seiner Habe. Aber wer einmal in
der Vergangenheit sich Kräfte aus dem eige-
nen Heim hatte holen können, überwand als-
bald den Schock, und die kriegsblinden Sied-
ler und ihre Frauen, zwar jetzt mit grauen
Haaren, aber mit frischer Tatkraft und einem
mutigen Herzen, gingen an den Wieder-
aufbau ihrer Ruinen. Heute sind die Kriegs-
schäden an den Siedlungen der bayer. Ka-
meraden größtenteils beseitigt.
Außergewöhnlich groß ist aber auch die
Sehnsucht der jungen Kameraden nach
einer Heimstätte, sehr verständlich vor allem
deshalb, Weil viele von ihnen noch sehr ein-
geengt wohnen, sich zum Teil in Notunter-
künften oder gar in Flüchtlingslagern be-
finden. Für die jungen und die heimatver-
triebenen Kameraden ist daher das eigene
Heim Ziel heißen Strebens.
Der soziale Wohnungsbau bietet eine gute
Grundlage, insbesondere, wenn die Vollzugs-
behörden von der dringenden Notwendigkeit
und dem überaus großen Segen eines eige-
nen Heimes für Kriegsblinde überzeugt wer-
den können. Es ist auch hier mit Genug-
tuung festzustellen, daß sich die Oberste
Siedlungsbehörde im bayer. Staatsministe-
rium des Innern mit Bekanntmachung vom
19. 5. 50 bereit erklärt hat, bei Kriegsblinden
besondere Finanzierungsmaß-
nahmen durchzuführen, sofern sich Schwie-
rigkeiten ergeben sollten.
Regierungsstellen helfen
Der Bauabschnitt der Regierung von Un-
terfranken in Würzburg hat den unter-
stellten Kreisbauämtern u. a. die folgende
Weisung gegeben:
„Vom Bund der Kriegsblinden Deutsch-
lands e. V., Bezirk Unterfranken, wurde be-
richtet, daß der Kriegsblinde X bestrebt ist,
sich in diesem Jahr ein Eigenheim zu er-
richten. (Kapitalabfindung ist beantragt). An-
gesichts des besonders belastenden Zustan-
des des Antragstellers ist dieses Gesuch als
das vordringlichste im Landkreis zu
behandeln. Zur Inangriffnahme seines Vor-
ES STARBEN:
LANDESVERBAND BAYERN
Schlötzer, Anton, Deiningen, Kreis Nörd-
lingen, geb. am 31. 7. 1880, gest. am 9. 1.
1952.
LANDESVERBAND BERLIN
Zimmermann, Georg, Berlin-Frohnau,
Markgrafenstraße 48, gestorben am 23. 8.
1951.
W e n d t , Eduard, Berlin-Schöneberg, Kolon-
nenstraße 51, gestorben am 20. 9. 1951.
LANDESVERBAND HAMBURG
L ü h r , Helmut, und Frau, Hamburg 13,
Kielerortallee 25, gestorben am 8. 1. 1952.
B r a a k , Friedrich, Hamburg 13, Beim
Schlump 13/Keller, geb. am 11. 11. 1879,
gestorben am 22. 1. 1952.
Frau Emilie Ponik, gest. 11. 11. 1951.
LANDESVERBAND HESSEN
Kempf, Albert, Groß-Krotzenburg bei "Ha-
nau, Hainstraße 2, gestorben am 3. 12. 1951.
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
Suzuka, Vinzenz, Oldenburg i. O., Ste-
dingerstraße, gestorben am 21. 12. 1951 im
Alter von 54 Jahren.
LANDESVERBAND SCHLESWIG-HOLSTEIN
W e g n e r , Johannes, Mölln/Lauenburg, Am
Wall 4, geb. 24. 7. 1889, gestorben am
9. 12. 1951.
LANDESVERBAND
WÜRTTEMBERG-NORDBADEN
L i e b 1 , Franz, Bauschiott, Kreis Pforzheim,
gestorben am 12. 11. 1951 im Alter von
70 Jahren.
Schroth, Eugen, Pforzheim-Brötzingen,
geb. am 26. 9. 1895, gestorben am 7. 12.
1951.
Heinickel, Willy, Nürtingen i. Württ.,
geb. am 1. 1. 1921, gestorben am 15. 12.
1951.
Dr. Hartmann, Adolf, Stuttgart-W., Wie-
landstraße 24a, geb. am 1. 5. 1874, gestor-
ben am 22. 1. 1952.
Fecker, Konrad, Steinhofen, Kr. Hechin-
gen, geb. am 27. 9. 1902, gestorben am
23. Januar 1952.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHEN 1
habens ist ihm jedmögliche Unterstützung
angedeihen zu lassen."
In einem weiteren Schreiben hat sich die
gleiche Regierungsstelle bereit erklärt, dem
kriegsblinden Siedler auch die erststellige
Hypothek über die Landesversicherungs-
anstalt Unterfranken zu beschaffen.
Insgesamt waren nach dem Krieg einschl.
der heimatvertriebenen Kameraden 130 Mit-
glieder des Bezirks ohne Heimstätte.
In den letzten Jahren, vor allem 1950, haben
bereits 37 von ihnen eigenen Grund
bezogen oder wird der Neubau in nächster
Zeit bezugsfertig. Für das kommende Jahr
sind wieder größere Siedlungsvorhaben ge-
plant. In anderen Regierungsbezirken
Bayerns liegen die Verhältnisse zum Teil
noch günstiger. In Oberfranken konnten
beim gleichen Siedlungsbedürfnis schon 45'
Kriegsblinde bodenständig gemacht werden.
Diese Zahlen beweisen, daß in Bayern auch
die zweite Siedlungsaktion für Kriegs-
blinde rüstig vorwärts schreitet.
Tatkräftige Kameraden
Den jungen Kameraden ist bei ihrem
Streben nach einem eigenen Heim ein hohes
Lied zu singen.
Der Kamerad G. in einem Spessartdorf,
vollblind und am rechten Arm schwer ver-
letzt, gräbt und schaufelt den Bau-
grund aus. Seine Frau hilft tatkräftig mit.
Der Kamerad bricht durch einen Sturz in die
Grube den Arm. Im Krankenhaus hält es ihn
nicht lange, er muß an seinen Bauplatz zu-
rück. Die Frau wird überfahren; dem beschä-
digten Bein gönnt sie nur kurze Ruhe, bald
ist auch sie wieder von früh bis Abend auf
dem Bau. Heute ist das Haus fertig, behag-
lich sind die Räume, die Bewohner glücklich.
Im Januar 1945 mußte ein kriegsblinder
Landwirt aus Ostpreußen mit seiner Familie
fliehen. Sie kamen nach Dänemark und im
Mai 1945 in ein Flüchtlingslager dortselbst.
Im Januar 1950 wurde der Kamerad in
einem Flüchtlingslager in Unterfranken ge-
funden. In wenigen Wochen schon hatte er
eine gute Wohnung. Mann und Frau streb-
ten aber als freie Bauern wieder nach
eigener Scholle. Sie sparten und schafften
nach Kräften; die Rentennachzahlung wurde
für das Siedlungshaus bereit gehalten. Heute
ist es fertig. Weihnachten 1951 feierte die
Familie im eigenen Heim!
Die Familie eines Frontsoldaten wird in
Düsseldorf ausgebombt; der Mann steht noch
im Feld. Frau und Kinder kommen aufs
Land. Der Soldat erhält Fronturlaub. Er
wohnt mit seiner Familie in einer Dachstube.
Das Dorf im lieblichen Saaletal mit seinen
Mulden und Höhen, seinen Weinbergen und
Wäldern beeindruckt ihn stark. Er geht
zurück zur Front, kehrt aber bald wieder —
ohne Augen, ohne Hände, fast gehörlos!
Nach der Lazarettzeit wohnt auch er in der
bekannten Dachstube. In die Stadt will er
nicht mehr. Er wünscht sieb dringend ein
eigenes Heim, und zwar dort, wo er die neue
Heimat letztmals auf sich wirken ließ. Der
Blick ist in seine Seele gegraben. Das Bau-
vorhaben ist schwierig. Der Kamerad harrt
aus, er bemüht sich selbst tatkräftig um eine
Lösung; sie wird schließlich gefunden. Heute
steht das Haus auf dem gewünschten Platz.
Der schwergeprüfte Kamerad erklärt beim
ersten Besuch spontan aus übervollem
Herzen: „Ich bin in den wenigen Wochen ein
froher und glücklicher Mensch geworden.
Mein Heim ist das Schönste, was mir
geschaffen werden konnte!"
Der Brief einer Kameradenfrau
Die Frau des kriegsblinden Kameraden St.
in A. schreibt: „Im Februar 1949 las ich in
einer ■ oberbayerischen Zeitung die Heirats-
annonce eines Kriegsblinden. Er war in
Tegernsee, wo er lesen und schreiben lernte.
Als ich ihn besuchte, mußte ich feststellen,
daß er nicht nur blind war, sondern auch ein
11
Bein, eine Hand verloren hatte und daß die
andere Hand verstümmelt war. Das hinderte
uns aber nicht, zusammenzukommen. Ich
fuhr mit ihm in seine Heimat, wir heirateten
noch im gleichen Jahr und erhielten eine
Stube bei den Schwiegereltern. Es gab aber
bald Meinungsverschiedenheiten. Eine andere
Wohnung war nicht zu beschaffen. Wir ent-
schlossen uns zum Hausneubau. Die Ge-
meinde gab den Bauplatz. Im Jahre 1950 ge-
lang die vorläufige Finanzierung des Neu-
baues. Ende des Jahres wurde das Haus
bezogen. Die Restkosten waren schwer auf-
zubringen. Es wurde aber geschafft. Heute
bewohne ich mit meinem Mann und einer
Mietpartei im Oberstock das schöne Heim
mit Garten, in dem ich fleißig arbeite. Mein
Mann findet sich in Haus und Hof allein zu-
recht. Wir führen jetzt ein nahezu sorgen-
freies Leben. Mit meinen Schwiegereltern ist
wieder alles in bester Ordnung. Mein Mann
ist stolz auf sein eigenes Heim. Ich wünsche
jedem Kriegsblinden und seiner Familie ein
solch schönes Heim."
Diese wenigen Beispiele sprechen für sich.
Die Summe der Siedlungsfürsorge für die
Kriegsblinden ist Segen über Segen! Aus
tiefstem Herzen ist daher der Wunsch aus
dem Brief von Frau St. zu unterstreichen:
Jedem Kriegsblinden im gan-
zen deutschen Vaterland das
große Glück eines Eigenheimes!
J. F.
Wie steht es um die Kriegsblindenhücherei in Marburg?
Seit Monaten geht durch Rundfunk und
Zeitung, bald da, bald dort im ganzen Bun-
desgebiet,' die Nachricht von der Überfüh-
rung der Kriegsblindenbibliothek nach Mar-
burg mit ihrem Wiederaufbau daselbst. Dia
Meldungen darüber variieren, das Tatsäch-
liche daran verschiebt sich, Wesentliches
wird fortgelassen, Unwesentliches oder gar
Falsches hinzugefügt. In der österreichischen
Kriegsblindenzeitschrift wurde z. B. eine
Nachricht darüber gebracht, die den Marbur-
ger Wiederaufbau der Kriegsblindenbücherei
in Zusammenhang bringt mit dem Neuauf-
bau der ehemaligen Preußischen Staats-
bibliothek aus Berlin, die seit Kriegsende
hier in Marburg als „Westdeutsche Biblio-
thek" eingerichtet ist. Dieser Zusammenhang
ist konstruiert und völlig abwegig. Da ge-
legentlich all dieser Nachrichten auch hier
und da mein Name genannt worden ist,
sind mir schon wiederholt Schreiben zuge-
gangen, in denen sich Menschen als Biblio-
thekare oder als Sekretärinnen um eine An-
stellung bewerben. Andere machen mir seit-
her ihren persönlichen Besuch und kommen
mit dem gleichen Anliegen oder bieten sich
gegen Bezahlung oder ehrenamtlich für Blin-
denschriftübertragungen an.
Es scheint nun also wirklich an der Zeit,
daß in unserem Organ die Kameraden, die
sich schon mit Anfragen an die Bundesleitung
bzw. an die Schriftleitung gewandt haben,
über die Zusammenhänge aufgeklärt werden.
Den Ausgang dieser Kette von verwirrenden
Nachrichten bildet ein Aufsatz, der Anfang
August aus der Feder einer Frau B. auf
Grund vertraulicher Informationen ohne
mein Wissen und meinen Willen in der
„Oberhessischen Presse" veröffentlicht wurde.
Was ist an alledem richtig oder falsch, und
wie sind die Zusammenhänge im einzelnen?
Richtig ist, daß unser langjähriges Ehren-
mitglied, Frl. Elisabeth Siebert (Marburg),
ihre Villa mit Garten testamentarisch dem
„Bund der Kriegsblinden Deutschlands" ver-
schrieben hat. über die Verdienste, die
große Dankbarkeit und Verehrung, die sich
Frl. Siebert, genannt Schwester Lieschen,
unter den Kriegsblinden beider Weltkriege
erworben hat, habe ich bereits anläßlich der
Erneuerung ihrer Ehrenmitgliedschaft am
4. Februar 1951 im vorjährigen Februar-
Preiswerte Textilwaren
durch die Post ins Haus
Nur ein Beispiel:
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Textilversand Dauner
Weidhausen 12 bei Coburg
heft dieses Blattes ausführlicher berichtet.
Die Schenkung ihres Hauses mit 16 Räumen
und einem dazugehörenden schönen Garten
mit alten Obstbäumen sollte den Abschluß
und Höhepunkt ihrer opferbereiten Liebe
und selbstlosen Fürsorge für „ihre lieben
Kameraden" bilden. Kamerad Dr. Plein be-
auftragte mich, alle Verhandlungen in Sa-
chen des Hauses mit Frl. Siebert zu führen.
In dem Bestreben, das Haus noch zu Leb-
zeiten von Frl. Siebert zweckdienlich für den
Bund zu verwenden, tauchte der Plan auf,
vordringlich die Bibliothek aus ihrem schlecht
verwahrten Zustande in Braunlage zu be-
freien und sie hier im Hause Schwanallee 11
neu aufzubauen. Ich selbst hatte mich ledig-
lich bereit erklärt, die Bücherei einer not-
wendigen Revision zu unterziehen und für
ihre Ergänzung und Verwaltung Sorge zu
tragen, damit dem Bund keine Auslagen für
einen Bibliothekar entstünden. Mein Plan
ging auch dahin, das Haus zu einer Kultur-
zentrale des Bundes zu machen, wobei an
das sprechende Buch, an Vorlese- und Vor-
tragsabende, die freilich in erster Linie den
Marburger Kameraden zugute gekommen
wären, gedacht war. Außerdem eignet sich
das Haus in seiner ruhigen Lage sehr gut
zur Erholung für Kameraden, die in Er-
innerung an ihre Lazarett- und Studien- oder
Umschulungszeit sich hier einmal treffen
möchten.
Nicht richtig sind die Angaben über die
Anzahl der Bücher und über den Beginn des
Neuaufbaues hier in Marburg. Schätzungs-
weise sind noch etwa drei- bis vier-
tausend Bände vorhanden, die bisher
mehr oder minder gut verwahrt in unserem
Erholungsheim in Braunlage gelagert waren.
Inzwischen hat Kamerad Rosner aus Kassel
sie auf unser Ersuchen hin nach Kassel ge-
holt, und es ist seitdem meine größte Sorge,
die Bücherei so bald als möglich hierher nach
Marburg zu schaffen und mit der Durchsicht
und ihrem Wiederaufbau zu beginnen. Dazu
aber müssen hier im Hause von Frl. Siebert
erst die räumlichen Voraussetzungen ge-
schaffen werden, und hier liegt das eigent-
liche Problem. Die für die Unterbringung der
Bücherei, für Vorträge und kulturelle Ver-
anstaltungen geeigneten Räume im Parterre
und 1. Stock sind zur Zeit noch bewohnt, und
es ist bisher nicht möglich gewesen, für die
betreffenden Mieter eine andere, ange-
messene Wohnung zu finden. Zwangsmaß-
nahmen können nicht angewandt werden.
Außerdem ist Marburg wohnungsmäßig eine
übervölkerte Stadt. Bisher ist lediglich die
Kellerwohnung und ein Zimmer im Parterre
frei geworden, und das hiesige Wohnungs-
amt hat sich in dankenswerter Weise bereit
erklärt, uns jede frei werdende Wohnung
für die Zwecke des Bundes zu überlassen.
Mehr läßt sich im Augenblick über das
ganze Problem unserer Kriegsblinden-
bücherei nicht sagen. Dr. Ludwig
. PERSÖNLICHES
Der Landesverband Rheinland-Pfalz be-
glückwünscht unseren Kameraden Josef
Theisen (Liesenich über Karden a. d. Mo-
sel, Kr. Zell) und seine Ehefrau zur g o 1 d e -
n e n H o c h z e i t am 5. 2. 1952. Dem Jubel-
paar gelten unsere besten Segenswünsche.
Aus dem Landesverband Hessen wird
mitgeteilt, daß unser Kamerad Georg Ochs
(Frankfurt, Böttgerstraße 6) am 22. 8. Vater
eines Sohnes, Eberhard, geworden ist. Unsere
Glückwünsche kommen hier zwar etwas spät,
aber darum doppelt herzlich.
Auch die Hochzeit unseres Kameraden Karl
Höfner (Frankfurt-Bonames, Hinterg. 1)
und seiner Frau Helene Regina, geb. Stech,
hätte schon längst bekanntgegeben werden
müssen. Wir holen es heute nach und wün-
schen von Herzen die Erfüllung all ihrer Zu-
kunftswünsche.
Geheiratet hat ebenfalls im Landesverband
Hessen, und zwar am 26. 12. 1951, unser
Kamerad Helmut Richter, Gelnhausen,
Weiherfeldsiedlung 16. Auch diesem jungen
Paar gelten unsere herzlichsten Wünsche
Schließlich ist noch zu melden, daß unser
Kamerad Franz Emil K o s e r , Jügesheim
(Kr. Offenbach), Ludwigstraße 54, glücklicher
Vater eines kleinen Jungen namens Jürgen
geworden ist. Möge der Kleine zur Freude
seiner Eltern heranwachsen!
Aus dem Bezirk Süd-Hannover wird
die Vermählung von Kam. Anton Missius
und Frau Herta, verw. Mau, gemeldet (Wahm-
beck, Kr. Northeim bei Hannover, Lange
Straße 64). Dem jungen Paar gelten unsere
allerbesten Glückwünsche.
Erfolge kriegsblinder Künstler
Staatlich angekauft
Der kriegsblinde Bildhauer Jakob
Schmitt, über dessen Arbeiten im letz-
ten Jahrbuch berichtet wird und dessen
Bildwerk „Der Blinde" auf der Umschlag-
seite des Januarheftes zu sehen war, be-
teiligte sich mit Erfolg an einer Ausstellung
des „Vereins Mainzer bildender Künster"
im Haus am Dom zu Mainz. Die Kunst-
kritiker der Presse zollen den Arbeiten un-
seres Kameraden Schmitt große Achtung. Der
„Wiesbadener Kurier" hebt besonders sein
Selbstporträt hervor, das „von bannender
Eindringlichkeit" sei. Die Zeitschrift „Nobis"
spricht ebenfalls von dem sehr nachhaltigen
Eindruck dieser Plastiken. Es spreche aus
ihnen „Menschliches, der persönlich-schick-
salhaften Sphäre, ein heiliger Ernst der Ge-
staltung durch überwindende Hingabe an das
Leben. Von der gewaltigen Formleistung
des blinden Künstlers sei gar nicht ge-
sprochen. Ihr gerecht zu werden, ist dem
Sehenden ohnehin nicht möglich."
Eine der ausgestellten Arbeiten, die kleine
Bronze „Hände mit Blume", hat das Kul-
tusministerium Rhe inl a n d -Pf alz
erworben. Damit hat Kam. Schmitt zum
erstenmal seit dem Zusammenbruch von,
maßgebender Stelle eine Anerkennung ge-
funden, die er bei dem hohen künstlerischen
Rang seiner Arbeiten vollauf verdient und
zu der wir ihm herzlich gratulieren.
Erfolge eines Tenors
Unter den kriegsblinden Sängern er-
freut sich unser Kamerad Willi Segar-
rek (Tenor) wachsender Erfolge. Im
„Westdeutschen Tageblatt" lesen wir in einer
Kritik: „Aus reinem Tonansatz entfaltete sich
Willi Segarreks italienisch anmutender Tenor
zu einer freien und unbeschwerten Höhe.
Seine Stimme führt vom strahlenden Forte
bis in den feinsten Hauch im Piano. Dazu
offenbarte der Sänger in den Schumann- und
Strauß-Liedern eine vorbildliche Charakteri-
sierungskunst." '.
12
£~S\ letzte Jxc^c^^c^ic^t
Nach dem Tode des Gründers der italieni-
schen Blindenvereinigung, Aurelio Nicolodi
(s. Januarheft S. 16), hat das internationale
Blindenwesen einen neuen, schweren Verlust
erlitten. Am 12. Dezember 1951 verstarb
Dr. Robert B. Irwin, der ehemalige
Direktor der American Foundation for the
Blind und der American Foundation for
Overseas Blind. Dr. Irwin, selbst ein Blinder,
war in den letzten Jahren im internationalen
Blindenwesen vor allem hervorgetreten als
Vorsitzender der ersten großen Weltkonfe-
renz, die 1949 in Oxford nach 18 Jahren
Unterbrechung erstmalig wieder stattfand.
Noch im Septemberheft 1951 unserer Zeit-
schrift berichteten wir davon, daß Dr. Irwin
neben Helen Keller und zwei anderen be-
deutenden Vertretern der internationalen
Blindenschaft zum Ehrenmitglied des Welt-
rats für die Blindenwohlfahrt ernannt wurde.
&M watete Sjckadapi&un&e,
Partie aus dem Fernschachturnier
für Blinde 1951
Königsgambit
Weiß: F. Steidele. Schwarz: Nixdorf,
1. e4 e5 2. f4 e:f4 (spielbar; jedoch kann die
Verteidigung des Mehrbauern Schwarz zum
Nachteil gereichen. Die stärkste Erwiderung
ist 2. — d5 3. e:d5 e4 4. Sc3 Sf6 usw.) 3. Sf3
Le7 4. Lc4 Sh6 (die Zugfolge 4. — Lh4+ 5.
g3 f:g3 6. 0-0! sichert Weiß einen starken
Angriff) 5. 0-0 g5 6. d4 d6 7. Dd3 a6? (ein
Tempoverlust) 8. Sc3 Le6 9. Ld2 Lf6 10. L:e6
f:e6 11. e5 Lg7 12. e:d6 c:d6 13. Tael Kf7?
(Kd7 war noch am erträglichsten, wonach
Schwarz vielleicht einen Gegenangriff hätte
einleiten können. Der Textzug gibt Weiß
Gelegenheit, durch eine schöne Kombination
das Schicksal des Schwarzen zu besiegeln)
14. S:g5+! D:g5 15. L:f4 Dg6 16. L:h6+ Lf6
17» Se4! D:h6 18. T:f6+ D:f6 19. S:f6 Kf:6
20. Df3+ Ke7 21. Dg4 Kd8 22. Dg7 Te8 23.
D:b7 Te7 24. D:a8 Kc8 25. Tfl — und Schwarz
gab auf.
Partie aus den Kölner
Mannschaftsmeisterschafts-
kämpfen (A-Klasse, 2. Brett;
am 1 3. 1. 195 2)
Damenbauernspiel
Weiß: Mertens, ESV Turm Köln 2
Schwarz: Richarz, Torringen 1
1. d4 e6 2. c4 Sf6 3. Sc3 Lb4 4. Dc2 d5
5. a3 L:c: 6. b:c3 b6 7. e3 Lb7 8. Sf3 0-0
9. Ld3 Sbd7 10. c:d5 e:d5 (auf 10. — L:d5
folgt 11. c4 nebst Lb2 mit guten Angriffsaus-
sichten für Weiß) 11. 0-Ö Tc8 12. Se5 g6
(es drohte 13. S:d7 D:d7 [S:d7] 14. Lf5!
[L:h2+]) 13. S:d7 (stärker als Sf3) 13. — D:d7
14. Lb2 c5! (macht den beabsichtigten Zug
15. c4 zunichte) 15. De2 c4 16. Lc2 De7
(nun hilft er Weiß, aus der Einengung
herauszukommen) 17. a4! Se8 18. La3 Sd6
19. Dg4 f5 20. Dg3 Tcd8 21. De5 Tfe8 22. D:e7
T:e7 23. L:d6 T:d6 24. Tfbl Tde6 25. g3 La6
26. Ldl Tb7 27. Tb4 Kg7 28. Tabl Tee7 29. Lf3
Ted7 30. h4 h6 31. Kg2 Kf6 32. Thl Tb8
33. Kfl Lb7 34. Kg2 Lc6 35. Thbl Tdb7
36. Ldl a5 37. Tb2 b5? 38. a:b5 T:b5 (nicht
etwa 38. — L:b5?? wegen 39. La4!) 39. T:b5
T:b5 40. Tal! Hier nahm Weiß das Remis-
angebot von Schwarz an, weil er annahm,
nach 40. — Tb3 den Bauern c3 zu verlieren.
Dies war jedoch ein Irrtum, z. B. 40. — Tb3
41. T:a5 T:c3? 42. Ta6!, und Weiß gewinnt.
Auf jeden Fall aber hätte Weiß den Bauern
a5 und damit auch mit großer Wahrschein-
lichkeit <iie Partie gewonnen.
Gabriel Mertens, Köln-Nippes,
Escher Straße 63
Auch wir Deutschen gedenken in Dankbar-
keit und Ehrfurcht dieses bedeutenden
Mannes.
*
Der französische Ministerrat hat beschlos-
sen, die sterblichen Überreste von Louis
Braille, dem Erfinder der Blindenschrift,
aus der bisherigen Grabstätte in seinem Hei-
matdorf Coupvrai nach Paris in das Pan-
theon, der Ruhestätte der Großen der
Nation, zu überführen.
*
In Westberlin herrscht neuerdings ein un-
erfreuliches Durcheinander und Ne-
beneinander verschiedener Z i v i 1 b 1 i n -
denvereinigungen. Es bestehen neu-
erdings außer dem Allgemeinen Blindenver-
ein, der durch die Unterschlagungsaffäre
seines Vorsitzenden Goldbeck sehr gelitten
hat, ein Verein der Späterblindeten und eine
Deutsche Fachgemeinschaft blinder Büro-
angestellter und blinder Telefonisten e. V.
Nun hielt am 24. Januar als vierte Vereini-
gung der „Berliner Blindenhund" (Selbst-
hilfe und Gemeinnütziger Blindenbund) unter
seinem Vorsitzenden Schmalisch seine Grün-
dungsfeier ab. Da auch innerhalb des All-
gemeinen Blindenvereins noch eine beson-
dere Fachgruppe der blinden Büroangestell-
ten besteht, können sich nur noch wenige
Kenner unter den Berliner Zivilblinden zu-
rechtfinden.
Aus einer interessanten Aufstellung
des Bundesarbeitsministeriums,
die auf Angaben der Landesregierungen
fußt, ist zu entnehmen, daß in der Bundes-
republik insgesamt 4 129 493 Personen Emp-
fänger von Versorgungsbezügen sind (ein-
schließlich 980 257 Witwen). Eine Minderung
der Erwerbsfähigkeit von 30 °/o liegt bei
568 430 Beschädigten vor, von 70 °/o bei
183 398 Beschädigten. Erwerbsunfähig
sind insgesamt 67 792. Die Beschädigten der
Bundesrepublik insgesamt machen eine
Summe von 1 543 053 aus. Von ihnen waren
am 30. 11. v. J. 57,6% umanerkannt. Von
den Erwerbsunfähigen fällt ein verhältnis-
mäßig hoher Anteil in Hessen (6485 Er-
werbsunfähige bei 139 774 Beschädigten) und
ein etwas geringerer Anteil in Bayern
(11819 Erwerbsunfähige bei 351493 Beschä-
digten) und Baden auf. Von den Erwerbs-
unfähigen waren am 30. 11. v. J. insgesamt
93,2 °/o umanerkannt. Baden und Bayern
haben verhältnismäßig die meisten Beschä-
digten aufzuweisen. So macht Baden z. B. nur
2,9 °/o der Bevölkerung der Bundesrepublik
aus, verzeichnet aber 3,4 °/o aller Versor-
gungsberechtigten. Bayern verzeichnet 21,1
Prozent aller Versorgungsberechtigten, macht
aber nur 19 °/o der Bevölkerung aus. Die
Länder Hamburg, Bremen und Nordrhein-
Westfalen liegen etwas unter dem Durch-
schnitt.
*
„R e a d e r ' s Digest", die meistgelesene
Zeitschrift der Welt, wird nun auch für Blinde
auf Schallplatten, und zwar in eng-
lischer Sprache, herausgegeben. Sie erscheint
jetzt mit einex Monatsauflage von über
15,5 Millionen Heften in elf Sprachen und
auch in Blindenschrift; die USA- Auflage
umfaßt allein 9,5 Millionen Exemplare.
*
Der Bayerische Blindenbund er-
hielt die Erlaubnis, eine öffentliche Samm-
lung in ganz Bayern zu veranstalten. Vom
9. Febr. bis 9. März werden „Bausteine"
zu 25 Pf für ein Blindenwohnheim verkauft.
*
Im Festsaal des Blindenheimes in Josef-
stadt in Wien fand erstmalig ein öster-
reichisches Schach - Meister-
schaftsturnier für Blinde statt. Bei
16 Teilnehmern konnte der Kriegsblinde
Hans Cevart aus Untergraden (Steiermark)
den dritten Platz belegen. Sieger und Mei-
ster von Österreich wurde Herr Grusch aus
Oberösterreich. Der Präsident des National-
rates, Kunschack, überraschte die Teilnehmer
des Turniers durch seinen Besuch.
*
Am 22. Januar wurde die Blinden-
anstalt in Augsburg durch ein Groß-
feuer heimgesucht. U. a. wurde das gesamte
Dachgeschoß vernichtet, in dem Weiden im
Werte von fast 12 000 DM gelagert waren.
Der gesamte Sachschaden wird auf 100 000,—
DM geschätzt.
*
In Würzburg wurde die Blinden-
anstalt, die im nächsten Jahr ihr hundert-
jähriges Bestehen feiern wird, wieder auf-
gebaut und durch den Bischof von Würzburg
geweiht.
*
In Paris, der Hauptstadt der leichten Muse,
öffnete jetzt „Der Maulwurf" auf dem Bou-
levard Saint Denis seine Tore, ein Kaba-
rett, das nur für Blinde da ist. Nicht
nur die Gäste, auch die vortragenden Künst-
ler sind Blinde, ob Musiker oder Sänger,
Dichter oder Conferencier.
*
Zu fünf Jahren Zuchthaus und Ein-
ziehung seines Vermögens verurteilte laut
einer ap-Meldung eine Strafkammer in Ost-
berlin den 51jährigen blinden Kauf-
mann Broszat wegen „Verbrechens" gegen
die sowjetzonalen Bestimmungen zum Schutz
des innerdeutschen Handels. Der Angeklagte
wurde beschuldigt, als Lieferant blinder am-
bulanter Händler in Ostberlin Schnürsenkel
usw. in Westberlin eingekauft zu haben.
Broszat hatte diese Artikel bestellt, nachdem
die behördliche Zuteilung dieser Waren an
den privaten Handel zugunsten der Staat-
lichen Verkaufsorganisation (HO) gekürzt
und seine blinden Kunden durch den Waren-
mangel in Not geraten waren.
*
Der Ministerrat der Sowjetzonenrepublik
hat eine Subvention des Blinden-
handwerks mit 1,2 Millionen DM-Ost
beschlossen. Man hofft, daß nunmehr das
Blindenhandwerk preispolitisch mit dem
sehenden Handwerk gleichstehen kann. Zur
Förderung des Blindenwesens wurde auch
die Errichtung einer Oberschule für
Blinde angekündigt, um ihnen den Besuch
der Hochschulen zu ermöglichen.
*
In der Ostzone ist im Rahmen der Ver-
gebung eines Versehrtensportabzeichens ein
Blindensportabzeich e n mit beson-
deren Bedingungen geschaffen worden. Die
Pflichtübungen für Vollblinde sehen in der
jüngsten Altersklasse (16 — 32 Jahre) neben
gymnastischen Übungen und Klettern an Tau
oder Stange ein 300-m-Schwimmen in belie-
biger Zeit und einen 10-km-Fußmarsch vor.
Daneben 100-m-Lauf in 17,5 Sek., Weitsprung
aus dem Stand (2,00 m) oder Hochsprung aus
dem Stand (0,90 m), Kugelstoßen (6,00 m),
1000-m-Lauf (4,30 Min.) und andere Übungen
zur Auswahl. Bezeichnenderweise muß auch
eine Prüfung in „Gesellschaftlichen
Fragen" abgelegt werden, z.B.: „Die Auf-
gaben der demokratischen Sportbewegung
im Kampf um die Erhaltung des Friedens
und die nationale Einheit Deutschlands".
*
In Chemnitz kündigte der Vorsitzende des
Landesblindenausschusses Sachsen, Min.-Rat
Hausdorf, die Einführung eines Tonband-
gerätes als „Sprechendes Buch" für
Blinde an. Noch in diesem Jahr sollen 50
Geräte in der Ostzone zur Ausgabe ge-
langen. Es kann kein Zweifel darüber be-
stehen, daß es sich hier um Geräte handelt,
die aus Westdeutschland in die Ostzone ein-
geführt werden müssen.
13
cv
a*n
rvc/ver
Ein Kriegsblindenhörspiel?
„Das Lied der Wildgänse" (München)
Ein interessantes Hörspiel, dieses „Lied
der Wildgänse" von Helmut Habrich. Das
muß man den Münchener Preisrichtern schon
zubilligen. Interessant wenigstens in der
im Grunde balladesken Komposition und der
Selbständigkeit des Stils. Aber was meint
der Autor? Was bleibt zurück? Trifft etwa
seine Hoffnung zu, daß „etwas Trost" in
seinem Hörspiel liegen möge? Wenn F. C.
Kobbe in seinem Schlußwort auch betont,
daß erst die Gesamtproduktion ein Hörspiel
ausmache, so bleibt primär doch der Autor
und vor allem: der gewählte Stoff, der Kon-
flikt, die Zielrichtung. Hier entscheidet sich
der Rang eines Hörspiels. Und wenn man
daraufhin prüft, was Habrich mitzuteilen
hat, so bleibt verblüffend wenig zurück: näm-
lich nichts als die recht verquollene, neuro-
tische Wesensart eines jungen Mannes, der
über ein amouröses Erlebnis aus seiner Sol-
datenzeit in Frankreich nicht hinwegkommt.
Aus einem unverkennbaren Pubertätsblick-
winkel hält er für Liebe, was ihm da be-
gegnet ist, und er macht mit verblendeter
Hartnäckigkeit wahr, daß er „nie davon los-
kommen" wird. Liebe? Zwischen ihm und
jener Französin besteht keinerlei innere
Übereinstimmung, und das wird sogar auf
recht geschickte Weise dem Hörer deutlich
gemacht. So begreift der Hörer nicht den
Vorrang dieser Bindung: der Soldat verliert
später im Osten sein Augenlicht, ist also
geradezu gezwungen, einen neuen Anfang
zu machen, verharrt aber im Vergangenen
und in der Erinnerung und stößt die Hand
einer ihn aus innerster Zuneigung liebenden
Frau zurück. Offenbar will er sein Leben
lang vom Verlorenen zehren. Die Erblindung
drängt den Mann zu sinnlos scheinendem
Verzicht statt zu einer Wandlung. Uns
scheint, Habrich ist auf halbem Wege stehen-
geblieben. Sein ohnehin relativ kurzes Hör-
spiel hätte, wenn wirklich Trost davon hätte
ausgehen sollen, zeigen müssen, wie sein
Held von seinem Komplex geheilt wird, not-
falls dadurch, daß er heute, zehn Jahre spä-
ter, zu seiner Marie nach Frankreich reist.
So aber bleibt er ein Unglückseliger, auch
wenn er es nicht wahr haben will. — Was
H. G. Stamm als Spielleiter und was die
ganz ausgezeichneten Sprecher aus dem bis-
weilen recht literarischen Gehabe des Manu-
skripts gemacht haben, verdient Bewunde-
rung. Die Gespräche erhielten den gerade
hier nicht leichten Ton echter Wahrhaftigkeit
und aus den Figuren des Autors wurden
Menschen.
Und dazu zwei andere Urteile
Die vorstehende Kritik über „Das Lied der
Wildgänse" drückt die — natürlich subjektive —
Meinung der Schriltleilung aus. Eine ganze An-
zahl Zuschriften bayerischer Kriegsblinder läßt
erkennen, daß das Hörspiel viel Interesse fand,
aber daß es nicht a/s „Kriegsblindenhörspiel" zu
bezeichnen ist. Unser Kamerad Dr. Roll Binder
aus Landshut widmet dem Hörspiel eine aus-
führliche Betrachtung, um die ihn die Schriitleitung
gebeten hatte. Wir können wegen Platzmangels
nur die wichtigsten Punkte wiedergeben. Dr. Bin-
der bejaht Stoit und Inhalt des Hörspiels,
dessen Titel er übrigens nicht für sonderlich glück-
lich hält, macht aber verschiedene Einwände
gegen die Form, und zwar auch hinsichtlich der
Aufführung. Hier habe sich zwar H. C. Blech be-
währt, doch sei die Rolle der jungen Französin
mit Erni Wilhelmi weniger glücklich besetzt ge-
wesen (eine Meinung, die die Schriitleitung nicht
teilen kann). Dr. Binder fährt dann- fort:
„In New York ebenso wie in Monte Carlo,
um nur zwei aus der Liste der weit über
dreitausend Stationen in USA und West-
europa zu nennen, wird die Sendezeit an
Großfirmen für Werbe- und Reklamezwecke
verkauft. Jede Sekunde kostet viel Geld.
Diese Großfirmen, gleichgültig ob sie Likör
oder Haarwaschpulver verkaufen, bringen
den Rundfunkhörern oft ausgezeichnete Hör-
spiele. Naturgemäß reicht niemals die Zeit.
Die Hörspiele müssen daher zusammen-
geschnitten werden. Der Hauptdarsteller
macht dabei den „Erzähler", d. h. er blendet
verbindende Worte zwischen den einzelnen
Szenen ein. Eine Methode, die also ihren
Ursprung in den Gesetzen der Rentabilität
hat.
Deutsche Stationen fangen immer mehr und
mehr an, diese Methode nachzuahmen. Es
wird dadurch dem Regisseur ebenso wie dem
Verfasser unendlich leicht gemacht, hörspiel-
technische oder dramaturgische Schwierig-
keiten zu überwinden. Ob man es sich dabei
nicht manchmal gar zu leicht macht? Man
spürte das besonders in den Liebesszenen
dieses Hörspiels, so gut auch manche An-
sätze waren.
Die viel zu häufigen Unterbrechun-
gen der Szenen durch kommentierende,
erläuternde Worte des Hauptdarstellers las-
sen die Liebe zwischen dem deutschen Sol-
daten und der jungen Französin nicht echt
erscheinen. Es wirkt alles ein bißchen ge-
künstelt. Ganz im Gegensatz zu französi-
schen Schauspielen oder Hörspielen, bei
denen man geradezu garantieren möchte,
daß die jeweiligen beiden jungen Darsteller
bis über die Ohren verliebt sind. Den beiden
guten Hörspielsprecherinnen Erni Wilhelmi
und Agnes Fink war es daher auch nicht
möglich, sich so zu entfalten, wie sie dies
bereits in anderen Werken bewiesen haben.
Und etwas anderes: Man kann geteilter
Meinung sein, ob kriegsblind zu werden ein
besonderes Glück des Himmels oder ein
lebenslänglicher Schrecken auf Erden ist.
Schließt man sich der letzteren Meinung auch
nur mit Vorbehalten an, und diese kann
mathematisch genau bewiesen werden, so ?
müßte man sagen, daß der Verfasser die
Tragik des Blindwerdens nicht so ausgear-
beitet hat, als sie es verdienen würde. Diej
Tragik, kriegsblind zu werden, mag der
Verfasser des Hörspiels vielleicht selbst;
richtig empfunden und gefühlt haben, sicher-
lich ist es ihm aber nicht gelungen, die Trag-
weite dieses ungeheuren Schicksalsschlages
dem Hörer, der noch sieht, in seiner vollen;
Wirkung zum Bewußtsein zu bringen.
Ohne Zweifel ist mit diesem Hörspiel eine;
gute Wahl getroffen worden, sicherlich
könnte aber aus einem so guten Stoff in
harmonischer Zusammenarbeit zwischen Ver-
fasser und Regisseur noch viel mehr heraus-
geholt werden."
Unser Kamerad Eberhardt aus München
ist entschieden einer negativen Meinung und
schreibt, daß das Hörspiel ihn enttäuscht habe.
Er meint dann u. a. weiter:
„Das Kriegsblindehschicksal wird nur ge-
streift, und dabei erschüttert den Verwunde-
ten im Lazarett die Entstellung des Gesichtes
mehr als die Erblindung. Vergeblich erwar-
tete ich etwas von dem beginnenden Existenz-
kampf des Blindgewordenen. So aber war. es
eine reine Liebesgeschichte, bei der mich ge-
wisse moralische Seiten obendrein störten..
Ich ziehe dann lieber besinnliche Hörspiele
vor wie etwa das eine Woche später von
München gesendete Hörspiel „Ein Mord für
die Welt". Das „Lied der Wildgänse" war
zwar nicht schlecht, aber auch nicht so aus-
gezeichnet, daß es einen Preis verdient
hätte. Dem Geist und den Ansprüchen der
meisten Hörer wird es jedoch gewiß genügt
haben."
14.
2.
20.00
20.00
20.30
17.
2.
18.
2.
19.
2.
20.30
21.00
20.
2.
20.01
20.15
21.
2.
20.30
24.
2.
26.
2.
27.
2.
20.30
20.45
21.05
28.
2.
20.00
21.00
3.
3.
4.
3.
20.20
20.30
5.
3.
20.30
21.00
6.
3.
9.
u.
10. 3.
11.
3.
12.
3.
20.30
17.
3.
18.
3.
fDrogratfttftvorsaiau für -f^örspiele
München/UKW: „Moral" von Ludwig Thoma
NWDR: „Herz der Welt" von Heinz Pauck und Harald Braun
Beromünster: „Der Teufel" nach Alfred Neumann
Stuttgart: „Dje Reise nach Braunschweig" von Max Gundermann
Stuttgart: „Vater braucht eine Frau" von Herbert Dührkop
Frankfurt: „Leonce und Lena" Lustspiel von Georg Büchner
Südwestfunk: „Wenn wir alle Engel wären" von Heinrich Spoerl
Frankfurt/UKW: „Spanische Hochzeit" von Günther Weisenborn
München: „Der letzte König" von Helmuth Backhaus
RIAS: „Gefallene Engel" von Noel Coward
Stuttgart: „Der eingebildete Kranke" von Moliere
Südwestfunk/UKW: „Ich kannte die Stimme" von Wilh. Wehmeyer
München/UKW: „Die Schwestern" von Alix Dufresne
NWDR: „Lumpazi Vagabundus am Rhein" j
Stuttgart: „Die törichten Jungfrauen oder Weiberwirtschaft" von J. M. Bauer
Frankfurt/UKW: „Tartüff", Komödie von Moliere
Stuttgart: „Die Flucht" von John Galsworthy
Südwestfunk/UKW: „Wendemarke" nach William Faulkner
RIAS: „Josip und Joana" von Rüdiger Syberberg
München: „Das Irrlicht" von Horst Lange
München/UKW: „Seltsames Beispiel einer weiblichen Rache" nach Diderot
von Charles Regnier *
Südwestfunk: „Ein Mann verläßt seine Frau" von Walter Jens
Frankfurt: „Der Verfolgte" von Friedrich Roemer nach Siegfried Lenz
Frankfurt/UKW: „Retour" von Pierre-Maurice Richard
München: „Der Revisor" von Nicolai Gogol
Südwestfunk: „Die Querulantin" von Hermann Stahl
Südwestfunk/UKW: „Wenn wir alle Engel wären" von Heinrich Spoerl
München/UKW: „Das Irrlicht" von Horst Lange
NWDR: „Elektra"
Frankfurt: „Denn sie sollen getröstet werden" nach Alan Paton
Frankfurt/UKW: „Der Verfolgte" von Friedrich Roemer nach Siegfried Lenz
Südwestfunk: „Die Antwort" von Otto Schräg
Südwestfunk/UKW: „Die Antwort" von Otto Schräg
Frankfurt: „Cäsar und Kleopatra" von Bernard Shaw
Frankfurt/UKW: „Eleonora Düse" von Arthur Fauser
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
Denke an den „Hörspiel-Preis der Kriegsblinden"!
14
Emil Wilh. Sondermann
Gummersbach
Spinnerei, Strick- und Wirkwaren-Fabrik
C. A. Baldus & Söhne
103 1 Kommanditgesellschaft lirOl
Osberghausen (Bezirk Köln)
Spinnerei / Strick- und Wirkwaren-Fabrik
Telefon 2715 Gummersbach
Chr.Höver&Sohn
' Edelstahlwerk *',
Berghausen (Bez. Kujnf
SkhncllorehstäKle
WerkzeuggTiBstählc ■"•
legiert und unlegiert für
"-.^ jeden Verwendungszweck
Werkteagc und Stähle für die.
^teinindustrle
Busch &Co.
Fabrik zahnärztlicher Instrumente
Engelskirchen
Fernruf 75
STAHL
Edelstahl
Edelstahlformguß
Schmidt & Clemens
Edelstahlwerk
Berghausen bei Engelskirchen
(Bezirk Köln)
Kordt & Rosch, Wipperfürth (Rhld.)
Preß-, Stanz- und Hammerwerk
Krawinkel & Schnabel
Gummersbach
Chr. Müller & Sohn
Bergneustadt
Streichgarn-Spinnerei
Strick- und
Wirkwaren-Fabrik
Biumbergbohrer G.m.b.H., Engelskirchen, Bez.Köin
a*
Qualitäts-Spiraibohrer-Fabrik
Alb. Reusch
SPINNEREI - STRICKEREI
Derschlag
Gustav Jaeger
Ründeroth (Rhld.)
Seit 1879
Ründerother
Geschäftsbücherfabrik
Geschäftsbücher
Schulartikel / Notizbücher
Heinrich Geldmacher
Papierfabriken
Erzeugung: Tüten-, Pack- u. Tauenpapiere
aller Art, Beklebepapier, Ta-
petenrohpapier in allen Spe-
zialsorten, Isolierrohrpapier
u. Rohpappe, Briefumschlag-
papier, Hülsenpapier,
Karteikarton
Verarbeitung: Spinnerei -Hülsen -Isolierrohr
Winterborn
Fernrai 207 u. 259 Nümbrecht
Felderhoferbrücke
(Hoffnungsthal)
Ruf 204 Ruppichteroth
Post Hennef (Sieg)
Papier-
verarbeitungswerk
in Guxmühlen
Fernruf 224 Nümbrecht
Post Wiehl-Land
Homburger Papierfabrik
gegr. 1650 ehem. Fürstliche Papiermühle gegr. 1650
^ ■ seit -1806 im Familienbesitz i
Wilhelm Geldmaiher
Nümbrecht- Papiermühle, Bezirk Köln, Post Wiehl
Telefon Nümbrecht 313/314
Tapetenrohpapier aller Art, Tüten und Packpapiere
15
Kritische Betrachtung eines Lesers
Unserer Bundeszeitung ist die Aufgabe
gestellt, über unseren begrenzten Kreis hin-
aus auch die Öffentlichkeit anzusprechen, um
bei ihr echtes Verständnis für unsere Lage
zu erwecken. Je lebendiger die Darstellung
unserer Anliegen ist, um so lebhafter wird
die Wirkung sein. Es kommt also auf das
Bild an, das wir von uns selbst in Umlauf
setzen, auf unser Selbstporträt, denn von
ihm hängt ab, wie wir gesehen und beur-
teilt werden. Dieses Bild wird sich natur-
gemäß aus einer Vielfalt an Erscheinungen
zusammensetzen, die auch Gegensätze in sich
birgt. Damit wird zugleich einer Idealisie-
rung und Typisierung vorgebeugt, die beide
ebenso unerwünscht sind wie die bestehen-
den Vorurteile.
Um einen wahrheitsgetreuen Querschnitt
zu erhalten, läßt die Schriftleitung neben
anderen Mitarbeitern möglichst viele Kame-
raden selbst zu Worte kommen.
Nun wird von seiten ernsthafter Kamera-
den der Vorwurf erhoben, in dem bisher ge-
zeigten Bilde würden die Lebensfrohen, die
Glücklichen und Begabten unberechtigt
mehr in Erscheinung treten als der
Durchschnitt. Vor allem würden die
Unglücklichen, die nicht mit ihrem Schicksal
Zurechtgekommenen ganz in den Hintergrund
gedrängt.
Dadurch komme die zu Verallgemeinerun-
gen neigende Öffentlichkeit zu einer ein-
seitigen Vorstellung von uns Kriegsblinden,
zur Vorstellung nämlich, daß unser Los mit
einiger Willenskraft und einem Schuß Hu-
mor verhältnismäßig leicht zu tragen sei.
In der Folge wird befürchtet, unser Opfer
werde zu gering bewertet. Auch könnten die
Kameraden, die noch nicht zu einer einträg-
lichen Arbeit gefunden hätten, in den Ver-
dacht geraten, daß bei ihnen ein nicht durch
die Erblindung bedingter charakterlicher
Mangel vorliege. Schließlich bestehe die Ge-
fahr, die bisher gewährten Versorgungs- und
Versicherungsleistungen und beruflichen
Vergünstigungen könnten geschmälert oder
zum mindesten nicht verbessert werden, da
ja die Kriegsblinden nach ihren eigenen An-
gaben dasselbe zu leisten imstande seien
wie ihre sehenden Berufskollegen.
Ist der Vorwurf der Einseitigkeit berech-
tigt? Daß die veröffentlichten Einsendungen
im „Kriegsblinden" von Erfolgen, von Selbst-
überwindung und von neuer Lebensbejahung
zeugen, wird wohl nicht verwundern. Von
den Stunden der Verzweiflung und Anfech-
tung erzählt niemand gern. Auch ist
es natürlich, daß die Beiträge von dem auf-
geschlosseneren und regsameren Teile un-
serer Kameraden stammen. Der Beruf spielt
dabei keine Rolle. Es sind alle vertreten,
die Handwerker wie die sogenannten Intel-
lektuellen. Ihr Antrieb zum Schreiben rührt
nicht von geistiger Überlegenheit her, son-
dern aus dem ehrlichen Bemühen, im gegen-
seitigen Gedankenaustausch sich und den
anderen weiterzuhelfen und darüber hin-
aus der Öffentlichkeit zu beweisen, daß der
Blinde keineswegs zu werktätiger und
geistiger Unfähigkeit verdammt ist. Wenn
hierbei neben dem Abbau von Vorurteilen
auch ein Abbau rührseligen Mitleids be-
wirkt wird, ist dies nur zu unserem
Vorteil und wird nur von den wenigen
bedauert, die sich der Firma Nimm und Co.
verschrieben haben.
Die Befürchtung freilich, daß unser Los
allzu leicht gewogen werde, hat leider ihre
Berechtigung. Es gibt Mißgünstige genug, die
erkannt haben, daß sich unser eigener Opti-
mismus als brauchbare Waffe zu unserem
Nachteil verwenden läßt. Diese Neider
stehen nicht nur im Lager der Friedens-
blinden oder anderer Versehrtengruppen.
Es gibt, wie in jüngster Zeit bekannt wurde,
genügend obrigkeitliche „Einsparer", denen
die hohen Ausgaben für die Opfer des Krie-
ges ein Dorn im Auge zu sein scheinen.
Was ist also zu tun? Soll die Schriftleitung
in Zukunft den Erfolgreichen und Lebens-
frohen einen Maulkorb umhängen, um damit
die beanstandete Einseitigkeit zu beheben?
Sollen mehr als bisher die dunklen Seiten
unseres Daseins hervorgehoben, und soll ins-
besondere von denen berichtet werden, die
noch immer nicht ihr seelisches Gleichgewicht
gefunden haben?
Nein, laßt die schreiben, die schreiben
wollen, wie seither auch!
Doch bei allem Selbstbewußtsein, bei aller
Freude an beglückenden Erlebnissen und Er-
folgen, den bitteren Tropfen der Selbstkritik
dürfen wir nicht vergessen. Prahlerei ist un-
angebracht, schon um der Kameradschaft
willen. Wir unter uns brauchen uns doch
nichts vorzumachen. Wir kennen unsere
neuralgischen Punkte, unsere leichte Erreg-
barkeit und jähen Stimmungsumschläge.
Wer über die ewig lauernden Tücken des
Objekts und unsere kleinen Schwächen mit
Humor zu schreiben versteht, soll dies tun.
„Man kann ruhig darüber sprechen!" Aber
psychologische Analysen und propagandi-
stische Hintergedanken sind fehl am Platze.
Daß wir normale Menschen geblieben sind,
haben wir genugsam bewiesen. Den Blinden
als Übermenschen darzustellen oder als be-
sonders Begnadeten, ist abgeschmackt. Was
uns erfinderisch macht, ist unsere Not. Diese
Not ist immer gegenwärtig und fordert uns
zu immer neuer Überwindung heraus. Mag
der einzelne seine Leistungen der eigenen
Kraft, einem günstigen Geschick, verdienter
oder unverdienter
Gnade zuerkennen,
so hat doch keiner
das Recht, andere
geringer zu achten,
weil sie mit ihrem
Schicksal nicht fertig
wurden. Wissen wir
denn, was gerade
in ihnen zerstört
wurde? Wir haben
nur die Pflicht, sie in
unseren kamerad-
' schaftlichen Schutz
zu nehmen.
F. Mezger, Tübingen
iippettteftei!
■MWWUiUOnww
BEUGE VOR DURCH
fb
'anriavm.
PASTillEW
FARBWERKEHOECHST v»m*& &S&M* SßuUm + SBuu^ Frankfurt (M)-Höchst
Man vergleiche dazu
auch den Beitrag auf
der ersten Seite die-
ses Heltes^- mit der
überschritt „Heroisie-
rung?" Die Schriltltg.
Irren ist menschlich
Hätten wir Kulturmenschen den einstmali-
gen Spürsinn der Nase behalten, so irrten
wir weniger. Wie gut also, daß ich meinen
Vierbeiner besaß und seine Nase!
Das Land Baden ist zwar nui klein und
war es immer, dennoch immerhin groß ge-
nug, daß man sich auf einem Spaziergang
verirren kann, wenn man durch die Buchen-
wälder streift und dabei nicht auf Ausgangs-
wege, Kreuzwege und Straßengabelungen
achtet. Wo es besonders schön war in die-
sem Waldgebiet um Heidelberg, da hatten
wir uns gelagert und in die Stille des Wal-
des hinein geträumt. Dann waren wir wieder
ein Stück gelaufen, und wieder lockte ein
herrlich stiller Waldweg. Wegzeichen gab
es allerdings nicht ...
Unser Führhund konnte sich nun mal
tüchtig in seiner seltenen Freiheit bewegen.
Ihn interessierten weniger die herrlichen
Buchen, sondern all das, was da kribbelte
und krabbelte auf dem Waldboden. Immer
blieb er interessiert zurück, ließ uns aber
dennoch nicht aus den Augen oder Nase.
Doch nun begann es Abend zu werden
und wir mußten daran denken, umzukehren,
denn soviel wußten und schätzten wir, es
mußte ziemlich weit sein bis zur Stadt, wo
man angeblich sein Herz verliert. Schneller
schritten wir aus und wußten jetzt nur, daß
wir der untergehenden Sonne abgewandt
unseren Weg gehen mußten. Es dämmerte
bereits, und noch immer konnten wir nichts
von Heidelberg wahrnehmen. Kein Mensch
kam vorbei, kein Fahrzeug, kein Reiter,
nichts, gar nichts. Es schien also, als seien
wir die einzigen Menschen auf dieser Erde,
und ein Hund. Da zeigte sich endlich, immer
noch mitten im Wald, eine Wegegabelung.
Pech — woher waren wir gekommen, von
rechts oder links? Meine Frau wußte es auch
nicht, und nun standen wir hilflos und fremd
in der stillen, dunkelnden Einsamkeit. Un-
ser Orientierungssinn versagte. Was nun?
Meine Frau schluckte heimlich an den Trä-
nen, denn sie fühlte sich ja als Führung ver-
antwortlich. Da kam mir der rettende Ge-
danke: der Hund, sein Spürsinn und sein
Orientierungssinn würden wohl nicht ver-
sagen! Und ich rief ihn heran.
„So", sagte ich tröstend zu der Meinen,
„nun paß mal auf, wie der selbst im Dun-
keln den Weg findet, dorthin, wo wir her-
gekommen sind und wo sein Futternapf
steht." Ich befestigte die lange Leine an
seinem Halsband und hieß ihn vorangehen.
Wir folgten mit Hoffnung und doch auch Ban-
gigkeit im Herzen.
Der Hund nahm den Weg zur Linken, ob-
wohl meine Frau glaubte, wir müßten am
Nachmittag auf dem rechten Weg hergekom-
men sein. Lange gingen wir so, vom Hund
geführt und schwiegen, denn es war doch
eine Verstimmung eingetreten. Man machte
sich bestimmt Sorge um uns dort in der
Stadt, zumal es nun ganz dunkel war. Und
sich nun gar einem Hund anvertrauen, und
„wider besseres Wissen", wie meine Frau
grollte?
Da endlich zeigte sich Licht in der Ferne.
Schneller schritten wir jetzt und von Hoff-
nung neu belebt, doch ob es Heidelberg
sein würde? Endlich blieb der Wald hinter
uns zurück und drunten im Neckartal lag
Heidelberg mit seinen vielen Lichtern. Meine
Frau atmete froh auf. Der Hund also, ohne
jemals vorher diese Gegend begangen zu
haben, er hatte sich nicht geirrt und hatte
ganz instinktiv den rechten Weg gefunden,
obwohl er bei seinem Umherstreifen sicher-
lich nicht auf die Gegend geachtet hatte. Wir
haben uns zwar noch öfter im Leben auf
.Wegen .und an Menschen geirrt, nie aber,
wenn der Hund unser Führer war, ja, man
konnte behaupten, der Hund irrte sich nie,
selbst nicht an Menschen,. Fritz Bloch
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ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 7 . 3. JAHRGANG
MÄRZ 1952
VERLAGSORT BIELEFELD
Cjresundheit und Stärke sind wohl ein hohes Gut;
aber verachtet ihr nicht jeden,
der sie nur braucht zu leerem Gepräge?
Ist denn der Mensch ein sinnlich Wesen nur,
daß auch das höchste Gefühl des leiblichen Lebens
ihm alles sein darf?
SCHLEIERMACHER
AUS DEM INHALT
Seite
„Hörspielpreis der Kriegsblinden" erstmalig vergeben . . 1
,,DU", Gedicht des Kameraden Rudolf Ferbers .... 1
„Darfst du die Stunde rufen?"
Von Dr. Lotz (Hamburg) 2
„Doch das Gehör verleiht den rechten Glauben mir" —
Zur Deutung der menschlichen Stimme.
Von Thea von Beckerath 3
Verrät die Stimme den Körperbau?
Von Franz Feistner 4
Politische Wochenschrift in Blindendruck 5
Aus den Landesverbänden 8
Heinrich Funk gestorben
Aus Württemberg-Nordbaden
Karneval in Düsseldorf
Etwas über unsere Kameraden im Osten 9
Blindenführhunde in Frankreich im 18. Jahrhundert.
Von Dr. Hans Haupt 10
Zur Verständigung zwischen Mensch und Hund (Zu einem
neuen Buch) 12
Seite
Lesermeinung
Ein Vorschlag zur Führhundbelieferung.
Von Franz Lewin 12
Haben wir eine Sonderstellung?
Von Hans Haule 13
Kriegsblinde im Sport (Kamerad Schiffmann geht nach
Helsinki) 13
Neuer Blindenberuf bewährte sich (Abhörer im Rundfunk-
sender). Von Prof. Dr. W. Nestel und Obering. Ehlers 15
Für unsere Schachfreunde
Von Gabriel Mertens (Köln) 15
Kleine Neuigkeiten 16
Vom Sichgehenlassen
Von Kamerad Hans Lehmann (Marburg) .... 17
Programmvorschau für Hörspiele 17
Der Kriegsblinde im Rechtsstudium
Von Wolfgang Schmidt (Göttingen) 18
Das Billett der Königin
Erzählung von Stefan Andres 20
Beim Buchhändler 20
Kriegsblinder O hnhände r beim Skilauf" — dies Foto für die erste Umschlagseite erhielten wir von Barbara Seidl-
Herberz (Diessen-Ammersee). Das Foto aut der Umschlagrückseite stammt von dpa-Soltau.
341 - 692 - 687 - 686 - 685 - 684 - 683 - 681 - 680 - 679 - 678 - 677 - 676 - 623 - 612 - 613 - 614 - 654 - 655 - 656 - 657 - 667 - 669 - 662 - 661 - 673 - 674 - 675 - 592 - 596 - 588 - 589 - 590 - 591 - 644
.Der Kriegsblinde', Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BVNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. Y.
Nr. 7 . 3. Jahrgang . März 1952 . Verlagsort Bielefeld
„Hörspielpreis der Kriegsblinden" erstmalig vergeben
Der erste und bisher einzige deutsche Hörspielpreis — Preisträger wurde Erwin Wickert
Die Rundfunkzeitschrift „Hör zu" beteiligt sich mit einem Preis von 2000 DM
. Die deutschen Kriegsblinden wollen nicht
immer nur die Nehmenden und Fordernden
sein, Und so brennend auch die sozialpoliti-
schen Probleme sind, es erschöpft sich in
ihnen nicht einseitig das Tätigkeitsfeld des
Bundes der Kriegsblinden Deutschlands. Ge-
rade der Kriegsblinde braucht ja nicht nur
ein äußerlich, sondern auch ein innerlich
erfülltes Leben. Die Quellen dazu sind ver-
schiedenster und vielfältiger Art, und eine
dieser Quellen ist ohne Frage der Rundfunk.
„Das Rundfunkhören ist mein geistiges
Lebenselement geworden", sagte einer der
kriegsblinden Preisrichter, die sich am 29. Fe-
bruar im Frankfurter Funkhaus zur
Preisrichtersitzung zusammenfanden. Diese
Äußerung werden gewiß Tausende unserer
Kameraden unterschreiben. Der Rundfunk,
in der Öffentlichkeit cft als kulturgefährdend
verdächtigt, ist für alle blinden Menschen zu
einem großen Segen geworden. Und so
repräsentieren die Kriegsblinden als die
dankbarsten und intensivsten Rundfunk-
hörer die gesamte deutsche Hörer-
schaft, vor allem jene Hörerschaft, die
nicht nur gleichgültige Hörer sind, sondern
„Zuhöre r".
Deshalb wird in Fachkreisen und in der
Öffentlichkeit der „Hörspielpreis der Kriegs-
blinden", dessen Stiftung unsere Zeitschrift
veranlaßt hat, als Preis der gesamten Hörer-
schaft gewertet, zumal er ohne Beeinflussung
durch irgendeine Rundfunkanstalt vergeben
wird. Das bedeutet nur die Wahrung der er-
forderlichen Unabhängigkeit des Preisge- '
richts, nicht, etwa irgendein Mißtrauen oder
gar eine Gegnerschaft zu den Sendern. Im
Gegenteil: dem Rundfunkschaffen — und
hier insbesondere dem Hörspiel — zu
dienen, das ist ja ein gemeinsames Anliegen,
das die Preisstiftung mit den Rundfunk-
anstalten eng verbindet. Von diesem Ein-
vernehmen zeugt allein schon die Tatsache,
daß die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich
rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundes-
republik die Kosten für die Preisrichter-
sitzung übernahm, wofür wir auch an dieser
Stelle noch einmal unseren aufrichtigen Dank
aussprechen möchten, und von diesem Ein-
vernehmen- zeugt auch die gastliche Auf-
nahme, die uns bei der Preisrichtersitzung
durch den Hessischen Rundfunk in seinem
neuen Frankfurter Funkhaus gewährt wurde.
Bei Beginn der Sitzung begrüßte Herr
Intendant Eberhard Beckmann
in Gegenwart der leitenden Herren des
Hessischen Rundfunks die anwesenden Preis-
richter, wobei er darauf hinwies, daß ja für
den Rundfunk bei einer Hörspielsendung
alle Hörer sozusagen „blind" seien und daß
deshalb die Kriegsblinden mit Recht das
Hörspiel hier zu ihrer eigenen Sache machen.
Auch die anderen Herren des Senders, von
denen sich besonders der Programmreferent
des Intendanten, Herr Wolfhart Mül-
ler, und der Leiter der Abteilung Publizi-
stik, Herr Dr. E. K. Fischer, sowie Herr
Schneider als Leiter der Pressestelle um
ein gutes Gelingen- der Tagung bemühten,
zeigten höchstes Interesse am Verlauf der
Tagung.
Die Preisrichter
Die in das Preisgericht berufenen Rund-
funkkritiker — angesehenste Fachleute
DU
Manchmal ist mir's, als sah' ich die Sterne
zitternd und nah.
Ist's nur ein Traumbild?
Erinnerung? Sehnen?
Ich sehe die Landschaft, sehe die Ferne,
wie ich sie einst in der Jugend sah.
Ist's nur ein Traumbild?
Erinnerung? Sehnen?
Jetzt bist du da . . .
Gib mir die Hand,
daß ich dich fühle,
tief, wo das Verborgene ruht;
denn was ich sah,
ist innig verwandt
wie ich dich fühle,
tief, wo das Verborgene ruht.
RUDOLF FERBERS
aus der ganzen Bundesrepublik — , waren zu
unserer großen Freude alle erschienen, ob-
wohl sie großenteils recht weite Reisen zu
machen hatten. Es waren die Herren Dr.
Bonte („Neue Zeitung", München), Dr.
habil. Eckert (Hamburg), Dr. habil.
Gieß (Heidelberg) und Horst Krüger
(Freiburg) gekommen. An Stelle des durch
seine Berufung in den NWDR Hamburg aus-
geschiedenen Dr. Schwitzke nahm als fünfter
Fachmann H. W. von Meyenn (Bielefeld)
an der Sitzung teil. Gleichberechtigt gehör-
ten fünf Kriegsblinde dem Preisgericht an:
die Kameraden Boncelet (Berlin), Huth
(Koblenz), Schönfeld (Bolsternag, Würt-
temberg) und Wurthmann (Opladen).
An Stelle des plötzlich erkrankten Kamera-
den Dr. Binder (Landshut) sprang der Be-
zirksvorsitzende von Frankfurt. Kamerad
Cyrus, ein. Elftes Mitglied und Vorsitzen-
der des Preisgerichts war der Schriftleiter
der Zeitschrift „Der Kriegsblinde", von der
bekanntlich die Initiative zu dem Hörspiel-
preis ausging. Friedr. W. Hymmen (Bielefeld).
Zur besonderen Freude aller Anwesenden
hatte es auch unser Bundesvorsitzender,
Amtsgerichtsrat Dr. P 1 e i n , trotz seiner
übergroßen Beanspruchungen möglich ge-
macht, an der Sitzung teilzunehmen. Er wies
mit kurzen, bewegenden Worten zu Beginn
der Sitzung und auch bei einem Presse-
empfang am Nachmittag auf die Eigenart
der Erlebnisfähigkeit der Kriegsblinden hin
und auf ihre besonders wache Anteilnahme
an den Sendungen des Rundfunks, wobei
allerdings das rechte Zuhören eine Kunst
sei, die — wie beim Vorlesen — erst nach
Monaten geduldiger Übung recht beherrscht
werde.
Es war eine strapaziöse, fast zwölfstün-
dige Sitzung, denn immerhin galt es, eine
große Anzahl von Hörspielbändern abzu-
hören, die wir (auf Grund einer brieflichen
Vorentscheidung der Preisrichter) von ver-
schiedenen Sendern angefordert hatten, und
es galt, darüber in einem Kreis zu disku-
tieren, dessen Teilnehmer naturgemäß von
recht verschiedenen Standorten aus das Hör-
spiel beurteilen. Der literarisch und funk-
kritisch erfahrene Sachkenner saß dem
kriegsblinden Hörer gegenüber, der nicht
zuerst nach der künstlerischen Form, sondern
nach dem inneren Ergebnis und Erlebnis
fragt. Aber gerade diese Spannungen mach-
ten die Sitzung für alle Teilnehmer frucht-
bar und anregend, und nicht nur die kriegs-
blinden Preisrichter, auch die Fachkritiker
äußerten zum Schluß des Tages, daß diese
Begegnung ihnen äußerst lehrreich gewesen
sei.
Die Maßstäbe des Urteils
Die besondere Eigenart unseres Hörspiel-
preises ist es, im Gegensatz z. B. zu den
meisten Filmpreisen, nicht nur nach der
formalen künstlerischen Qualität zu fragen.
Bei der Bekanntgabe unserer Planung (siehe
Julih<»ft 1951 „Der Kriegsblinde") hieß es:
„Wenn wir nach dem , besten deutschen
Hörspiel fragen, so meinen wir damit das
gewinnreichste, also jenes Hörspiel, das uns
noch lange nach der Sendung am tieisten be-
wegt und das uns innerlich bereichert. Wir
suchen also jenes Hörspiel, das vom
Menschlichen her uns anredet und
uns eine Hilfe gibt, mit dem Dasein besser
fertig zu werden oder die Zusammenhänge
und Aufgaben unseres eigenen Lebens
besser zu verstehen."
. Diese Zielsetzung des Preises machte das
Urteil weitaus schwerer, als wenn nur nach
der künstlerischen und rundfunkgemäßen
Könnerschaft eines Autors zu fragen gewesen
wäre. Andererseits sollte selbstverständlich
ein Hörspiel preisgekrönt werden, dessen
Aussagekraft verbunden ist mit einem
hohen Ranq auch der künstleri-
schen Gestaltung. So ergaben sich
z. B. umfangreiche Diskussionen um das
Hörspiel „Die Krankheit des Herrn Satory"
von Waldemar Maaß (urgesendet vom
NWDR Hamburg). Unser Kamerad Wurth-
mann setzte sich mit großer Leidenschaft
gerade für dieses Hörspiel ein, weil es den
Menschen von heute wirklich etwas angehe.
Die Geduld und zuverlässige Treue einer
Frau, auch über Enttäuschungen hinweg, die
sie von ihrem Mann erfährt, das ist hier das
in der Tat vorzüglich gewählte und mit
prächtiger Gesinnung behandelte Thema.
Aber die Mehrheit der Preisrichter konnte
sich dennoch nicht entschließen, diesem
Hörspiel den Preis zuzuerkennen, weil die
künstlerische Gestaltung dem Autor nicht
überzeugend gelungen ist.
Aussage oder Form?
Und umgekehrt: ein Hörspiel von einer
so glänzenden, bannenden formalen Kraft
wie Günter Eichs „Träume" entzieht sich
aller helfenden, weisenden Aussage. In
quälenden Visionen wird die Angst darge-
stellt, wie sie den Menschen von heute be-
gleitet, ohne daß Eich dazu ein Wort des
Trostes oder des Ausweges sagt. So wider-
sprach auch dieses Hörspiel der eigentlichen
Zielsetzung des Hörspielpreises und fand
nicht die nötige Zustimmung der Preisrichter.
Mancherlei. Hörspiele wurden während
der Sitzung abgehört oder doch teilweise
abgehört. Starke Eindrücke hinterließ außer
den genannten Werken noch „St. Louis
Blues" von Wuttig (urgesendet vom NWDR
Berlin), das bewegende Schicksal eines
schwarzen Jazztrompeters mit einer groß-
artigen Beherrschung aller funkischen Mittel
schildernd, oder „Der Soldat und die Puppe"
von Ulrich (Bayerischer Rundfunk), ein Hör-
spiel, das den Konflikt eines deutschen Sol-
daten im letzten Kriegsjahr zum Gegenstand
hat. Auch Christian Bocks „Nachtgespräche"
wurden immer wieder diskutiert, ein Hör-
spiel, das in einer — im Gegensatz zur
Stuttgarter Ursendung — leider veränderten
Form jetzt unter dem Titel „Hinter sieben
Fenstern brennt noch Licht" erneut zur Sen-
dung gelangt.
Das preisgekrönte Hörspiel
Das Preisgericht einigte sich schließlich in
später Stunde auf das Hörspiel „Darfst
du die Stunde rufen?" von Erwin
Wickert (Heidelberg), ein Hörspiel, das die
Frage der Euthanasie, also der Tötung
unrettbar Leidender, zum Gegenstand hat.
Es geht in diesem Hörspiel im Grunde um
die Bejahung des Leides, um ein Sich-Über-
winden, nicht zuletzt um des geliebten an-
deren Menschen willen. Das Preisgericht gibt
zu dieser Entscheidung die folgende
Begründung bekannt;
„Das Preisgericht hatte die Aulgabe, die im
Jahre 1951 gesendeten deutschen Hörspiele
nicht nur in ihrer künstlerischen Qualität,
sondern zugleich auch nach dem Maß ihrer
menschlich gewinnreichen Aussage zu prüien.
Die Wahl iiel nach eingehendem Abwägen
auf Erwin Wickerts Hörspiel „Darist du die
Stunde ruten?" , weil hier ebenso mutig wie
verantwortungsvoll ein menschliches Pro-
blem unserer Zeit aufgegriffen wird, näm-
lich die Bewältigung des Leidens und Ster-
Darfst du die Stunde rufen?"
55
Unser Kamerad Dr. L o t z (Hamburg) ist
ein besonders aufmerksamer und kritischer
Freund des Hörspiels. Schon im Spätsommer
des vorigen Jahres schickte er uns die fol-
gende Betrachtung zu dem jetzt preis-
gekrönten Hörspiel, das damals auch im
UKW-Programm des NWDR zu hören war.
Wir drucken diese Betrachtung gänzlich un-
verändert hier ab:
Wie wohltuend: ein modernes ernstes Hör-
spiel ohne Psychopathen und Neurotiker, —
Menschen „wie du und ich". Was diese
Menschen erleben, könnten unsere eigenen
Leiden, Ängste und Kample sein; wir be-
gleiten sie, wie man liebe nahe Angehörige
durch schwere Stunden begleitet. Was die
junge Frau Eilermann durchmachen muß, ist
nicht ein neurotischer „Komplex" , sondern
-die Angst des lebenbejahenden jungen Men-
schen vor dem Sterben, — meine und deine
A.ngst, mit der wir alle uns früher oder
später auseinandersetzen müssen.
Darf man die Todesstunde rufen, die Qualen
eines unheilbaren Kranken verkürzen? —
Vielleicht kommen viele von uns von einer
natürlichen Bejahung der Euthanasie her. Sie
scheint uns so selbstverständlich human, und
der Film „Ich klage an" wußte alle Beweis-
gründe dafür der Vernunft und dem Gefühl
sehr eindrücklich zu machen. Alles, was der
Gatte der Kranken im Hörspiel dem Pro-
fessor der Klinik entgegenhält, um ihn zum
Helfen zu bewegen, sind vielleicht unsere
eigenen Argumente.
Und dann findet der Professor aus der
Weisheit seines Alters und seiner langen
Erfahrung an Sterbebetten Worte, die uns
aufhorchen lassen und verborgene Tiefen an-
rühren. Worte über die Ehrfurcht vor dem
Tode, über sein Erleben, und daß selbst
kleine Menschen oll einen großen Tod sterben.
Nicht der Paragraph des Gesetzbuches hält
ihn zurück, auch nicht nur das ärztliche Ethos,
das ihn bis zur allerletzten Minute gegen
den Tod ankämpfen läßt, sondern diese tiele
religiöse Ehrlurcht vor dem Geheimnis des
Todes, an das er mit Menschenhand nicht zu
rühren wagt.
„Sie geben mir wohl Spritzen, die die
Schmerzen betäuben; aber die entsetzliche
Angst lassen Sie mir" , hatte die junge Frau
ihn angeklagt. Seine Güte weiß ihr auch
diese Angst zu nehmen und ihr tut dem
Weg zu ihrer letzten Reife helfend beizu-
stehen. — Erschütternd, wie sie über sich
selbst hinauswächst und die Kraft findet, die
Schmerzen weiter zu ertragen. Nun ist sie
bereit, bewußt durch die Pforte des Todes
zu gehen', ihren eigenen Tod zu sterben . . .
Daß der UKW-Funk eine Pause des Schwei-
gens einschaltete, um den tiefen Eindruck
des Hörspiels nachklingen zu lassen, wurde
dankbar empfunden.
Vielleicht sind manche Hörspiele literarisch
wertvoller, in der Gestaltung 'noch künstle-
rischer. Was aber diese Sendung über sie
erhebt, ist die tiefe menschliche Bedeutung,
die uns unmittelbar anspricht. Sie ist uns
eine Hilfe, mit unserem eigenen Schicksal
und unseren eigenen Lebensschwierigkeiten
fertig zu vserden. Keine scharfsinnigen philo-
sophischen Erörterungen über das Problem
des Todes, auch keine tieienpsychologische
Anatomie der Seele, sondern die schlichte
menschliche Wirkung eines tatsächlichen
Lebens und Sterbens. — So werden wir ge-
zwungen zu innerer Selbstbesinnung und
zur Stellungnahme letzten Lebenstragen
gegenüber. Diese Fragen sind nicht an einem
Hörspielabend lösbar-, sie begleiten uns
weiter, verbunden mit der lebendigen Er-
innerung an die Menschen dieses Hörspiels.
Um dieser inneren Bereicherung willen
kommt diese Sendung iür die Aaszeichnung
mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden in
Betracht. Es wäre dringend zu wünschen,
daß dies Hörspiel auch im NW DR-Programm
der Mittelwelle gesendet würde.
bens. Dabei kann es nach Meinung des
Preisgerichts nicht die Aulgabe eines Hör-
spiels sein, endgültige Antworten zu geben,
sondern es soll Anlaß zum Nachdenken und
zur Besinnung bieten. Diese Aulgabe eriüllt
Wickerts Hörspiel in einer besonders glück-
lichen und dem Rundlunk gemäßen Weise,
auch wenn die dramaturgische Gestaltung
noch einzelne Wünsche oilenläßt.
Die Entscheidung war deshalb nicht leicht,
weil die Hörspiele aller westdeutschen
Rundtunkanstalten zu berücksichtigen waren
Bundesbeiratssitzung in Wiesbaden
Vom 8. bis 10. März wird in Wiesbaden
eine Sitzung des Bundesbeirates des Bundes
der Kriegsblinden Deutschlands e. V. statt-
finden. Dem Bundesbeirat gehören die Vor-
sitzenden aller Landesverbände an. über-
aus wichtige Themen stehen auf der Tages-
ordnung, außer den Berichten der Bundes-
leitung und der Sachbearbeiter vor allem
versorgungsrechtliche Fragen, Fragen der
Arbeits- und Berufsfürsorge sowie der sozia-
len Fürsorge nach dem BVG. Auch das
Schwerbeschädigtengesetz wird ausführlich
zur Debatte stehen. Wir berichten über die
Tagung im nächsten Heft unserer Zeitschrift.
und unter ihnen eine Anzahl weiteier be-
achtenswerter Werke vorlag. Besondere
Anerkennung landen „Träume" von Günter
Eich und „St. Louis Blues" von Wuttig.
Bearbeitungen nach ausländischen Autoren
und Uebersetzungen wurden nicht in Be-
tracht gezogen."
Ergänzend zu dieser Erklärung darf hier
wohl gesagt werden, daß mit Erwin
Wickert ein Rundfunkautor ausgezeichnet
wurde, der sich durch die Wahl seiner
Themen, durch den großen Ernst und durch
die Wahrhaftigkeit bei ihrer Behandlung mit
Recht viele Freunde unter den Rundfunk-
hörern gemacht hat. Es seien hier von seinen
Hörspielen nur „Lot und Lots Weib" ge-
nannt sowie „Alkestis". Dr. Wickert, ein
Vertreter der jüngeren Generation, ist auch
durch seine Hörfolgen über Ostasien, wo er
lange gelebt hat. und über die Geschichte
des Dritten Reiches bekanntgeworden, nicht
zuletzt aber auch durch sein Romanschaffen.
Erfreulich ist, daß mit dem preisgekrönten
Hörspiel auch der Sender Stuttgart ausge-
zeichnet wird, der durch die Aktivität und
durch den künstlerischen Mut seiner Hör-
spielarbeit unter Gerhard Prager vorbild-
lich ist.
Was ist der Preis?
Der Preis selbst besteht in einer kleinen
B r o nz e p 1 a s t i k „Der Entenfänger", die
der kriegsblinde Bildhauer Jakob
Schmitt (Mainz) geschaffen hat. Zur
Stiftung eines Geldpreises sah sich der Bund
der Kriegsblinden Deutschlands verständ-
licherweise nicht in der Lage. Im übrigen
gibt es vielerlei solche nur symbolische
Preise, wie die berühmten „Oscars" in den
Vereinigten Staaten — Pokale, die als
Filmpreise verliehen werden. Es wurde aber
bereits von verschiedenen Sendern in Aus-
sicht gestellt, das preisgekrönte Werk auf-
zuführen, so auch anläßlich des Presse-
empfangs im- Frankfurter Funkhaus von
HerrnDr. Lauterbach, dem Leiter der
Hörspielabteilüng des Hessischen Rundfunks.
„Hör zu" beteiligt sich
Während dieser Pressekonferenz, an der
Vertreter vieler in- und ausländischer Blätter
und Agentüren teilnahmen, gab Herr Dr.
Fillies, der Leiter der süddeutschen Redak-
tion der Rundfunkzeitschrift „Hör zu", spon-
tan bekannt, daß er unter dem Eindruck der
Wichligkeit unserer Unternehmung und
unter dem Eindruck des hohen Niveaus, von
dem sie getragen sei, im Namen des Ver-
lages und des Hauptschriftleiters Eduard
Rhein einen Betrag von 2000 DM zusätzlich
zur Verfügung stelle. 1000 DM soll der
preisgekrönte Autor erhalten, und 1000 DM
sollen in Form von Rundfunkgeräten
dem Bund der Kriegsblinden Deutschlands
zur Verfügung gestellt werden. Unter dem
Beifall der vielen Versammelten wurde
diese zusätzliche Stiftung dankbar ange-
nommen.
überhaupt war gerade das Interesse der
Rundfunkfachpresse sehr groß. Vertreter der
Rundfunkfachpresse waren als Gäste zur
Beobachtung der Sitzung eingeladen, und so
nahmen an der gesamten Preisrichtersitzung
außer Herrn Dr. Fillies auch der Chef-
redakteur vom „ Radio- Almanach", Herr
Röhrich, sowie der Chefredakteur des In-
formationsdienstes „Kirche und Rundfunk",
Herr Dr. Tank, und andere Fachleute teil.
Der einzige deutsche Hörspielpreis
Der Grund dafür, daß in der Fachwelt und
in der Öffentlichkeit dieser „Hörspielpreis
der Kriegsblinden" eine so große Beachtung
findet, liegt nicht zuletzt darin, daß hier der
erste deutsche Hörspielpreis überhaupt ver-
geben worden ist. Bisher hatte noch nie
eine zusammenfassende Wertung und Sich-
tung der Hörspielpläne eines Jahres in die-
ser Weise stattgefunden, eine bedauerliche
Lücke, die jetzt geschlossen wurde.
Wir Kriegsblinden aber wollen mit der
Vergebung dieses Preises eiqentlich nur
dies: allen Hörspielautoren dan-
ken für die vielen reichen Geschenke, die
wir von ihnen empfangen haben Wer dankt
ihnen sonst? Die Tagespresse übergeht
meist in völlig ungerechtfertigter Weise die
Aufführungen im Rundfunk, obwohl manche
Hörspiele eine Zuhörerschaft haben, die
nach Millionen zählt. Nur allmählich wird
das Hörspiel als literarische Gattung ernst-
genommen. Hier das Ansehen des Hörspiels
zu fördern und die Autoren zu ermutigen,
nicht zuletzt auch: durch die Wahl des
preisgekrönten Werkes dem gesamten deut-
schen Hörspielschaffen einen gewissen
Akzent zu geben — -, das ist unser Haupt-
anliegen.
??
Doch das Gehör verleiht den rechten Glauben mir'
Betrachtungen und Erfahrungen zur Deutung der menschlichen Stimme
Den Menschen an der Stimme erkennen
oder wiedererkennen ist von größter Be-
deutung für den Blinden und seine Welt-
orientierung, will er aus der Verschlossen-
heit, die ihm der Verlust eines der beiden
wichtigsten Sinnesorgane auferlegte, zur
Offenheit des menschlichen Bezuges kommen.
Die Wiedererkennbarkeit, über das Gehör
zu prüfen, unterscheidet Dr. W. Mühlen-
siepen in seinem Aufsatz „Stimme und
Sprache" (Novemberheft) die unwillkürliche
Unveränderlichkeit der Stimme von der
willkürlichen Veränderbarkeit seiner
Sprechweise. Prof. Winkler schränkt
in seiner Erwiderung im gleichen Heft diese
Unterscheidung auf ein jeweiliges Mehr
oder Minder an Veränderlichkeit sowohl der
Stimme als auch der Sprechweise ein. Blei-
bende Wesenszüge der Persönlichkeit
werden mindere Veränderlichkeit zeitigen
als fallweiser Wechsel des Redegegenstandes
oder der Stimmung.
Dieser Feststellung möchte ich noch eine
weitere Betrachtung anschließen. In der All-
tagserfahrung begegnen uns Stimme und
Sprechweise zumeist im Verbände sprach-
lichen Ausdrucks, der nur noch gelegentlich
impulsiv unterbrochen wird von wortlosen,
unartikulierten Stimmlauten, wie sie vor-
kommen z. B. als Schrei des Schmerzes, des
Schreckens, als Ausruf der Überraschung,
des Zorns, der Begeisterung, als Lachen
aller Gefühlszustände, vom Gelächter des
Hohnes bis zur Lachkaskade gelöster Heiter-
keit. In diesem Ausdrucksgeschehen reiner
wortloser Laute erfahren wir den
Menschen nicht nur im Sinne seiner momen-
tanen Erregbarkeit und situationsgebunde-
nen Verhaltensweise. Der Urlaut der Ge-
fühle erlaubt noch weitreichendere Rück-
schlüsse auf den Grad seiner Innerlichkeit
und damit auf ihm eigentümliche Wesens-
züge der Echtheit. Mit einem Lachen kann
der Mensch einer Antwort entgehen, einer.
Situation ausweichen, sich einer Stellung-
nahme entziehen und damit dem Zeug-
nis seiner Eigentlichkeit, seiner Echtheit.
Aber diese mehr oder weniger tief an-
gesetzten Urlaute gehören in unserer heu-
tigen Verkehrssprache zu den seltenen
Unterbrechungen eines im ganzen wort-
gebundenen Redeflusses. Das bedeutet in
Hinsicht auf die Unterscheidbarkeit von
Stimme und Sprechweise, daß sie praktisch
nur in Verbindung miteinander
auftreten. Je erwachsener ein Mensch wird,
um so fester verkitten sich diese beiden
Bestandteile. Was beim kleineren Kinde
noch leicht in seiner Unverbundenheit aus-
einander zu hören ist: Tonmelodie in;
ihrer Modulationsfülle, in der Abgesetzt-
h e i t das Sprechband noch wenig artiku-
liert, mit seinen kindlich zerdehnten Vokal-
akzenten— man darf nur einmal das Magne-
tophonband einer Kinderstimme rückwärts
ablaufen lassen, um das genau zu ver-
folgen— , das verbindet sich nach den Bruch-'
Übergängen der Pubertät mit zunehmender
Bewußtheit zu einem gesteuerten Mitein-
ander von Stimme und Sprech-
weise, bei persönlicher Gestaltungskraft
zu einer durchgegliederten Ganzheit der
Stimmsprache, um erst im Greisenalter wie-
der mählich auseinanderzufallen: diesmal
zerbröckelt die Stimme zuerst und die
charakteristische Konturiertheit der Sprech-
weise hebt sich deutlicher ab.
Vom „Leib" über die „Seele" zum „Geist"
reicht, was in Merkmalen der Stimmlage,
Klangfarbe, Lautstärke, im Melos, Rhythmus,
Tempo, in der Artikulation und Akzen-
tuierung nur auseinandergefaltet, tatsächlich
in der menschlichen Rede innig ver-
bunden in seiner Wirkeinheit vernehm-
bar wird.
IL
Dürfen wir uns aber in der Deutung auf
unser Ohr verlassen? Wie kommt es
zu der Aussage, der sprachliche Stimmaus-
druck sei unser, der Menschen eigenstes
Ausdrucksgebiet? Sollten wir nicht besser,
um den Menschen in seiner Person zu er-
kennen, andere Ausdrucksfehler bevorzugen:
seine Mimik und Gestik, seinen Gang be-
obachten? Oder den Niederschlag seiner
Bewegung in der Handschrift? Oder aber
den mittelbaren Ausdruck seiner Werk-
gestaltungen in Kunst, Wissenschaft oder
Technik erforschen?
Nun, all das geschieht. Dennoch bleibt die
Frage nach der Eigenheit des stimmsprach-
lichen Ausdrucksgebietes brennend für den
Blinden, der, um eine Wahrnehmungsfähig-
keit verarmt, auch in der Erkenntnismöglich-
keit verkürzt zu sein befürchten muß. Die
Antwort erteilt ihm, der bereits ein beson-
deres Feingefühl für alles Hörbare ent-
wickelte, der eigene Stellenwert, den das
Ohr unter allen den Menschen verfügbaren
Sinnen einnimmt. Dem „schauenden" Grie-
chen wird der „Hörende" der Testamente
gegenübergestellt, fragt man nach diesen bei-
den Säulen des abendländischen Menschen-
bildes. Der heilige Thomas betet: „Gesicht,
Gefühl, Geschmack betrügen sich in mir,
allein das Ohr verleiht den rechten Glauben
mir".
Auf der Ebene der Ausdruckserscheinun-
gen hat Klages der Unmittelbarkeit des
Von der Preisrichtersilzung imFrankfurter Funkhaus. Linkes Bild: Preisrichter vor dem Mikrophon des Hessischen Rundfunks. Von rechts nach links:
Dr. G. Eckert (Hamburg), Dr. H.-G. Bonte (München) und der Schriftleiter unserer Zeitschrift. Ganz links Herr Krüger-Loreptzen (Radio Frankfurt). Rechtes
Bild: Kriegsblinde Preisrichter lauschen einem Hörspiel. Von rechts nach links: Die Kameraden Boncelet (Berlin), Huth (Koblenz) und Wurthmann (Opladen).
Sprechens die entsprechende Unmittelbar-
keit des Hörens zugesellt; denn wir haben
sonst kein Organ, das Unmittelbares
bewirken könne, keines, das etwa Gestalten,
Farben, Lichter hervorbringt. Die Unmittel-
barkeit, mit der der menschliche Mund
Geräusche, Klänge, Töne erzeugt, macht es
aus, das wir „am Dynamismus der klingen-
den Welt als ihn Bewirkende teil-
nehmen".
Gehen wir diesem Gedankengange weiter
nach, können wir fragen: Warum hört der
Mensch, wo er ebensogut und bequemer
lesen könnte? Warum hört er Vorträge,
Reden, Predigten, Dichtungen, Theaterstücke,
Kollegs? Warum spielt der Hör- Saal die
große Rolle, wie jegliche Schule in erster
Linie über das Ohr ihre Lernenden erreicht?
Weil erst der tönende, sprechende Mensch
den Werken der Kunst und Wissenschaft
eine Unmittelbarkeit verleiht, die die Un-
mittelbarkeit des Hörers aufrufen kann;
weil erst durch den Mund des Sprechers
hindurch der tote Buchstabe sein eigentliches
Leben wiedergewinnt und Leben im Hören-
den zu wecken vermag. In der Unmittelbar-
keit seiner Sprechweise hören wir, ob der
Mensch echt oder unecht, wahr oder falsch
ist, und ob wir seinen Aussagen Glauben
schenken dürfen oder nicht.
III.
Wenn wir nun, das Gemeinte zu verdeut-
lichen, mit Goethe gesprochen, die Seele
vom „Erstaunen in die Betrachtung über-
gehen lassen wollen", so müssen wir uns
den experimentellen Stimm- und
Sprechuntersuchungen zuwenden.
Wie sieht in unserem Fall eine solche
„Betrachtung" aus? Wie steht es mit der
Erfaßbarkeit der Eindrücke von Stimme und
Sprechweise? Wie erfolgt die charakterolo-
gische Zuordnung? Die Aufnahme der Ver-
suchsperson erfolgt auf Magnetophonband
mit einer festgelegten Folge immer gleicher
Leseproben — um der Vergleichbarkeit
willen - — und in freier Aussprache, die all-
mählich die Künstlichkeit der Versuchs-
situation abbaut zugunsten einer natürlichen
Auflockerung.
Können wir im Rahmen der unwillkür-
lichen Sprechart Stimmlage, Klangfarbe,
Lautstärke eher dem leibbedingten
Lebensgrund zuordnen, so geben uns Melo-
die, Rhythmus und Tempo Aufschluß über
die beweglicheren Gestimmtheiten der Ge-
fühle und ihrer Antriebe. Die mehr oder
weniger klar artikulierte Wortgestalt (aus
Vokalen und Konsonanten gebildet) verrät
uns einiges über Art und Ausmaß bewußter
Gestaltungskräfte, über den Grad intellek-
tueller Steuerungen und willens-
mäßiger Haltungen, für welche in gleicher
Weise Heraushebungen und Absetzungen
im Satzgefüge aufschlußreich sind.
Die solcherweise auseinandergefaltete
Sprechart persönlichen, unwillkürlichen Cha-
rakters wird aber tatsächlich nur erfahrbar
in der Variationsbreite ihrer mehr oder
minder willkürlichen Veränderbar-
keit, wie sie äußere und innere Faktoren
veranlassen mögen: äußere „Reize", innere
Gefühle, Affekte, Stimmungen, Planungen,
Wollungen, die sich am „Sinn" der Rede,
dem Redegegenstand ablesen lassen. Womit
sich die weitere Frage stellt: „Wie weit ist
der Stimm- und Sprechausdruck dem
Sprachinhalt angemessen?
Fraglos gilt die Ausdrucksunlersuchung
nur so weit, als wir vom bewußt gesetzten
Ausdruckszeichen das unbewußt spon-
tane zu unterscheiden wissen. Da mag es
verwunden^ wenn wir nun gerade beim
Schauspieler diese Unterscheidung aufzu-
suchen uns bemühen, um an ihm die Gesetze
der Gültigkeit des stimmlichen Sprechaus-
drucks für die Person zu erarbeiten. Ein
kleines Beispiel mag zum Schluß aufzeigen,
wie eben hier, wo die stimmlich-sprachliche
Ausdrucksfähigkeit des Schauspielers in sich
als gesichert anzusehen ist, die beobachtende
Einstellung auf die spontanen Zeichen ein-
mal, weiterhin auf die Sinngemäßheit des
Ausdrucks ergiebig werden kann für die
charakterologische Bedeutung der Person,
die allein den schauspielerischen Ausdruck
mit Leben zu erfüllen vermag.
IV.
Ein jugendlicher Schauspielschüler, der
den Sprung ins erste Engagement ansetzen
will, ist unser Probant. Er wählt, wie alle
unsere Schauspieler - Versuchspersonen die
erste Sprechprobe — ein Rollenrezitat —
frei aus, in seinem Falle den Faustmonolog
als für ihn, seine Person und sein schau-
spielerisches Können wesentlichen Ausdruck.
Mit warmem baritonalem Stimmklang, in
der Tiefenlage verhüllter, sensibler, nach
der Höhe zu sich metallisch verfestigend,
spricht er die Verse schwingend, melodiös,
im gedrängten Tempo, die Satzfolgen gleich-
sam wie Bälle jonglierend, immer rascher,
immer geballter, ein gefühlsbewegter Dar-
steller mit klug gliederndem Aufbau, reich
begabt nach Seiten der Gefühlsinnerlichkeit,
der Raschheit seelischer Abläufe und der
Gestaltungskraft. Das Vorherrschen voka-
lischer Artikulation setzt als Mangel eine
gewisse Spannungslosigkeit, die spürbar
wird am leicht Forcierten der hohen Ton-
gebung im Affekt, der stoßweisen Akzen-
tuierungen, am allzu Gedrängten, Atem-
losen der Satzballungen und nicht zuletzt
an den Pausen, die Löcher reißen mitten
hinein in den Fluß der Verse und ihren
Atembogen, Leere, unausgefüllte Löcher:
„O sähst du, voller Mondenschein" . . .
(Loch!) . . . „zum letzten Mal auf meine Pein".
Die Pause ist nicht durchatmet, als zöge sich
der eben noch Drängende gleichsam zurück,
halte sich auf, immer häufiger fallen die
Löcher heraus, unterbrechen den Rhythmus,
bremsen das Tempo.
Hier haben wir mitten im künstlerisch
gestalteten willkürlichen Ausdrucks-
geschehen ein unwillkürliches spontanes
Zeichen aufgespürt; dieser Spur folgen wir-
nach. Auch, wenn wir das Anfängertum, die
jugendliche Lebensunerfahrenheit berück-
sichtigen, haben wir dennoch, wie sich aus
weiteren Proben ergibt, die ich hier nicht
darlegen kann, an diesem Merkmal eine
Wesenseigentümlichkeit erfaßt. Wie die zu-
sammenfassende Charakterdeutung ergibt,
ist der junge Mann, so gefühlsbetont mit
reicher innerer Erlebnisfähigkeit, intuitiver
Denkbeweglichkeit und ästhetischem Ge-
staltungsvermögen er auch ist, doch zwie-
spältig veranlagt: labil im Lebens-
gefühl und resignierend im Selbstgefühl. Er
atmet eben nicht durch! Zur Verwirklichungs-
möglichkeit seiner Teichen Gaben fehlt es
noch an der Anstrengungs- und Willens-
bereitschaft. Will er auf seinem Weg ins
Leben der Realität des Daseinskampfes ge-
wachsen sein, so muß das Spannungsver-
hältnis von seinen schönen Gaben zu An-
trieben und Willenskräften sich noch her-
stellen.
Der Mensch bleibt erkennbar an
Stimme und Sprechweise, auch
der sich willkürlich verändernde Schau-
spieler. Den Wolf erkannten die sieben
Geislein an der Stimme, er mußte erst
Kreide schlucken, damit sie ihm die Mutter
glaubten. Das menschliche Ohr ist nicht so
leicht verführbar. Thea von Beckerath
Verrät die Stimme den Körperbau?
„Sprich, daß ich dich sehe!" so überschrieb
Herr Prof. Winkler seinen Aufsatz in der No-
vember-Ausgabe und sprach damit Worte aus,
die für uns eine tiefe Bedeutung haben kön-
nen. Die Leistungen des Blinden, der aus
der Stimme sogar das Aussehen seiner Mit-
menschen bestimmen konnte, erscheinen uns
fiappierend, ebenso die Sicherheit, mit der
Herr Prof. Winkler eine ihm unbekannte
Frau beschrieb, allein an Hand deren Spre-
chens. Diese Beispiele lassen uns erkennen,
wie weit man die Stimmdeutung treiben
kann. In dem geschilderten Fall des Blinden
haben wir einen Schicksalsgefährten vor
uns, der sich, ohne Fachmann zu sein, rein
gefühlsmäßig der Stimmdeutung bediente,
die er kraft seines inneren Sehvermögens,
ausgezeichnet handhabte.
Diese Kräfte, die uns das innere Sehen
mehr oder wehiger stark ermöglichen, machen
unser „Einfühlungsvermögen" aus.
Darin liegt das Geheimnis, das uns den Um-
gang mit Menschen und somit auch die
Stimmdeutung erlaubt. Jeder Mensch besitzt
Einfühlungsvermögen, denn sonst wäre uns
die Verständigung unmöglich. Natürlich ist
es verschieden stark vorhanden und ein-
zelne können es bis zum sogenannten Hell-
sehen steigern. Wir haben aber als Kriegs-
blinde gerade durch die Lichtlosigkeit eine
gewisse Steigerung dieser Kräfte erfahren.
Ob diese Kräfte jedoch schon bis zur Stimm-
deutung reichen, das ist für jeden Kamera-
den eine andere Frage. Dazu möchte ich
sagen, daß wir diese Eigenschaft in stär-
kerem Maße besitzen, als wir oft anneh-
men. Wir müssen nur lernen, von ihr Ge-
brauch zu machen. Bei uns kommt es auf
das Hinhören an. Es zu üben, kann uns
nur von Nutzen sein.
Was kann uns dazu dienlich sein? Fange
bei dir selbst an und achte darauf, w i e du
sprichst und w a s du sprichst, überlege nach-
her, warum du in dieser oder jener Situation
eben das gesagt hast. Gib dir über dich
selbst Rechenschaft und suche dich selbst erst
einmal zu erkennen. Stelle diese Erkenntnis'
deinen tatsächlichen Handlungen gegenüber.
Dann versuche, dies auf andere zu übertra-
gen. Bevor du ein Urteil über einen Men-
schen sprichst, überlege, wie du in der glei-
chen Situation gehandelt hättest. Wenn du
dich so in seine Lage hineinversetzt hast,
wird dein Urteil oft anders ausfallen als
sonst. So wirst du leichter Zugang zu Men-
schen und Dingen finden.
Das sollen nur kleine Anregungen sein,
die das Einfühlungsvermögen schärfen. Gar
bald bemerkt man dann in der Stimme und
Sprechweise eines Menschen bestimmte Merk-
male, die in den vergangenen Aufsätzen
schon genügend kommentiert wurden. Auf
diese Merkmale wird man achten müssen.
Erst muß man sie erkennen, d. h. alle Merk-
male, die in der Stimme einer Person ver-
borgen liegen, sind festzustellen, und erst
jetzt kann man mit der Stimmdeutung an-
fangen. Nur, wenn man die einzelnen Merk-
male in Beziehung zueinander setzt und
stets das Ganze im Auge behält, bekommt
man ein richtiges Bild.
Wie kommen wir aber dazu, aus der Stimme
nicht nur auf den Charakter, sondern auch
auf das Aussehen eines Menschen schlie-
ßen zu können? Mit anderen Worten: Wie
kommen wir zu dem „Sprich, daß ich dich
sehe?" Berühren wir damit nicht die Gren-
zen unserer Leistungsfähigkeit? Es wird
sicher viele geben, die diese Grenze über-
schreiten können, wie der anfangs erwähnte
Blinde. Aber sind das nicht Ausnahmen?
Ich möchte dieser Ansicht nur zum Teil
widersprechen. Auch ich glaube, daß es
schwierig ist, rein gefühlsmäßig auf
das Aussehen eines Menschen nach der
Stimme zu schließen. Dazu benötigt man ein
Einfühlungsvermögen, das nur schwer er-
reichbar ist. Kombinationsgabe und Phanta-
sie kommen hinzu. Trotzdem möchte ich be-
haupten, daß viele diesem Punkt schon sehr
nahe sind, nur ist es ihnen nicht bewußt.
Ich denke dabei an mich selbst und bin über-
zeugt, daß es den meisten ebenso geht.
Spreche ich zum Beispiel mit einem Menschen,
so habe ich eine bestimmte Vorstellung von
ihm, auch wenn ich nicht absichtlich auf
seine Stimme achte. Er kann mir ganz un-
bekannt sein, trotzdem sehe ich ihn irgend-
wie vor mir. Nicht direkt bildhaft, aber ich
habe eine verschwommene Vorstellung. Es
könnten wer weiß wieviel Personen sein,
die ich vor meiner Erblindung noch nie ge-
sehen habe, so habe ich doch jeden anders
vor mir, selbst in der Erinnerung. Gewiß
haben wir alle das schon an uns bemerkt
und das zeigt uns doch eigentlich, daß w i r
mehr sehen, als wir annehmen.
Diese Möglichkeit gilt es auszuschöpfen!
Man überlege: Der Sehende nimmt durch
das Auge zuerst die äußere Gestalt eines
Menschen wahr und schließt von ihr auf den
Charakter. Physiognomie, Mimik und Gestik
lassen auf die Seele schließen. Demnach
müßte einer bestimmten Gestalt auch ein
bestimmtes inneres Wesen entsprechen, zu-
mindest ungefähr. Sonst wäre ja der Körper
nicht Ausdrucksträger der Seele. Mit ande-
ren Worten: die Seele bedient sich des Kör-
pers, um sich auszudrücken, sich mitzuteilen.
Der Ausdruck des Körpers ist uns durch die
Erblindung nicht mehr zugänglich. Uns bleibt
fast nur die Sprache. Erkennen wir nun in
der Stimme seelische Zustände oder Eigen-
schaften, so wissen wir, daß diese Eigen-
schaften sich auch im Körper wider-
spiegeln. Wir müssen jetzt also den um-
gekehrten Weg gehen und vom Charakter
auf den Körper schließen.
Hierzu leistet uns ein Buch von Prof.
Kretschmer wertvolle Dienste. Es trägt
den Titel: „Körperbau und Charakter".
Kretschmer stellt darin drei Körperbautypen
heraus, denen bestimmte Charaktereigen-
schaften entsprechen. In meinem ersten Auf-
satz beschrieb ich zwei Stimmtypen. Auf der
einen Seite standen die „Gemütsmenschen",
die gesellig und mitteilsam sind, also extra-
vertiert, und auf der anderen Seite die in
sich gekehrten und verschlossenen Menschen,
die introvertiert sind. Diesen entsprechen
ungefähr die zwei Haupttypen Kretschmers,
die sich nach außen hin oft sachlich und
nüchtern geben. Ihr Körperbau ist nach
Kretschmer lang, hager, knochig. Der pyk-
nische" Typus, der den Gemütsmenschen
(extravertiert) verkörpert, ist kleiner und
hat stets rundliche Formen. Cäsar meinte
ihn, als er von den wohlbeleibten Männern
mit Glatze sprach, die er um sich haben wollte.
Etwa in der Mitte liegt dann der „athle-
tische" Typus.
Diese knappen Anmerkungen sind natür-
lich sehr grob, und man muß schon das Buch
selbst lesen, um eine klare Unterscheidung
herausholen zu können. Näher darauf ein-
zugehen, würde hier zu weit führen. Aber
ich hoffe, doch wenigstens Fingerzeige ge-
geben zu haben. Vielleicht kann mancher
Kamerad dadurch etwas mehr Sicherheit im
Umgang mit seinen Mitmenschen erlangen,
um — wenn möglich — sogar sagen zu
können: „Sprich, daß ich dich sehe!"
Franz Feistner
Die Frage der Soforthilfe- Abgabe der Kriegsblinden
Die Milderungsbestimmungen für kriegsblinde Gewerbetreibende
Durch das Gesetz über die Soforthilfe sind
manche schwierige Fragen aufgetaucht, deren
Erörterung und Klärung auch die Kameraden
interessieren dürften; insbesondere die Frage,
in welchem Umfange die Soforthilfe-Ver-
pflichtungen eines Kriegsblinden ermä-
ßigt bzw. gestundet werden können.
Es soll im folgenden versucht werden, an
Hand der gesetzlichen Bestimmungen und
Verwaltungsanweisungen einen gewissen
Überblick über die Materie zu geben.
Der Abgabepflicht unterliegt das Betriebs-
vermögen im Sinne der §§ 54 bis 66 des
Reichsverwertungsgesetzes. Als Betriebs-
vermögen im Sinne dieses Gesetzes gelten
auch Wirtschaftsgüter, die Gewerbetreibenden
außerhalb ihres Gewerbebetriebs oder Nicht-
gewerbetreibenden gehören, soweit den Um-
ständen nach anzunehmen ist, daß sie dazu
bestimmt sind, zum Verkauf, zum Tausch
oder zu ähnlichen Zwecken verwendet zu
werden(nichtgewerblichesVorratsvermögen).
(§ 3 Ziffer 3 Salz 1 und 2 SHG). Schulden
und sonstige Verbindlichkeiten irgendwel-
cher Art, die mit dem Betriebsvermögen in
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind
nur abzugsfähig, soweit die Voraussetzun-
gen des Abs. 2 vorliegen (§ 7 Abs. 1 SHG).
Bei der Einziehung der Abgabe ist — ab-
gesehen von den allgemeinen Bestimmungen
des Gesetzes über die Stundung von Sofort-
hilfeabgabe vom 4. Dezember 1951 — ins-
besondere in den Fällen erheblicher Kriegs-
schäden, Kriegsfolgeschäden und dergl. auf
die Zahlungsfähigkeit des Abgabepflichtigen
Rücksicht zu nehmen (§ 22 SHG). Ist der Ab-
gabepflichtige durch erhebliche Schäden oder
durch Kriegsfolgeschäden im Sinne des §31
des Gesetzes und des § 21 dieser Verord-
nung (Währungsschäden, Flüchtlingsverluste,
Kriegssachschäden, Verluste der politisch Ver-
folgten, Schaden durch Demontagen, Resti-
tutionen usw.) in eine seine Existenz bedro-
hende Notlage geraten, so ist bei der Prüfung
seiner Zahlungsfähigkeit auf notwendige
Maßnahmen des Abgabepflichtigen zur Siche-
rang seiner Existenz Rücksicht zu nehmen.
Bei Flüchtlingsbetrieben und Schwer-
beschädigtenbetrieben ist bei der
Einziehung der Abgabe auf die erschwerten
Verhältnisse, unter denen diese Betriebe
arbeiten, Rücksicht zu nehmen (§ 60 Satz 1
und 3 StDVO-SHG).
Aus dem Wortlaut dieser Gesetzesbestim-
mungen ist gegenüber den sonstigen Sofort-
hilfeabgabepflichtigen keine abweichende
Regelung für Blinde oder Kriegsblinde zu
entnehmen.
Nun hat aber der Bundesminister der
Finanzen durch Erlaß vom 2. Dezember
1949 — LA 8601 — 25/49 — nähere Anwei-
sungen über die Ermessensstundungen aus
wirtschaftlichen Gründen zu den §§59 und 60
StVDO — SHG gegeben, wobei es u. a. heißt,
daß „dem Abgabepflichtigen die Mittel be-
lassen werden müssen, die ihm eine beschei-
dene Lebensführung für sich und die von
ihm zu unterhaltenden Personen ermög-
lichen". Diese Anordnung soll aber keine
sLarre Regelung für alle vorkommenden
Fälle bedeuten, so daß in einzelnen Fällen
Besonderheiten der wirtschaftlichen Lage
eine andere Entscheidung zugunsten oder
zuungunsten des Abgabepflichtigen recht-
fertigen.
Unter Abs. III dieses Erlasses wird so-
dann ausgeführt, daß bei der Frage, welche
Mittel dem Abgabepflichtigen zur Deckung
des gesamten Lebensbedarfs zu belassen
sind, in der Regel die monatlichen Durch-
schnittseinkunftsbeträge von 150, — DM für
den Haushaltsvorstand, 30, — DM für die
Ehefrau und 25, — DM für jeden Ange-
hörigen im Sinne des § 10 StAnpG, dem tat-
sächlich voller Unterhalt gewährt wird, an-
genommen werden können.
Sodann hat der Bundesminister der Finan-
zen in Ergänzung zu dieser Verwaltungs-
anweisung in seinem Erlaß vom 28. 7. 50 —
LA 8601 — 125/50 — bestimmt, daß bei
Schwerbeschädigten und bei Blinden außer
den Werbungskosten der durch ihre Ver-
sehrtheit verursachte besondere Aufwand
mit einem Mindestbetrag, und zwar bei
Blinden von 100, — DM, ohne näheren Nach-
weis berücksichtigt wird.
Hieraus ergibt sich, daß der Bundes-
minister der Finanzen die außergewöhn-
lichen Verhältnisse der kriegsblinden Ge-
werbetreibenden in seinen Milderungs-
bestimmungen bereits anerkannt und be-
achtet hat. Da es sich bei dem in Frage Rom-
menden erhöhten Stundungsbetrag nach dem
Wortlaut aber nur um einen „Mindest-
betrag" handelt, wird durch den Erlaß nicht
ausgeschlossen, daß im Einzelfalle eine wei-.
tere Erhöhung durch das Finanzamt zuge-
billigt werden kann. Andererseits ist aber
kaum anzunehmen, daß der Bundesminister
der Finanzen grundsätzlich für Kriegsblinde
eine weitere — generelle — Erhöhung an-
erkennen wird, da schon nach diesem Er-
gänzungserlaß Renten, die Schwerbeschä-
digte erhalten, sowie angemessene Hilfe-
leistungen im Krankheitsfall den Einkunfts-
beträgen nicht zuzurechnen sind.
Daher können kriegsblinde Gewerbe-
treibende keinen erhöhten Freibetrag für die
Beschäftigung von zusätzlichen Arbeits-
kräften geltend machen, die sie durch ihre
Erblindung einstellen mußten. Es darf nicht
übersehen werden, daß die hierdurch ent-
stehenden Mehrausgaben bereits bei der Ein-
kommen- als auch bei der Gewerbesteuer als
Betriebsausgaben Berücksichtigung finden.
Ein besonderer Freibetrag außer den oben
erwähnten Milderungsbestimmungen er-
scheint nicht gerechtfertigt, da sonst eine
doppelte Berücksichtigung der Kriegsbeschä-
digung eintreten würde.
Politische Wochenschrift in
Blindendruck
Der Verlag der Blindenstudienanstalt Mar-
burg beabsichtigt, ab 1. April d. J. eine
„Politische Wochenschrift" in
Blindendruck herauszugeben. Sie wird im
Mittelformat, im Umfang von 12 Platten
(24 Seiten) erscheinen. Der Bezugspreis wird
voraussichtlich pro Heft 29 Pf bis 34 Pf zu-
züglich 7 Pf Versandkosten betragen. Er
wird sich nach der Auflagenhöhe richten,
d. h. je höher die Abonnentenzahl, um so
niedriger der Bezugspreis. Seine endgültige
Höhe wird noch bekanntgegeben. Alle Inter-
essenten werden gebeten, Bestellungen bal-
digst aufzugeben. Die Bestellungen sind zu
richten an: Verlag der Blindenstudienanstalt,
M a r b u r g / Lahn, Liebigstraße 11.
Wir freuen uns über diese neue, wichtige Be-
reicherung des Blindenschriftwesens, die in
Zuschriften an unsere Schriftleitung auch von
vielen Kameraden oft gewünscht worden ist.
Dr. Blums Lesegerät
Im Zeitfunk des Nordwestdeutschen Rund-
funks war am 25. Februar erstmalig für die
Öffentlichkeit zu hören, wie die Lese-
maschine des Dipl.-Ing. Dr. Blum arbeiten
wird. Diese Lesemaschine, von der in der
Tagespresse immer wieder die Rede ist, soll
in Schwarzdruck gedruckte Texte im Laut-
sprecher in einzelnen Sprechlauten hörbar
machen. Das Experiment im NWDR bewies,
daß dieses Verfahren nach kurzer Eingewöh-
nung erstaunliche Möglichkeiten birgt. Aller-
dings teilte Dr. Blum mit, daß er für die
Entwicklung des Gerätes noch 300 000 DM
benötige und eine Zeit von mindestens drei
weiteren Jahren. Das Bundes-Innenministe-
rium hat die Erfindung nun der Deutschen
Forschungsgemeinschaft in Bad Godesberg
zur Begutachtung vorgelegt. In dem jetzt er-
folgten Gutachten wird das Lesegerät als
eine „sehr ernsthafte, gründlich durchge-
arbeitete Erfindung" bezeichnet.
250
JAHRE
J
Surtdwiger Messingwerk
vorm. Gebr. von der Becke K.-G.
Hemer-Sundwig (Kreis Iserlohn)
B'eche, Bänder, Rohre, Grob- und Feindrähte aus: Messing, Tombak, Bronze, Neusilber
Gegr. 1698
Heinrich Stamm
G.m. b. H.
Grüne, Kreis Iserlohn
Metall-, Grob-
und Feindrahtwerke
in Phosphorbronze, Tombak,
Messing und Kupfer
Antennenlitze • Bürstendraht
Parallel-Schraubstöcke
System HEUER DRP.
ganz aus Stahl geschmiedet
verbürgt unzerbrechlich
Heuer- Hammer, Grüne Kreis Iserlohn
Fröndenberger
Kettenfabrik
-Hcintick ^tiintc
Fröndenberg (Ruhr)
Ketten aller Art
Edelstahl we rke
J. C. Söding & Halbach
Hagen in Wesff.
Schnelldrehstähle
Werkzeugstähle für
Kalt- und Warmarbeit
Rost-, säure- und
hitzebeständige Stähle
Physikalische Stähle
Gegr. 178J
Blanke Edelstahle
legiert und unlegiert
gezogen u. geschliffen
Hochleistungs-
Heizleiter-Legierungen
in Drähten, Bändern,
Wendeln
SCHWERTER
SCHWARZGUSS
*
Walter Hundhausen K.G.
Schwerte-Ruhr
Bockhacker Herde und Ofen
Bockhacker Werk
SEIT 1885
Herd- und Ofenfabrik
Gevelsberg i.W.
MÜLLER & CO., G.M.B.H.
SCHWELM
Eiserne Fässer und Großgefäße
Otio Meyer
PRÄZISIONSWERK
Ennepetal- Milspe
Radbolzen, Federbolzen, Spezialschrauben, Buchsen
Härterei — Vergüterei — Glüherei
Pappen- u. Papierverarbeitungswerk
H.W.Casack & Co., Fröndenberg -Ruhr
WER WEISS.
WAS..
., für ein Pedal sein Fahrrad hat — was für eine Kette-
was für eine Nabe . . ?
Tragen diese Teile das (jjj Zeichen, so sind sie gut.
Es sind die Erzeugnisse einer Firma, die mit Stolz von
sich sagen kann:
Es gibt kein Land in der Welt, in dem UfliOfl Erzeug-
nisse nicht gebraucht werden.
Die Fahrer der leichten Maschinen, die Sportfahrer, aber
wissen es ohnehin seit Jahrzehnten:
gut ist umon
••
EISENWERK RODINGHAUSEN
KOMMANDITGESELLSCHAFT
Lendringsen (Kreis Iserlohn)
Hauptwerk: Lendringsen (Kr. Iserlohn) / Zweigwerk: Wickede (Ruhr)
Fernsprecher: Lendringsen, Menden Kreis Iserlohn, Sa.-Nr. 2052
Graugtity, roh und fertig bearbeitet / Stahlformgufy, roh und fertig bearbeitet
Schwerarmaturen, Maschinenbau, Baubeschläge, Hausrat
Verschlußdrähte, Stahlband, Verschluß-
geräte, Blumendrähte, Imkerei -Artikel
Geschnittene Drähte für alle Zwecke
Draht- und Drahtwarenfabrik
H E M E R i. Westf.
dUmmeimann. & Ga.
Papier- und Pappenfabriken
Fröndenberg /Ruhr
C^fiM
de*t Sa^t^ccj^erru^i^LCf^
Heinrich Funk f
Nachruf des Landesverbandes
Hessen
Am 5. Februar 1952 verschied nach langer,
schwerer Krankheit im 66. Lebensjahr der
langjährige Bezirksleiter des Bezirks Wies-
baden, Heinrich F^„k. Im Jahre 1°1p an der
Somme verwundet, führte ihn sein Weg
schon kurz nach seinem Ausscheiden aus der
Wehrmacht zu seinen Schicksalsgefährten,
die sich bereits damals im „Bund erblindeter
Krieger" zusamengefunden hatten. Es war
seine feste Überzeugung, daß der einzige
Weg der Vertretung der Belange der deut-
schen Kriegsblinden bei Staat und Öffent-
lichkeit nur durch gewählte Vertreter der
vom gleichen Schicksal betroffenen Kamera-
den vorgenommen werden könne. Seine
Fähigkeiten und seine überaus große Kame-
radschaftlichkeit führten dazu, daß er bereits
im Jahre 1921 zum Bezirksleiter des damali-
gen Bezirkes Mainz-Wiesbaden im Bund
erblindeter Krieger gewählt wurde. Seine
Verdienste um die Schicksalsgestaltung sei-
MATTHAUS HAUCK
Bauunternehmung — Würzburg
ner Mitglieder brachten es mit sich, daß er
über 30 Jahre bis zu seinem Tode das Ver-
trauen seiner Kameraden besaß. Selbst
Handwerker, war ihm die Einrichtung von
Handwerkerfürsorgeeinrichtungen eine Her-
zensangelegenheit. In Würdigung seiner un-
ermüdlichen Arbeit für die Schicksalsgemein-
schaft der deutschen Kriegsblinden wurde
er auf dem Landesverbandstag des Landes-
verbandes Hessen zum Ehrenmitglied
seines Landesverbandes erhoben. Mit Hein-
rich Funk verliert der Landesverband Hessen
einen verdienten Funktionär und allseits
beliebten Kameraden. In tiefer Trauer ver-
neigen sich die Kameraden des Landesver-
bandes und insbesondere des Bezirkes Wies-
baden vor seinem Grabe, in ihren Herzen
aber werden sie ihm stets ein treues Geden-
ken bewahren.
Aus Württemberg-Nordbaden
Bei den Ulmer Kriegsblinden herrschte
Frohsinn und Scherz, aber auch Arbeitsam-
keit und Ernst.
Am 2. Februar trafen sich die Ulmer
Kameraden in Söflingen zu einer der
Faschingszeit angepaßten Zusammenkunft,
wozu auch die Neu-Ulmer eingeladen wur-
den. In froher, humorvoller Stimmung ver-
flogen die Stunden nur allzu rasch, und man
durfte viel Freude erleben. Auch an der not-
wendigen Tanzgelegenheit fehlte es nicht.
Ebenso hat die gute Küche der Wirtin, Mutter
Rampf, und ihr heiteres Wesen sowie ihre
edle Weinspende viel zur Erhöhung der
Stimmung beigetragen. Mitternacht war schon
vorüber, als sich die Teilnehmer auf den
Heimweg begaben.
Noch im gleichen Monat, am 20. Februar,
hielt die Bezirksgruppe „Donau" (Ulm-Heiden-
heim) des Landesverbandes Württemberg-
Nordbaden ihre diesjährige erste Versamm-
lung im Gasthof zum „Bärengärtle" in Ulm
ab. Kurz vor 11 Uhr eröffnete der Bezirks-
gruppenleiter die Versammlung und hieß
auch den Landesverbandsvorsitzenden, Kam.
Schnaitmann (Stuttgart), herzlich will-
kommen. Mit einem teilnahmsvollen Gruß
gedachte er dabei der deutschen Brüder und
Schwestern, welche noch in Gefangen-
schaft schmachten. Man müsse es als
eine himmelschreiende Ungerechtigkeit emp-
finden, wenn heute, nachdem die . Waffen
schon fast sieben Jahre ruhen, noch nicht
alle in ihre Heimat zurückgekehrt seien.
8
Die Tagesordnung war mit 13 Punkten sehr
reichhaltig. Der Geschäftsbericht
des Landesverbandes gab darüber
Aufschluß, daß von Seiten der Geschäftsstelle
Stuttgart auch im verflossenen Jahre für die
dem Landesverband angehörenden 690 Mit-
glieder alles getan wurde, was möglich war
und daß manch schöner Erfolg verbucht wer-
den konnte. Dem Bericht über das Kriegs-
blindenerholungsheim „Rudolf-Schnaitmann-
Haus" Wildbad war zu entnehmen, daß
sich dort alles in gutem Zustande befindet
und die Inanspruchnahme des Hauses eine
sehr rege war, so daß in den Sommermonaten
gar nicht alle Anmeldungen berücksichtigt
werden konnten. Dies sei ein Zeichen, daß
der Erwerb des Hauses eine unbedingte Not-
wendigkeit gewesen sei. Betont muß hier
werden, daß die meisten der Kriegsblinden
eine geistige oder körperliche Arbeit voll-
bringen und. daß dabei ihre Kräfte weit mehr
in Anspruch genommen werden als bei den
sehenden Mitmenschen. Daher ist auch mehr
Erholung für uns notwendig. Dieser Einsicht
haben sich auch die maßgebenden staatlichen
Stellen nicht verschlossen und ließen dem
Heim ihre Unterstützung zuteil werden. Mit
Stolz schauen die Kameraden auf das herr-
liche Heim. Die Kassenführung sowohl beim
Landesverband als auch beim Kriegsblinden-
heim Wildbad war in mustergültiger Ordnung.
Ebenso zeigte der Bericht des Bezirks-
gruppenobmanns ein erfreuliches Bild. Es
ging daraus hervor, daß auch von dieser
Stelle alles, was möglich war, im Interesse
der Mitglieder und zur Förderung und Pflege
der Kameradschaft getan wurde.
Von seiten der Versammlungsteilnehmer
wurden dem Landesverbandsleiter sowie dem
Bezirksgruppenobmann für die geleisteten
Arbeiten Dank und Vertrauen ausgesprochen.
— Bei den Neuwahlen wurde der bisherige
Bezirksgruppenobmann, Kam. Karl Nägele,
Ulm, Pfarrer-Schultes-Weg 20, einstimmig
wiedergewählt. An Stelle des bisherigen
zweiten Bezirksobmanns, Kam. August Laup-
heimer, wurde der Kam. Willy S t ä n g 1 e ,
Mähringen bei Ulm, gesetzt. — Zum Dele-
giertentag, welcher alljährlich einmal in Stutt-
gart stattfindet, wurden die Kam. Fritz Schürle
(Ulm) und Karl Hennegriff (Heidenheim)
berufen.
Anschließend wurden noch viele die Kriegs-
blinden berührenden Fragen besprochen, wie
z.B. Krankenversicherung, Haftpflicht usw.;
ebenso wurde über andere akute Dinge Rat
und Auskunft erteilt, so daß die arbeitsreiche,
in Harmonie und Sachlichkeit verlaufene
Tagung erst gegen 18 Uhr geschlossen wer-
den konnte. K. N.
Karneval in Düsseldorf
Gern kamen die Mitglieder des Bezirks
Düsseldorf der Einladung ihres Vorstandes
zur Prunksitzung am 13. 2. 1952 in der
Löwenburg in Düsseldorf-Grafenberg nach.
Schon früh waren die närrisch geschmückten
Räume mit fröhlichen Menschen gefüllt, die
voller Spannung den Aufmarsch des Elfer-
rates erwarteten, der in diesem Jahre erst-
malig in prächtigen Mänteln erschien. Wie-
derum hatte sich der Ring Düsseldorfer Kar-
nevalisten und Büttenredner unter der be-
währten Leitung von Paul Schummer un-
eigennützig zur Verfügung gestellt und der
Zeremonienmeister Peter Solbach konnte
über sechs Stunden lang die besten
Parodisten und Vortragskünstler in die Butt
bringen. Den Kameraden war am Saalein-
gang ein nettes Zehrgeld in die Hand ge-
drückt worden. Die zahlreich erschienenen
Ehrengäste aus den Fürsorge- und Versor-
gungsstellen wurden von dem Vorsitzenden
Max Heinemann herzlich begrüßt und konn-
ten sich bald davon überzeugen, daß die
Kriegsblinden den rheinischen Karneval mit
der gleichen Begeisterung zu feiern ver-
stehen wie ihre glücklicheren sehenden Mit-
menschen. Das „Helau" -Rufen und Mützen-
schwenken nahm kein Ende, als zum Schluß
der Sitzung auch noch das Prinzenpaar er-
schien. Mit launigen Reden wurden ihm von
dem Vorsitzenden einige scherzhafte Ge-
schenke überreicht. Hoch gingen die Wogen
der Freude und es wurde späte Nacht, ehe
sich die letzten Teilnehmer entschlossen, die
Stätte des närrischen Treibens zu verlassen.
Alle, die dabei gewesen, waren einer Mei-
nung: „Das war mal wieder ein Festl"
Die Prinzessin Venetia-Irmgard freut sich über eine Bürste, die ihr gerade bei der karnevahstischen
Veranstaltung der Düsseldorfer von dem Bezirksvorsitzenden, unserem Kameraden Max Heinemann
(Dritter von links), überreicht worden ist. Die Prinzessin freut sich mit Recht, denn die Bürste ist
feinste Kriegsblinden-Handwerksware,
Etwas über unsere Kameraden im Osten
Im Hinblick auf eine von uns allen er-
sehnte Wiedervereinigung Deutschlands und
auf die Kameradschaft, die alle Kriegsblin-
den von Ost und West verbindet, ist ein
Vergleich der Verhältnisse in Ost- und
Westdeutschland sicher interessant. Immer
wieder hört man im Westen die Frage: Wie
lebt ihr Kameraden im Osten? Einiges dar-
über sei hier berichtet:
Während nach dem Zusammenbruch 1945
allgemein in ganz Deutschland die Auffas-
sung vorherrschte, alles, was mit „Krieg"
zusammenhängt, müsse ausgemerzt, also dif-
famiert werden, und damit auch „kriegs"-
beschädigt und „kriegs"blind, ist man im
Westen bald zu einer ruhigeren Überlegung
gekommen. Im Osten ist aber heute noch
oder mehr denn je gültig, daß „Kriegs-
beschädigter" — ganz genau genommen —
gleichzusetzen ist mit „Kriegsverbrecher".
Warum sonst lehnt man jede Sonderstellung
des Kriegsbeschädigten gegenüber Zivil-
beschädigten grundsätzlich ab? So handelt
man in unserm Falle nach dem oberfläch-
lichen Prinzip: blind ist blind. Bezeichnender-
weise hat man aber — aus taktischen, poli-
tischen Erwägungen — im Ostsektor Berlins
1950 eine Verordnung für Kriegsbeschädigte
und gleichzeitig eine für Zivilbeschädigte
erlassen. Seltsamer Widerspruch! Macht man
also doch einen Unterschied? Dann aber,
wenn kriegsbeschädigt nicht zivilbeschädigt
ist, ist auch kriegsblind nicht zivilblind.
Wohlgemerkt, diese Verordnung ist nur
für Ostberlin erlassen, nicht für die Ost-
z o n e. Es ist ja immer ein grundsätzlicher
Unterschied zu machen zwischen Ostsek-
tor Berlins und der Ostzo'ne. In Ost-
berlin besteht also schon eine gesetzliche
Regelung. Allerdings mit sehr schäbigen
Rentensätzen. Ich setze voraus, daß die
Lebensmittelpreise usw. ungefähr geläufig
sind. Rente wird überhaupt erst ab 662/s Pro-
zent Erwerbsminderung gezahlt. In unserem
besonderen Fall: Ein Blinder (blind ist blind)
erhält monatlich, da er 100 °/o erwerbsunfähig
ist, 100 Ostmark, jetzt erhöht auf 110 Ost-
mark, und dazu 50 Mark Pflegegeld. Für die
Beurteilung der Blindheit (Hilflosigkeit)
gelten dieselben strengen Maßstäbe wie im
Westen. Insgesamt also 160 Ostmark.
Für zusätzliche Leiden, wie Hirnverletzung,
Amputationen usw., gibt es keinerlei Renten-
erhöhung. Steht der Kamerad in Arbeit, so
tritt bereits ab 190 Mark Monatsverdienst
Rentenkürzung ein. Bis 360 Mark be-
hält er noch 3/io der Rente. Darüber hinaus
fällt die Rente fort. Sie ruht dann. Eine
etwaige Invalidenrente wird nicht gezahlt,
dagegen muß jeder in versicherungspflich-
tiger Beschäftigung stehende Kamerad Bei-
träge zur Invalidenversicherung leisten.
Das Pflegegeld von 50 Mark bleibt ihm
immer. Der leichteren Vergleichbarkeit
wegen seien die Kinderzuschläge nicht er-
wähnt. Ein Zuschlag für die Ehefrau erfolgt
nur, wenn diese gleichfalls erwerbsunfähig
ist. Er beträgt monatlich 10 Mark. Nur Er-
werbstätigen kann ein Führhund geliefert
werden. Das Futtergeld für den Hund be-
trägt jetzt 25 Mark. Kann er aber keinen
Führhund halten, erhält er nicht etwa einen
Ausgleich dafür. In ein Blindenheim können
nur Berufstätige verschickt werden.
Diese Heime halten aber keinen Vergleich
mit unseren westlichen Kriegsblindenheimen
ES STARBEN:
LANDESVERBAND BAYERN
Schrotberger, Ludwig, Nürnberg, Lud-
wig-Feuerbach-Straße, geb. am 17. 2. 1892,
gest. am 26. 1. 1952.
LANDESVERBAND NORDRHEIN
D r a m s c h , Adolf, Hoffnungsthal, Blei-
feld 55, gest. am 10. 1. 1952.
Behr, Karl, Köln-Mülheim, Keupstraße 114,
gest. am 20. 1. 1952.
K e 1 1 e r , Jakob, Bad Godesberg, Lützow-
straße 1, gest. am 4. 2. 1952.
WÜRTTEMBERG-NORDBADEN
G e r w i g , Eberhard, Sindelf ingen, Kreis
Böblingen, Daimlerweg 15, geb. am 23. 9.
1913, gest. am 29. 1. 1952.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHEN!
aus. Da ja blind gleich blind ist, sind hier
Kriegs- und Zivilblinde gemeinsam anwesend.
Damit fällt schon die wichtigste Voraus-
setzung für eine geistige Erholung, die Ver-
bundenheits-Atmosphäre, fort, die uns so
wohltuend erfaßt, wenn Menschen zusammen-
kommen, die aus gleichen Ursachen, fast
gleichen Ereignissen das gleiche schwere
Leiden tragen. Zum anderen ist die Ver-
pflegung nicht sehr gut, da ja im Osten
immer noch die Rationierung besteht. Zu-
sätzlich wurde in einigen Heimen beispiels-
weise Pferdefleisch gereicht. — ■ Ihr versteht
PERSÖNLICHES
Unser Kamerad Erich Bartels, Hans-
ahlen Nr. 46, Post Schneverdingen (Lüne-
burger Heide) und seine Frau wurden
durch die Geburt eines gesunden Stamm-
halters erfreut. Der Junge soll Hartmut
heißen Wir wünschen dem kleinen Heidjer
eine gedeihliche Entwicklung zur Freude
seiner Eltern.
*
Unser Kamerad Hermann Seidel und
seine Frau Hilde, geb. Vogt aus Schiefbahn,
Bezirk M. -Gladbach, freuen sich über die
Geburt eines zweiten Jungen, Ulrich (29. 1.
1952). Möge der Junge zu einem tüchtigen
und frohen Mann heranwachsen!
Aus dem Landesverband Rheinland-
Pfalz wird uns mitgeteilt, daß dem Be-
zirksleiter von Koblenz-Montabaur, Kam.
Franz Pung aus Kirchesch und seiner
Frau der ersehnte Stammhalter geschenkt
wurde. Alle Kameraden freuen sich von
Herzen mit.
In Briedel (Mosel) feierten am 12. 2. unser
Kamerad Rudolf F r a n z e n und seine Frau
Margarete, geb. Serwatius das Fest der
silbernen Hochzeit. Wir wünschen dem Ju-
belpaar viel Glück und Segen.
Auch beglückwünscht der Landesverband
Rheinland-Pfalz unseren Kameraden Werner
B a 1 z e r und Frau aus Mettweiler zur Ge-
burt des Stammhalters Bernhard, der am
24. Januar zur Welt kam. Wir alle wünschen
viel Glück!
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also: Ein eigenartiges Gefühl beschleicht uns,
wenn wir von gemeinsamen Ausflügen,
Feiern und Weihnachtsbescherungen der
Kriegsblinden in Westdeutschland hören.
Zwar hat man in einigen Bezirken des Ost-
sektors auch m a 1 eine Feier für die Blinden
veranstaltet. Mit Bohnenkaffee und Kuchen.
Sogar mit reichlich Kaffee und Kuchen. Trotz-
dem blieb das Gefühl des Unbefriedigtseins,
es fehlte der kameradschaftliche Zusammen-
klang. Vor Weihnachten erhielt in Ostberlin
jeder Blinde von der VAB (Vers.-Anstalt
Berlin) 15 Gramm (in Worten: fünfzehn)
Bohnenkaffee und ein Täfelchen (50 Gramm)
Schokolade. Allerdings mußte er dafür
50 Pf bezahlen.
Für alle Betreuung ist die VAB zuständig.
Schon vor drei Jahren gab die VAB den
Blinden eine Bescheinigung zur bevorzugten
Belieferung mit Ledersohlen. Bis heute ist es
noch niemand gelungen, darauf eine Leder-
sohle zu bekommen. Arbeitet der Blinde im
Betrieb, bekommt er eventuell einen Bezug-
schein für Schuhe durch seine Gewerkschaft.
Die anderen kaufen sich Schuhe auf dem
schwarzen Markt oder im Westsektor zum
Umrechnungskurs. Für seine Ehefrau so-
wieso, denn die ist ja nicht berufstätig. An
einen Lodenmantel, wie er den Westkame-
raden selbstverständlich ist, ist gar nicht zu
denken. Oder gar an eine Blindenuhr? Und
seitdem die Rationierung der Oberbeklei-
dung fortgefallen ist, kann sich ja jeder
Blinde Hosen frei kaufen, er hat ja dafür die
50 Mark Pflegegeld. Für die Unterwäsche
erhält er, wie jeder andere, eine Textil-
Punktkarte mit 30 Punkten. Dafür bekommt
er ein Oberhemd (18 Punkte) und eine Un-
terhose (12 Punkte). Woher bekommt er nun
Strümpfe oder den doch wohl erwiesenen
Mehrverbrauch an Wäsche?
Eine Vertretung der Kriegsblinden gibt es
nicht, ist nicht zugelassen. Nicht mal eine
Organisation der Zivilblinden! Wozu auch?
Wird nicht die VAB praktisch von der Ost-
Gewerkschaft (FpGB) geleitet? Die soge-
nannten Bezirks-Blindenpfleger sind Einrich-
tungen dieser VAB. Aber der FDGB kann,
niemals die Interessen der Blinden mitver-
treten. Sein Mitgliederkreis sind ja gerade
die noch Leistungsfähigeren, die selbst ge-
nügend Forderungen haben. Die Ellbogen-
menschen, hier Aktivisten genannt, werden
selbstverständlich die Schwächeren, also die
Blinden mit ihren Wünschen, an die Wand
drücken. Wie bitter nötig wäre hier eine
Organisation der Kriegsblinden!
Was hier für den Ostsektor Berlins gesagt
ist, trifft in noch stärkerem Maße für die
Ost zone (die DDR) zu. In der Ostzone
gibt es noch kein Rentengesetz für Kriegs-
beschädigte. Die einzelnen Länder, Provin-
zen, Städte oder Landkreise verfahren ganz
verschieden und willkürlich. Während an
einem Ort für einen Blinden mit Amputa-
tionen monatlich 60 Mark Pflegegeld gezahlt
werden, zahlt man anderenorts 25 Mark
oder gar nichts. (Mir ist der Fall eines
kriegsblinden Doppelamputierten bekannt,
der 65 Mark Invalidenrente und; 60 Mark
Pflegegeld erhält. Und das bei den Preisen!)
Stellenweise zahlt man Invalidenrente (nach
Klebekarten) und überläßt das Weitere den
örtlichen Fürsorgestellen (Wohlfahrt). Die
Kameraden der Zone sind also noch schlimr
mer daran wie die des Ostsektors. Geplant
ist in der DDR ein allgemeines „Bürger-
V e r s o r g u n g s - G e s e t z", das dann
auch von Ostberlin übernommen werden
soll. Da aber an diesem Gesetz keinerlei Ver-
treter der davon Betroffenen mitarbeiten,
wird es nur von finanziellen Interessen der
DDR diktiert sein, und es läßt deshalb nicht
viel Gutes erwarten.
Ein ganzer Teil Kameraden der Ostzone
und des Ostsektors . hat schon Fühlung
mit dem Bund der Kriegsblinden gefunden.
Leider ist die Betreuung dieser Kameraden
sehr schwer. Wo aber eine solche Verbin-
dung hergestellt werden konnte, hat dies
bei den Ostkameraden nur Freude und eine
ungeheure Dankbarkeit ausgelöst, sowohl
gegenüber dem Bund als auch den einzelnen
Westkameraden gegenüber, nicht vornehm-
lich der Pakete wegen, so bitter nötig sie
leider sind, als vielmehr wegen des Kon-
taktes mit der großen Gemeinschaft aller
Kameraden. Verständlicherweise wagt es
ein Teil Ostkameraden nicht, mit den West-
kämeraden in Verbindung zu treten oder
auch nur auf ein Schreiben zu antworten. Sie
befürchten schädliche Folgen. Natürlich gibt
es auch hier im Osten einige wenige Krähen,
die ihr eigenes Nest beschmutzen und die
um ihrer persönlichen Vorteile willen in das
große, von der Propaganda vorgeschriebene
Hörn blasen. So gibt sich ein gewisser Run-
kel als Kriegsblinder zur Propaganda für den
sogenannten .Groscourth-Ausschuß her, einer
Ostberliner Gründung als schwächliches Ge-
genstück zum Westberliner Kampfbund ge-
gen Unmenschlichkeit. Sonst will man von
„Kriegs"blinden nichts wissen, hier betont
man ihn. Der Kriegsblinde Dr. Dartsch will
im Grunde auch nicht mehr wahrhaben, daß
er kriegsblind ist und mimt den Vorsitzen-
den eines Friedenskomitees. Wir sind be-
stimmt alle für den Frieden, denn wir haben
ja dem Krieg einiges zu „verdanken", aber
nur als Propagandapferd, obendrein vor
einem recht kriegerisch bewehrten Karren
des Hasses — nein, dazu sind wir uns zu
schade.
Vieles, was den Westkameraden schon
wieder zur Selbstverständlichkeit wurde, ist
den Ostkameraden entweder Erinnerung
oder erst vages Zukunftshof fen. Westkame-
raden, glaubt nicht etwa, daß die Ostkame-
raden euch etwas mißgönnen, im Gegenteil.
Ihr brecht ja aüfch unserer Zukunft eine Bahn.
Und wir danken euch für alles, was ihr
einem von uns Gutes tut. Helft, daß sie nie-
mals den Glauben verlieren an das Wort:
Wir sind doch Kameraden! £u*
Blindenführhunde in Frankreich im 18. Jahrhundert
In unserem Straßenleben begegnen uns
häufig Blinde, die von Hunden geleitet
werden. Die vorzügliche Führarbeit eines
gut abgerichteten Hundes, der vor jedem
Kantstein anhält und allen Hindernissen
aus dem Wege geht und dadurch seinen
Herrn sicher sogar durch den stärksten Ver-
kehr führt, versetzt uns in großes Erstaunen.
Dem aufmerksamen Beobachter mögen bei
der Gelegenheit Gedanken kommen, ob sich
Blinde schon immer durch Führhunde haben
leiten lassen. Bei genauerer Nachforschung
wird er dann in Erfahrunq bringen, daß
deren Verwendung sich wohl bis in die An-
tike zurückverfolgen läßt, daß sie jedoch
erst zu Beginn der Neuzeit, insbesondere
dann im 18. Jahrhundert in Frankreich, eine
große Bedeutung gewann.
Letzteres zeigen viele Darstellungen Blin-
der mit Hunden, die aus jener Zeit in unse-
rem westlichen Nachbarland erhalten sind.
Aus ihrer Zahl sei vor allem auf die des
französischen Malers C. Vernet hingewie-
sen (s.Abb.). Auf diesem als „Les Aveugles"
(Die Blinden) bezeichneten Bilde sind zwei
von Hunden geleitete blinde Musikanten zu
erkennen, von denen der eine ein Sänger,
der andere ein Oboespieler ist. Beide halten
den Hund an einer Leine Derartige Abbil-
dungen sind nicht allein auf das 18. Jahr-
hundert beschränkt. Ihre Reihe läßt sich ;n
Frankreich sogar bis weit in das 19. Jahr-
hundert hinein fortsetzen.
Schriftliche Hinweise auf den Ge-
brauch von Hunden für die Blindenführung
sind hingegen sehr selten. Ein sehr früher
findet sich bei dem blinden Elsässer Schrift-
steller G. C. Pfeffel (1736-^-1809) in des-
sen „Biographie eines Pudels". Sie wurde
vermutlich nach 1793 abgefaßt und erschien
erst nach dem Tode des Verfassers im Jahre
1810 im ersten Band seiner „Prosaischen
Versuche". In dieser Schilderung, in der der
Hund als Erzähler seiner Lebensgeschichte
auftritt, wird von einem kriegsblinden Sol-
daten und seinem Pudel berichtet. Der Hund
wurde in Preußen zur Zeit Friedrichs des
Großen geboren und von einem französi-
schen Soldaten erworben, der ihm den
Namen Joli gab und ihm allerlei Kunst-
stücke beibrachte, die er in Wirtshäusern
vorführen mußte. Später aber wurde er dem
Soldaten durch einen Marioneltenspieler ab-
gekauft, und es begann jetzt für ihn ein
abenteuerlicher Lebensabschnitt. Erst das
Ende der Erzählung führt ihn wieder mit
dem Soldaten zusammen, der ihn von einem
Scharfrichter zurückerhält. Als der Lands-
knecht zunehmend sein Augenlicht verliert,
wird der Pudel Joli sein Führer. „An einer
dünnen Schnur, wozu hätte er eines Strickes
bedurft, schritt ich langsam vor ihm her, und
schützte seinen Fuß vor den Steinen, und
seinen Körper vor den Stößen der noch
fühlloseren Menschen. Eine Strecke von fünf
bis sechs Meilen war der Schauplatz unserer
Wanderungen. Die Almosen fielen nun etwas
reichlicher, und wenn die Quelle versiegen
wollte, so holte ich einige meiner Kunst-
stücke hervor, welche oft mehr als der An-
blick eines leidenden Bruders auf die Ge-
müter wirkten". Auf der gemeinsamen Wan-
derschaft macht sich in einem Städtchen ein
Junge an den Hund heran, um entweder
diesen in seine Gewalt zu bekommen oder
doch den Blinden zu necken. „Er trat mir
näher, und schnitt mit einer Schere meine
Leits'chnur entzwei, die er anfaßte, um mich
wegzuführen." Als daraufhin der Knabe
vom Pudel gebissen wird., erscheinen kurz
■wsS='
Diesem Stich von Le Blond liegt eine Zeichnung
von Abraham Bosse aus der Zeit um 1640 zugrunde,
ist also die wohl Irüheste Abbildung eines Blin-
den der Pariser „Quinze-Vingts" mit Hund.
10
ianach zwei Stadtknechte, um
Joli zu töten. Der Blinde, der
sich über ihn beugt und um des-
sen Leben fleht, wird von der
Kugel, die seinem treuen Kame-
raden durch den Kopf fährt,
ebenfalls durchbohrt.
Wenn auch diese Erzählung
kein historischer Bericht, son-
dern eine Fabel ist, so spiegeln
sich doch die damaligen Lebens-
verhältnisse darin. Unbestreit-
bar weist sie den Blindenhund
in jener Zeit nach und macht es
sicher, daß Pfeffel diesen als Be-
gleiter blinder Bettler gekannt
hat; vielleicht aber hat Pfeffel
auch selbst Versuche mit einem
solchen Hund gemacht. Dafür
lassen sich freilich keinerlei An-
haltspunkte finden. Der Name
des Soldaten (Lafleur) und des
Hundes weisen eindeutig auf
französische Anregungen hin,
wie überhaupt in Frankreich
vielfach die Quellen der Fabeln
Pfeffels zu suchen sind. Es ist
deshalb durchaus berechtigt, aus
dieser Erzählung auf eine häu-
fige Verwendung der Blinden-
hunde in Frankreich im 18. Jahr-
hundert zu schließen. Allerdings sind aus
dieser Zeit auch aus anderen Ländern Ab-
bildungen blinder Bettler und Musikanten
mit Hunden erhalten.
Von besonderer Bedeutung ist es in-
dessen, daß sich damals in Paris, übrigens
zum erstenmal in der Geschichte, auch die
Angehörigen eines Blindenhospitals durch
Führhunde leiten ließen. Es handelt sich um
die Blinden der schon im Jahre 1254 ent-
standenen berühmten Blindenanstalt der
„Quinze-Vingts". Früher wurde durchweg
angenommen, daß der französische König
Ludwig der Heilige sie nach seinem ersten
Kreuzzuge für 300 durch die Sarazenen ge-
blendete französische Ritter — somit für
Kriegsblinde — begründet habe. In neuerer^
Abhandlungen wird jedoch darauf hinge-
wiesen, daß das Hospital nicht für Ange-
hörige des Adels, sondern für die Unter-
bringung der armen Blinden der Stadt Paris
errichtet worden ist. Immerhin aber scheint
Ludwig der Heilige wohl durch die Ver-
heerungen, die die ägyptische Augenentzün-
dung unter seinen Kreuzfahrern angerichtet
hatte, auf die Blinden seiner Heimat auf-
merksam geworden zu sein. Darüber, daß
sich die in dieser Anstalt untergebrachten
Blinden im 18. Jahrhundert gut abgerichtete
Hunde gehalten haben, weisen indessen die
Archive der „Quinze-Vingts" keinerlei Auf-
zeichnungen auf. Sie verfügen nur über
solche Angaben, aus denen hervorgeht, daß
sich die Blinden bei ihren Spaziergängen —
abgesehen von einem Stock — sehender An-
gehöriger des Hospitals oder kleiner Jungen
bedient haben.
Sehr wichtig ist es darum, daß es eine
Reihe von Abbildungen aus dem 18. und
sogar eine aus dem 17. Jahrhundert gibt,
die die Verwendung von Führhunden durch
Angehörige dieser Anstalt beweisen. An
erster Stelle ist ein Stich (s. Abb ) zu nennen,
der in Paris im Musee Carnavalet auf-
bewahrt wird und von Le Blond nach einer
Zeichnung von Abraham Bosse ausgeführt
wurde. Dies Bild soll durch Bosse vermut-
lich in der Zeit von 1640 — 1645 entworfen
worden sein. Auf ihm wird ein Angehöriger
des Hospitals der „Quinze-Vingts" in ste-
hender Haltung dargestellt. Er hält einen
Stock mit einer Gabenschale in der Hand.
Vor seinen Füßen sitzt ein kleiner Hund,
vermutlich ein Pudel, der dem Anschein
nach mit dem Bein des Blinden durch eine
Leine verbunden ist. Die Lilie auf dessen
äS&£s
Ein Spottbild aus dem Jahre 1712, das tür den Forscher sehr
aufschlußreich ist. Hier werden Brillen iür die Pariser Blinden
angeboten, und einer der Blinden wird otlensichtlich von einem
Hund geleitet.' Foto: Bibliotheque Nationale, Paris
Rock kennzeichnet ihn als Angehörigen des
Hospitals der „Quinze-Vingts". Sie war die
Berechtigungsmarke zum Betteln, die den
„Armen des Königs" durch die Polizei ver-
liehen worden war und sie als solche hervor-
hob. Unter dem Stich befindet sich ein Vier-
zeiler, dessen Übersetzung etwa folgender-
maßen lautet: „Muß man nicht gestehen, daß
ich zu beklagen bin und daß in den Gefahren,
die ich fürchten muß, da ich das Unglück
habe, kein Augenlicht zu besitzen, meine
Führung von einem Stock und einem
Hund abhängig ist."
Nach dieser wohl frühesten Abbildung
eines Blinden der „Quinze-Vingts" mit Hund
gebührt an zweiter Stelle einem in der
Bibliotheque Nationale in Paris vorhande-
nen Stich von Francois Ertinger „Lunetes
pour les Quinzevingts" (Brillen für die
Quinze-Vingts) vom Jahre 1712 besondere
Beachtung. Darauf ist eine Straße zu sehen,
auf der ein Brillenverkäufer Brillen an An-
gehörige der „Quinze-Vingts" abgibt. Diese
verwenden alle einen Stock. Einer von ihnen
wird von einem Hund, vermutlich einem
Pudel, geleitet. Letzterer wird an der Leine
gehalten, die am rechten Handgelenk des
Blinden befestigt ist (s. Abb.). Auf einem im
Jahre 1753 im Louvre ausgestellten Öl-
gemälde Chardins ist ebenfalls ein Blinder
dieser Anstalt erkennbar, der einen Hund
mit sich führt. Noch auf manchen anderen
Stichen und Gemälden dieser Zeit finden sich
Blinde mit Hunden, die oft offensichtlich die
Funktion eines Führhundes haben.
Außer diesen Abbildungen legen auch
schriftliche Nachrichten von der Verwen-
dung von Blindenführhunden durch die
„Quinze-Vingts" Zeugnis ab. So berichtet
der bedeutende Wiener Augenarzt Beer
im Jahre 1813 in seinem Buch „Das Auge",
daß die „Quinze-Vingts" „fast durchaus von
wohlabgerichteten Hunden in dem weit-
läufigen Paris geleitet werden". Auch weiß
er zu erzählen, daß Franzosen, die damals
Wien besetzt hielten, jedesmal in ein lautes
Freudengeschrei ausbrachen, wenn sie den
Wiener Blinden R e i s i n g e r mit seinem
Führhund erblickten und „ihn bald, indem
er alle Montage in der Alsterkasserne sein
Brod faßt, so lieb gewannen, daß sie ihm
recht landsmännisch schon von weitem zu-
riefen: ah voilä le Parisien!" Nach diesen
Worten scheinen die Blinden von Paris um
das Jahr 1800 häutig einen Führhund be-
sessen zu haben. Der Anblick dieser vier-
beinigen Führer wird natürlich Fremden,
die die französische Hauptstadt besuch-
ten, besonders aufgefallen sein. Dement-
sprechend hat auch der deutsche Dichter
Friedrich Hebbel, als er in Paris weilte,
in seinen Tagebüchern am 3. Dezember 1843
seinen Eindruck mit folgenden Worten fest-
gehalten: „Ich sah heute zum erstenmal
einen Blinden, den sein Hund, ein junger,
muntrer Pudel, führte. Der Alte spielte
eine Violine und hatte einen Strick um den
Leib gebunden, an dem der Hund befestigt
war; das Thier that immer einige Schritte
vorwärts, dann stand es still"„
Wie wir es heute noch aus dem Orient kennen, so war es bis vor einigen Jahrzehnten auch in
Europa: das Los der Blinden war es, betteln zu müssen. Eine wirklich durchgreifende Wandlung
haben in Deutschland eigentlich erst die Kriegsblinden des 1. Weltkrieges durchgesetzt, die sich
die verschiedensten neuen Arbeitsmöglichkeiten erschlossen. Aber nicht deshalb zeigen wir diese
Abbildung, sie soll hier nur ein dokumentarisches Zeugnis aus den Anlangen des Führhundwesens
sein. (Ein Gemälde von C. Vernet, „Les Aveugles", 18. Jahrh.)
11
Ebenfalls der Schweizer Blinde B i r r e r
erwähnt (1847), er habe einige Jahre zuvor
gehört, daß „in Paris mancher Blinde einen
Pudel zum Führer habe . . ." Aus der Zeit
vor etwa 100 Jahren soll übrigens (nach
H. "v. Zobeltitz) eine nette Anekdote über
einen klugen französischen Blindenführhund
stammen. Dieser war der Begleiter eines
blinden Bettlers. Als nun eines Tages sein
Herr schwer erkrankte und nicht seinen ge-
wohnten Platz aufsuchen konnte, soll diesen
der treue Vierbeiner allein, und zwar mit
dem Hut des Blinden im Maule, zur Ent- .
gegennahme milder Gaben aufgesucht haben.
Die Bilder und die schriftlichen Hinweise
dürfen als hinreichende Belege dafür ange-
sehen werden, daß in Frankreich im 17. und
18. Jahrhundert, sogar bis etwa zum Jahre
1850 der Führhund kein seltener Begleiter
eines Blinden war. Daß er dort jedoch zeit-
weise eine tägliche Erscheinung gewesen
sein muß, ergibt sich aus der französischen
Redewendung: crier comme un aveugle qui
a perdu son chien (schreien wie ein Blinder,
der seinen Hund verloren hat), die in der
Bedeutung „mit allen Kräften schreien" ge-
braucht wird. Im einzelnen zeigt sich ferner,
daß die „Quinze-Vingts" in der Zeit von
zumindest 1645 bis 1850 Führhunde ver-
wandt haben, über die Art ihrer Abrichtung
fehlen allerdings alle Angaben. Es ist aber
anzunehmen, daß sie durch die Blinden selber
erfolgt sein wird, wie das damals auch sonst
üblich war.
Diese Ausführungen veranschaulichen, daß
Frankreich in der genannten Zeitspanne in
der Entwicklung des Führhundwesens eine
führende Stellung eingenommen hat. In-
dessen lassen die Bemerkungen Beers und
Birrers darauf schließen, daß die Benutzung
von Führhunden in anderen Ländern — zu-
mindest in Deutschland — große Beachtung
fand. Im 19. Jahrhundert scheint jedoch der
Führhund in Frankreich an Bedeutung ver-
loren zu haben, bis er dann im 20. Jahr-
hundert, und zwar im Jahre 1916 in
Deutschland durch Geheimrat Stalling,
zu neuem Leben erweckt wurde.
Dr. Hans Haupt
Zur Verständigung zwischen Mensch und Hund
Ein unentbehrlicher Ratgeber für jeden Hundefreund
Es gehört zu den erfreulichen Erschei-
nungen auf dem deutschen Büchermarkt 1951,
daß er hervorragende kynologische Arbeiten
herausgebracht hat, die den bedeutendsten
Werken des Auslandes auf diesem Gebiete
gleichwertig, wenn nicht überlegen sind.
Nachdem die „Gesellschaft für Hundefor-
schung" in ihrer im Verlag Dr. Paul Schöps,
Frankfurt a. M., erscheinenden Zeitschrift
das Buch von H. Brüll „Der Blindenführhund"
veröffentlicht hat, gebührt dem Verlag
Gersbach und Sohn, Braunschweig, das Ver-
dienst, die lange Zeit vergriffene und sehn-
lich erwartete Dressurlehre von Kon-
rad Most „Die Abrichtung des Hundes,
individuell und ohne Strafen" neu und um-
gearbeitet aufgelegt zu haben. Die Tatsache,
daß trotz zweimaliger längerer Unterbre-
chungen durch die beiden Weltkriege jetzt
die 12. Auflage vorliegt, zeigt am besten die
Bedeutung der Mostschen Arbeit. Es darf
wohl ohne Übertreibung gesagt werden, daß
diese Bedeutung für das Hundewesen nicht
hoch genug eingeschätzt werden kann. Für
dessen Entwicklung war das Werk Mosts
umwälzend. Seine Dressurlehre wurde rich-
tunggebend. Der neue, umgearbeitete Most
gehört zu den Standardwerken der kynolo-
gischen Literatur.
, Der Verfasser dieses hervorragenden Bu-
ches, der Ehrenmitglied der „Gesellschaft
für Hundeforschung" und der „Gesellschaft
für Tierpsychologie" ist, war im ersten Welt-
krieg Sachverständiger der Obersten Heeres-
leitung für das gesamte Diensthundwesen
der damaligen Wehrmacht. Auch die Wei-
marer Republik wußte seine umfassenden
kynologischen Kenntnisse zu schätzen, in-
dem sie ihn mit der Leitung des Referats
zur Erforschung des Flundes und des Dienst-
hundwesens in der Reichswehr betraute.
Most ist Wissenschaftler und Praktiker
zugleich. Als besonderes Verdienst ist ihm
anzurechnen, daß er es als erster unter-
nahm, „die Lücke zu schließen, die in der
Seelenkunde zwischen den Forschungsergeb-
nissen und deren Auswertung für die Ab-
richtung des Hundes bestand". Seine in die-
sem Sinne entwickelte Abrichtelehre ist bis-
her einzig in ihrer Art geblieben.
Einleitend weist Most darauf hin, daß der
Mensch von Jugend auf viel Falsches über
das Seelenleben der Tiere lernt. Dadurch
wird er verleitet, in ihnen oft denkende und
unsere Sprache verstehende Lebewesen zu
erblicken. Jede Vermenschlichung muß sich
aber bei der Abrichtung sehr nachteilig aus-
wirken, da sie zwangsläufig zu falschen Ein-
wirkungen auf den Hund führt. Viel freu-
diger und schneller lernt dieser, weit Zuver-
lässigeres leistet er, so betont Most, wenn
man die Abrichtung dem Auffassungsver-
mögen und dem Gefühls- und Triebleben
des Hundes anpaßt. Es leuchtet ein, daß
dadurch dem Hunde viel Leid und dem Men-
schen viel Ärger erspart bleiben. Jeder Ab-
schnitt des 227 Seiten und 32 Abbildungen
enthaltenden Buches legt davon beredtes
Zeugnis ab. (Preis 9,50 DM.)
Den Inhalt des Buches eingehend zu wür-
digen, ist nicht möglich. Indessen soll über
die Unterordnungsleistungen etwas gesagt
werden, da diese die unentbehrliche Grund-
lage für alle Gebrauchshunde, also auch für
den Führhund, abgeben. Brüll hebt dies in
seinem eingangs erwähnten Buch über den
Blindenführhund besonders hervor und ver-
weist dabei auf das grundlegende Werk von
Most. Dabei betont er, daß von den Unter-
ordnungsleistungen das Herankommen
besonders wichtig sei und daß dies nicht oft
genug geübt werden könne. Und nun hat
Most gerade das Herankommen, das er als
ein Kapitel für sich bezeichnet, sehr ein-
gehend erörtert. Man erlebt eine packende,
eigenartige und noch nie dagewesene Dar-
stellung des Zustandekommens dieser so
wichtigen Leistung und dazu mit so ein-
leuchtenden Begründungen, daß der Hunde*
besitzer sich gestehen muß, seinen vier-
beinigen Begleiter häufig falsch behandelt
zu haben. Köstlich ist dabei, was der Ver-
fasser über das vermeintliche „böse Ge-
wissen" des Hundes sagt und wie er
überzeugend nachweist, daß der Hund in
unserer Fehlannahme eines solchen oft un-
nötigen Leiden ausgesetzt ist.
In welcher Weise die Vermenschlichung
zu vermeiden ist, führt Most klar und jeder-
mann verständlich vor Augen. Er zeigt, daß
es sich bei der Abrichtung nicht um ein ein-
sichtiges, sondern um ein rein gedächthis-
mäßiges Lernen handelt und setzt den Un-
terschied zwischen diesen beiden Lernarten
anschaulich auseinander.
Es kann auf die lehrreichen und von echter
Tierliebe getragenen Ausführungen des Au-
tors hier leider nicht weiter eingegangen
werden. Aus dem Gesagten ist aber bereits
ersichtlich, daß das bahnbrechende Werk
von Konrad Most einen unentbehrlichen Rat-
geber für jeden Hundefreund darstellt und
dazu angetan ist, das Verhältnis zwischen
Mensch und Hund so innig wie möglich zu
gestalten. Damit " dürfte ein Wunsch aller
Führhundhalter erfüllt sein! Dr. H. Haupt
Kein Lieferungsvertrag!
Ein Vorschlag zur Führhundbelieferung
Die Führhundfrage wurde nach dem Zu-
sammenbruch besonders wichtig. Die Nach-
frage war sehr groß geworden, und geschäfts-
tüchtige Unternehmer erkannten gute Mög-
lichkeiten darin. Wieviel Arbeit ist unseren
Obleuten wohl daraus erwachsen (die Menge
an Papier und Porto wäre ja nur ein sehr
unvollständiger Maßstab), wieviel Ärger und
Nervenaufreiberei hat es die Kameraden
gekostet, wenn der Hund nicht das war, was
er sein sollte. Diese Arbeit und Nervenkraft
wäre zum größten Teil nicht nötig gewesen,
wenn die Belieferungsart eine
andere wäre. Es ist heute so: Der Kamerad
hat einen Antrag beim Versorgungsamt
gestellt, und wenn der Antrag genehmigt ist,
erhält er von einer Ausbildungsstelle den
Zeitpunkt der Lieferung genannt. Das Ver-
sorgungsamt hat mit einer Ausbildungsstelle
einen Liefervertrag geschlossen und daher
den Lieferauftrag dorthin erteilt. Mit dem
Erscheinen des Kameraden in der Aus-
bildungsstelle beginnt oft auch schon sein
Verdruß. Die Zeit zwischen dem Augenblick,
in dem er den Hund an die Hand bekommt
und der sogenannten Abnahme ist sehr ver-
schieden und beträgt in einem Falle gerade
so viel Stunden wie im anderen Wochen.
Bei der Abnahme" überzeugt sich ein
Beamter davon, ob der Hund ausgebildet ist
und ob der Blinde damit gehen kann. Dann
wird dem Kameraden noch ein Schriftstück
zur Unterschrift vorgelegt, in dem er das
Eigentums- und Besitzverhältnis anerkennt,
dann aber auch oft noch seine Zufriedenheit
mit dem Hund und dessen Ausbildung
bestätigen muß. Wirkt letzteres dann nicht
fast wie eine Art von Erpressung, wenn
vorher geäußerte Beanstandungen völlig
unbeachtet blieben? Eine gewünschte Ände-
rung des Abnahmeprotokolls unterbleibt
verständlicherweise sofort, wenn die Ab-
nahme dadurch hinausgezögert wird. Es wird
jeder lieber den vorliegenden Text unter-
schreiben als sich unnötig herumstreiten und
aufhalten.
Wie unzufrieden geht mancher mit seinem
Hund nach Hause, z. B. ein Beinamputierter,
dem der Hund zu stark zieht. Das Fehlerhafte
an dem Belieferungsverfahren wird jedem
an einem ähnlichen Fall deutlicher erkennbar:
Manche Fürsorgestellen gaben Unter-
stützungen in Form von Gutscheinen, die für
einen bestimmten Gegenstand ausgestellt
und auch nur von einer auf dem Gutschein
genannten Firma beliefert werden durften.
Man braucht nicht unbedingt dabei gewesen
zu sein, um sich vorstellen zu können, wie
solche Kunden vielfach behandelt wurden.
Die Ware war ja praktisch sdion verkauft,
und mit dem Hinweis, daß gerade nur dieses
eine Stück vorrätig sei, konnte alles, aber
auch alles abgesetzt werden. Solch ein
Käufer hätte sich höchstens durch Verzicht
schützen können, und das verbot ihm ja die
Notlage. Wie anders stand derjenige da,
dem die Hauptfürsorge eine Beihilfe gab und
nur nach dem Kauf den Beleg erhielt. Wie
jeder andere Kunde wählte er Laden und
Ware und wurde auch wie jeder andere, an
dem verdient wird, behandelt.
Bei der Hundelieferung ist es ebenso. Mit
dem Lieferungsauftrag ist die Ausbildung.3-
12
stelle des Geschäftes sicher. Gewiß hat
jeder Kamerad die Möglichkeit, ohne Hund
nach Hause zu gehen. Doch gehört dazu schon
eine beträchtliche Entschlußkraft, zumal er
bei dem heutigen Verfahren die ganzen Ver-
hältnisse gegen sich hat. In dem Abnahme-
beamten wird er nur äußerst selten einen
Helfer finden. Bei einer Ausbildungsstelle
hat stets derselbe Beamte zu tun. Dadurch
entwickelt sich naturgemäß leicht ein persön-
liches, d. h. ein gewisses Vertrauensverhält-
nis, so daß der Beamte vieles vom Stand-
punkt der Ausbildungsstelle sehen lernt. Bei
Meinungsverschiedenheiten steht auf der
anderen Seite oft nur der Blinde. Wir dürfen
nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß bei
den meisten Menschen, die mit Nichtsehen-
den keinen Umgang haben, der Begriff
„blind" — mindestens unbewußt — gleich-
bedeutend mit nicht oder doch sehr
beschränktzurechnungsfähig ist.
Dieses Vorurteil beruht oft nur auf augen-
blicklicher Gedankenlosigkeit, wie z. B. wenn
ein Arzt nicht den Blinden, sondern dessen
Begleitperson nach den Beschwerden usw.
fragt,- er wird sich dessen sofort bewußt,
wenn er merkt, daß der Blinde das selbst
sagen kann. Meistens ist es jedoch tiefer
verwurzelt und . jeder Nichtsehende muß
dieses Vorurteil immer wieder erst über-
winden. Ein erbrachter Gegenbeweis wird
dann auch oft n i c h t , wie in anderen Fällen,
verallgemeinert, sondern er gilt
dann nur für die Person, die ihn erbrachte.
Dieses Vorurteil wird nun häufig noch durch
das vermeintlich falsche Verhalten des
Blinden unterstützt. Wenn z. B. der Blinde
auf eine Frage nicht antwortet, weil er über-
zeugt davon ist, daß sie einem anderen galt,
oder bei einem Gruß auf der Straße für den
Grüßenden unverständlich reagiert, wird es
dem Sehenden selten zum Bewußtsein
kommen,, daß er und nicht der Blinde sich
falsch benommen hat.
Wie nun, wenn gar der Beamte schon ent-
sprechend darauf vorbereitet wird, daß von
einem Kameraden Beanstandungen erwartet
werden? Der Kamerad hat so nicht nur den
Geschäftsmann, sondern auch den Beamten
gegen sich und die Auseinandersetzung mit
dem Versorgungsamt. Diese Umstände muß
man berücksichtigen, wenn man in einem
Schreiben einer LVA unter anderem folgen-
des liest: „Im übrigen kann die LVA dem
Blinden, der von Hunden im allgemeinen
wenig und von Blindenführhunden oft gar
nichts versteht, nicht das Recht darüber zu-
sprechen, darüber zu entscheiden, ob der
Hund gut ausgebildet ist oder nicht. Das
Recht, darüber zu entscheiden, steht einzig
und allein der LVA zu".
Wie anders würde sich alles Bei der
Belieferung gestalten, wenn die Ausbildungs-
stelle nicht einen Liefervertrag,
sondern der Kamerad die Zusage der Kosten-
übernahme in vorgesehener Höhe erhalten
würde! Es soll sich dabei keineswegs um
eine Art Blankovollmacht handeln, und ein
in dieser Weise geändertes Verfahren würde
weder eine Verteuerung einschließen noch
würde es die gewiß notwendige Abnahme
durch die Behörde behindern. Viele Dinge
regelten sich dann von selbst, deretwegen
heute der Amtsschimmel benötigt wird. Das
jetzige Verfahren mag zwar durch ein
35jähriges Alter geheiligt sein, hat aber wohl
auch ebenso lange seine Fehlerhaftigkeit
bewiesen. Ob mein Vorschlag nicht einmal
erörtert werden sollte?
Franz Lewin (Oldenburg)
Haben wir eine Sonderstellung?
Unser alter, bewährter Kamerad Haule aus
Tuttlingen schrieb an Kamerad Mezger (Tübin-
gen) einen Brief, in dem es u. a. heißt:
Wenn ich zu Deinem Artikel in der Fe-
bruar-Nummer des „Kriegsblinden" im Zu-
sammenhang mit dem Leitartikel des Kam.
Hymmen Stellung nehmen soll, so muß ich
vorausschicken, daß ich mir darüber klar bin:
unsere Grundeinstellung ist insofern etwas
verschieden, als Du reiner Realist bist, wäh-
rend ich gewisse Illusionen im Menschen-
leben für bedeutsam halte. .
Doch nun zum Hauptgegenstand: Meines
Erachtens besteht die Hauptursache der
Komplikation in der Schwierigkeit, mit un-
serer Bundeszeitschrift einerseits bei unsern
sehenden Mitmenschen, vor allem den Be-
hördenvertretern, für uns zu werben und
andererseits zugleich unsere Schicksals-
genossen zu betreuen. Einerseits sollen
hervorragende Leistungen von Kriegsblinden
ihre Anerkennung finden und die Jungkame-
raden zu Leistungen angereizt werden, an-
dererseits muß vermieden werden, daß
Spitzenleistungen zum Maßstab dessen
gemacht werden, was von jedem Kameraden
als' Durchschnittsleistung erwartet werden
kann, da dies unverantwortliche Folgen
haben müßte. Einerseits sollen unsere Kame-
raden dazu gebracht werden, mit Humor und
Seelengröße ihr Schicksal zu überwinden,
andererseits dürfen die sehenden Mitmen-
schen darüber nicht im Zweifel gelassen wer-
den, daß wir uns lebenslänglich nicht an
unser Blindsein gewöhnen können und
daß dies uns, je älter wir werden, um so
schwerer drückt, daß die Versorgungsbehörde
also nicht, wie sie es bei Kriegsbeschädigten
gern tut, den Umstand der Gewöhnung an
den neuen Körperzustand als Faktor gegen
uns einsetzt. Einerseits müssen unsere Kame-
raden zu Mäßigung in den finanziellen An-
sprüchen angehalten werden, andererseits darf
gegenüber den Versorgungsbehörden keine
Zurückschraubung unserer berechtigten For-
derungen erfolgen und muß immer wieder
betont werden, daß jeder finanzielle Erfolg,
den der Kriegsblinde durch Arbeitseinsatz
erreicht, mit unverhältnismäßig hohem Ver-
brauch an Kraft erkauft ist. Es ist also fast
unmöglich, unsere Bundeszeitung in der ge-
nannten doppelten Aufgabe wirklich befrie-
digend zu verwenden.
. . . Doch nun möchte ich noch zwei andere
Punkte besprechen.
Erstens zur Frage, ob wir Kriegsblinde
eine Sonderstellung einnehmen und
über die Sehenden hinausgehoben werden
dürfen. Dies wird von Euch verneint. Ich bin
der Meinung, es schadet nichts, wenn unsere
Kameraden zu der Überzeugung gebracht
werden, sie seien durch ihre Erblindung
irgendwie über den Kreis ihrer Mitmenschen
hinausgehoben, allerdings nicht im Sinne von
Wunderknaben und Gemütsathleten oder
von Helden, die verherrlicht werden wollen
und müssen, sondern im Sinne einer be-
sonderen Aufgabe, die uns durch
unser Schicksal zugemessen ist. Wir wissen,
daß unsere Mitarbeiter, Nachbarn und an-
dere vom Schicksal irgendwie heimgesuchte
Mitmenschen auf uns sehen und sich in ihrer
eigenen Haltung durch uns unbewußt beein-
flussen lassen. Ihnen ein gutes Beispiel
zu geben, ist also unsere besondere Aufgabe.
Warum sollen wir das unsern Kameraden
nicht vorhalten? Ich stehe nicht an, jedem
Leid und jedem schweren Geschick eine
positive Seite zuzusprechen, und, wenn Du
dieses Wort auch in Deinem Artikel ab-
lehnst, eine „Gnade", die daraus erwächst,
wenn wir dieses Leid und dieses schwere
Schicksal anständig und beispielgebend
tragen. Ich lebe seit 32 Jahren als Kriegs-
blinder in Tuttlingen und darf, ohne mich
nun hier hervorheben zu wollen, für mich
buchen, daß die Tuttlinger bei mir einen
meist guten Humor feststellen konnten und
L
daß viele Menschen in schlechten Zeiten
sich von mir eine Aufmunterung verabreichen
ließen.
Und das zweite: Ist es nicht durchaus
natürlich, daß sich das Fehlen unseres Ge-
sichtssinns von selbst in der Schärfung an-
derer Sinne, nicht nur des Körpers, sondern
auch der seelischen Fähigkeiten aus-
gleicht, wie ich es in meinem Weihnachts-
geschichtlein ausgeführt habe? Solche Fähig-
keiten können entwickelt und genutzt wer-
den, man kann sie auch vernachlässigen und
wieder verlieren. Warum sollen wir unsere
Kameraden, auch die bescheidenen, schwa-
chen nicht hierauf aufmerksam machen? Ich
sehe hierbei eine Erziehungsaufgabe ins-
besondere auch unserer Bundeszeitschrift.
Daß schließlich jeder, der seine Mitmenschen
zu Leistungen anreizen will, das Höchstmaß
dessen vor Augen stellt, was erreicht werden
kann, auch wenn er genau weiß, daß besten-
falls ein schwacher Durchschnittserfolg her-
auskommt, das geht jedem Pfarrer auf der
Kanzel und jedem Erzieher so. —
Ich bin am Ende meiner Stellungnahme.
Nimm, lieber Friedrich, samt Deiner lieben
Frau Gemahlin herzliche Grüße von Deinem
Haule mit Fraule.
Kriegsblinde im Sport
Unser Kamerad Richard Schiffmann
Olympiamasseur für Helsinki
Das Diaderma-Haus in Heidelberg sandU
unseren Kameraden Richard Schiffmann zu|
Internationalen Wintersportwoche nach Gar-
misch. Er hatte die Aufgabe, hauptsächlich
die deutschen Teilnehmer an den Olympi-
schen Spielen in Oslo zu massieren. Erika
Kraft, Freimuth Stein, der Paarläufer Braun
u. a. vertrauten sich seinen Händen an. Frei-
muth Stein wäre nach Empfang der Massage
— nach dem Training — am liebsten wieder
auf das Eis gegangen, so frisch fühlte er sich.
Auch der Weltmeister Dick Button er-
fuhr bald von der segensreichen Wirkung
der Schiffmannschen Massage. Dies hatte
zur Folge, daß nun auch der weltberühmte,
Trainer von Dick Button, Lusi, seine Ehefrau,
die an Ischias litt, Schiffmann zur Behand-
lung überließ. Selbst eine der Putzfrauen des
Eis-Stadions konsultierte Schiffmann ihrer
schmerzenden Füße wegen. Allgemein be-
dauerte man, daß der Wintersportverband
keinen Masseur nach Oslo mitnahm.
Der Leichtathletik-Verband hat bereits
unseren Kameraden Schiffmann für die Olym-
pischen Spiele in Helsinki verpflichtet; als
2. Masseur den Stuttgarter Käsberger, der
gleichzeitig die Betreuung unseres Kame-
raden Schiffmann übernehmen wird.
Prächtiger Sporterfolg
Unser Kamerad J. O. Bertholdt aus
Nürnberg war schon vor dem ersten Welt-
krieg ein guter und bekannter Schwimmer.
Trotz seiner Erblindung und trotz seines
Alters von jetzt immerhin 55 Jahren ist er
dem Schwimmsport treu geblieben, und er
erfreut sich in Nürnberger Sportkreisen größ-
ten Ansehens. Kürzlich nahm er als einziger
Kriegsblinder, obendrein recht kurz ent-
schlossen und dementsprechend unvorberei-
tet, an dem 1. Versehrtenschwimmen in
Nürnberg teil. Obwohl Kam. Bertholdt arges
Pech durch seinen zu späten Absprung hatte,
holte er die anderen Versehrten Kameraden,
die bereits bis zu 7 Metern Vorsprung hatten,
wieder ein und belegte einen auch in der
Nürnberger Presse stark beachteten 3. Platz
beim 50-m-Brustschwimmen. Wäre Kamerad
Bertholdt also rechtzeitig gestartet, so hätte
es zum vollen Siege gereicht. Na, vielleicht
beim nächsten Mal . . .
Die sportliche Aktivität unseres Nürnber-
ger Kameraden ist geradezu vorbildlich. Be-
sonders unsere jüngeren Kameraden sollten
ihm nacheifern, und gerade der Schwimm-,
sport gibt dazu reiche Möglichkeiten.
13
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14
Neuer Blindenberuf bewährte sich
Die Arbeit der blinden Abhörer in der technischen Programmüberwachung des NWDR
Von Prof. Dr.-Ing. Werner Nestel und Obering. Heinz Ehlers, NWDR - Hamburg
, Im Rahmen seiner mit technisch über-
wachenden Aufgaben betrauten Senderüber-
wachung hat der NWDR eine Abteilung ein-
gerichtet, die die ausgestrahlten Programme
kritisch abhört. In der technischen Programm-
Überwachung werden auftretende technische
Fehler im Übertragungsweg zwischen Mi-
krofon-Verstärker und Sendern und im
Sender selbst festgestellt und erkannt. Diese
Abteilung ist, da sie wertvolle Hinweise
zur Erzielung der höchsten Betriebssicherheit
gibt, ein wichtiger Bestandteil innerhalb des
Räderwerks des NWDR geworden. Mehr
und mehr interessieren sich andere Rund-
funkanstalten der Westzonen und auslän-
dische Sendegesellschaften für diese Ein-
richtung.
Als diese Abteilung 1948 ins Leben ge-
rufen wurde, übernahmen den Abhördienst
Ingenieure, da man der Ansicht sein
mußte, daß technisch geschulte Kräfte dieser
Aufgabe am besten gerecht werden können.
Es zeigte sich aber sehr schnell, daß das
stundenlange Abhören außerordentlich er-
müdet und die Konzentration bei weniger
interessierenden Sendungen schnell nach-
ließ. Dabei wurden Fehler, die nur kurz-
zeitig auftreten, sehr oft überhört.
Um die Aufnahmefähigkeit der Abhören-
den zu erhalten, verkürzte man die Arbeits-
zeiten. Bei den notwendigen Neueinstellun-
gen wurde auch ein Blinder engagiert. Der
Vergleich der registrierten Fehler zeigte
sehr bald, daß gerade dieser Blinde
eine wesentlich größere, gleichbleibendere
Aufmerksamkeit aufbringen konnte' als
seine sehenden Mitarbeiter.
In Übereinstimmung mit Herrn Dr. Nestel,
dem technischen Direktor des NWDR, wer-
den nunmehr die sehenden Mitarbeiter der
Abhörabteilung nach und nach durch Blinde
— vor allem durch Kriegsblinde —
ausgetauscht, und es entstand die technische
Programmüberwachung im heutigen Ausmaß,
in der z. Z. zwölf Blinde beschäftigt werden.
Diese Abteilung ist damit die sozialste
$M undete SdiacfofiieuncLe
En passant
En passant ist eine Schachregel, die jeder
Schachspieler kennen sollte, die aber viele,
insbesondere Anfänger, nicht kennen. Ich will
sie hier kurz erläutern. Steht ein Bauer in
der gegnerischen Hälfte, in diesem Falle ein
weißer auf der Linie 5 oder ein schwarzer
auf der Linie 4, und der Gegner zieht einen
Bauern aus der Grundstellung 2 Felder vor,
so daß er neben den Bauern auf der Linie 5
bzw. 4 zu stehen kommt, kann er von letz-
terem en passant (im Vorbeigehen) geschla-
gen werden. Das geschieht in der Weise, daß
der zu schlagende Bauer weggenommen, der
schlagende jedoch nicht auf das Feld gesetzt
wird, auf dem der geschlagene Bauer gestan-
den hat, sondern auf das Feld, das von dem
gegnerischen Bauern übersprungen wurde,
also auf das Feld der Linie 6 bzw. 3, so daß
es im Endeffekt so aussieht, als ob ein regel-
rechtes Schlagen stattgefunden hätte. Es muß
nicht geschlagen werden. Falls geschlagen
wird, muß es allerdings sofort, mithin beim
nächsten Zug, geschehen und kann nicht
später nachgeholt werden. Geht der vor-
ziehende Bauer zuerst auf die Linie 6 bzw. 3,
wird hier nicht geschlagen und setzt sich
dann neben den gegnerischen Bauern, so
kann er von diesem nicht mehr geschlagen
werden. In der Schachschrift wird das en-
■passant-Schlagen gekennzeichnet, indem man
hinter den Zug e.'p. schreibt, z. B.: exd5 e. p.
innerhalb des Gefüges des NWDR geworden.
Die Auswahl der Blinden wird in Zusammen-
arbeit mit den Sozialbehörden durch eine
Eignungsprüfung getroffen.
Die A b h ö r r äu m e der technischen Pro-
grammüberwachung sind nach rundfunk-
akustischen Verhältnissen gebaut worden.
Die Blinden sitzen in schalldichten Kabinen
vor einer Lautsprecherkombination mit gro-
ßem Frequenzumfang. Griffbereit auf einem
Tisch stehen die Telefonapparate mit Sprech-
verbindung nach dem Funkhaus oder Sen-
der und die Blindenschreibmaschine zur Re-
gistrierung der festgestellten Fehler. Ein
Schaltbrett gibt die Möglichkeit, den Aus-
gangspegel des Funkhauses mit dem Pegel
der Empfänger zu vergleichen.
Die technische Betreuung der Geräte hat
der aufsichtsführende Ingenieur, der sich mit
einem Blick durch die großen Fenster der
schalldicht schließenden Türen von der ord-
nungsmäßigen Funktion der Geräte über-
zeugen kann. Er ist der Helfer und Berater
der Blinden in allen technischen Fragen.
Zu Füßen des Abhörers auf einer Matte
liegt der Führhund. Mit aufmerksamen
Augen verfolgt er jeden Handgriff. Er ist
seinem Herrrn mit der ganzen Liebe und
Treue eines Tierherzens ergeben und wartet
geduldig, bis die sechsstündige Arbeitszeit
vorüber ist. Sicher führt er den Blinden jeden
Tag zwischen Arbeitsplatz und Wohnung
durch den Großstadtverkehr.
Was blinde Abhörer meinen
Wenn man nun untersucht, weshalb ge-
rade Blinde für diesen neu geschaffenen Be-
ruf des Abhörens ganz besonders geeignet
sind, ist es zweckmäßig, die Abhörer selbst
zu Wort kommen zu lassen. Herr Erich
Bollmann sagt zu seinem Beruf:
„Ich bin der Ansicht, daß der Abhördienst
beim Rundfunk als Beruf dem Blinden eben-
sosehr entgegenkommt, wie er sich beson-
ders für ihn eignet. Das Wesentlichste für
mich ist, daß ich die Tätigkeit unabhängig
und ohne jede fremde Hilfe aus-
üben kann und mehr noch — daß meine
Erblindung bei dieser Arbeit bedeutungslos
ist. Das heißt viel und steigert fraglos
meine Arbeitsfreude und die meiner Kol-
legen. Da es in diesem Beruf auf das Hören
ankommt, das Hören aber notwendigerweise
ein selbstverständlicher Teil meines Lebens
geworden ist, bringt dies auch noch eine
große Sicherheit bei der Ausübung meiner
Arbeit. Wenn man auch nicht sagen kann,
daß ein Blinder ein besseres Gehör als ein
Sehender habe, so muß man doch feststellen,
daß es geübter und geschärfter ist und daß
ein Blinder akustische Eindrücke durch seine
Übung rascher verarbeiten kann. Bei unse-
rem Beruf kommt hinzu, daß wir ihn un-
gestört ausüben können, da wir optisch nicht
abgelenkt werden.
Natürlich gibt es auch für unseren Beruf
Erschwernisse. Wenn auch die materiell ge-
sicherte Existenz in den gut ausgestatteten
Räumen der Senderüberwachung das innere
Gleichgewicht für die gute Durchführung un-
serer Tätigkeit gibt, so ist es doch eine
Anstrengung, mehr als sechs Stunden
unseren Beruf auszuüben. Das immer-
währende Stillsitzen vor den Lautsprechern
ist durchaus eine körperliche Arbeit, die zur
Anstrengung werden kann. Doch glaube ich,
daß der Beruf geistig und körperlich und
auch auf lange Zeit von dem Blinden aus-
geübt weden kann!"
Ein anderer blinder Mitarbeiter der Sender-
überwachung, Herr Jürgen C o 1 1 a s i u s ,
sagte zu dem gleichen Thema:
„Der Nichtsehende muß sein Ohr in jeder
Lage und Stunde aufnahmebereit halten,
weil es das wichtigste Verbindungsoigan
mit der Außenwelt darstellt. Er muß auch
schnell erkennen, die aufgenommene Viel-
zahl der Geräusche zu unterscheiden und
diese auf ihren Ursprung hin zu deuten. Die
stete Aufnahmebereitschaft und das Zer-
legen und Deuten erfordern höchste Kon-
zentration. Die Fähigkeit zu allem wird nur
durch Uebung erworben. Der Blinde muß
diese Fähigkeit immer wieder zu steigern
versuchen, um das Fehlen des Gesichts-
sinnes in möglichst großem Umfang auszu-
gleichen. Für den Sehenden liegt dieses
Muß nicht vor, weshalb er sich nicht sonder-
lich um die Übung und Erweiterung dieser
Fähigkeiten bekümmert.
Ein so geschultes und geübtes Ohr und
die damit verbundene Konzentrationsfähig-
keit ist die Hauptvoraussetzung im Abhör-
dienst. Die ständige Inanspruchnahme dieser
Fähigkeiten im täglichen Leben befähigt den
Nichtsehenden zu größerer Dauerleistung
beim Abhören. Schädlich im Abhördienst
und abstumpfend wirken sich übermäßige
Lautstärke und das Eindringen von Fremd-
geräuschen aus. In den Kabinen der Sender-
überwachung sind die Voraussetzungen ge-
geben, den Abhördienst auf Jahre hinaus
auszuüben, ohne daß die Arbeitsleistungen
gemindert werden.
Das Abhören darf aber, wenn es befrie-
digen soll, keine rein schematische Arbeit
werden und die Auswertung darf nicht nur
als Statistik dienen, die zu den Akten gelegt
wird. Die Erfahrung der Abhörer muß aus-
gewertet werden, man muß ihnen beratende
Funktionen einräumen."
Der Kriegsblinde Gerhard Ziervogel sagt
mit wenigen Sätzen: „Nach fast zwei-
jähriger Dienstzeit stelle ich fest,
daß ich mit der gleichen Frische und Bereit-
schaft meine Tätigkeit ausübe. Da ich als
Nichtsehender keinerlei Ablenkung durch
äußere Einflüsse während meiner Dienstzeit
habe, kann ich mit großer Konzentration auf
die Sendung achten. Durch meinen neuen
Beruf bin iah ein vollwertiges Mitglied in
der Kette der arbeitenden Gemeinschaft ge-
worden." ;
Mit diesen Beobachtungen blinder Mit-
arbeiter, die seit zwei Jahren diese Tätig-
keit ausüben, ist das Wesentlichste über den
neuen Blindenberuf gesagt. Jede Abteilung
muß sich durch die Ergebnisse ihrer Arbeit
einen Platz in der Gemeinschaft erobern.
Das ist bei einer Überwachungsabteilung
nicht sehr einfach. Betriebstechnik und Pro-
grammschaffende mußten erst die richtige
Einstellung und das Vertrauen zu der Ar-
beit des Abhörers finden.
Die sorgfältig geführten Statistiken, die
die Ausfälle im technischen Übertragungs-
weg bis zum Sender und im Sender selbst
in Kuryen nachweisen, und Fehlerübersichten
im Programmauslauf zeigten nach kurzer
Zeit eine abnehmende Tendenz. So
wird eine weitgehende, betriebsmäßige
Stabilisierung des Übertragungsweges und
der korrekte Ablauf der Sendung erreicht.
Die technische Programmüberwachung mit
ihren blinden Mitarbeitern erfüllt damit ihre
Aufgabe.
Für Filmfreunde
Nach einer Entscheidung des Wirtschafts-
ministeriums sind die Filmtheater verpflich-
tet, Schwerkriegsversehrten (mit einer Min-
derung der Erwerbsfähigkeit von über 70 %>)
Eintrittskarten zum halben Preis
zu verkaufen, und zwar für alle Plätze und
alle Vorstellungen. Bei Schwerbeschädigten,
die eine Begleitung benötigen, also z. B. bei
Kriegsblinden, wird es bei den Filmtheatern
durchweg so gehandhabt, daß auch die Be-
gleitperson nur den halben Eintrittspreis zu
entrichten hat.
15
<-s\ict*tc JVcusUfKeticst,
Der Bundesrat hat zu dem von der Regie-
rung vorgelegten Entwurf eines Schwer-
beschädigtengesetzes 95 Abänderungs-
anträge beschlossen und den Entwurf an
den Bundestag weitergeleitet.
*
Aus einer Aufstellung im Bundesversor-
gungsblatt geht hervor, daß unter den deut-
schen Kriegsblinden insgesamt 945 Kamera-
den außer ihrer Erblindung weitere
schwerste Beschädigungen (Am-
putationen, Doppelamputationen usw.) da-
vongetragen haben. Der Prozentsatz dieser
zusätzlichen schweren Verwundungen liegt
besonders hoch in Nordrhein-Westfalen (246
Kameraden) und Württemberg-Baden (116
Kameraden), ebenso in Rheinland-Pfalz (bei
380 Kriegsblinden 83 Fälle) und in Baden
(152 Kriegsblinde und 41 Fälle). Aus der
gleichen Aufstellung geht hervor, daß 2349
Kleinschreibmaschinen an Kriegsblinde aus-
gegeben wurden, davon vergleichsweise sehr
wenig in Nordrhein-Westfalen (180 Schreib-
maschinen bei 1457 Kriegsblinden) und Rhein-
land-Pfalz (52 Schreibmaschinen bei 380
Kriegsblinden), während Bayern, Hessen,
Hamburg und Niedersachsen sehr viel gün-
stiger dastehen.
*
„Die üblen Methoden, mit denen Geschäfte-
macher aus den traurigsten Folgen des Krie-
ges, mit dem Leid der Blinden und Schwer-
beschädigten, Kapital zu schlagen wissen,
müssen klar und deutlich als das bezeichnet
werden, was sie sind, als Schwindel
und Mordsschweinerei", sagte der
Vorsitzende der IV. Bielefelder Strafkammer
in einem Betrugsprozeß gegen einen Han-
delsvertreter, der Fabrikware als Blinden-
ware verkauft hatte. Bei dem Prozeß ergab
sich schweres Belastungsmaterial gegen eine
ganze Anzahl von weiteren „Generalvertre-
tern" und Firmen, so daß weitere Prozesse
folgen werden.
Seit 22 Jahren besteht in den Vereinigten
Staaten die Organisation „Das sehende
Auge", die Führhunde ausbildet und ver-
mittelt. Bis jetzt konnten 1800 Blinde mit
Hunden versorgt werden. Die Methoden der
Ausbildung sind aus Deutschland übernom-
men, und auch die Hunde stammen fast aus-
schließlich aus deutscher Zucht. (Schäfer-
hunde, Boxer und Dobermann-Pinscher.) Die
Organisation wird lediglich durch Beiträge
fördernder Mitglieder finanziert. Ein fertiger
Führhund kostet 150 Dollars einschließlich
Ausrüstung und einmonatiger Einarbeitung
des Blinden. Unbemittelten wird diese Summe
aber auch ganz oder teilweise erlassen.
*
In der einzigen Führhundschule Schleswig-
Holsteins, der Schule Lockstedter
Lager, verließ in diesen Tagen der 100.
Hund die Ausbildung. Leiter der Schule ist
der Landwirt und Hundezüchter Gilde.
*
Nach Mitteilung der in S e e h e i m ge-
legenen einzigen Blindenführhundschule in
Hessen bestehen z. Z. erhebliche „Nach-
wuchssorgen". Und zwar ist es sehr
schwierig, eine auch nur einigermaßen aus-
reichende Anzahl guter deutscher Schäfer-
hunde für die Ausbildung zu erhalten, übri-
gens besitzt die Führhundschule Seeheim
jetzt 15 mustergültige Hundezwinger, die
auf einem von der Gemeinde Seeheim zur
Verfügung gestellten Waldstück aufgebaut
werden konnten.
*
Die Bundesvorstände von Gewerk-
schaftsbund, VdK und Reichs-
bund kamen bei einer gemeinsamen Be-
ratung in Bonn überein, durch Zusammen-
arbeit eine Neuordnung des Sozialrechtes zu
erreichen. Die sozialen Leistungen auf vielen
Gebieten wurden als unbefriedigend be-
zeichnet. ^
Nach dem österreichischen Versorgungs-
gesetz waren sogenannte „sühnepflichtige
Personen", also aus der Zeit des Dritten
Reiches politisch belastete Kriegsbeschädigte,
von der Versorgung ausgeschlos-
sen. Nunmehr hat der Verfassungsgerichts-
hof'auf Initiative der Vorarlberger Landes-
regierung diesen Paragraphen des Kriegs-
opferversorgungsgesetzes aus formaljuristi-
schen Gründen als verfassungswidrig auf-
gehoben. ^
In Österreich ist eine Kriegsblinden-
Lotterie zur ständigen alljährlichen Ein-
richtung geworden. Zur Zeit läuft die dritte
Lotterie seit Kriegsende, mit der der „Ver-
band der Kriegsblinden Österreichs" Mittel
für die Durchführung seiner Fürsorgeauf-
gaben beschafft. Sowohl die öffentlichen Lot-
terievertriebsstellen als auch alle kriegs-
blinden Mitglieder bemühen sich um den
Verkauf von Losen. Die Haupttreffer können
in barem Geld oder — ohne Abzug einer
staatlichen Gebühr von 25 °/o — in Form
gegenständlicher Gewinne eingelöst werden.
An der Spitze der Gewinne steht ein Ein-
familienhaus (Holzhaus). —Auch der Landes-
verband Württemberg-Baden unse-
res Bundes veranstaltet z. Z. eine Kriegs-
blinden-Lotterie, deren Ertrag dem Erho-
lungsheim in Bad Wildbad zugute kommen
soll. Auch hier sind die Haupttreffer Woh-
nungseinrichtungen usw.
*
Verschiedentlich haben wir bereits auf eine
Schriftenreihe zur Sozialversicherung hinge-
wiesen, die im Verlag August Glenz, Essen-
Bredeney, Einigkeitstraße 48, erscheint. Die
Schrift „Was muß jeder von der Angestell-
tenversicherung wissen?" ist nunmehr in
10. Auflage mit allen Neuerungen aus dem
Jahre 1951 erschienen. Preis dieser emp-
fehlenswerten, sehr gemeinverständlichen
Broschüre: 1,90 DM.
*
Wie wir aus Kreisen der Filmindustrie
erfahren, ist eine Synchronisierung oder ein
Verleih des französischen Blindenfilms „Die
Nacht ist mein Reich" in Deutschland zur
Zeit nicht geplant.
*
Bill Lambert war im Kugelstoßen bereits
1944/45 amerikanischer Meister. Vor zwei
Jahren erlitt er bei einem Boxkampf eine
Verletzung, die ihn völlig erblinden ließ.
Mit großer Selbstenergie begann er trotzdem
wieder das Training und hat sich nun für die
USA-Hallenmeisterschaften gemeldet und
hofft, an der Olympiade in Helsinki beim
Kugelstoßen teilnehmen zu können. Im Trai-
ning erreichte er kürzlich eine Weite von
16,70 m. Lambert — 1,93 m groß und mit
einem Gewicht von 118 Kilo — war vor
seiner Erblindung am Beginn einer verhei-
ßungsvollen Karriere als Opernsänger.
*
Seit 1923 besteht in New York ein Theater,
dessen Schauspieler sämtlich blind sind. Es
ist das Lighthouse-Theater und es hat sich
bis heute künstlerisch und organisatorisch in
zunehmendem Maße durchgesetzt. Das
Theater hat nur weibliche erblindete Mit-
glieder und engagiert nur selten sehende
Gäste. Die sehenden Zuschauer vergessen
bei den Aufführungen, daß die Schau-
spielerinnen blind sind. Angesehene
amerikanische Theaterfachleute und Drama-
tiker setzen sich immer wieder für diese
sicherlich einzigartige Bühne ein.
„Das Mitleid hat mich hier in Deutschland
schon mehr gehemmt als unterstützt," er-
klärte ein erblindeter amerikanischer
Student, der in den letzten Wochen „per
Anhalter" und ganz allein 4000 km inner-
halb Deutschlands zurückgelegt hat. Er stu-
diert auf diese erstaunliche Weise Germa-
nistik und spricht zum Teil sogar einzelne
Dialekte. „Ä Kättsche" verlangt er in der
Frankfurter Straßenbahn, und in Heidelberg
„ä Strooßebohnkaad". Nur der Verkehr ist
ihm in den engen deutschen Straßen un-
heimlich.
" *
Die „Bell Telephone Company" in New
York hat einen HandstockfürBlinde
erfunden, der Ultraschallwellen in der Geh-
richtung aussendet und Hindernisse hören
läßt, sobald der Stock auf das Straßenpflaster
gestellt wird. In der Nähe der Krücke be-
findet sich ein Mikrofon, das mit einem in
der Anzugtasche zu tragenden Verstärker
verbunden ist. Vom Verstärker aus ertönen
Warnzeichen in einem unauffälligen kleinen
Kopfhörer.
*
Es gibt schon merkwürdige Dinge: Eine
blinde Frau im Südosten Englands läßt sich
statt von einem Hund von ihrem schwarz-
weißen Kater „Tidy" führen.
Nicht weniger merkwürdig ist eine andere
Meldung aus England: Ein' wertvoller Hund,
der durch eine Krankheit sein Augenlicht
verloren hat, wird durch einen Blindenführ-
hund spazierengeführt. Die beiden
Hunde laufen, durch eine kurze Kette ver-1
bunden, dicht nebeneinander.
In der Schweiz herrscht eine verwirrende
Fülle von Stellen, die sich mit der Hilfe für
Blinde befassen. Von Kanton zu Kanton ist
das Blindenwesen anders gegliedert. Allein
im Kanton Zürich bestehen nicht weni-
ger als sechs verschiedene Organisationen,
die alle die Betreuung von Blinden zum
ausschließlichen oder teilweisen Gegenstand
ihrer sozialen Tätigkeit gemacht haben.
*
Nachdem kürzlich bereits ein griechischer
erblindeter Pianist in Berlin und in
Paris Aufsehen erregte, machte jetzt ein
erblindeter ungarischer Pianist in Paris, Jenö
Lenyei, bei seinem Auftreten vor Teilneh-
mern der UNO-Tagung geradezu Sensation.
Der jttnge Ungar war jahrelang in einem
deutschen KZ, wo ihm sein kunstvolles
Klavierspiel vor mancherlei Gefahren rettete.
*
In Jerusalem erscheint neuerdings
eine Zeitschrift, die erstmalig in arabischer
Sprache in Punktschrift hergestellt wird, vor-
nehmlich für eine Blindenanstalt in der
Jerusalemer Altstadt.
*
Mit einem Kostenaufwand von 7 Mill. DM
baut die Bundesregierung in Bad Pyrmont
die erste Bundeskuranstalt für
Kriegsversehrte. Der imposante Neu-
bau mit sechs Geschossen streckt sich in den
ersten Umrissen bereits am Südhang des
Königsbergs entlang. Diese Bundeskuranstalt
wird außer einer eigenen Turnhalle und
einem kleinen Hallen-Schwimmbad viele
Spezialabteilungen, z. B. für Hirn-Chirurgie,
enthalten. Die Heilquellen werden durch
unterirdische Leitungen direkt in das neue
Gebäude geleitet. Auch ein Haus für die
Forschung wird entstehen.
*
Die Bundesregierung hat dem Bundestag
einen Gesetzentwurf zugeleitet, der eine
Vereinheitlichung der bisher unter-
schiedlichen Länderbestimmungen über das
Fürsorgewesen vorsieht. Der Gesetz-
entwurf ermöglicht vor allem unverschuldet
in Not geratenen, betagten oder schwer er*
16
werbsbeschränkten Personen eine bessere
Hilfe. Bei Zivilbehörden wird unbeschadet
weitergehender Länderregelungen ein Min-
destbedarf für Pflege in Höhe eines vollen
Richtsatzes anerkannt.
*
Der bisherige „Konstruktions-Ausschuß" ist
in einen beratenden Beirat für Ortho-
pädie — Technik beim Bundesmini-
sterium für Arbeit umgewandelt worden.
Besondere Aufgabe des Beirats ist die Prü-
fung von Neukonstruktionen von Kunst-
gliedern, orthopädischen Hilfsmitteln und
Arbeitshilfen.
*
Die Königliche Blindenschule in Edinburgh
bringt neuerdings eine Blindenschriftausgabe
der Monatsschrift „Der Hausarzt" im
Umfange von je 80 Seiten heraus. Die Mo-
natsschrift wird von der Britischen medi-
zinischen Gesellschaft herausgegeben.
*
Der seit 1904 erblindete ehemalige Schorn-
steinfegermeister Gustav Reß aus Brake bei
Bielefeld, der jetzt 73 Jahre alt ist, hat in
diesen Tagen seine 2 4. Erfindung, eine
Spezial-Schornsteinfegerleiter, als Patent an-
gemeldet. Reß hat als Blinder ein heute hoch
angesehenes Großhandelsgeschäft in Schorn-
steinfeger-Bedarfsartikeln gegründet. Als
27jähriger hatte er bei einer Gasexplosion
das Augenlicht verloren.
*
Auf Anregung des Kulturausschusses der
Stadt Münster (Westfalen) und in
Zusammenarbeit auch mit dem Bund der
Kriegsblinden wird in den Räumen der
Stadtbücherei in Kürze eine eigene B 1 i n -
denbücherei eingerichtet werden.
Vom Sichgehenlassen
Nie werde ich ein kleines Erlebnis ver-
gessen, daß ich einmal als Lehrling einer
Eisenwarenhandlung hatte. Mein Chef, ein
sehr korrekter und immer auf tadellose
Manieren bedachter Geschäftsmann, saß in
Gedanken versunken am Fenster seines
Büros. Ich konnte ihn durch die halbgeöff-
nete Tür beobachten, und so sah ich denn,
wie er langsam seine Hand hob und mit
einem Finger in der Nase herumbohrte,
dann sich mit dem Ergebnis dieser Betätigung
befaßte und es in die Luft schnellen ließ.
Ich war starr. Mein Chef, der jede Kleinig-
keit rügte! Seit diesem Tage waren alle
weisen Lehren, die er mir gab, in den Wind
gesprochen. Und doch hat dieses kleine Er-
lebnis sein Gutes gehabt. Immer muß ich
daran denken, wie häßlich es aussieht und
was für Folgen es haben kann, wenn man
sich gehen läßt. Bei mir wirkt dieses Bild
noch immer wie ein Rippenstoß.
Man glaubt ja so oft, es wäre niemand in
. der Nähe. Ja, oft glaubt man das, aber . . .
Ein krasser Fall: Ich saß einmal mit meiner
Begleiterin in einem Speiselokal. Nicht weit
von mir in einer Nische löffelte ein Kamerad
seine Suppe. Plötzlich knöpfte er Rock und
Hemd auf, kratzte sich kräftig Brust und
Seite, knöpfte Rock und Hemd wieder zu
und löffelte seelenruhig weiter. Meine Be-
gleiterin, die mir dies gleich erzählte, wun-
derte sich zwar nur über die stark behaarte
Brust, aber ich war doch ein bißchen ver-
legen geworden. Mein Kamerad hatte be-
stimmt nicht gewußt, daß die Nische an
dieser Stelle eine Lücke besaß. Nun schön,
solche kleinen „Reflexbewegungen" werden
sich wohl kaum immer vermeiden lassen,
aber sie dürfen um Himmels willen nicht
Zur Gewohnheit werden. Es könnte sehr
häßlich wirken.
Vor einigen Jahren nahm ich an einem
Lehrgang teil. Beim Unterricht saß uns die
neue Englisch-Lehrerin gegenüber. Plötzlich
holte der Kamerad neben mir seine Glas-
augen heraus, baute sie vor sich auf, putzte
JDrograMwivorscUau für j~4örspieu
16. 3.
17. 3.
18. 3.
19. 3.
20. 3.
23. 3.
24. 3.
25. 3.
26. 3.
27. 3.
28. 3.
29. 3.
30. 3.
1. 4.
2. 4.
3. 4.
4. 4.
6. 4.
8. 4.
9. 4.
10. 4.
11. 4.
12. 4.
14. 4.
15. 4.
15.00
16.50
17.00
20.00
20.00
20.05
20.30
20.00
20.05
20.15
20.15
20.30
20.30
20.00
20.40
22.30
17.00
20.00
20.05
20.05
20.50
20.15
20.30
21.05
20.30
20.30
20.45
21.00
20.10
20.35
19.30
20.15
17.00
20.15
20.00
20.30
20.30
19.30
20.15
17.00
20.00
20.30
20.30
21.00
20.00
20.30
10.00
20.30
20.30
NWDR/UKW-West: „Fortsetzung folgt" von Paul Schaaf.
Beromünster: „Nordpolflieger Andree" von Paul Lang.
Stuttgart: „Das Klavier des Prokuristen" von G. Weisenborn.
Bremen: „Hans Brüggemann" von Hans Ehrke.
NWDR/UKW-Nord: „Die Landung" von Curt Langenbeck.
Stuttgart/UKW: „Geschiedene Leute" von Christian Bock.
Frankfurt: „Cäsar und Cleopatra" von Shaw von H. Goertz.
München: „Moral" nach Ludwig Thoma von E. Steinberger.
Frankfurt/UKW: „Eleonora Düse" von A. Fauser.
NWDR/UKW-West: „Das vergnügliche Leben der Doktorin
Löhnefink" von C. Beste.
München/UKW: „Ein Ring mit rotem Stein" von Heinz Ulrich.
Stuttgart: „Die Glasmenagerie" nach Tenessee Williams.
Südwestfunk: „Die gekaufte Prüfung" von Günter Eich.
NWDR: „Ein Platz an der Sonne" nach Theodore Dreiser.
Bremen: „Stoppt das Karussell" von Alwyne Whatsley.
München: „Der Ruhetag" nach Paul Claudel.
Stuttgart: „Wann spricht das Herz?" von Hans Rothe.
Beromünster: „Der kleine Prinz" nach Saint-Exupery.
München: „Sein vorletzter Wille", Lustspiel von Franz Seitz.
Stuttgart/UKW: „Der eingebildete Kranke" nach Moliere.
Frankfurt: „In die Nacht hinein" von Oda Schaefer.
NWDR/UKW-West: „En Duorp steiht Kopp" von Franz
Mehring.
Südwestfunk: „Wer erbt das Himmelreich?" von Kurt Heynicke.
Frankfurt/UKW: „Cäsar und Cleopatra" von Bernard Shaw.
München: „Schweigen um Jeanette" von Oskar Wessel.
Südwestfunk/UKW: „Ein Mann verläßt seine Frau" von Wal-
ter Jens.
Stuttgart: „Prozeß Sokrates" von Hans Kyser.
München/UKW: „Der Revisor" nach Gogol.
NWDR: „Volpone" nach Ben Jonson von E. Drolinvaux.
NWDR/UKW-Nord: „Herz der Welt" (nach dem Film).
Beromünster: „Das Lächeln der Gioconda" nach Aldons Huxley.
NWDR: „Die große Masche" von Otto-Heinz Jahn.
Beromünster: „Sir Michaels Abenteuer" von Kurd E. Heyne.
Stuttgart: „Der Drachenthron" von Oscar Wessel.
NWDR/UKW-West: „Der neue Mantel" nach Nicolai Gogol.
München: „Seltsames Beispiel weiblicher Rache" nach Diderot.
Südwestfunk: „Die Tage sind gezählt" von Josef Martin Bauer.
Frankfurt/UKW: „In die Nacht hinein" von Oda Schaefer.
Stuttgart: „Eine Stunde Aufenthalt" von v. Hoerschelmann.
NWDR: „Kaspische Mäuse" von Gustav Albert Mulach.
NWDR/UKW-Nord: „Das war mein Leben" (Sauerbruch).
Stuttgart: „Der Einzug des Königs" von Dorothy Sayers.
München: „Die schwäbische Schöpfung" von Seb. Sailer.
SUdwestfunk: „Die begnadete Angst" von Georges Bernanos.
Südwestfunk/UKW: „Die Querulantin" von Hermann Stahl.
Bremen: „Begnadete Angst" von G. Bernanos.
NWDR: „Die Andere und ich" von Günter Eich.
Stuttgart: „Das Heilige Abendmahl" von Dorothy Sayers.
Frankfurt: „Simon" von Franz A. Hoyer.
Stuttgart: „Die Herren dieser Welt" von Dorothy Sayers.
Stuttgart: „König der Schmerzen" von Dorothy Sayers.
Frankfurt/UKW: „Unser Herr Vater" nach Clarence Day.
Frankfurt: „Das verschlossene Haus" von Michael Harward.
Südwestfunk: „Barbara dividiert durch elf" von Egon Jameson.
Frankfurt/UKW: „John Gabriel Borkman" von Henrik Ibsen.
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
Denke an den „Hörspiel-Preis der Kriegsblinden"!
sie sorgfältig mit dem Taschentuch ab und
schnippste sie wieder hinein. Ich hatte von
diesem Vorfall nichts bemerkt, aber in der
Pause erzählte es mir meine Helferin und
meinte, daß die Lehrerin sehr, sehr blaß
geworden wäre. Bei meinem Karneraden war
es bestimmt nur eine gewisse Nervosität,
die uns leider noch immer viel zu schaffen
macht.
Ich selbst hatte die unschöne Angewohn-
heit, die Stirn auf die Tischplatte zu legen,
wenn ich über irgend etwas nachdachte;
sogar in Gesellschaft geriet ich oft in Ver-
suchung, es zu tun. Ich kenne Kameraden,
deren Hände während der Unterhaltung
oder auch, wenn sie in Gedanken versunken
sind, im Haar Löckchen drehen oder ständig
an ihrer Nase zupfen oder mit ihren Fingern
akrobatische Kunststückchen vollbringen,
wobei manche es zu einer beachtenswerten
Fertigkeit gebracht haben. Haben wir schon
einmal überlegt, wie so etwas auf den Zu-
schauer wirkt?
Es ist ja so leicht, etwas zu kritisieren,
aber doch durchaus nicht so schwer, uns
einmal selbst zu beobachten, sei es
auf der Straße, sei es bei Tisch oder in
Gesellschaft, überall gibt es leider tausen-
derlei Möglichkeiten, sich so recht nach
Herzenslust gehen zu lassen. Für Kriegs-
blinde eine doppelte Gefahr: denn erstens
sieht man auf uns, und zweitens fehlt uns
die Kontrolle des Auges. Und drittens: er-
fahrungsgemäß fällt es auf uns alle zurück,
wenn ein einzelner von uns sich blamiert.
Hans Leh ma n n (Marburg)
17
Der Kriegsblinde im Rechtsstudium
„Wie studieren unsere Kameraden eigentlich
Und wie verläuft solch ein Studium?" — Diese
Frage wurde letzthin mehrlach an die Schriitleitung
gerichtet. Wir baten einen kriegsblinden Studenten,
uns diesen Ausbildungsweg zu schildern. Hier
seine Antwort:
Unter den wenigen zur Wahl stehenden
Möglichkeiten, durch das Studium einer
wissenschaftlichen Disziplin die Grundlage
für -einen späteren Beruf zu legen, erfreut
sich die Rechtswissenschaft unter den
Kriegsblinden einer besonderen Bevorzu-
gung. Schon eine relativ große Zahl der im
ersten Weltkrieg Erblindeten, die noch heute
in einem Beruf der Justiz oder Verwaltung
tätig sind, gingen diesen Weg. Noch ein-
drucksvoller ist die Zahl der während des
zweiten Weltkrieges erblindeten Kamca-
den, die einer juristischen Ausbildung zu-
strebten. Die Gründe hierfür sind mannig-
faltig. In erster Linie ist es der, daß die
juristische Disziplin mit ihrer abstrakten,
logisch-konstruktiven Denkweise beherr-
schend auf die Kopf- und Gedächtnisarbeit
und auf das Wort abgestellt ist, also in
gewissen Grenzen von weiterer Hilfe be-
freit. Aber auch die große Zahl der Berufe,
die sich nach dem Abschluß des Studiums
und der Ausbildung im Rechtsleben, etwa
als Justiz- oder Verwaltungsbeamter, Syn-
dikus oder freier Anwalt, ergeben, sind stark
ausschlaggebend. Nicht zuletzt aber war für
die große Zahl der nach dem zweiten Welt-
krieg zur Universität strömenden Kriegs-
blinden maßgebend, daß ihre älteren
Kameraden ihnen ein Arbeitsfeld er-
schlossen haben, das bewiesenermaßen sich
als für uns begehbar zeigte.
Es sei nun hier in kurzen Zügen — nicht
für den Juristen, sondern für den daran
Interessierten — der Ausbildungsgang be-
leuchtet, den der Kriegsblinde im Rechts-
studium zu beschreiten hat. Vorweg: er geht
ihn so, wie jeder andere Student, also
ohne jede Anpassung des Universitäts-
betriebes an die besonderen Eigenarten des
Blinden, wie sie etwa in einer Blinden-
schule naturgemäß zu finden ist. Und es
wäre ferner einleitend die Illusion zu be-
seitigen, daß das Studentenleben im Rahmen
' unserer allgemein schlechten Verhältnisse
noch so sorgenlos, vergnügungssüchtig und
bevorzugt wäre wie zu Bismarcks Zeiten; es
ist heute zu einem harten, zielbewußten
Streben nach einer raschen, gründlichen Fach-
ausbildung geworden, die mit größten
Opfern an Gesundheit, Freizeit und finan-
zieller Einbuße durchgeführt wird.
Das Rechtsstudium ist an eine Mindest-
semesterzahl von 6 Semestern (das Semester
zu 6 Monaten) gebunden; der ungeheuren
Stoffülle wegen wird jedoch diese Zahl
zwangsläufig vielfach um ein oder mehrere
Semester überschritten. In diesem Zeitraum
wird dem Studenten in Vorlesungen, deren
Besuch und deren Wahl ihm die „akade-
mische Freiheit" ziemlich freistellt, theore-
tisch der gesamte Bereich des Rechtes vor-
geführt und zur geistigen Bearbeitung emp-
fohlen. Unter einer Vorlesung, die die
allgemein übliche Unterrichtsform der Uni-
versität ist, stellt man sich am besten einen
speziellen Vortrag vor, der von einem für
dieses Fachgebiet bestellten Professor ge-
halten wird. Bis auf wenige bevorzugte
Naturen kommt der Student nur mit dem
natürlichen Menschenverstand ausgerüstet
und ohne jede juristische Kenntnis zur Uni-
versität.
Demgemäß muß er von unten, dem Pri-
mitivsten, zu lernen beginnen: die in die
Vorzeit zurückreichende Rechtsgeschichte,
grundlegende systematische Teilungen inner-
halb des Faches, Überblicke usw., und so
kommt er dann langsam zum theoretischen
Lernen der gesetzlichen Vorschriften, der
bekannten Unzahl von Paragraphen und
Artikeln. Und wer sich einmal die Mühe
macht, verstehen zu wollen, welch ungeheure
Stoffülle der Jurist zu beherrschen, also auch
zu lernen hat, muß sich klarmachen, daß
das nicht mit der rechtlichen Würdigung des
Kaufes eines Anzuges oder Grundstücks, der
Bestrafung eines Diebes oder Ehebrechers
sein Bewenden hat, sondern im gleichen
Maße das Verfassungsleben der Regierung,
Akte der Verwaltung und vieles mehr um-
faßt. Ergänzt wird dieses theoretische Lernen
aus Vorlesungen und Büchern durch
Übungen, in denen man erstmalig selbst
gezwungen ist, einen „Fall" zu entscheiden.
Selbstverständlich handelt es sich hier nur um
die übungsweise exerzierte Anwendung des
Gelernten, während diese Tätigkeit ernstlich
Der kriegsblinde Student nennt seiner Studien-
hellerin die Titel der Bücher, die sie tür ihn in
der Seminarbibliothek entnehmen soll. Die Stu-
dienhelierin ist es auch, die dem kriegsblinden
Studenten die wissenschaftlichen Werke vorliest.
erst in der folgenden praktischen Ausbildung
getrieben wird. In einem Wort: die Univer-
sität vermittelt die theoretischen Grund-
begriffe in einer umfassenden Darstellung
des gesamten Rechtes.
Abgeschlossen wird diese Ausbildung
durch die „1. juristische Staatsprüfung".
Dieses Staatsexamen will in einer teils
schriftlichen, teils mündlichen Prüfung mit
recht hohen Anforderungen die Eignung
des Kandidaten für eine weitere Ausbildung
feststellen. Jedoch ist nach Ablegung dieser
Prüfung nur die Ausbildung an der Uni-
versität beendet: es folgt die mehr-
jährige Ausbildung in der Praxis (Gericht,
Staatsanwalt, Rechtsanwalt) als Referendar.
Erst nach dieser Zeit wird der Schüler des
Rechts durch eine erneute Prüfung, die die
Ausbildung endgültig abschließt, zum
Assessor ernannt, und damit erst beginnt
die eigentliche, freie Berufstätigkeit.
Es wurde eingangs gesagt, daß diesen
komplizierten, langwierigen Weg der
Kriegsblinde unbevorzugt wie jeder än-
dere geht. Wie aber handhabt er
dies, wo er doch grundlegenden Ein-
schränkungen unterworfen ist und von
völlig anderen Voraussetzungen aus-
gehen muß? Zunächst ist die Umstellung
zu einem rein akustischen Lernen
zu überwinden. Kurz^-heißt das, daß man zu
trainieren hat, das Gehörte in der Vor-
lesung oder beim Nachlesen möglichst rasch
zu verdauen und sich zusätzlich dafür ein,
gutes Gedächtnis zu schaffen. Jedenfalls istf
dieser Vorgang nicht selbstverständlich für
uns, die wir vor der Verwundung unser
Lernen und das Gedächtnis, wie „jeder
Mensch", überwiegend von der Tätigkeit des
Auges abhängig machten. Wie rasch mani
diesen Prozeß der Entwicklung einer neuen!
Lernmethode bewältigt, ist sehr verschieden.;
Das, was man lernen soll und will, entnimmt»
man zunächst den Vorlesungen und Bücherni
Doch um ins Kolleg zu gelangen und um denf
dort gebotenen Anregungen zum Lesen und!
Bearbeiten bestimmter Stoffgebiete in Bii-
ehern nachkommen zu können, benötigt manj
eine Hilfsperson. Wie man dieses-;
Problem — eines der Hauptprobleme über-?
haupt — überwindet, ist der Initiative des?
einzelnen weitgehend überlassen. Äußerst
verschieden wird demgemäß auch dieses
Problem gelöst; es hat sich hier weitgehend
der Begriff eines „Studienhelfers" heraus-
gebildet, womit man eine Person kenn-
zeichnet, die es übernimmt, den Kriegsblin-
den zu seinen Vorlesungen usw. zu begleiten,
vor allem ihm durch Vorlesen die Literatur
zugänglich zu machen und ihm nach Diktat
Schreibarbeiten zu besorgen. Kurz: der Stu-
dienhelfer ( oder Studienhelferin) soll die
durch die Verwundung bedingten und durch
eigene Initiative unüberwindlichen Hinder-
nisse überbrücken und dem Kriegsblinden
ein möglichst reibungsloses Studium ermög-
lichen.
Naturgemäß kommt nicht jede Person in
Betracht, die Möglichkeiten schwanken zwi-
schen der Beteiligung an der Arbeit eines
Mitstudierenden und der stunden- oder zeit-
weiligen Verpflichtung eines Studienhelfers.
Es ist dem Kriegsblinden — so lehrt jeden-
falls die Erfahrung — unmöglich, sich auch
nur annähernd in diesem umfassenden Stu-
dium allein auf die: Blindenhilfsmittel zu
verlassen; entweder sie stehen nur völlig
unzureichend zur Verfügung (wie etwa die
Literatur) oder die Handhabung kann eben
nur ein mehr oder weniger glückliches Be-
helfsmittel sein. Hierin liegt ein nicht un-
wesentlicher Unterschied zu dem studieren-
den Friedensblinden, wenn selbst auch er
nicht allein mit seinen Hilfsmitteln aus-
kommt. Den Neuentwicklungen der Technik
wie dem Dimafon und der Entwicklung des
Kameraden Schramm wird ohne Zweifel
schon hier, nicht erst in der Praxis, ein be-
glückendes Maß an Einwirkungsmöglich-
keiten gegeben sein.
Das Studium des Kriegsblinden ist gleich-
zeitig seine Berufsausbildung. Der Staat
gewährt und finanziert sie bei Vorliegen
gewisser Voraussetzungen. Der Schwerpunkt
aber liegt hier, wie in jeder Tätigkeit des
Kriegsblinden, in der wachsenden Zufrieden-
heit, die der Fortschritt verbürgt und dem
Bewußtsein, durch eine liebgewonnene pro-
duktive Arbeit gleichgeachtetes Glied der
Gemeinschaft sein zu dürfen.
Aber eins muß jeder kriegsblinde Student
wissen: die Berufsaussichten sind
nicht gerade rosig, und es bedarf harter
Energie und reichen Wissens, um sich durch-
zusetzen.
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Der Baron B., Wie viele angesteckt von der
großen Langeweile einer zu Ende gehenden
Epoche, verbrachte die zwischen Festlich-
keiten und Landpartien ihm übriggebliebene
Zeit mit Schriftstellerei. Und auch in dieser
Beschäftigung, einer von den vielen, die den
Mangel an Eingebung und Erfindung mit
Findigkeit und anschmiegsamer Galanterie
zu verkleiden wissen, stieß er eines Tages,
die Bibliothek eines Freundes, der Mitglied
des königlichen Orchesters war, nach einer
Anregung durchstöbernd, auf ein Buch, das
eine Theorie des Gitarrenspiels enthielt und
von einem erfahrenen Musiker, indes un-
zulänglichen Schriftsteller, zusammengetragen
Zeichnung: G. Büsemeyer
war. Und obgleich er nichts von der Kunst
des Gitarrenspiels verstand, der Freund
überdies ihm sein Vorhaben ausdrücklich ab-
riet, beschloß er, noch das Buch in den Hän-
den, eine anmutige, leicht erlernbare und in
geschliffenstem Stil gehaltene Theorie des
Gitarrenspiels zu verfassen, die seinen
Namen -auch in den Kreisen der Musik be-
liebt machen sollte.
Das Buch erschien, und nicht nur in den
Musiksalons wurden die Sachkenntnis und
die scharmante Art der Anleitung besprochen
und bewundert. Denn der Verfasser erhielt
eines Tages ein Billett von der Königin, das
ihn nach Versailles bestellte. Der Baron, er-
freut und bestürzt zugleich, ahnte indes nicht,
daß die Königin, nachdem sie ihn huldreich
und freigebig mit Komplimenten überhäuft,
nun auch alsbald eine Gitarre bringen lassen
würde mit der Aufforderung, ihr zu bewei-
sen, er sei ebenso meisterhaft im Spiel wie
■ in der Anleitung.
Der Galante jedoch rettete sich noch für
den Augenblick, indem er ein Rheuma in den
Fingern vorschützte, konnte allerdings ihrer
königlichen Eindringlichkeit nicht entrinnen
und sagte zu, daß er, wie gewünscht, bereit
sei, Ihrer Majestät das Gitarrenspiel in den
körnenden Wochen beizubringen.
Blaß und verstört kam er zu seinem
Freund, aus dessen Bibliothek er die unheil-
volle Anregung empfangen, teilte ihm die
königliche Ehrung, die ihn zur Verzweiflung
triebe, mit, und nachdem sie alle Auswege,
sogar Flucht, Krankheit und plötzliche gei-
stige Gestörtheit durchdacht und wieder als
unmöglich verworfen hatten, beschloß der
unglückliche Verfasser der Theorie, in aller
Stille bei seinem Freunde Stunden zu
nehmen.
Indem er nun seine Unsicherheit, die sich
alsbald gar zu kraß herausstellte, immer be-
tretener mit quälendem Rheuma entschul-
digte und die mitleidige Schülerin das nächste
Mal ihren Leibarzt eigens zur Gitarrestunde
herbeizuholen versprach, um die Hand des
Meisters zu untersuchen, da blieb B. nichts
übrig, als der Königin ein Billett zu schicken,
auf dem er sich als ernstlich krank entschul-
digte. Der so mit Güte und Verehrung Ver-
folgte wurde nach einigen Tagen vom Leib-
arzt der Königin dabei betroffen, wie er
mit geschicktester Hand die Billardkugel
stieß, und es wäre dem Baron aus seiner
dilettierenden und frivolen Eitelkeit, mit der
er sich auf das Glatteis einer vorgetäuschten
Kunst begeben hatte, daraus beinahe ein
Schicksal, zum mindesten das der Lächerlich-
keit, erwachsen, hätte nicht der große Gang
der Weltgeschichte dem Dilettanten geholfen
und eben in diesen Tagen die Meute der
Pariser gegen Versailles in Bewegung ge-
setzt, die auf ihren kranken Gitarremeister
wartende Schülerin und Königin aus ihren
Gemächern geholt und in die Tuilerien nach
Paris übergeführt. Erschüttert und auf eine
seltsame Weise beschämt, schickte er der
Königin ein Billett, auf dem er nur ver-
merkte: „Meine verehrteste Königin! Es reut
mich nicht so arg, daß ich Plagiator und
Dilettant bin, aber daß ich Ihre Anmut und
Güte betrog, das werde ich immer bereuen!"
Die Antwort der Königin, eines der letzten
Billetts, bevor die verschärfte Haft ihr sol-
ches verbot, lautete: „Herr Baron! Hätte ich
je von anderer Seite erfahren, daß Sie auf
so scharmante Weise mich und die Öffentlich-
keit hinters Licht führten, was wäre mir
übriggeblieben, als in Erinnerung zu lächeln
und Sie für einen Galan großen Formats zu
halten. Nun aber, da Sie mich mit Ihrer
Selbstanklage überfallen und sich einen Be-
trüger heißen, mich eben damit aber eine
Betrogene, muß ich Sie an meine derzeitige
Verfassung erinnern! Denn warum vergaßen
Sie, daß ich in die Lage versetzt bin, in der
eine große Enttäuschung nicht mehr möglich
ist, eine kleine aber eben deshalb um so
bitterer ist? Mir verblieb nichts als ein paar
kleine Illusionen, darunter auch Ihre .Theo-
rie' und Ihr Rheuma . . . Um diese bin ich
nun durch diesen Brief ärmer geworden,
teurer Baron. Und Sie verlangen, das sollte
ich Ihnen verzeihen?"
<~söc4j^cy3uj^/tJZ4id£^
A. v. Hatzfeld — ein blinder Dichter
Der seit Jahrzehnten erblindete Dichter
Adolf von Hatzfeld gehört zweifellos zu
den bedeutenden Köpfen unserer Gegen-
wartsliteratur, vielen bekannteren Namen
des Augenblickserfolges weit überlegen.
Hatzfeld drängt sich nicht vor, er gehört zu
den Stilleren, vielleicht schon, weil er vor-
nehmlich Lyriker ist, aber Männer mit Spür-
sinn wie Hermann Hesse oder Thomas Mann
wissen seinen Reichtum an Sprache und Bil-
dern zu schätzen. Der Hundt-Verlag in
Hattingen legt jetzt gesammelte Gedichte
Hatzfelds vor, „M e 1 o d i e des Herzens",
ein großformatiger, schöner Band von 86 Sei-
ten (Preis 7,80 DM). Hatzfeld hat es sicher-
lich nicht leicht, sich zu behaupten, denn es
muß für ihn das Mißtrauen naheliegen, daß
manche Anerkennung ihm mehr mit Respekt
vor seiner Blindheit als mit Respekt vor
dem Werk gezollt wird. Ob er deshalb in
seinen Gedichten in so auffälliger Stetigkeit
sich vom Schauen regieren läßt? Bei
kaum einem sehenden Lyriker finden wir
jede Darstellung so sehr auf das Licht, auf
die Farben, überhaupt auf das Auge abge-
stellt, nicht auf das Fühlen oder das Horchen,
ja, nicht einmal eigentlich auf das „Schauen"
im tieferen Sinn, nicht auf die Bemühung um
Weisung oder Deutung. Das ist an diesen
Gedichten ohne Zweifel .enttäuschend.
Wohl finden wir hier kraftvolle oder zarte
Bilder voll dichtesten Naturerlebens — und
gerade uns Blinden tut es gut, solche Verse
zu lesen — aber vergeblich suchen wir Aus-
sagen, die uns eigentlich und tief innerlich
angehen. Im Gegenteil: manches ist so not-
voll und deprimierend, was Hatzfeld uns von
seinem Wesen offenbart, daß es uns eher
hungrig als satt macht. Das muß einmal ge-
sagt werden, obwohl kein Zweifel daran
bestehen kann, daß hier ein Dichter zu uns
spricht, der über edelste Gaben und Mög-
lichkeiten verfügt. Es bleibt nur die Frage,
, ob er diese Gaben richtig anwendet. Oder
wird er überschätzt?
Ein herrliches Kinderbuch
Schon vor einem Jahr wiesen wir auf die
unvergleichlich schönen Bände „W u n d e r -
bare Fahrten und Abenteuer der
kleinen Dott" hin. Tamara Ramsay läßt
hier mit einem kleinen zwölfjährigen Mädel
unserer Tage wundersame Verzauberungen
geschehen, und verwoben mit spannungs-
geladenen, märchenhaften Begegnungen, ler-
nen die kleinen Leserinnen auf die leben-
digste Weise unsere deutsche Heimat ken-
nen: nicht nur die Natur, z. B. die Vogelwelt,
sondern auch die Landschaft — im ersten
Band ist_ es Westprignitz, im zweiten Band
vornehmlich Sachsen — und vor allem: ihre
Geschichte. Sie spaziert mit Friedrich dem
Großen durch unsere heutige Welt — eine
großartige Szene — oder sie erlebt den
30jährigen Krieg, sie lernt das Brückenmänn-
chen von Dresden kennen — Geschehnisse
und Gestalten werden den Kindern leben-
diger, als es die Schule vermitteln kann.
Und daß der Schauplatz das Land hinter dem
Eisernen Vorhang ist, macht das Buch uns
so besonders wertvoll. Auch dies ist ja
deutsche Heimat. Manches zehnjährige, aber
sicherlich alle 12- bis 14jährigen Mädel wer-
den an den Bänden Freude und Gewinn
haben. Jeder Band — hervorragend aus-
gestattet — kostet zwar über 11 Mark, ist
aber diesen Kaufpreis wert. (Union Deutsche
Verlagsgesellschaft)
Im übrigen: Vorsicht bei Kinder- und Ju-
gendbüchern! Es ist oft haarsträubend, was
an Unwahrhaftigkeit und Kitsch zu finden
ist. Den ahnungslosen Kindern gefällt es so,
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DAS WORT ZUFALL IST QOTTESLÄSTERUNQ
NICHTS UNTER DER SONNE IST ZUFALL
L E S S I N g
ES QIBT KEINEN ZUFALL,
UND WAS UNS BLINDES UNQEFÄHR NUR DÜNKT,
QERADE DAS STEIQT AUS DEN TIEFSTEN QUELLEN
SCHILLER
AUS DEM INHALT
Seite
War es ein Zufall? Von F. W. H 1
Die vordringlichsten Aufgaben der Kriegsblindenbetreuung.
(Die Beratungen bei der Bundesbeiratssitzung in Wies-
baden) 1
Bevorzugte Abfertigung? Von Th. GM. ..... 2
Das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter —
Entschließung des Bundes der Kriegsblinden Deutsch-
lands e. V 3
Pressestimmen zum Hörspielpreis 4
Die Kapitalabfindung. Von Oberverwaltungsrat Seuferle 5
Ein neues Zeichengerät — auch für Blinde.
Von Dr. med. Hille 6
Wir dürfen nicht blind sein. Von Franz Feistner ... 7
Aus den Landesverbänden 10
Christian Hutschreuther gestorben
Landesverbandstag in Niedersachsen
Seite
„Sieg über das Dunkel" — Glanzvolle Premiere in Berlin
Friedrich Ramann gestorben
Lesermeinung 13
Wer wird Sportmeister der Kriegsblinden?
Von Franz Schmitgen
Ist Jagen und Fischen für Kriegsblinde waidgerecht?
Von K. Schulz 15
Für unsere Schachfreunde. Von Gabriel Mertens ... 15
Kleine Neuigkeiten 16
Vorfrühling. Gedicht von Kam. Hans Schmalfuß ... 16
Der Kritiker am Lautsprecher 18
Programmvorschau für Hörspiele 18
Ein Beispiel menschlicher Bewährung. (Aus der Ansprache
Erwin Wickerts bei der Übergabe des Hörspielpreises) 19
Ostergedanken um den Galgenberg.
Erzählung von Kam. K. Schulz " . 20
Selbstorientieren — aber wie? Von Dr. Kurt Wintterlin 20
Unser Tilelioto — „L a n d s c h a 1 t bei S e e I e 1 d" — ist dem Buch „Meine Berge" von Luis Trenker (Verlag C. Bertelsmann,
Gütersloh) mit Ireundlicher Genehmigung des Verlages entnommen. — Das Foto auf der Umschlagrückseite — „Tiroler Bauer" —
ist von Kur t Hege
799 - 802 - 803 - 804 - 791 - 792 - 797 - 796 - 795 - 756 - 758 - 762 - 761 - 763 - 778 - 786 - 787 - 708 - 707 - 698 - 699 - 705 - 729 - 710 - 709
.Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld,
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E.V.
Nr. 8 . 3. Jahrgang . April 1952 . Verlagsort Bielefeld
War es ein Zufall?
Selten sprechen Kriegsblinde über ihre
Verwundung, noch seltener über das, was
sie im Krieg erlebt oder nach ihrer Verwun-
dung erlitten haben. Sie schweigen — nicht
aus Abgestumpftheit oder weil sie längst
vergessen und überwunden hätten, was hin-
ter ihnen liegt, sondern weil diese Fragen
ans Zentrum ihres Daseins rühren, an oft
unverheilte Narben, die anzutasten immer
wieder bitter schmerzt. Dennoch aber sollte
man nicht deshalb, weil man den Schmerz
fürchtet und dieses Anrühren schwer zu be-
wältigender, lastender Fragen, auch vor
sich selbst schweigen und diese Fragen
sorgsam umgehen.
Denn wieviel würde erträglicher, wenn
mancher — und nicht nur ein Kriegsblinder!
— über das Lastende und Ungeklärte hinweg
zu einer klärenden Freiheit vorstoßen würde,
die ihm sein Schicksal verständlicher macht!
Die gefährliche Frage nach dem „Warum?"
oder „Warum gerade ich?" ist nicht zu
lösen aus einer Einstellung des Protestes
und der Opposition heraus, sondern nur nach
einer männlichen Bejahung. Dafür ein Bei-
spiel:
Drei kriegsblinde Kameraden saßen zu-
sammen, und da fiel, als man auf das eigene
Schicksal zu sprechen kam, das mit Selbst-
verständlichkeit hingeworfene Wort: „Ja,
wenn die Kugel nur einen Zentimeter weiter
links geflogen wäre, dann könnte ich noch
sehen!" Und ein anderer läßt seine Gedan-
ken in der gleichen Richtung spielen: „Ja,
warum konnte ich nicht einen Schritt weiter
nach links gehen? Warum mußte die Mine
gerade an dieser Stelle liegen und nicht
fünf Zentimeter seitwärts? Es ist eben alles
Zufall!"
Zufall? Ja, wollen und können wir diesem
ungreifbaren Gespenst des Zufalls alle Macht
überlassen, wie wir es mit solchen Fragen
tun? Wenn eine planlose, launenhafte Willkür
über uns am Werk ist, dann allerdings kön-
nen wir kaum Ruhe und Trost finden, denn
dann herrscht über uns ja ein grauenvolles,
elendes Chaos. Wer könnte das ertragen?
Wer möchte sich einer so sinnlos waltenden
Macht ausgeliefert wissen? Nein, nicht der
Zufall, dieser höhnische Verächter jeden
Maßes und Rechtes, kann diese Welt regie-
ren, sondern nur eine unbeeinflußbare, alles
wissende, alles umgreifende Ordnung.
Das sei unser Glaube, auch wenn diese gött-
liche Ordnung oft undurchschaubar ist in
ihren Eingriffen. Es ist ja ein Walten, das
über den Menschen steht und daher nicht
von uns begreifbar ist.
Es gibt eine Antwort auf unsere bitteren
oder anklagenden Rufe: „Warum?" Es muß
diese Antwort geben. Das zu wissen, ist
schon Trost genug — zu wissen also nur
dies, daß es eine solche Antwort gibt, gültig
und segensreich. Die Antwort selbst zu
kennen, steht uns vielleicht nicht zu. Wir
haben nur das Recht, darauf zu vertrauen,
daß eine solche Antwort uns einst gegeben
wird. Ahnen können wir die Antwort, er-
spüren können wir sie, wir können darum
ringen, aber eben immer in der Gewißheit,
daß nicht ein leerer Zufall unserem Schicksal
eine Wende gab. Denn wäre alles Geschehen
ein zufälliges., ein wirres Spiel zusammen-
hanglos verpuffender Ereignisse, fremd ge-
gen alle Gesetzlichkeiten und Wertungen, so
wären wir Menschen einer grauen Verlassen-
heit preisgegeben, in der es keinen mäch-
tigen Schutz und keine Rettung vor dem Un-
gewissen und Bösen gibt. Woher sollte auch
nur ein einziger Mensch noch seine Berufung
und Bestimmung empfangen? Wo könnte es
noch Verantwortung geben in einer Welt
gesetzesfremden Wirrsals? Wie könnte noch
mit deinem Leid ein Auftrag verbunden sein,
der deinem Leben einen neuen Sinn gibt?
Nein, keiner sollte mehr von „Zufall"
sprechen. Wir dürfen glauben, daß wir uns
geborgen fühlen dürfen unter einer uns alle
gewaltig umschließenden Ordnung. Das erst
macht es uns möglich, unser Leid — und
auch unser Glück — bejahend zu tragen. Das
ist eine Sache der Zuversicht, also der inner-
sten Kräfte, nicht des Verstandes, der nach
„vernünftigen" Gründen fragt. Wie sollten
wir kleinen Menschen begreifen können, was
Wille und Absicht eines höchsten Gesetz-
gebers ist? Sein Walten unterliegt nicht un-
serem Urteil, und in Ehrfurcht müssen wir
uns ihm beugen. Aber ist das nicht ungleich
beglückender, als ein Sichbeugen vor dem
Zufall?
Gerade in dieser Osterzeit sollten wir ein-
mal darüber nachdenken. Jeder, der unter
einem schweren Leid zu seufzen hat, ist in
Bruderschaft verbunden mit dem Leidens-
mann am Kreuz, und jeder kann mit ihm
auch eine Auferstehung erfahren. Wie blaß
und dumm wird es da, sich selbst als Opfer
eines heimtückisch bösen Zufalls zu sehen.
F. W. H.
Die vordringlichsten Aufgaben der Kriegsblindenbetreuung
Die Beratungen bei der Bundesbeiratssitzung in Wiesbaden
Am Samstag, dem 8. und Sonntag, dem
9. März 1952, fand im Taunushotel zu Wies-
baden die 5. ordentliche Bundesbeiratssitzung
des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands
e, V. statt. Teilnehmer und allein stimm-
berechtigt waren die sämtlich anwesenden
Vorsitzenden der 12 Landes-
verbände. Selbstverständlich nahmen
auch die Mitglieder des Bundesvorstandes
und die Sachbearbeiter an der Sitzung teil.
Wiederum stand eine umfangreiche Tages-
ordnung zur Debatte. Trotzdem wurde jeder
Punkt mit großer Gründlichkeit erörtert, an
beiden Tagen bis spät in die Nacht hinein,
und ohne den leisesten Mißklang in einem
Geist echter, ja froher Kameradschaft. Bei
allem Ernst der Beratungen und bei aller
körperlichen und geistigen Anstrengung kam
also auch immer wieder jene überlegene und
im Lachen verbindende Humor zum Durch-
bruch, der eine echte Kameradschaft aus-
zeichnet und eigentlich erst beglaubigt. Nicht
zuletzt war dieser gute, tragende Geist der
Sitzung unserem Bundesvorsitzenden Dr.
Plein und der Art seiner Verhandlungs-
führung zuzuschreiben, der bei aller Leiden-
schaft in der Sache und bei aller Präzision
doch alles andere als ein Bürokrat oder ein
Paragraphenreiter ist.
Es ist hier gar nicht möglich, auch nur an-
nähernd die Beratungspunkte zu erörtern.
Allein das zusammenfasende Protokoll der
Sitzung umfaßt 28 eng beschriebene Manu-
skriptseiten, Es seien hier nur einige Punkte
genannt, die jeden Kameraden interessieren
dürften. So wurde z. B. zu Beginn der Sitzung
beraten, in welcher Weise der Landes-
verband Bayern, ohne die Satzungen
unseres Bundes zu verletzen, eine eigene,
eingetragene juristische Person schaffen
könne, die für die Kriegsblinden-Arbeits-
fürsorge in Bayern als Gesellschafter fun-
gieren kann. Die bayerischen Kameraden
Birngruber und Wendel betonten dabei, daß
sie keinen Partikularismus betreiben wollen
und daß sie selbstverständlich die ge-
schlossene Einheit unserer Schicksalsgemein-
schaft bejahen.
Ein anderer Punkt der Erörterungen des
ersten Tages bezog sich auf unkamerad-
schaftliche Aktionen eines einzelnen kriegs-
blinden Außenseiters, der mit seinen Ver-
suchen, selbständig tätige Handwerker-
kameraden für egoistische Ziele ein-
zuspannen, in einer geradezu kläglichen und
lächerlichen Weise gescheitert ist. Auch hier
bewies und bewährte sich erneut die groß-
artige Geschlossenheit unserer Schicksals-
gemeinschaft.
Mit der Entgegennahme der Be-
richte begann der zweite Sitzungstag. Der
wichtigste dieser Berichte, nämlich der Ge-
schäftsbericht der Bundesleitung, ist unseren
Lesern im Januar- und Februarheft der Zeit-
schrift unter der seit vielen Jahren traditio-
nellen Überschrift „Rückschau und Ausblick"
bekanntgeworden. Ergänzungen dazu, ins-
besondere hinsichtlich der Gesetzgebung,
wurden bekanntgegeben und lebhaft erörtert.
Der Bundesschatzmeister, Kamerad Leo Kratz,
legte den Bundesbeiratsmitgliedern den
Jahres-Kassenbericht schriftlich
vor und erläuterte ihn. Außer dem ordent-
lichen Kassenbericht, der dem im Vorjahr
genehmigten Haushaltsvoranschlag ent-
sprach, war aus Gründen der Übersichtlich-
keit ein außerordentlicher Kassenbericht
aufgestellt worden, insbesondere mit den
Einnahmen aus Spenden, Werbeaktionen
usw. und den Ausgaben für das Kriegs-
blindenhaus in Bonn. Auch über einen
unserem Bund zugefallenen Nachlaß wurde
Abrechnung gegeben. Kam. Bischoff (Berlin)
ciab in diesem Zusammenhang Bericht über
die unserem Bund wieder zugesprochenen
Berliner Grundstücke Wilhelms-
höhe, Metfesselstraße und Mehringdamm,
bei denen es sich um schwer verwendbare
Trümmergrundstücke handele.
Kam. Bierwerth (Göttingen) gab als Leiter
der Erholungsfürsorge einen Bericht
über sein Sachgebiet. Auch hier hatten die
Bundesbeiratsmitglieder einen schriftlichen
Geschäftsbericht nebst Bilanz erhalten. Es
wurde die erfreuliche Entwicklung des Jahres
1951 unterstrichen, die es u. a. auch ermög-
licht hat, die Verpflegung noch wesentlich zu
verbessern. Große Sorgen macht allerdings
die Platzzuteilung, da für die Sommer-
monate viele Zurückweisungen erfolgen
müssen, während manche Heime im Winter
oder in den Ubergangsmonaten infolge einer
meist unverständlichen Voreingenommenheit
der Kameraden oft schwach belegt sind. In
Zukunft sollen die Landesverbände bei der
Platzzuteilung, die anteilsmäßig den Landes-
verbänden zugeteilt wird, noch mehr als
bisher Einfluß erhalten. Die Kameraden Birn-
gruber und Schnaitmann ergänzten den Be-
Bevorzugte Abfertigung ?
Es ist bekanntlich ein seit Jahrzehnten fest-
stehender Grundsatz, daß Schwerbeschädigte
bei allen Behörden und Schaltern den unbe-
strittenen Vortritt haben und bevorzugt ab-
gefertigt werden sollen. Allerdings — wohl
jeder von uns hat schon die leidige Erfah-
rung gemacht, daß die anderen Wartenden
nicht gerade erbaut davon sind, wenn man
z. B. am Postschalter sein Vortrittsrecht gel-
tend machen will. Manche Wartenden sind
sogar recht entrüstet und wir hören dann:
„Ja, wir haben auch keine Zeit, uns eilt es
auch", oder man kann, wenn leichter Be-
schädigte unter den Wartenden sind, den
Vorwurf vernehmen: „Wir sind auch Be-
schädigte." Viele von uns ziehen ein be-
schwerliches Warten deshalb diesen uner-
quicklichen Streitereien vor.
Daß aber gar eine Behörde das Vortritts-
recht der Schwerbeschädigten nicht anerkennt,
ist neu. Die nachfolgende Mitteilung, die hier
nicht von einem kirchlichen Standpunkt aus
beleuchtet werden soll und die wir dem
„Berliner Blatt" entnehmen, ist hoffentlich
einzigartig. An der Tür der Rechtsantrags-
stelle im Amtsgericht Spandau
(Westberlin) hängt ein Plakat mit folgender
Bekanntmachung :
„Nach Möglichkeit werden bevorzugt ab-
gefertigt: 1. Kirchenaustritte, An-
träge auf Erteilung des Auseinandersetzungs-
scheins zur Wiederverheiratung. 2. Schwer-
beschädigte mit amtlichen Ausweis, Vormün-
der und Pfleger mit Bestallung sowie ge-
brechliche Personen ..."
Nun schön, mancher mag es mit einem
Kirchenaustritt sehr eilig haben und es mag
auch eine wenig zeitraubende Sache sein, — ■
aber man kann darüber doch nur verwundert
den Kopf schütteln, wenn man deswegen
Schwerbeschädigte vor der Tür stehen läßt.
Wie gesagt, es vergeht dir oft die Lust, den
Ausweis vorzuzeigen, und wenn es dir in
den Knien noch so schwach wird . . .
Th. GM.
rieht mit Mitteilungen über die Heime in •
Söcking und Wildbad. Das Heim in Söcking
besuchten im Vorjahr 324 Bayern und
76 Nichtbayern. 80 bayerische Kameraden
besuchten andere Heime. Vom Heim in
Wildbad, das noch im Dezember voll belegt
gewesen ist, wurde berichtet, daß wie im
Vorjahr auch in diesem Sommer versucht
werden soll, 10 bis 12 Zimmer außerhalb des
Kurheimes zu bekommen, um noch mehr
Kameraden aufnehmen zu können. Die Heil-
erfolge seien gerade bei den Winterkuren
ganz hervorragend.
Von echter Kameradschaft zeugten die Be-
ratungen darüber, ob man den Kriegs-
blindenwitwen für den Aufenthalt in
unseren Heimen eine Ermäßigung des Selbst-
zahlerpreises von 5,50 DM gewähren könne.
Es fand der Beschluß einhellige Zustimmung,
daß den Witwen, wenn sie als Selbstzahler
kommen, in den Übergangsmonaten der
Aufenthalt zu einem Preis von 3, — DM täg-
lich gewährt werden könne.
Inzwischen war der Bundestagsab-
geordnete Viktor Preusker (FDP)
eingetroffen, dem Kam. Dr. Plein nach einer
herzlichen Begrüßung das Wort erteilte. In
wohltuender und überzeugender Weise
stellte sich Abg. Preusker auf die Seite der
Kriegsblinden, deren Anliegen immer zu ver-
treten er versprach. Als einer der jüngsten
Abgeordneten — bei Kriegsausbruch war er
26 Jahre alt — hat er aus seinem Miterleben
des Krieges bis zum bitteren Ende trotz aller
Schwierigkeiten seine Mitverantwortung am
Wiederaufbau gesehen und sich der poli-
tischen Mitarbeit zur Verfügung gestellt.
Vornehmlich für Wirtschafts- und Wohnungs-
fragen zuständig, gab er dem Bundesbeirat
einen interessanten Überblick über die
gegenwärtige Lage, deren erfolgreiche
Meisterung eine unbedingte Voraussetzung
für die Sozialgesetzgebung ist und bleibt.
Abg. Preusker ging sodann auf die Einzel-
fragen ein, die Kam. Dr. Plein in seiner Be-
grüßung mit den Problemen des Schwer-
geschädigtengesetzes und der Versorgungs-
gerichtsbarkeit angeschnitten hatte. Abg.
Preusker will sich dafür einsetzen, daß im
Gesetz ausdrücklich vermerkt werde, daß
jeder für Blinde geeignete Arbeitsplatz mit
Blinden besetzt werde und Betriebe mit 200
oder mehr Arbeitnehmern auf je 200 Arbeit-
nehmer einen Blinden einstellen müßten,
wenn nicht die Berliner Regelung (auf je 100
Arbeitnehmer ein Blinder) zu erreichen sei.
Mehrere Landesverbandsleiter brachten in
der anschließenden Diskussion besondere
Sorgen oder Vorschläge zum Ausdruck, z. B.
zu dem geplanten Blindenwarenschutzgesetz,
wobei der Abgeordn'ete Preusker sehr viel
Verständnis für unsere Sache bewies und
auch die Unterstützung seiner Fraktion bei
der Durchsetzung der verschiedenen An-
liegen zusagte.
Feierliche Überreichung des Hörspielpreises
In den Mittagsstunden des 9. März fand
im Rahmen der Bundesbeiratssitzung unter
Teilnahme vieler Ehrengäste die feierliche
Überreichung des diesjährigen „Hörspiel-
preises der Kriegsblinden" an den Dichter
Erwin Wickert (Heidelberg) statt. Dr. Plein
begrüßte zunächst die Gäste, darunter Frau
Ministerialrätin Dr. Spangenberg, die den
verhinderten Kultusminister Metzger vertrat,
sowie den Vertreter der Stadt Wiesbaden,
Herrn Stadtrat Jost, den Bundestagsabgeord-
neten Preusker, den Vertreter des Hessischen
Rundfunks, Dr. Lauterbach, Herrn Pfarrer
Göding als Vertreter der Kirche, Herrn Do-
zenten Dr. Giesz als Vertreter der im Preis-
gericht tätigen Fachkritiker sowie Herrn Dr.
Fillies als Vertreter der Rundfunkzeitschrift
,,Hör zu". Leider war Herr Staatssekretär
a. D. Bredow, der seine Teilnahme zugesagt
hatte, im letzten Augenblick am Erscheinen
verhindert worden.
Friedr. W. Hymmen berichtete zu Beginn
über den Sinn des Hörspielpreises und über
den Verlauf der Beratungen des Preis-
gerichts, dem fünf Kriegsblinde und fünf der
angesehensten Rundfunkkritiker angehört
haben. Das besondere Ziel der Beratungen
sei es gewesen, jenes Hörspiel auszuzeich-
nen, das nicht nur durch seinen rundfunk-
eigenen, künstlerischen Charakter, sondern
auch durch die menschliche Wirkung auf den
Hörer am glücklichsten der Aufgabe eines
Hörspiels entspreche. Er gab sodann den
Namen des Preisträgers bekannt: D r. E r w i n
Wickert, dessen von der Sendestella
Heidelberg des Süddeutschen Rundfunks ur-
gesendeten Hörspiels „Darfst du die Stunde
rufen?" als bestes aller 1951 gesendeten Hör-
spiele zu bezeichnen sei.
Wer kann die Stunde rufen?
Nachdem Dr. Plein den mit seiner Gattin
erschienenen Preisträger unter großem Bei-
fall aufs herzlichste begrüßt hatte, erteilte er
Frau Ministerialrätin Dr. Span-
ge n b e r g das Wort, die sich in sehr fein-
sinniger und kenntnisreicher Weise für die
hohe Bedeutung des Hörspiels aussprach. Das
Hörspiel sei die neue Kunstform, so meinte
sie, und sie bestätigte insbesondere die aus-
gezeichnete Wahl des Preisgerichtes, wenn
gerade dieses Hörspiel von Erwin Wickert
ausgezeichnet worden sei. Die Kriegsblinden
hätten, als das Schicksal sie heimsuchte, trotz
der aufbrechenden Verzweiflung nicht die
Stunde ihres Todes gerufen. „Dann kam die
Gnade, auch die haben Sie nicht ruleh
können ... Sie sind die Berufenen, neben
den wenigen echten Hörspieldichtern, die
den Menschen das sagen können, den
Menschen, die verlernt haben, zu lauschen
und zu schauen; sie können nur noch hören
und sehen. Nur wer wie Sie reifen durfie,
der kann wieder in die Tiefe lauschen.
Bringen Sie uns diese Bilder der Tiefe, darin
ist Ihr Schicksal Gnade gewor-
den, nicht nur für Sie selbst, sondern auch
für die anderen Menschen."
In ähnlicher Weise bestätigte Stadtrat
Jost die hohe Bedeutung des Hörspiel-
preises. Auch Bundestagsabgeordnetcr
Preusker unterstrich die besondere Ziel-
setzung dieses Preises, nämlich jenes Hör-
spiel auszuzeichnen, das „am wenigsten dem
Schein, dem Vergänglichen, am meisten aber
der Wahrhaftigkeit, dem Menschlichen und
dem Unvergänglichen diene." Es müsse zur
höchsten Ehre für die deutschen Künstler
werden, aus den Händen der Kriegsblinden
den Preis zu erhalten. — Auch die Worte
von Pfarrer Göding zeugten von ähnlich
großem Verständnis.
Herr Dr. Lauterbach, der Leiter, der
Abteilung Hörspiel beim Hessischen Rund-
funk, wandte sich in seiner Ansprache gegen
die geringe Beachtung des Hörspiels in der
Presse und gab seiner Befriedigung darüber
Ausdruck, daß Herrn Dr. Wickert der Preis
zugefallen sei. Die Rundfunkanstalten seien
den deutschen Kriegsblinden sehr dankbar
dafür, daß mit diesem Preis dem Hörspiel
und seinen Dichtern in der Öffentlichkeit zur
berechtigten Anerkennung verholten werde.
Sodann übergab der erste Bundesvor-
sitzende mit Worten höchster Anerkennung
und Freude die als Preis vom Rundfunk ge-
stiftete Plastik „Der Entenfänger"
unseres kriegsblinden Kameraden Jakob
Schmitt aus Mainz dem Dichter, der mit be-
wegten Worten für die Ehrung dankte. Aus
dieser Ansprache drucken wir an anderer
Stelle unserer Zeitschrift die wesentlichen
Teile ab. Zum Schluß nahm Erwin Wickert
noch die Ehrung der Rundfunkzeitschrift
,, H ö r z u " entgegen, die Herr Dr. Fillies im
Auftrage seines Verlages überbrachte.
Nach dieser erhebenden Feier, die alle An-
wesenden offensichtlich auf das tiefste beein-
druckte, vereinigte ein gemeinsames Mittag-
essen die Bundesbeiratsmitglieder und die
Gäste.
Organisatorische Fragen
Der Nachmittag begann mit Erörterungen
über die Entwicklung unserer Zeitschrift,
denen sich organisatorische Fragen an-
schlössen, u. a. auch die Frage der Auslands-
vertretung und unsere Mitarbeit im Welt-
blindenrat. Es wurde beschlossen, als Sach-
bearbeiter für Auslandsfrayen den
Landesverbandsleiter von Südbaden, Kam.
Alfons Schramm, zu beauftragen, der
außer dem Bundesvorsitzenden Dr. Plein
auch in den Weltblindenrat entsandt werden
soll. Vielerlei Einzelfragen, von der Betreu-
ung der Ostzonenkameraden bis hin zur Ein-
führung einer Unfallversicherung für die im
Dienst unseres Bundes ehrenamtlich tatigen
Kameraden wurde besprochen.
Schwer lösbar schien das Problem der
Unterbringung und Verwendung der
Kriegsblindenbücherei, die bisher
in Braunlage gelagert hat. Die ursprüngliche
Planung, die Bücherei in Marburg einzurich-
ten, mußte aus verschiedenen Gründen fallen
gelassen werden. Auf Antrag des Kameraden
Schütz (Dortmund) wurde nun beschlossen,
die Kriegblindenbücherei für die in Aus-
sicht genommene Punktschriftbücherei in
Münster, über die wir im vorigen Heft mit
einer kurzen Notiz berichteten, zur Verfü-
gung zu stellen.
Mit allgemeinem Bedauern wurde zur
Kenntnis genommen, daß unser Kamerad
Karl Wendel (München) sein Amt
als Sachbearbeiter für Handwerkerhagen
und als Vorstandsmitglied der Deutschen
Blindenarbeit zur Verfügung gestellt hat,
und zwar wegen Überlastung, da er nicht
nur die Kriegsblindenarbeitsfürsorge in
München, sondern auch den großen Bezirk
Oberbayern übernommen hat. Dr. Plein
sprach Kam. Wendel im Namen des Bundes
für seine bisher geleistete aufopfernde Mit-
arbeit seinen Dank aus. Als Nachfolger in
der DBA ist bereits Kam. R o s n e r (Kassel)
gewählt worden, der auf Wunsch des Bundes-
vorsitzenden und des Bundesbeirates die
Nachfolge des Kam. Wendel übernommen
hat. Da im Bundesvorstand durch den Kam.
Neil die Interessen des Kriegsblindenhand-
werks genügend vertreten sind, wurde zu-
nächst von der Wahl eines besonderen Sach-
bearbeiters für Handwerkerfragen ab-
gesehen. Es wurde in diesem Zusammenhang
hervorgehoben, daß die Zusammenarbeit im
Bundesvorstand überaus harmonisch sei.
Versorgungsrecht
Von großer Bedeutung waren aie Erörte-
rungen zu dem Punkt „versorgungsrechtliche
Fragen und Sonderfürsorge". Insbesondere
wurden die Fragen der Versorgungs-
gerichtsbarkeit erörtert, deren bal-
dige Klärung der Bund der Kriegsblinden
Deutschlands mit Entschiedenheit fordert, da-
mit die Berufungen erledigt werden können.
Unser Bund hat schon seit längerer Zeit des-
halb die Vorab- Einrichtung von Versor-
gungsgerichten gefordert.
Nicht weniger dringlich ist eine Klärung
der Frage der Entziehung der Sozial-
r e n t e n bei berufstätigen Kriegsblinden.
Hier wird in verschiedenen Ländern noch
sehr widerspruchsvoll vorgegangen, doch ist
e~ nicht leicht, in Kürze eine einheitliche
und günstige Lösung des Problems bei den
höchsten Instanzen zu erwirken.
Hinsichtlich der Sozialfürsorge wurde be-
kanntgegeben, daß die Berufsberatung
für Kriegsblinde nach einem begrüßens-
werten Erlaß des Bundesarbeitsministeriums
L im engsten Einvernehmen mit der Hau l>
fürsorgestelle zu geschehen hat, die 'hrer-
seits gerade auch hier mit der Kriegsblinden-
organisation zusammenarbeitet. In lebhafter
Aussprache wurden eine Anzahl weiterer
Einzelfragen der Fürsorge erörtert und Er-
fahrungen ausgetauscht.
Das Schwergewicht dieser Beratungen lag
bei der Erörterung des im Regierungsent-
wurf vorliegenden Gesetzes zur Einstellung
von Schwerbeschädigten. über-
haupt steht ja die Berufsfürsorge im Vorder-
grund der Arbeit unseres Bundes. Immer
noch muß ein Teil unserer Kam2raden, die
unter der Arbeitslosigkeit schweren see-
lischen Schaden nehmen, untergebracht wer-
den. So erwarten die Kriegsblinden eine
besondere Berücksichtigung durch das Ge-
setz, und zwar vornehmlich unter dem Ge-
sichtspunkt der Fürsorge. Vor allem geht es
darum, daß bestimmte, für Blinde besonders
geeignete Arbeitsplätze auch nur den
Blinden vorbehalten bleiben. Neben
der Berufsberatung ist auch die Auswahl
der Plätze eine fürsorgerische Angelegenheit,
die daher nicht von der Arbeitsverwaltung,
sondern von den Hauptfürsorge-
stellen geleistet werden muß. Kam.
Weber (Düsseldorf) erstattete über den Ge-
setzentwurf und seine Probleme dem Bundes-
beirat Bericht, und nach längerer Aussprache
wurden die Grundzüge einer Eingabe fest-
gelegt, mit der die Bundesleitung unser'a
Forderungen bei der Bundesregierung vor-
bringen wird. Wir drucken den Wortlaut
dieses Beschlusses weiter unten ab.
Auch Fragen der Handwerkerfür-
sorge bis hin zu dem prozentualen Um-
fang, den der Vertrieb von Zusatzwaren ein-
nehmen soll, wurden erörtert. Die Fragen
der Neuregelung der Handwerkerfürsorge in
Hamburg und Schleswig-Holstein konn-
ten, wie der Bundesvorsitzende darlegte, be-
friedigend gelöst werden. Künftig sind die
Landesverbände Hamburg und Schleswig-
Holstein allein stimmberechtigte Gesell-
schafter der Kriegsblinden-Arbeitsgeinein-
schaft St. Georg in Hamburg.
Zum Schluß der Tagung wurden verschie-
dene Einzelfragen behandelt, so z. B., daß
Aussicht besteht, weitere Schlagwerkuhren
für Ohnhänder zu beschaffen. Auch die An-
regung aus Kameradenkreisen, eine Sport-
meisterschaft durchzuführen, wurde zur De-
batte gestellt, und der Eifer unserer Schach-
spieler wurde schließlich mit der Aussetzung
eines Preises für die Schachmeisterschaften
belohnt.
Mitternacht war längst vorbei, als die
Sitzung geschlossen werden konnte und Dr.
Plein den Bundesbeiratsmitgliedern den
Dank für ihre Mitarbeit bei der Lösung
ernster Aufgaben aussprach.
Das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter
Entschließung des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V.
Die Bundesleitung hat die folgende Entschlie-
ßung an die maßgeblichen Instanzen geleitet:
Der Bundesbeirat der Kriegsblinden
Deutschlands hat sich auf seiner Arbeits-
tagung in Wiesbaden im März d. J. ein-
gehend mit dem Regierungsentwurf über die
Beschäftigung Schwerbeschädigter befaßt. Be-
reits seit dem 1. Weltkrieg hat unsere Orga-
nisation die berufliche Versorgung der
Kriegsblinden als eine ihrer Hauptaufgaben
angesehen, ist doch die befriedigende Arbeit
für den Kriegsblinden eine unerläßliche Vor-
aussetzung, um mit seinem harten Geschick
fertig zu werden. Durch das tatkräftige Mit-
wirken unserer Schicksalsgemeinschaft und
das gute Beispiel zahlreicher im Beruf stehen-
der Kriegsblinder war es in der Vergangen-
heit möglich, eine große Zahl Kriegsblinder
in den verschiedensten Berufen unterzu-
bringen. Durch den 2. Weltkrieg ist die Zahl
der Kriegsblinden in der Bundesrepublik auf
über 7000 angestiegen. Hinzu kommt noch
die große Zahl der Zivilblinden, die nach
dem Regierungsentwurf ebenso wie die
Kriegsblinden zu vermitteln sind und deren
Zahl ein Vielfaches der Kriegsblinden be-
trägt. Die Zahl der zu vermittelnden Blinden
ist daher sehr groß, besonders da viele hei-
matvertriebene Kriegsblinde noch keinen
Arbeitsplatz gefunden haben und viele, bis-
her als Handwerker tätige Blinde, infolge
der vollständigen Aussichtslosigkeit, hierin
auch nur eine einigermaßen befriedigende
Berufsbetätigung zu finden, neuen Berufs-
möglichkeiten zugeführt werden müssen.
Allein die Zahl der Kriegsblinden, die z. Z.
durch die gemeinnützigen Kriegsblinden-
Handwerkerfürsorgeeinrichtungen unserer
Schicksalsgemeinschaft betreut werden, be-
trägt rund 2000, die Zahl der blinden Hand-
werker insgesamt über 7000, von denen
mindestens die Hälfte anderen Berufen zu-
geführt werden muß, wenn für den Rest eine
Beschäftigungsmöglichkeit mit durchschnitt-
lichen Monatsverdiensten von 80 bis 100 DM
erreicht werden soll. Z. Zt. erreicht der
Monatsverdienst eines blinden Handwerkers
durchschnittlich nicht einmal 30 DM monatlich.
Die Kriegsblinden erwarten bei dieser
gesteigerten Zahl der zu vermittelnden Blin-
den, daß:
1. die bevorzugte, berufliche Beratung, Untv.
bringung und Betreuung der Blinden zen-
tralisiert von den auf diesem Gebiete
durch jahrzehntelange Erfahrung bewähr-
ten Hauptfürsorgestellen mit
tatkräftigster Unterstützung der Arbeits-
verwaltung durchgeführt wird.
2. Im § 4 des Entwurfes bitten wir nach
Absatz 1 folgenden Zusatz zu bringen:
„Für Blinde geeignete Arbeitsplätze
müssen bevorzugt mit einem Blinden be-
setzt werden. Arbeitgeber, die in ihren
Betrieben über wenigstens 200 Arbeits-
plätze verfügen, müssen jeden 200.
Arbeitsplatz mit einem Blinden be-
setzen.
3. Die im § 9 Abs. 2 vorgesehene Ausgleichs-
abgabe in Höhe von 30 DM monatlich ist
mindestens auf 5 0DM monatlich zu er-
höhen.
Begründung:
Wenn wir auch vom Standpunkte der
Kriegsblinden zum Regierungsentwurf ver-
schiedene Wünsche haben und grundsätzlich
nicht verstehen können, daß man einerseits
die Zahl der Vermittlungsberechtigten nach
dem Gesetz ohne zwingende Gründe ver-
mehrt, andererseits aber die Pflichtquote
bei den privaten Arbeitgebern von 8 auf
6 Prozent heruntersetzt und durch
beide Maßnahmen die in erster Linie unter-
zubringenden Schwerkriegsbeschädigten, die
noch in größerer Zahl auf ihre berufliche
Unterbringung warten, beeinträchtigt, so
haben wir uns doch auf die für Blinde haupt-
sächlichen drei Forderungen beschränkt. Wir
hoffen, daß in Anerkennung unserer beschei-
denen Forderungen diese aber restlos in der
von uns gewünschten Form in das Gesetz
hineingebaut werden. Zur Begründung un-
serer Forderung zu Punkt 1 weisen wir dar-
auf hin, daß wir unter Aufrechterhaltung
unserer Auffassung, daß die Blinden nicht
nur befähigt, sondern auch gewillt sind, auf
den ihnen vermittelten Arbeitsplätzen voll-
wertige Arbeit zu leisten, sie doch sowohl
bei der Berufsberatung wie bei der Berufs-
vermittlung, während der beruflichen Tätig-
keit und auch sonst in jeder Beziehung zur
Erhaltung ihrer Arbeitskraft ständiger für-
sorgerischer Betreuung bedürfen. Nur durch
eine möglichst vom Kriegsblinden selbst be-
triebene oder unterstützte, vorgehende und
nachgehende Fürsorge konnte es erreicht
werden, daß die Kriegsblinden die Staunens-
■werten beruflichen Leistungen vollbringen
konnten, wie sie nach dem 1. Weltkriege
und auch jetzt nach dem 2. Weltkrieg mit
Recht die Bewunderung der Öffentlichkeit
erregen. Hierzu gehört aber noch mehr wie
bei anderen Schwerbeschädigten bei den
Kriegsblinden dieWohnungs- und Erholungs-
fürsorge, die Beschaffung geeigneter Blin-
denhilfsmittel und sonstige fürsorgerische
Betreuung, die nur als ein Ganzes aufgefaßt
und durchgeführt werden kann. Wenn wir
auch voll und ganz anerkennen, daß die
Arbeitsverwaltung hier mit all ihren großen
Möglichkeiten die Arbeit der Hauptfür-
sörgestellen unterstützen muß, so sind wir
doch der Auffassung, daß diese fürsorge-
rische Betreuung in erster Linie und
federführend den Hauptfürsorgestellen ver-
bleiben muß, die auf diesem Gebiet auf eine
jahrzehntelange Praxis und Erfahrung zu-
rückblicken können.
ZuPunkt2: Die berufliche Beschäftigung
von Blinden ist in Anbetracht des Umstan-
des, daß in erster Linie alle bisherigen
Arbeitsplätze fast ausschließlich nach für
sehende Arbeitnehmer geltenden Gesichts-
punkten geschaffen wurden, außerordentlich
schwierig. Die Erfahrung hat gelehrt, daß
hier in Zusammenarbeit von wohlwollenden
Arbeitgebern, verständnisvollen Fürsorgern
und unwiderstehlich nach Arbeit drängen-
den, geeigneten Blinden erst die Arbeits-
plätze geschaffen werden müssen, auf
denen Blinde vollwertige Arbeit zu leisten
imstande sind. Die Arbeitsmöglichkeiten für
Blinde konnten erst zum größten Teil nach
Überwindung festgewurzelter Vorurteile und
größter Widerstände durch vorbildliche Lei-
stungen geeigneter Kriegsblinder geschaffen
werden. Wir erinnern hier insbesondere an
den Beruf des blinden Telefonisten, des blin-
den Beamten und Angestellten bei Behörden
und sonstigen Betrieben, des blinden Geistes-
arbeiters und andere. Es dürfte daher von
uns keine unberechtigte Forderung sein, daß,
wenn es in Betrieben, die der Einstellungs-
pflicht des Gesetzes unterworfen sind, solche
für Blinde geeigneten Arbeitsplätze gibt,
diese Arbeitsplätze bevorzugt mit Blinden
besetzt werden müssen. Bei der Art des
Schicksals der Blindheit und seiner Schwere
sind auch solche Arbeitsplätze nur in ganz
bescheidenem Umfange geschaffen und vor-
handen, und wenn den Kriegsblinden der
Segen der Arbeit aus einer seelischen Vor-
aussetzung für die Meisterung ihres schwe-
ren Schicksals durch Berufsbetätigung ge-
bracht werden soll, dann müssen all diese
Stellen in erster Linie Blinden vorbe-
halten werden. Darüber hinaus vertreten
wir aber die Auffassung, daß Arbeitgeber,
die mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigten,
bei einigem Wohlwollen nicht nur die Mög-
lichkeit, sondern die Verpflichtung haben,
auf je 200 Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz
einzurichten, der einem Kriegsblinden ge-
stattet, vollwertige Arbeitskraft zu sein.
Das arbeitstherapeutische Beispiel dieses
Kriegsblinden mit der besonderen Heraus-
stellung der Arbeitsbetätigung als eine see-
lische Notwendigkeit für jeden Menschen
rechtfertigt gegenüber diesen größeren Be-
trieben allein schon unsere Forderung. Die
Erfahrungen in Berlin, wo eine solche Be-
stimmung mit der Verpflichtung besteht,
schon bei 100 Arbeitnehmern einen Blinden-
platz zu schaffen, haben gezeigt, daß diese
Bestimmung sich zum Segen der nach einer
Berufsbetätigung strebenden Blinden und
nicht, wie von einigen Seiten behauptet
wurde, zu deren Schaden ausgewirkt hat.
Niemand kam auf den Gedanken, daß
Arbeitgeber mit weniger als 100 beschäf-
tigten Arbeitnehmern überhaupt keinen Blin-
den einzustellen brauchten. Dies wird auch
schon eindeutig dann klargestellt, wenn un-
sere Forderung zu II Abs. 1 berücksichtigt
wird, wonach jeder für Blinde geeignete
Pflichtplatz mit einem Blinden besetzt wer-
den muß. Diese Bestimmung hat bisher in
keinem Falle dazu geführt, daß auch nur
einem Arbeitgeber durch Zwangsarbeits-
vertrag ein Blinder aufgenötigt werden
mußte. In den vergangenen Jahrzehnten
ist es im Falle von Kriegsblinden niemals
zu solchen Zwangseinstellungen von Blinden
gekommen, andererseits haben aber diese
Bestimmungen dazu beigetragen, daß die
Bereitschaft und die Voraussetzung, Blinde
einzustellen, durch diese Bestimmungen bei
vielen Arbeitgebern gefördert, ja, überhaupt
geschaffen werden konnte.
Zu P u n k t 3 : Die Höhe der im § 9 Abs. 2
vorgesehenen Ausgleichsabgabe von
monatlich 30 DM ist nicht nur nach unserer
Auffassung, sondern auch nach der Auf-
fassung derjenigen Arbeitgeber, die bereit
sind, aus ihrer sozialen Einstellung heraus
sogar über das Gesetz hinaus Schwerbeschä-
digte einzustellen, viel zu gering und bietet
mehr einen Anreiz zur Nichtein-
steilung als zur Einstellung von Schwer-
beschädigten. Eine solch niedrige Ausgleichs-
abgabe stellt nicht nur eine Belohnung der
unsozial eingestellten Arbeitgeber dar, son-
dern unterstützt die Bequemlichkeit vieler
Personalsachbearbeiter, denen die geeignete
Unterbringung und Beschäftigung eines
Schwerbeschädigten, insbesondere eines
Schwerstbeschädigten und darunter eines
Blinden, mehr Kopfschmerzen verursacht
als die Bezahlung der Ausgleichsabgabe von
30 DM monatlich. Wir sind daher der Auf-
fassung, daß diese Ausgleichsabgabe min-
destens auf 50 DM erhöht werden muß, nicht
weil wir hoffen, daß dadurch mehr Aus-
gleichszahlungen eingehen, sondern weil wir
erwarten, daß diese erhöhte Ausgleichs-
abgabe gerade böswillige und gleichgültige
Einstellungsverpflichtete veranlaßt, ihrer
Einstellungspflicht nachzukommen.
Wir bitten, unsere vorstehenden Forde-
rungen bei der Neugestaltung des Gesetzes
zu berücksichtigen und uns dabei zu unter-
stützen, allen Kriegsblinden, die noch eine
Berufsbetätigung wünschen und noch für
eine Berufsbetätigung geeignet sind, einen
Arbeitsplatz zu vermitteln, der ihnen hilft,
ihr schweres Schicksal der Blindheit zu
meistern.
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V.
1. Vorsitzender:
gez. Amtsgerichtsrat Dr. Plein.
Pressestimmen zum Hörspielpreis
Die deutsche Tagespresse hat neben der Rund-
iunkiachpresse dem „Hörspielpreis der Kriegs-
blinden" große Beachtung geschenkt. Viele große
Blätter brachten teils recht umfangreiche eigene
Betrachtungen, von denen wir hier einzelne
typische Sätze abdrucken:
„Keine Institution hat bisher einen Preis
für gesendete Hörspiele gestiftet. Jetzt haben
es die dankbarsten und intensivsten Hörer
getan: die Kriegsblinden . . . Mit Recht wurde
das Schwergewicht bei der Prüfung auf die
menschliche Seite gelegt (ohne daß Zuge-
ständnisse an den Rang der formalen Be-
wältigung gemacht wurden), weil sich das
Hörspiel nicht an exklusive Kreise wendet,
sondern an alle, und das bringt auch mensch-
liche Verantwortung mit sich. So vertraten
die Kriegsblinden nicht nur insofern die
Hörerschaft, als vor dem Lautsprecher jeder-
mann sozusagen „blind" ist, sondern auch
darin, daß sie auf inneren Zuspruch ange-
wiesen sind — wie mehr oder weniger
jedermann." (iD ie Zei f , Hamburg, 13. 3.)
„Daß es die Kriegsblinden sind, die einen
solchen Einfall hatten, wirkt verblüffend
einfach und überzeugend. Es sollte nicht
ebenso einfach hingenommen werden von
denen, denen der Preis geschenkt wird. Da-
mit ist nicht nur der Hörspielautor gemeint,
nicht nur auch die Funkdramaturgie . . .,
sondern vor allem wird der Preis dem
Hörer selbst zu seiner Nachdenklichkeit ge-
stiftet. Denn es ist ein Hörerkreis, der sich
meldet, der die Ehrung vornimmt, seine
Freude und seine Dankbarkeit bezeugt, der
ermutigt und verwirft."
(„F rankiurter Allgemeine", 3. 3.)
„Endlich einmal wurde außerhalb des
Rundfunks und der Rundfunkpresse das
deutsche Hörspiel wirklich ernst genommen,
nicht nur mit einigen schönen Worten, son-
dern mit einer großartigen Initiative."
(„F unk- lllustr ier te", Stuttgart, 16. 3.)
„Seltsamerweise hat es bisher zwar eine
Reihe von Hörspiel-Wettbewerben der ein-
zelnen Rundfunkstationen gegeben, aber
noch keinen von einer Vertretung der Hörer-
schaft ausgeschriebenen Hörspielpreis. Im
Vorjahr entschloß sich nun der Bund der
Kriegsblinden, hier eine Bresche zu schlagen."
(„N eue Zeitung", München, 3. 3.)
„Wieder einmal ist von einer Gemein-
schaft außerhalb des Rundfunks eine Lücke
ausgefüllt worden, die zu schließen eigent-
lich Sache des Rundfunks selbst gewesen
wäre ..."
(„Radio- Alma nach", Frankfurt, 16. 3.)
„Es sollte allen, die am Rundfunk arbeiten
und für ihn verantwortlich sind, zu denken
geben, daß sie neben den Fachkritikern eine
große Anzahl von Hörern haben, die nicht
weniger scharfsinnig urteilen und die vom
Rundfunk mehr verlangen als Unterhaltung
und billige Gebrauchskunst."
(„S onntagsblati", Hamburg, 16. 3.)
„Daß es gerade die Kriegsblinden sind, die
vom Hörspiel mehr als einen nur künst-
lerischen Genuß erwarten, ist sehr bezeich-
nend, und es ist sehr dankenswert. Die
Kriegsblinden sind ja legitimiert, nicht nur
die Hörerschaft insgesamt zu repräsentieren
— wer dürfte diesen Anspruch sonst stellen!
— sie sind auch legitimiert dazu, vom Hör-
spiel einen inneren Ertrag, einen mensch-
lichen Gewinn zu verlangen, eine Hilfe in
den Konflikten unserer Tage."
(„Westfälische Nachrichten",
Münster, 11. 3.)
„Kein Zweifel: von diesem Hörspielpreis
wird ein nützlicher Anstoß ausgehen . . . Die
Kriegsblinden sind für den Autor die wür-
digste Instanz, von der er die Ehrung ent-
gegennehmen kann. Freilich: Reichtümer
können von ihnen nicht vergeben werden.
Und so hat „Hör zu!" es als eine Ehren-
pflicht gegenüber den Kriegsblinden und
gegenüber dem deutschen Hörspiel be-
trachtet, den Preis nach der materiellen
Seite hin noch gewichtiger zu machen."
(„Hör zu !", 16. 3.)
„Die Auszeichnung ist von großer Bedeu-
tung, da hier zum erstenmal und mit Ernst
der Versuch gemacht wurde, das deutsche
Hörspielschaffen zu sichten und zu werten. . .
Es ist zu hoffen, daß dieser erste deutsche
Hörspielpreis, mit dem von der Öffentlich-
keit her endlich einmal das deutsche Hör-
spiel wirklich ernst genommen wird, eine
Ermutigung für die Autoren ist — und für
die Hörer."
(„Kölnische Rundschau". 8. 3.)
„Zu diesem Hörspielpreis wäre zweierlei
zu sagen. Erstens, daß Wickerts Hörspiel mit
der Frage, wie wir Menschen mit dem Leiden
und dem Sterben fertig werden, abseits
aller billigen Aktualität etwas immer Aktu-
elles aufgriff, etwas allgemein Menschliches.
Zweitens, daß die Kriegsblinden wahrschein-
lich die besinnlichsten und leidenschaft-
liclisten Rundfunkhörer sind. Um den An-
blick der, sei sie, wie sie wolle, dennoch
schönen, bunten Welt betrogen, bedürfen
sie der Anregung durch das Wort, und hier
ist wohl die Technik einmal uneingeschränkt
zu loben, weil sie diesen Leidenden mühelos
schenkt, was sie sonst entbehren müßten."
(„Der Mit tag", 22. 3.)
„. . . eine Jury der feinnervigsten Ver-
treter, die die Hörerschaft überhaupt zur
Verfügung hat. Wir wollen hoffen, daß auch
künftighin das beste Hörspiel des Jahres
von den Hörern gesucht und — gefunden
wird." („Sürag", Oltenburg, 23. 3./
„Die Kriegsblinden sind die am feinsten
reagierenden Hörspielhörer. Nur was ohne
jeden Rest ins Akkustische übersetzt ist, be-
glückt sie ganz. Damit ist schon ein recht
wichtiger Maßstab für die Beurteilung von
Hörspielen gewonnen."
(„Westfälische Zeitung", Bielefeld, 18.3.)
„Die starke Resonanz, die der von den
Kriegsblinden gestiftete Hörspielpreis ge-
funden hat, ist ein Zeichen dafür, daß das
Hörspiel als eigene Kunstform sich weiter
durchsetzt."
(„Frankfurter Rundschau", 10. 3.)
„Was aber sollte das beste Hörspiel sein?
Kann man bei einem Instrument wie dem
Rundfunk nur nach ästhetischen oder künst-
lerisch formalen Gesichtspunkten urteilen?
Gerade die Kriegsblinden erwarten mit Recht
mehr." („W es tfale npos t", Hagen, 21. 3.)
„Daß die Kriegsblinden, denen das Durch-
halten zu einer unerläßlichen Maxime ihres
Lebenswillens überhaupt wurde, gerade
diesem Stück die Krone gaben, ist verständ-
lich und gut."
( „F r ankf ur t e r Allgemein e", 10. 3.)
„Es werden Hörspiele herausgestellt, die
dem Menschen in der Not eine positive sitt-
liche Hilfe bieten, um sein Schicksal zu
meistern." rKp T e iburg er Kath. Kirchenblatt")
„Im Grunde kommt es vielleicht gar nicht
so sehr auf den Namen des preisgekrönten
Hörspielautors an, sondern darauf, daß mit
diesen Bemühungen dem literarischen und
öffentlichen Ansehen des Hörspiels gedient
wird. Nicht zuletzt auch darauf — und das
war ein Hauptanliegen der Kriegsblinden:
den deutschen Hörspielautoren zu danken
für das, was Millionen von Hörern von
ihnen empfangen."
(„Schwab. Landeszeitung" , Au g s b u r g , 22. 3.)
„Bei der Verleihung des ersten deutschen
Hörspielpreises durch den „Bund der Kriegs-
blinden" ist die Forderung aufgestellt wor-
den: „Wichtiger als literarische und ästhe-
tische Gesichtspunkte muß die gewinnreiche
Aussage sein". Das entspricht durch-
aus den Bemühungen des Hessischen Rund-
funks. Das Hörspiel soll — ohne lehrhaft zu
sein — Werte vermitteln, es muß genügend
Gehalt besitzen, um über die Stunde hinaus
zu wirken; es soll die Welt in ihrer Buntheit
und den Menschen in seiner Größe und
Schwäche spiegeln."
(Hessischer Rundfunk, Pressedienst, 28. 3.)
„Man kann getrost den Hörspiel-Preis ganz
sachlich als eine wichtige Wegmarke
der Hörspiel-Geschichte bezeich-
nen. Er packt die Frage an: Was war? Was
ist? Was kann besser werden? So meint es
der Hörer, und für ihn ist das Beste gut
genug. Millionen stehen hinter dem so
erfreulich aktiv sich einschaltenden Kriegs-
blinden . . . Daß sie, zu Preisrichtern berufen
durch ihre schicksalsmäßige Legitimation wie
durch das Vorrecht ihrer Initiative bei der
Schaffung des Hörspiel-Preises, nicht nur an
sich und ihre eigenen Bedürfnisse denken,
sondern allen Hörern dienen wollen, adelt
Die Kapitalabfindung
Von Oberverwaltungsrat Seuferle, Leiter der Hauptfürsorgestelle Stuttgart
ihren Einsatz."
(.Hör z u", 30. 3.)
Die Hingabe einer Kapitalabfindung an
Stelle der Rente war schon nach den frühe-
ren Versorgungsgesetzen möglich. Die Grund-
lagen dazu sind im Gesetz über die Kapital-
abfindung von Militärversorgungsgebühr-
nissen vom 3. 7. 1916 geschaffen und die
damals statuierten Grundsätze dann in das
Reichsversorgungsgesetz von 1920 und in
das Wehrmachtsfürsorge- und -Versorgungs-
gesetz von 1938 übernommen worden. Unter
den jetzigen, durch die Kriegsfolgen beding-
ten Verhältnissen kommt der Kapitalabfin-
dung eine fast größere Bedeutung zu als
nach dem ersten Weltkriege. Dies wird durch
die Tatsache deutlich, daß allein im Gebiet
der Bundesrepublik durch den totalen Krieg
rund 4 Millionen Wohnungen völlig zerstört
oder bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt
worden sind. Zahllose Menschen leben rein
wohnungsmäßig gesehen unter den unwür-
digsten und ungesundesten Verhältnissen,
sind zum großen Teil weit von ihren Arbeits-
stätten weg untergebracht und bilden ein
großes Heer sogenannter Pendelarbeiter,
deren körperliche und seelische Belastungs-
fähigkeit durch das Zurücklegen der Wege
in einem Ausmaße beansprucht werden, das
auf Dauer gesehen ungute Auswirkungen
für ihre Gesundheit befürchten läßt.
Die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers
bestand darin, den Kriegsopfern durch die
Zahlung ihrer Rente in Form eines Kapitals
entweder die wirtschaftliche Eingliede-
rung oder den Bau eines Eigenheims
zu ermöglichen. Die Gewährung einer Kapi-
talabfindung an Stelle der Grundrente nach
dem BVG ist nur für Beschädigte mit einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenig-
stens 50 v. H. vorgesehen. Voraussetzung
für die Hingabe der Abfindung ist nach wie
vor der Erwerb oder die wirtschaftliche
Stärkung eigenen Grundbesitzes
oder aber der Erwerb grundstücks-
gleicherRechte. Darüber hinaus jedoch
findet Anerkennung noch der Erwerb der
Mitgliedschaft in einem als gemeinnützig
anerkannten Wohnungs- oder Siedlungs-
unternehmen, sofern hierdurch die Anwart-
schaft auf baldige Zuteilung einer Wohnung
oder Siedlerstelle durch das Unternehmen
sichergestellt ist, auch kann Kapitalabfindung
zum Abschluß eines Bausparvertrags mit
einer Bausparkasse oder mit dem Beamten-
heimstättenwerk für die gleichen Zwecke in
Betracht kommen.
Unter grundstücksgleichen Rechten ist nach
den Verwaltungsvorschriften zu §§ 72 bis 80
BVG das Miteigentum an einem Grundstück
oder ein Stockeigentum zu verstehen.
Unter gewissen Voraussetzungen kann nun-
mehr eine Kapitalabfindung auch zum Er-
werb eines Wohnungseigentums
oder eines Dauerwohnrechtes nach dem
Wohnungseigentumsgesetz vom 15. 3. 1951
(BGBl. I, S. 175) gewährt werden, nicht je-
doch zum Erwerb einer Mietwohnung oder
für die Hingabe von Baukostenzuschüssen
für eine solche.
Unter wirtschaftlicher Stärkung im obigen
Sinne ist die Entschuldung oder Ver-
besserung der Belastungsverhältnisse eines
Grundstücks, die Instandsetzung und Erweite-
rung von Wohn- und Geschäftsgebäuden,
Erwerb von Landflächen zur Vergrößerung
bereits vorhandenen Grundbesitzes, aber
auch die Ausführung von Bodenverbesserun-
gen zu verstehen. Die Gewährung einer
Kapitalabfindung ist dann ausgeschlossen,
wenn das Eigentum an dem Grundstück erst
nach einer längeren Bewährungszeit auf
den Beschädigten übertragen werden soll, es
sei denn, der Grundstückseigentümer oder
Bauherr verpflichtet sich vertraglich, im Falle
der späteren NichtÜbertragung des Eigentums
die Kapitalabfindung zurückzuzahlen. Zum
Bau oder Erwerb von Mietshäusern, die
vorwiegend Erwerbszwecken dienen sollen,
ist die Abfindung im allgemeinen nicht zu
gewähren.
Eine weitere Voraussetzung, um in den
Besitz der -Abfindung zu kommen, ist, daß
der Beschädigte Eigentümer des in Frage
stehenden Grundstücks wird. Der Umstand,
daß die Ehefrau als Miteigentümerin des
Grundstücks eingetragen ist oder eingetragen
werden soll, steht der Bewilligung nicht ent-
gegen, doch muß der Beschädigte selbst a 1 s
Miteigentümer eingetragen sein
und sein Anteil mindestens dem Wert der
Höhe der Kapitalabfindung entsprechen. Die
Abfindung kann bewilligt werden, wenn der
Beschädigte das 21. Lebensjahr vollendet
und das 55. Lebensjahr noch nicht zurück-
Bundesleitung dankt dem Rundfunk
Auch an dieser Stelle spricht der Bund
der Kriegsblinden Deutschlands e. V. noch
einmal seinen herzlichen Dank an die Arbeits-
gemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rund-
funkanstalten der Bundesrepublik aus. Die
Arbeitsgemeinschaft hat es in großzügiger
und selbstloser Weise ermöglicht, den „Hör-
spielpreis der Kriegsblinden" zu vergeben,
vor allem durch die Finanzierung der Preis-
richtersitzung in Frankfurt. Der Bund der
Kriegsblinden Deutschlands, der sich mit dem
deutschen Rundfunk in dem gemeinsamen
Ziel einig weiß, das Ansehen des Hörspiels
in der Öffentlichkeit zu heben, hat die be-
reitwillige Hilfe der Arbeitsgemeinschaft mit
großer Dankbarkeit angenommen, aber auch
als Verpflichtung dafür, diesen ersten deut-
schen Hörspielpreis mit besonders verant-
wortungsvollem Ernst zu beraten und zu
vergeben.
gelegt hat; Ausnahmen können auch nach
dem 55. Lebensjahr zugestanden werden. Es
darf jedoch nach Art des Versorgungsgrundes
nicht zu erwarten sein, daß innerhalb des
Abfindungszeitraumes die Rente wegfällt
bzw. die Erwerbsminderung auf weniger als
50 v. H, absinkt, daneben muß für eine
nützliche Verwendung des Geldes Gewähr
bestehen. Antrag auf Abfindung wird am
besten bei dem Versorgungsamt gestellt, das
für die Zahlung der Reute zuständig ist,
jedoch kann der Antrag auch bei der amt-
lichen Fürsorgestelle für KB und KH oder
bei einer sonstigen Behörde, etwa dem Bür-
germeisteramt angebracht werden.
Der Antragsteller ist, sobald erkennbar
wird, daß er Abfindung begehrt, ausdrück-
lich darauf hinzuweisen, daß über seinen
Antrag erst nach Abschluß einer sorg-
fältigen Prüfung entschieden wird. Weiter
ist zu empfehlen, solange der Bewilli-
gungsbescheid nicht erteilt ist, keine
bindenden Verträge abzuschließen,
die mit der Kapitalabfindung erfüllt werden
sollen. Die Verwaltungsbehörde, also das
Versorgungsamt — bzw. Landesversorgungs-
amt — veranlaßt sodann eine amtsärztliche
Untersuchung des Antragstellers, bei der
festgestellt wird, ob vom ärztlichen Stand-
punkt aus Bedenken gegen die Kapitalabfin-
dung bestehen, sowie ob durch eine etwaige
Ansiedlung eine günstige Beeinflussung der
Schädigungsfolgen erwartet werden kann.
Sodann werden die Vorgänge der Haupt-
fürsorgestelle für Kriegsbeschädigte mit dem
Ersuchen zur Prüfung übergeben, ob für
eine nützliche Verwendung des beanspruch-
ten Geldes Gewähr besteht. Hierüber erhält
der Antragsteller Mitteilung, worauf dann
die Prüfung der Nützlichkeit der beabsich-
tigten Verwendung der Kapitalabfindung
einsetzt. Diese Prüfung hat sich insbesondere
auf die Familien- und Vermögensverhältnisse
des Antragstellers, seine persönliche Eignung
zu der beabsichtigten Verwendung der Ab-
findung, auf den zur Errechnung des Ver-
wendungszweckes erforderlichen Geldbetrag
sowie auf die Beschaffenheit, die Belastungs-
verhältnisse, den Preis des zu erwerbenden
Grundstücks und die Kosten eines etwa be-
absichtigten Baues zu erstrecken. Die für die
Prüfung erforderlichen Unterlagen sind von
Amts wegen zu beschaffen. Der Antragsteller
hat dabei mitzuwirken.
Weiter wird geprüft, ob und welche Maß-
nahmen zur Sicherung des Zwecks der
Abfindung erforderlich erscheinen. Insbeson-
dere auch, ob nach Lage des Falles die Ein-
tragung einer Sicherungshypothek angezeigt
erscheint. Gewährt wird eine Kapitalabfin-
dung für einen Zeitraum von 10 Jahren,
ausgezahlt die auf 8 Jahre bemessene
Grundrente, der Antragsteller kann
also im Höchstfalle jeweils mit dem Acht-
fachen des Jahresbetrags seiner Grundrente
rechnen, worauf der Anspruch auf die
Gebührnisse, an deren Stelle die Abfindungs-
summe tritt, für die Dauer von 10 Jahren
mit Ablauf des Monats der Auszahlung
erlischt.
Obwohl nicht behauptet werden soll, daß
es sich bei der Inanspruchnahme einer
Kapitalabfindung um billiges Geld handelt,
bedeutet der so gewählte Weg der Kapital-
beschaffung für die Antragsteller doch meist
die einzige Möglichkeit, die zum Bau eines
Eigenheims oder zum Erwerb eines grund-
stücksgleichen Rechts benötigten Eigenmittel
aufzubringen. Die Nützlichkeit der Verwen-
dung der Abfindung wird durch die zustän-
dige Hauptfürsorgestelle sehr eingehend und
recht kritisch überprüft. Es muß also u. a.
feststehen, daß nach Lage der Verhältnisse
damit gerechnet werden kann, daß der An-
tragsteller mindestens 10 Jahre ohne die
ihm kraft Gesetzes zustehende Grundrente
auszukommen vermag. Kann ein Ge-
suchsteller aus Gründen, die nicht unbedingt
in seiner Person liegen müssen, für einen
längeren Zeitraum auf seine Grundrente
nicht verzichten, so muß das Vorliegen der
Nützlichkeit verneint werden, da ja sonst
durch Einbehalten der Grundrente unter Um-
ständen zwangsläufig fürsorgerechtliche Hilfs-
bedürftigkeit des Antragstellers herbeige-
führt werden würde. Erst wenn alle Voraus-
setzungen sorgfältig überprüft sind, trifft
die Verwaltungsbehörde — Landesversor-
gungsamt — die endgültige Entscheidung
über den Antrag.
Erscheint die nützliche Verwendung des
Geldes nicht gewährleistet, so ist bindend
vorgeschrieben, daß dem Antragsteller vor
der Entscheidung nochmals Gelegenheit zur
Äußerung zu geben ist. Aber auch durch die
Bewilligung wird ein Anspruch auf Zahlung
der Abfindungssumme noch nicht begründet;
Gläubiger oder Erben können sie deshalb
Ein neues Zeichengerät — auch für Blinde
Bei der Ausbildung von blinden Masseuren
in der „Massagebehandlung innerer Krank-
heiten" erwies es sich als Nachteil, daß man
Tast-Ergebnisse nicht aufzeichnen und damit
auch keine klare Vorstellung von dem ge-
winnen konnte, was sich der blinde Masseur
ertastet und was er sich dementsprechend
wahrscheinlich vorstellt.
Für Ausbildungs- und Unterrichtszwecke,
für den Erfahrungsaustausch zwischen Arzt
und Masseur und aus sehr bedeutsamen
wissenschaftlichen Gründen mußte deshalb
eine Vorrichtung entwickelt werden, mit der
man sowohl das, was der Massierende er-
tastet, als auch die Lage der Schmerzen, die
der Kranke empfindet, möglichst genau und
nicht in irgendein vorgedrucktes Schema,
sondern gleich in das photographische Bild
des Patienten einzeichnen kann.
Diese Vorrichtung konnte jetzt zum Pa-
tent angemeldet werden.
Ihre Wirkungsweise kann die Abbildung
verdeutlichen. Sie zeigt die Photographie
eines Knaben, in die die Umrisse seines Kör-
pers, aber auch seiner Badehose, des Rippen-
bogens, des Mundes usw. zusätzlich mit
weißen Strichen eingezeichnet erscheinen.
Tatsächlich erfolgte das Einzeichnen natür-
lich nicht in die Photographie, sondern es
wurde der Knabe im Dunkeln und vor der
entsprechend eingestellten Kamera mit dem
Zeichengerät abgetastet, und es wurde dabei
das Aufleuchten einer beweg-
lichen Lichtguelle photographiert.
Zum Schluß wurde dann das Bild des Knaben
auf das gleiche Filmstück aufgenommen.
Damit wird es möglich, die besonderen
Tastleistungen des blinden Masseurs unter
Beweis zu stellen; denn man braucht ihm nur
die Aufgabe zu stellen, einen Patienten mit
der Vorrichtung abzutasten und kann dann
das photographierte Ergebnis seiner Unter-
suchung mit den Ergebnissen anderer Unter-
sucher am gleichen Patienten vergleichen.
Auf die gleiche Weise kann auch der blinde
Masseur seine Tast-Testergebnisse mühelos
und exakt aufzeichnen und z.. B dem Arzt
vorlegen, um ihm so Einblick in den Krank-
heitsbefund und in Verlauf und Wirkungs-
weise der Behandlung zu geben.
Da man statt eines Patienten jeden be-
liebigen Gegenstand mit dem Gerät
abtasten und die Vorrichtung mannigfach
kombinieren kann, dürften sich noch viele
Anwendungsmöglichkeiten gerade auch für
Blinde herausfinden lassen. Anregun-
gen werden gern entgegengenommen.
Dr. med. Johannes Hille,
(24b) Neustadt/Holst., Kreienredder 2.
Photographie eines Knaben, in die mit der neuen
Vorrichtung von Dr. med. Hille aui photogra-
phischem Wege die abgetasteten Umrisse des
Körpers, der Kleidung und Einzelheiten des Ge-
sichtes eingetragen wurden.
nicht beanspruchen. In dem erteilten Bescheid
sind der Verwendungszweck der Abfindung
und die Empfangsberechtigten zu bezeichnen
sowie eine Frist für den Nachweis der be-
stimmungsgemäßen Verwendung zu setzen,
im Falle der nicht rechtzeitigen oder bestim-
mungsmäßigen Verwendung der Abfindung
steht dem Fijäkus ein Rückforderungsrecht zu.
Vor Ablauf von 10 Jahren können dem
Abgefundenen die kapitalisierten Bezüge
gegen Rückzahlung eines Teils der
Abfindungssumme dann wieder bewilligt
werden, wenn wichtige Gründe dafür vor-
liegen. Die Verpflichtung zur Rückzahlung
beschränkt sich nach Ablauf des 1. Jahres
auf 92 v. H. der Abfindungssumme, nach
Ablauf des 9. Jahres noch auf 12 v. H.
Die Ausführung der Entscheidung nach
Maßgabe der in dem Bescheid des Landes-
versorgungsamts enthaltenen Auflagen und
die Überwachung der weiteren nützlichen
Verwendung einer Abfindung obliegen der
Hauptfürsorgestelle unter Mitwirkung der
Fürsorgestelle des Wohnortes des Abgefun-
denen. Die Maßnahmen zur Verhinderung
der Weiterveräußerung eines erworbenen
Grundstückes sind im wesentlichen nicht zu-
gunsten des Fiskus, sondern insbesondere
auch, soweit es sich um die Eintragung einer
Sicherungshypothek handelt, mehr oder
weniger zum Schutze des Antragstellers ge-
dacht.
Stirbt der Antragsteller inner-
halb der Zeit, für die Kapitalabfindung
gewährt worden ist, so besteht für die recht-
mäßigen Erben keine Pflicht zur Zurück-
zahlung der Kapitalabfindung. Besonders
vermerkt zu werden verdient, daß aus der
Bewilligung der Abfindung nicht auf Aus-
zahlung geklagt werden kann. Die Geschäfte
der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei der
Durchführung der von der zuständigen Ver-
waltungsbehörde (Landesversorgungsami)
angeordneten oder verlangten Maßnahmen
zur Verhinderung alsbaldiger Weiterver-
äußerung des Grundstücks oder des an ihm
bestehenden Rechts sind kosten- und stempel-
frei. Diese Vorschrift findet auf die den
Notaren zukommenden Gebühren und Aus-
lagen keine Anwendung.
Nach dem Grundsteuergesetz in der Fas-
sung vom 10. August 1951 (BGBl. 1951 S. 524)
ist in § 30 folgende Steuervergünsti-
gung für abgefundene Kriegsbeschädigte
vorgesehen: „Der Veranlagung der Steuer-
meßbeträge für Grundbesitz solcher Kriegs-
beschädigten, die zum Erwerb oder zur wirt-
schaftlichen Stärkung ihres Grundbesitzes
eine Kapitalabfindung auf Grund des Ge-
setzes über die Versorgung der Opfer des
Krieges vom 20. Dezember 1950 erhalten
haben, ist der um die Kapitalabfindung ver-
minderte Einheitswert zugrunde zu legen.
Die Vergünstigung wird nur so lange gewährt,
als die Versorgungsgebührnisse wegen der
Kapitalsabfindung in der gesetzlichen Höhe
gekürzt werden."
Fallen die Voraussetzungen für die Ver-
günstigung weg, so ist der Steuermeßbetrag
mit Wirkung vom Beginn des folgenden
Rechnungsjahres an zu berichtigen. Eine
weitere Vergünstigung besteht insoweit, als
bei unmittelbarer Begleichung der Erwerbs-
kosten eines Grundstücks mit Kapitalabfin-
dung nach Maßgabe des § 8 des Grunderwerb-
steuergesetzes die Grunderwerb-
steuerbefreiung dann eintritt, wenn
der Kaufpreis den 15fachen Betrag der
Kapitalabfindungssumme nicht überschreitet.
Die genannten steuerlichen Vergünstigun-
gen sind für die Antragsteller auf Kapital-
abfindung von spürbarer wirtschaftlicher Be-
deutung.
Trotz der unbestreitbaren Vorzüge, die die
Inanspruchnahme einer Kapitalabfindung an
Stelle von fortlaufend zu zahlender bzw. zu
gewährender Grundrenten bieten, weil sie
den Antragstellern das sonst meist nicht zu
beschaffende Kapital in die Hand geben,
muß jeder Beschädigte gegebenenfalls sehr
sorgfältig prüfen, ob er auch wirk-
lieh in der Lage ist, 10 Jahre auf die in
Betracht kommende Grundrente zu verzich-
ten. Oft sind die Anstrengungen und Ent-
behrungen, die Beschädigte sich und ihren
Familien auferlegen, um ein Eigenheim zu
erhalten, so groß, daß sie fast über deren
Kräfte gehen. Andererseits bleibt häufig kein
anderer Weg, als mit Hilfe der Abfindung
ein Eigenheim zu erwerben, um die Trennung
von der Familie dann, wenn ein Schwer-
beschädigter auf einem Arbeitsplatz unter-
gebracht ist, der mit seinem Familienwohn-
sitz nicht zusammenfällt, zu beseitigen. Viele
Heimatvertriebene, die zugleich Schwerbe-
schädigte sind, mußten dem Zwang der Um-
stände folgend oftmals zunächst in Gebieten
angesetzt werden, in denen sie ihrer Schädi-
gung wegen beruflich nur schwer oder gar
nicht versorgt werden können. Müssen sie
dann eine Arbeit annehmen, die für sie
versehbar ist, die aber andererseits minde-
stens die Woche über eine Trennung von
ihrer Familie bedeutet, so reichen Einkom-
men und Rente zusammen meist nicht aus,
um den Lebensunterhalt der Familie und
die Kosten für den getrennten Haushalt zu
bestreiten. Das Bestreben Schwerbeschädigter,
mit den Familien zusammenzuwohnen, ist
nicht nur verständlich, sondern, da sie ja
ohne eine gewisse Pflege ihrer Angehörigen
einfach nicht bestehen können, ein zwingen-
des Gebot. Insoweit kommt der Kapital-
abfindung auch in bezug auf die binnen-
ländische Umsiedlung eine nicht geringe Be-
deutung zu, und es bleibt nur zu hoffen und
zu wünschen, daß in jedem Etatjahr hin-
reichend Mittel für den in Frage stehenden
Zweck durch die Bundesregierung bereit-
gestellt werden können.
Wir dürfen nicht blind sein
Es ist früher Vormittag und ich bin allein
im Zimmer. Im ganzen Hause ist es still,
und nur von draußen dringt ab und zu das
Lärmen spielender Kinder an mein Ohr.
Eigentlich weiß ich jetzt nicht, was ich tun
soll, aber da bemerke ich plötzlich, wie es im
-Zimmer heller wird. Ein Sonnenstrahl hat
meine Hand getroffen und das macht mir das
Zimmer hell. Ich schaue zum Fenster und
sehe, wie sich gerade die Sonne über die
Platanen des Schulgartens schiebt und ihre
Bündel zu mir wirft. Mein Blick folgt dem
Strahl und sieht, wie er über meine Hand
hinweg auf den hellgrauen Teppich fällt,
dessen Gewebe sich an dieser Stelle vei-
goldet. Wie ein ins Zimmer gehaltener Stab
sieht der Sonnenstrahl aus, in dessen durch-
sichtigem und leuchtendem Inneren un-
zählige winzige Staubteilchen munter tanzen.
Ich hebe meine Hand mitten hinein und
baue mit dem Schatten der Finger allerlei
Figuren in das goldgelbe Oval auf dem
Teppich. Mir gefällt diese Spielerei, und ich
versuche, diesem Strahl zu folgen, wenn er
immer näher nach dem Fenster geht, je
höher die Sonne steigt. Leider dauert dieses
Spiel nicht lange, denn bald ist die Sonne
verschwunden, und ich merke auch, wie es
im Räume wieder etwas dunkler wird.
Sonderbar, denke ich.
Obwohl ich total schwarzblind bin, sehe
ich doch, was um mich herum geschieht, und
das macht mich glücklich; denn ich habe die
Kraft — durch das Wärmeempfinden auf der
Hand angeregt — mit meinem geistigen
Auge dies sehend zu erleben.
Indem ich daran denke, fällt mir ein Artikel
ein, den mir meine Frau vor längerer Zeit
aus einer Tageszeitung des Ruhrgebieles
vorgelesen hat. Es war im vergangenen
Jahr, als die Haus- und Straßensammlung
für Kriegs- und Zivilblinde abgehalten
wurde. Ein Reporter dieser Zeitung hatte
deshalb einige Blinde — darunter auch
Kriegsblinde — besucht, um in einem Artikel
deren Aussagen und seine Eindrücke nieder-
zuschreiben. Einer dieser Berichte ist mir
noch deutlich in Erinnerung, und ich muß
immer wieder an ihn denken, wenn ich mir
die Umwelt vor mein inneres Auge führe.
Der Bericht erzählte von einem Kriegs-
blinden, der in Zurückgezocjenheit sein
Dasein fristet. Neben allerlei sehr zweifel-
haften Anschauungen stand da dem Sinne
nach etwa folgendes: Der Kriegsblinde lebt
mit seiner Frau in einer kühl und nur zweck-
mäßig eingerichteten Wohnung, deren
Schmucklosigkeit sofort ins Auge fällt. Nach
Befragen antwortete die Frau: „Warum
sollen wir unsere Wohnung
schmücken? Mein Mann kann es doch
nicht sehen, und ich würde ihm sein Leiden
dadurch nur immer wieder deutlich machen.
Deshalb habe ich auch alle Bilder von den
Wänden genommen und als einzigen
Schmuck haben wir eine kleine Figur behal-
ten, die mein Mann auch abtasten kann."
Soweit der ungefähre Bericht der Zeitung.
Was soll man nun dazu sagen? Gewiß, die
Frau hat sehr rücksichtsvoll gehandelt und
ihre Selbstlosigkeit muß uns Bewunderung
abringen. Möchten wir alle aber nicht diesen
Kameraden fragen, ob das so sein muß?
Abgesehen davon, daß es keinesfalls bei den
Kriegsblinden im allgemeinen so ist, so
scheint mir doch dahinter ein tiefes Problem
zu stecken, das der Erörterung wert ist. Ich
weiß nicht, wer dieser Kamerad ist. Ich will
ihm auch keinen Vorwurf machen, aber ich
fühle, daß manchem von uns etwas bewußt
gemacht werden muß, was — um der Zu-
friedenheit Willen — von größter Bedeu-
tung ist.
Bleiben wir bei dem eben erwähnten
Kameraden. Warum will er seine Wohnung
"schmucklos haben, ohne Bilder, ohne die
wohnlich machenden Kleinigkeiten, ohne
das, was über den notwendigen, praktischen
Bedarf hinausgeht? Wir wissen es alle. Bei-
nahe jeder von uns wird diesen Zustand
durchgemacht haben. Es ist der innere Hader
oder die Verzagtheit, die das Schicksal nicht
überwinden lassen. Hier dürfen wir nicht
schelten, sondern müssen helfen. Tief in
diesen Kameraden nagt das Gefühl: blind
zu sein!
Sie sind blind an Leib und Seele. Sollten
wir uns ihrer nicht ganz besonders an-
nehmen? Es gibt aber noch einen anderen
Grund, der wirklich blind macht, und zwar:
„Innere Abgestumpftheit." In diesen Kame-
raden ist mit dem Augenlicht auch allmählich
das innere Licht, das innere Auge er-
loschen. Beide meine ich nun, wenn ich
sage: „Wir dürfen nicht blind sein!" Was
der Körper uns versagt, muß die Seele neu
zum Leuchten bringen. Wir stecken wie in
einem Gefängnis, in das kein Licht mehr
dringt, aber . es ist nicht hohl. Eine Seele
waltet weise darin, und sie ist imstande, auch
die dickste Mauer unseres Gefängnisses zu
sprengen. Wir müssen uns nur auf sie be-
sinnen, d. h., wir müssen sie die Umwelt
erleben lassen, kraft unserer Er-
innerung, die durch die Phantasie zum
Bilde wird. • ;
Am Anfang meiner Zeilen schilderte ich
einen Sonnenstrahl im Zimmer und wie ich
als Kriegsblinder diesen sehe. Mancher wird
vielleicht darüber lächeln und es für über-
trieben halten, aber weiß er denn auch, daß
darin ein Glück liegt, das uns das Leben er-
träglich und lebenswert macht? Es ist nicht
damit getan, daß wir die Dinge so ungefähr
in der Erinnerung behalten, nein, wir müssen
sie richtig „sehen", sehen mit allen Einzel-
heiten, mit den Farben — wie einst.
Wir dürfen nicht einfach die Dinge
denken, sondern müssen sie tatsächlich
anschauen. Von der Tür bis zum Fensler
sind es nicht einfach sechs Schritte, sondern
dazwischen liegt ein Raum, den ich sehen
muß; der Schrank ist nicht ein soundso-
breites Etwas an dieser oder jener Wand,
an dem ich soundso vorbeikomme, sondern
der Schrank hat eben diese Form, hat Türen,
Knöpfe und Verzierungen, die ich sehe;
schließlich habe ich beim Essen nicht einfach
einen Haufen von Kartoffeln, Fleisch und
Gemüse auf dem Teller, sondern vor mir
steht ein weißer Teller mit Kartoffeln in
gelblicher Tönung, daneben das graufarbene
Fleisch und auf der anderen Seite das bunte
Gemüse. Ich will damit sagen, daß ich die
Dinge nicht nur wissen, sondern sie bildhaft
vor mir sehen muß. Wenn man z. B. bedenkt,
daß man nicht nur mit dem Munde, sondern
auch mit den Augen ißt, dann wird sich
mancher nicht mehr über seine Appetitlosig-
keit wundern. Natürlich müssen wir die
Dinge erst tastend erfassen oder sie uns von
unserem Begleiter erklären lassen, sozusagen
um die technischen Daten zu erfahren, aber
dann liegt es sofort an uns, dieses ertastete
oder erfahrene Ding kraft unseres inneren
Sehvermögens sofort in ein plastisches Bild
umzusetzen.
Wir müssen soweit kommen, daß wir,
wenn wir an einen Stuhl stoßen, diesen
gleich vor uns sehen. Tun wir das nicht,
verlieren wir immer mehr die bildliche Vor-
stellung von den Dingen und entfernen uns
somit von der Wirklichkeit. Erstens wird uns
dadurch eine Orientierung immer schwieriger
und zweitens werden wir seelische Sonder-
linge, was auch eine innerseelische Verar-
mung zur Folge hat. Ich meine nun, daß sich
jeder Kamerad im „inneren Sehen" üben
sollte, und er wird nicht zuletzt die Freude
auch an kleinen Dingen zurückgewinnen.
Jetzt, da unsere Kurheime wieder die Mel-
dungen für den Sommer annehmen, wird
sich mancher eintragen lassen, um frohe
Ferien zu erleben. Für meinen Teil möchte
ich diesen Kameraden wünschen, daß sie auf
allen Wegen, die sie in diesen schönen
Gegenden gehen, die Augen öffnen und die
Schönheit dieser Paradiese im naturgetreuen
Bilde mit nach Hause nehmen, um sich noch
lange der blauen Berge, des stillen Sees
und der sich wiegenden Wälder erinnern zu
können. Vielleicht hängt mancher dann ein
Bild eben dieser schönen Gegend in sein
Zimmer und sagt dann froh, wenn ihn je-
mand fragt: „Da war ich, das habe ich
gesehen!" Franz F eis tue t
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Christian Hutschreuther gestorben
Nachruf des Landesverbandes Bayern
Am 26. Februar 1952 verstarb nach langer,
schwerer Krankheit unser Ehrenvorsitzender
des Bezirkes Oberfranken, Kamerad
Christian Hutschreuther, im Alter von 56 Jah-
ren. Der Bezirk Oberfranken und darüber
hinaus der gesamte Landesverband Bayern
verliert in ihm einen Kameraden, dessen
Name mit allen geschaffenen sozialen Ein-
richtungen unserer Schicksalsgemeinschaft
auf immer verbunden sein wird. Kaum aus
dem Lazarett entlassen, gründete er im Jahre
1918 die Kreisgruppe Oberfranken des da-
maligen „Bundes erblindeter Krieger". Mit
Umsicht und Weitblick leitete er lange Jahre
die Geschicke seiner Kreisgruppe und war
am Auf- und Ausbau der Arbeitsvermittlung
in Bayreuth hervorragend beteiligt, so daß
diese, dank seiner Initiative, Vorbild für
ganz Deutschland und Grundlage unserer
jetzt bestehenden Arbeitsfürsorge-Einrich-
tungen wurde. Im Landesverband machte er
sich besonders bei der Schaffung und, Ein-
richtung des Kriegsblinden-Erholungsheim.es
sehr verdient und war lange Jahre im Heim-
ausschuß tätig. Seine Fähigkeiten und das
Vertrauen der Kameraden beriefen ihn fer-
ner .zum Obmann des Bundesausschusses des
seinerzeitigen Bundes erblindeter Krieger
Deutschlands.
Nach dem Zusammenbruch wurde er 1947
mit der Gründung des Bezirkes Oberfranken
des Bundes Erblindeter Versehrter Bayerns
beauftragt und leitete als Vorsitzender bis
1950 die Geschicke seiner alten und neuen
Gruppe. In Anerkennung seiner Verdienste
um die Belange unserer Schicksalsgemein-
schaft ernannte ihn der Landesverband zum
Ehrenvorsitzenden des Bezirkes
Oberfranken. Mit der Witwe des Verstor-
benen, Frau Sophie Hutschreuther, Münch-
berg, Hermannstraße 5, und seinen Hinter-
bliebenen trauern auch wir um den allzu
früh Entschlafenen, dem wir stets ein ehren-
des Gedenken bewahren werden.
Seine Beisetzung erfolgte unter starker
Beteiligung seiner Kameraden, dem Landes-
verband, den Bezirksvorsitzenden vonMittel-
und Unterfranken sowie dem Vertreter der
Hauptfürsorge, auf dem Stadtfriedhof zu
Münchberg.
Der Landesverbandsvorsitzende:
Birngruber
Der Bezirksvorsitzende:
Lukas
Nachruf der Ortsgruppe
Im Namen aller Kameraden der Ortsgruppe
Münchberg zum Tode von Christian Hutsch-
reuther schreibt K. Böhm u. a. das folgende:
In tiefem Schmerz standen wir am Grabe
unseres lieben Kameraden Christian Hutsch-
reuther, der nach unserem Ermessen allzu
früh von uns gegangen ist. In der Hoffnung
auf ein neues Leben in einer neuen und
besseren Welt durfte man ihn zur letzten
Ruhe betten.
Man braucht im Leben nicht Glück zu
haben, um zufrieden und glücklich zu sein.
Letzteres ist ein Geschenk von Gott und ist
auch unserem lieben Kameraden Christian
zuteil geworden. Für Volk und Vaterland
hatte er sein Bestes gegeben. Es ist kein
leichtes Los, durch diese Welt den Weg im
Dunkeln zu gehen. Trotz allem Schweren
und mancher Enttäuschung hatte er den
Glauben an Gott und die Menschheit nicht
verloren. Mit ganzer Kraft und eisernem
Willen ist er seinen Lebensweg gegangen.
In vorbildlicher Weise hat er dabei sein
Wissen und sein ganzes Sein in den Dienst
aller Menschen und besonders seiner Kame-
raden gestellt. Für jeden fand er den rechten
Rat, weit über unsere Grenzen hinaus konnte
er sich darum einer großen Beliebtheit er-
freuen. Wie kein anderer, so ist er allen ein
guter Kamerad gewesen.
Wer durch das dunkle Tal gemußt
nach langer Zeit, nach langer Zeit
erkennt er wohl in tiefster Brust,
der Schmerz war Seligkeit.
Landesverbandstag Niedersaclisen
Am 2. März hielt der Landesverband
Niedersachsen im Beisein des 1. Bundesvor-
sitzenden, Kam. Dr. Plein, in Hannover
seinen diesjährigen Landesverbandstag ab.
Die Berichte des 1. Vorsitzenden, des Kas-
sierers und der Sachbearbeiter ergaben, daß
eine umfangreiche Arbeit geleistet weiden
mußte und geleistet wurde. Sie ergaben aber
auch die Schwierigkeiten, die dadurch ent-
standen, daß die Landesverbandsleitung nicht
in der Hauptstadt des Landes, sondern in
Göttingen liegt. Da jedqch die Delegierten
der Ansicht waren, daß ein Wechsel in der
Leitung des Landesverbandes z. Z. für die
Organisation nicht zweckmäßig sei, wurde
der Wahl der vom bisherigen 1. Vorsitzen-
den, Kam. Bierwerth, vorgeschlagenen bei-
den Kameraden nicht nähergetreten.
Das Wahlergebnis war: 1. Vorsitzen-
der: A. Bierwerth (Göttingen), 2. Vor-
sitzender: A. J o n a s (Hermannsburg), Schrift-
führer: A. Martens (Oldenburg), Kas-
sierer: W. E i 1 e r s (Hannover), Sachbearbei-
ter die Kam. K n a a c k und Schwager.
Außerdem soll der Vorsitzende des neu zu
schaffenden Beirats der Arbeitsgemeinschaft
kriegsblinder Bürstenmacher dem Vorstand
als Sachbearbeiter angehören.
Sodann wurde die Satzung für die aus der
bisherigen „Niedersächsischen Kriegsblinden-
arbeitsgemeinschaft Braunschweig" neu zu
schaffenden Arbeitsgemeinschaft
kriegsblinder Bürstenmacher in Niedersachsen
und Bremen beraten und ihre endgültige
Form beschlossen. Diese neue GmbH, wird
im Verein mit der bereits bestehenden Ar-
beitsgemeinschaft kriegsblinder Weber künf-
tig die Niedersächsische Kriegsblindenarbeits-
fürsorge darstellen. Als Geschäftsführer der
neuen GmbH, wurde Kam.-W. B o d e (Han-
nover-Langenhagen) bestätigt.
Im weiteren Verlauf der Tagesordnung
wies der Landesverbandsleiter darauf hin,
daß in der Zeit vom 1. bis 10. April 1952
wiederum eine Sammlung im Rahmen
der Freien Wohlfahrtsverbände in Nieder-
sachsen durchgeführt wird. Ein Drittel der
aufkommenden Gelder, jedoch nicht über
150 000 DM, geht an die Wohlfahrtsverbände,
zwei Drittel und der etwa über 450 000 DM
eingehende Betrag geht an die Blindenschaft.
über die Aufschlüsselung der Gelder inner-
halb der Blindenschaft wird noch beraten
werden, doch steht der Landesverbandstag
auf dem Standpunkt, daß die gleiche Auf-
schlüsselung wie früher eingehalten werden
soll.
Kam. Dr. Plein gab dann Aufklärungen
über das BVG und das im Entwurf vorliegende
Schwerbeschädigten-Einstellungsgesetz. Nach
Erledigung kleinerer Punkte der Tagesord-
nung, verschiedenen Mitteilungen und Erledi-
gung von Anfragen wurde die Tagung um
19 Uhr geschlossen. Abschließend kann ge-
sagt werden, daß die Tagung erfolgreich
war; sie gab den Delegierten viele neue
Anregungen mit auf den Weg, die sie zum
Wohle aller Mitglieder anwenden können.
Einen besonderen Wert bekam die Tagung
durch die Anwesenheit des Kam. Dr. Plein,
dem für sein Erscheinen herzlichst gedankt
wurde.
Bunter Nachmittag im Funkhaus
Eine besondere Freude erlebten wir hanno-
verschen Kameraden, als wir am 31. -März
vom Vorstand des Bezirks Zentral-Han-
n o v e r zu einem „Bunten Nachmit-
tag." im neuen Rundfunkhaus eingeladen
wurden.
In dem behaglich ausgestatteten Senden
saal rollte vor unseren Ohren ein zwei-
stündiges, buntes Vielerlei musikalischer
Darbietungen ab. Es hatte schon seinen Reiz,
daß wir als getreueste Hörer — denn das
dürfen wir als Blinde wohl für uns in An-
spruch nehmen — den unmittelbaren Ablauf
einer Rundfunkaufnahme miterleben konnten.
Es ist schwer zu sagen, was aus der Fülle
der Darbietungen besonders ansprach. Alles
Gebotene wurde mit großem Beifall aufge-
nommen: die geistreiche und launige An-
sage, der „pulvertrockene" Humor Harald
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Nielsens, der Gesang einer jungen, blinden
Schicksalsgefährtin, die musikalische Um-
rahmung durch die beiden Orchester des
Senders Hannover und nicht zuletzt das Auf-
treten einiger Berliner Gäste. Gerade die
scharf gepfefferten politischen Chansons
Günther Neumanns wurden mit stürmischer
Heiterkeit beantwortet. Wir freuen uns schon
darauf, diesen „Bunten Nachmittag" dem-
nächst über den NWDR noch einmal hören
zu können^ Wir Kriegsblinden danken dem
Vorstand unseres Bezirks, vor allem aber
auch der Leitung des hannoverschen Senders
für die frohen Stunden — und nicht zuletzt
für die Gastfreundlichkeit, die es uns ermög-
lichte, noch bis in den späten Abend bei
Frohsinn und Tanz beisammen zu sein. ;
A. L.
Josef Schlüter 65 Jahre alt
Der Glückwunsch des Bezirks Münsterland
Am 6. Mai 1952 begeht unser Bezirks Vor-
sitzender, Kam. Josef Schlüter, Münster,
Gutenbergstraße 19, seinen 65. Geburtstag.
Seit seinem 16. Lebensjahre steht Kam.
Schlüter im Dienste der Nächstenliebe, trat
er doch schon in jungen Jahren als Pfleger
in ein Krankenhaus in Düsseldorf ein. Diese
Pflegetätigkeit wurde durch die aktive
Dienstzeit unterbrochen, die er beim rhei-
nischen Fuß-Artillerie-Regiment 8 in Metz
verbrachte. Bei Ausbruch des ersten Welt-
krieges wurde er als Sanitäter eingezogen,
erwarb sich an der Westfront das EK 2. und
1. Klasse durch die Bergung Verwundeter
unter Einsatz seines eigenen Lebens. Als
ihm 1918 ein Schrappnell sein Augenlicht
raubte, ließ er sich in einem Lazarett auf den
Beruf eines Stenotypisten umschulen und
trat 1919 als solcher beim Oberfinanzpräsi-
dium in Münster ein.
Sein Drang zur Hilfsbereitschaft ließ ihn
1919 die Untergruppe Münster im damaligen
Bund erblindeter Krieger gründen, deren
1. Vorsitzender er wurde. Seit dieser Zeit
steht Kam. Josef Schlüter ununterbrochen
dem jetzigen Bezirk Münsterland, der nun-
mehr über 120 Kameraden umfaßt, als Vor-
sitzender vor, so daß er mehr als die Hälfte
seines Lebens in den Dienst der Kameraden
und der Organisation stellte, und jeder
Kamerad, der mit einem Anliegen zu ihm
kam, fand bei ihm Rat und Hilfe. 1951 schied
er als OBersekretär aus dem Dienste der
Finanzverwaltung aus, um sich ganz seinem
Amte als Vorsitzender unseres Bezirkes
widmen zu können.
Wir wünschen dem Kameraden Schlüter
zu seinem 65. Geburstage von Herzen alles
Gute und weiterhin beste Gesundheit! Möge
er uns noch recht viele Jahre als Vorsitzen-
der zur Seite stehen.
Tagung in Augsburg
Am 19. März fand die Jahreshauptver-
sammlung der Zweigniederlassung
Augsburg der Bayerischen Kriegsblinden-
Arbeitsfürsorge statt. Der Geschäftsführer
der Bayerischen Kriegsblinden-Arbeitsfür-
sorge, Kam. Wendel (München) und Innungs-
obermeister Kamm (Augsburg) waren an-
wesend und konnten feststellen, daß die im
Jahre 1950 geschaffene Zweigstelle Augs-
burg sich zu einem festen wirtschaftlichen
Instrument entwickelt hat, das sich segens-
reich für die in Schwaben wohnenden kriegs-
blinden Handwerker auswirkt.
mBSBgBsBBm
nHHH
„Sieg über das Dunkel"
Eine glanzvolle Premiere in Berlin
Nach langer intensiver Vorbereitung konnte
endlich am 11. März in Berlin die Festauf-
führung des Kriegsblindenfilms „Sieg über
das Dunkel" durchgeführt werden. Die Ame-
rikanische Universal-Filmgesellschaft veran-
staltete am 4. März als Auftakt zu der Fest-
aufführung eine Pressekonferenz, wodurch
die breite Öffentlichkeit auf dieses Ereignis
aufmerksam gemacht wurde.
Das Filmtheater „Filmbühne Wien"
legte für diese Veranstaltung ein festliches,
dem Sinn des Films entsprechendes Gewand
an. Der Vorraum und die Bühne des Theaters
boten einen reichen, geschmackvollen Blu-
menschmuck. Die Festaufführung wurde um-
rahmt durch den Vortrag des 3. Brandenbur-
gischen Konzertes von Johann Sebastian
Bach, gespielt vom Berliner Philharmo-
nischen Orchester unter der Leitung
von Karl Ristenpart. Der Leiter des
Filmtheaters, Direktor Tuntsch, begrüßte die
anwesenden Gäste, darunter ganz besonders
den Regierenden Bürgermeister von Berlin,
Prof. Dr. h. c. Ernst Reuter und Persön-
lichkeiten des Berliner Senats, insbesondere
aber die 200 Kriegsblinden, die als Gäste an
dieser Veranstaltung teilnahmen.
Der Vorsitzende des Landesverbandes Ber-
lin, Kamerad Axel B i s c h o f f , wies als er-
ster Redner die Anwesenden mit einer kur-
zen Ansprache auf die Bedeutung des Films
hin, der in seiner Fassung zwar das Schick-
sal eines amerikanischen Kriegsblinden zeige,
dessen Erlebnisse jedoch den Kriegsblinden
der ganzen Welt gemeinsam seien. Dennoch
sei es sehr zu bedauern, daß dieser Film
nicht in Deutschland geschaffen wurde, denn
gerade unsere Heimat mit ihren rund 10 000
Kriegsblinden beider Weltkriege hätte sich
dieser segensreichen Aufgabe widmen sollen.
Das Verständnis der sehenden Umwelt für
die aus dem Licht herausgerissenen Men-
schen lasse in der heutigen Zeit ganz beson-
ders zu wünschen übrig. Vorurteile müßten
begraben werden, denn der Blinde gehöre
als gleichwertiges Glied in die menschliche
Gesellschaft, nur so könne er seine Dunkel-
heit.überwinden. Dieser Film solle ganz be-
sonders dazu beitragen, eine Brücke des Ver-
ständnisses zu schlagen zwischen der sehen-
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Prot.
Reuter, bei der festlichen Premiere von „Sieg
über das Dunkel"
den Umwelt und den Blinden, und er sei
gleichzeitig ein Werbefilm für den Frie-
den, denn zehntausend Kriegsblinde seien
eine dokumentarische Anklage gegen den
Krieg.
Kam. Bischoff sprach zum Schluß seiner die
Gäste offensichtlich tief anrührenden Worte
der Filmgesellschaft Universal-International,
dem Philharmonischen Orchester und der
Direktion des Filmtheaters den Dank der
Der Vorsitzende des Landesverbandes Berlin,
Kam. Axel Bischoil, spricht zu den Gästen
Kriegsblinden für die großartige Unterstüt-
zung aus und bat dann alle Ehrengäste, zu
ihrem Teil dazu beizutragen, daß weiteste
Kreise der Bevölkerung den Film besuchen.
Mit den Worten: ,,Zu den tiefbewegenden
Ausführungen meines Freundes Axel
Bischoff kann kaum etwas hinzugefügt
werden", begann der Leiter der Abteilung
Sozialwesen, Herr Senator Otto Bach,
seine kurze Ansprache. Indem er auf die
Handlung des Films näher einging, unter-
strich er besonders die seelische Überwin-
dung, die jeder Blinde durchmachen muß.
Die Tatsache, daß dem Blinden von der
Natur die Fähigkeit gegeben wurde, seine
übrigen Sinne bei der Überwindung der
Dunkelheit intensiver als andere Menschen
gebrauchen zu könnnen, hat ihn befähigt,
sich wieder in die menschliche Gesellschaft
einzuordnen. Nicht Mitleid will der Blinde,
sondern ein verständnisvolles Entgegen-
kommen in seinem Kampf um die An-
erkennung in der Gemeinschaft. Die Rente,
die man dem Blinden gewährt, ist eine
große finanzielle Hilfe, aber darüber hinaus
bedarf der Blinde einer umfangreichen für-
sorgerischen Betreuung, die mit der beruf-
lichen Umschulung beginnt. Herr Senator
Bach ging dann besonders auf die Szene im
Film ein, wie dem Kriegsblinden Larry be-
wußt wird, daß sein bester Freund ein Neger
ist, und Larry ist von seinen Eltern gegen
die schwarze Rasse erzogen worden. So wie
Larry, bedingt durch seine Erblindung,
gelernt hat, Vorurteile zu überwinden, so
sollten auch die Völker endlich alle Hinder-
nisse überbrücken, damit der Frieden zum
Wohle der ganzen Menschheit gewährleistet
Glückwünsche für Minister Storch
Der Bundesvorsitzende, Kam. Dr. Plein,
übermittelte dem Bundesarbeitsminister Herrn
Anton Storch zu seinem 60. Geburtstag am
1. April die Glückwünsche der deutschen
Kriegsblinden und überreichte ihm als schlich-
tes Geschenk einen von einem Kriegsblinden
gefertigten Roßhaarbesen und eine von
einem Kriegsblinden handgewebte Kissen-
platte, Der Minister läßt allen Kriegsblinden
seinen herzlichsten Dank übermitteln.
Suchmeldung
Res.-Lazarett Neustadt/O.S.
Welche Kameraden waren im Jahre 1942
im Reservelazarett in Neustadt, Oberschle-
lien (Kloster der Barmherzigen Brüder)? Mel-
dungen, die im Interesse eines Kameraden
dringend erbeten werden, sind zu richten an
„Der Kriegsblinde", Bielefeld, Stapenhorst-
straße 138.
11
wird. — Nach beiden eindrucksvollen Reden
wurde der Film gezeigt, der seine tiefe, nach-
haltige Wirkung auf das Publikum nicht ver-
fehlte. Mit anhaltendem Beifall aller An-
wesenden fand die glanzvolle Premiere einen
Abschluß, wie sie ein Film selten erlebt hat.
Günter Böttcher
Berliner Pressestimmen
Die Premiere des Films „Sieg über
das Dunkel" am Kurfürstendamm in
Berlin war, wie immer wieder gesagt wird,
„das" kulturelle Ereignis der Woche. Das
geht auch aus den meist sehr umfangreichen
und durchweg begeisterten Kritiken der
Berliner Presse hervor. Wir zitieren im
folgenden einige bezeichnende Sätze:
Die „Neue Zeitung" schreibt unter
der Überschrift „Ein wunderbarer Film" u. a.:
„Der Film geht oft hart an die Grenze des
Erträglichen. Er erläßt dem Betrachtenden
nichts. Aber er entläßt uns besser, weil wir
nun wissen, was es auf sich hat, wenn ein
Nebenmann ohne Augen durchs Leben gehen
muß. Nie läßt er laues Mitleid oder Senti-
mentalität ein, und doch steht er unter dem
merklichen Diktat des Herzens. Ein wunder-
barer Film."
„Der Tag" schreibt von „diesem muti-
gen, diesem erschütternden und dennoch
nicht bedrückenden Filmwerk" u. a.: „Wir
brauchten mehr solcher Filme, die den vom
Schicksal Geschlagenen ohne Schönrederei
und ohne kränkendes Mitleid Mut machen . .
Hier wird nicht, wie sonst bisweilen, Erblin-
dung als dramatischer Filmeffekt ausgewertet
(am unsaubersten in der „Sünderin"); hier
wird Menschliches angesprochen in einer
klaren, noblen, vorbildlichen Weise."
„Die Kritik freut sich", heißt es in der
„Berliner Stimme": „Drehbuch, Regie
und Schauspieler versanken weder in tristem
Pessimismus, noch machten sie in rosigem
Optimismus — hier war alles einfach, natür-
lich und zwingend." .
„Dieser Film ist ein starker Trost für alle
diejenigen Menschen, denen ein ähnliches
Schicksal begegnete. Aber seine großartige
Darstellung und sein künstlerisches Takt-
gefühl machen ihn auch für die Außenstehen-
den sehenswert, die sich nicht aus einem
unangebrachten Unbehagen diesem Eindruck
entziehen dürfen", so heißt es im „ V o 1 k s -
blatt ".
In manchen Kritiken wird der Film „Sieg
über das Dunkel" ausdrücklich weit über
den Rang des Films „Herz der Welt", der
kurz zuvor in Berlin erstaufgeführt wurde,
gesteift. In der „Nachtdepesche"
heißt es u. a.: „Was Harald Braun mit seinem
Film „Das Herz der Welt" nicht gelungen
ist, die Apokalypse des Krieges in einen
Spielfilm zu bannen, Mark Robson, dem
Hollywooder Regisseur, gelang der Wurf . ...
Ein Film von hohem, ethischem Wert. Viele
sollten ihn sehen. Alle werden in seinem
Bann stehen."
Im „Telegraf " heißt es: „Daß der Film
keine Rührung, sondern Achtung erweckt, ist
das höchste Lob, was zu spenden ist. Arthur
Kennedy gibt mit unglaublichem Einfüh-
lungsvermögen den Blinden. Beifall und
Erschütterung kamen sich einander gleich."
Auch der „Steglitzer Anzeiger"
nennt den Film „ein Meisterstück", und
schreibt: „Da gibt es weder eine rührselige
Sentimentalität noch einen billigen „Ist-ja-
alles-halb-so-wild!"-Optimismus; wie die Er-
schütterungen echt sind, so kommt der
Glaube an das Leben aus der Kraft der Liebe,
des Verstehens und des Verstandenwerdens."
Interessant ist auch im „Tagesspie-
gel" das Urteil: „...Schritt für Schritt lebt
man eine Odyssee mit, eioe aufregende
Forschungsreise ins Dunkel, in das unbe-
kannte Sinnenreich des Menschen. Der gran-
diose Tatsachengeist der Amerikaner feiert
einen herrlichen Triumph. Die physiologisch-
psychologischen Prüfungsgänge sind ver-
wegener als der wildeste Abenteurerfilm
und spannender als die pathetischste Staats-
aktion."
Und „ D e r A be n d " meint: „Es ist immer
wieder die große Überraschung, daß auch
solche Filme in Hollywood entstehen."
ES STARBEN:
LANDESVERBAND BERLIN
Held, Albert, Berlin SO 36, Manteuf fel-
straße.
LANDESVERBAND BAYERN
M a r e i s , Hans, Feldkirchen b. Westerhara,
geb. ain 20. 1. 1890, gest. am 31. 1. 1952.
W i 1 1 n e r , Kurt, Erlangen, Siedlerstr. 5,
gest. am 20. 2. 1952 im Alter von 69 Jahren.
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
Freiherr v. Uslar-Gleichen, Alex-
ander, Major a. D., Göttingen, Friedländer
Weg 11, gest. am 15. 3. 1952 im 78. Lebens-
jahr.
LANDESVERBAND NORDRHEIN
Frau Katharina Neuerburg, geb. Joeb-
ges, Köln-Mülheim, Glücksburgstraße 17,
Ehefrau unseres Kam. Jakob Neuerburg,
geb. am 21. 1. 1881, gest. am 29. 2. 1952.
Frau Veronika B r i n g s, geb. Morschhausen,
geb. am 20. 7. 1895, gest. am 21. 1. 1952,
Ehefrau unseres Kam. Heinrich Brings,
Köln-Rath, Rösrather Straße 232.
LANDESVERBAND WESTFALEN
F ä 1 k e r , Friedrich, Dortmund, Hermann-
straße 18, gest. am 10. 11. 1951.
Witte, August, Lübbecke, Friedrichstr. 1,
gest. am 20. 1. 1952.
Brandt, Friedrich, Raesfeld (Westf.), gest._
am 13. 12. 1951.
Hörstmann, Willi, Stemmer, Bierpohl-
weg 165, gest. am 7. 12. 1951.
Büllesbach, Hermann, Recklinghausen,
Theodor-Esch-Str. 26, gest. am 14. 2. 1952.
W i e m a n n , Otto, Gevelsberg, Hagener
Straße 236, gest. am 27. 12. 1951.
Joch he im, Johannes, Bielefeld,
Wittekindstr. 37, geb. am 17. 11. 1873,
gest. am 20. 3. 1952.
WÜRTTEMBERG-NOSDBADEN
Renschier, Adolf, Pforzheim, Mälsch-
bachstraße 9, geb. am 16. 9. 1873, gest.
am 2. 3. 1952.
G ü e 1 1 1 e r , Albert, Ulm a. d. D., Reichen-
auer Weg 12, geb. am 22. 2. 1875, gest. am
10. 3. 1952.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHN!
-T
Friedrich Ramann f
Das Beispiel einer Schicksalsmeisterung
Am 3. März 1952 starb in Fladungen (Rhön)
der Kamerad Friedrich R a m a n n, noch nicht
73 Jahre alt. Ramann war von Beruf Müller,
hatte im ersten Krieg die beiden Augen und
die rechte Hand verloren. Er übte trotz die-
ser Verletzung seine alten Beruf aus. Was
er leistete, hat die Bewunderung aller der-
jenigen hervorgerufen, die ihn in seinem
Wirkungskreis kennenlernen durften. Seine
Arbeit, sein Fleiß und seine Energie wurden
bereits 1932 auf einem Filmstreifen festge-
halten. Der Film hat in Hamburg und Berlin,
in Stuttgart und Würzburg und wo er sonst
noch gezeigt wurde, Erstaunen und Hoch-
achtung vor einem Mann ausgelöst, der trotz
seiner schweren Beschädigung Taten voll-
brachte, die für uns alle, vor allem aber für
die Sehenden, kaum glaubhaft schienen.
Mit Kamerad Ramann ist ein bescheidener
und lebensfroher, kluger und energischer
Kamerad gegangen. Er lebt in uns in treuem
Gedenken fort als ein Mann der Einfachheit,
der Kraft des Willens und des Mutes.
J. Friedet — Bezirk UiUerfranken
PERSÖNLICHES
Ehrentage
Unser Kam. Wilhelm Brandenburg
und Frau Elis., geb. Krämer, aus Bing er -
brück konnten am 22. 3. 1952 das Fest der
goldenen Hochzeit feiern. Kam. Brandenburg
feierte am 10. 4. 1952 seinen 80. Geburtstag.
In echter Kameradschaft bewirteten die Ehe^
1 eute an ihrem Festtage unser Kamerad
Schmitt (Bingen-Rüdesheim) in seinem Hause.
Ebenso kann unser Kam. Johann Held/
Bad Harzburg, Burgstraße 31, und seine
Ehefrau am 17. 4. 1952 das Fest der goldenen
Hochzeit begehen.
Unser Kam. Hubert Meierhoff (Bez.
Braunschweig) und seine Ehefrau feierten
am 2. 4. das Fest der silbernen Hochzeit.
Am 10. Februar konnte unser Kam. Julius
Aust in Flensburg, Egerstieg 6, seinen
75. Geburtstag feiern. (Früher Breslau-
Kosel, Sachsenweg 2).
Der Bezirk Westhannover übermittelt
seinem Kam. Bezirkskassierer Emil K ö r i t z
und seiner Ehefrau Lina, geb. Klaus, aus
Äff er de 195, Kr. Hameln (Weser), die
herzlichsten Glückwünsche zur Silberhochzeit.
Vermählungen
Heinrich Fölger, Wethmar, Münster-
straße 21, mit Maria Bernardine Haverkamp,
am 22. 1. 1952.
Robert Liedtke, Bielefeld, August-
Bebel-Straße 34, mit Eva, geb. Burkatzki, am
12. 2. 1952.
Der staatlich geprüfte Masseur Kam. Eber-
hard Sorg, Weiden au (Sieg), Bismarck-
straße 21, und die staatl. geprüfte Fuß-
pflegerin Eva Renate Fritze gründeten am
22. 3. eine staatlich geprüfte Ehe und' eine
gemeinschaftliche, staatlich geprüfte Praxis.;
• Geburten
Kam. -Georg B 1 e u 1' und Frau, Eseh-f
hof en (Lahn), am 6. 2. 52 ein Stammhalter,
„Valentin Josef".
Kam. Heinz Hei lemann, Clausthal-
Zeil e r f e 1 d , Mühlenstraße 7, und Frau
Elisabeth, geb. von Daak, am 24. 2. 1952 der
dritte Sohn, „Rolf".
Kam. Walter Mocke und Frau, Ein-
beck, Bahnhofstraße 4, im Februar eine
Tochter.
Kam. Josef Sagemüller und Frau,
Verl Nr. 188b über Gütersloh, das dritte;
Kind, „Maria Bernadette", am 13. 2. 1952.
Kam. Michael Jisuk, Homberg,
Stellbergstraße 2, I., eine Tochter namens
„Christa" am 10. 3. 1952.
Kam. Karl Oppermann und Frau,
S tadt.oldendorf, Kreis Holzminden
(Weser)* Försterberg 3, am 10. 3. 1952, ein
Mädchen.
Kam. Rechtsanwalt Walter Christ und
Frau Charlotte, München 13, Konrad-
straße 16," am 3. 2. 1952 das dritte Kind,
„Gabriele".
Kam. Johannes Helms und Frau, Salz-
hausen bei Lüneburg, Haus Nr. 39a, das
vierte Kind, „Edeltraut".
Kameradin Frau Hildegard E c k o Ld ,
Holsterhausen, Paralielstraße 22, ein.
Sohn, „Rainer", am 31. 1. 1952.
Wirallegratulieren!
Sbman
^ÜPeügom
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12
Wer wird Sportmeister der Kriegsblinden?
Unser Kamerad Franz Schmitgen- aus Franken-
thal, der trüher als Sportlehrer tätig war, wendet
sich mit einer bemerkenswerten Anregung an
alle kriegsblinden Leser. Wir drucken seine Zu-
schritt ab, ohne zunächst Stellung dazu zu nehmen.
Unsere Bundesleitung wird auf diesen Vorschlag
aber um so eher eingehen, je mehr Zuschriften
aus Kameradenkreisen beweisen, daß der Wunsch
nach einer solchen sportlichen Prüfung unter
den Kriegsblinden sehr verbreitet ist. Also —
schreibt uns und verbessert oder ergänzt
die hier folgenden Vorschläge des Kameraden
Schmitgen!
Die Wiedereinführung des Sportabzeichens
mit den Sonderbedingungen für Versehrte
ist von uns kriegsblinden Sportsfreunden sehr
begrüßt worden. Mancher Kamerad besitzt
bereits das Sportabzeichen und wartet auf
eine neue Möglichkeit der Bewährung. Da
möchte ich für dieses Jahr der Olympiade
als begeisterter Freund des Sportes einen
Vorschlag unterbreiten, der hoffentlich bei
vielen gleichgearteten Kameraden Zustim-
mung, und falls der Vorschlag durchgeführt
wird, rege aktive Beteiligung findet. Der
Vorschlag lautet: Wir tragen im Rahmen des
Kriegsblindenbundes in allen Disziplinen,
die zur Erreichung des Sportabzeichens vor-
geschrieben sind, einen Wettkampf aus. Im
einzelnen schlage ich vor:
1. Schwimmen: 100 m und 300 m;
2. Laufen: 100 m, 400 m, 3000 m, 5000 oder
10 000 m;
3. Aus dem Stand: Hochsprung und Weit-
sprung;
4. Kugelstoßen bestarmig; Steinstoßen beid-
armig;
5. Tandemfahrt über 20 km.
Nach meiner Meinung ist es bedauerlich,
daß letztere Disziplin bei den Dauerübungen
für Kriegsblinde noch nicht aufgenommen
worden ist. Dabei wird die Dauerübung von
den sehenden Prüflingen zumeist auf dem
Rad erledigt. Eine solche Übung wäre durch-
aus jener gleichzusetzen, die man im Renn-
boot mit drei anderen Leuten ebenfalls er-
füllen kann!
Als Austragungsort schlage ich den Monat
Juli vor. Die Art der Durchführung würde
unsere Organisation nur ganz geringfügig
belasten, denn sie könnte so erfolgen, daß
jeweils am Wohnort des Kameraden
wie beim Erwerb des Sportabzeichens die
Bedingungen vor zwei amtlichen Prüfern für
das Sportabzeichen abgelegt werden und
amtlich bestätigt über den Bezirksvorsitzen-
den unseres Bundes dem Landesverband ein-
gereicht werden. Seitens der Bundesleitung
könnten dann für die besten kriegsblinden
Sportler ehrende Urkunden ausgestellt wer-
den. Sehr schön wäre es, wenn sich diese
besten Sportler dann an den diesjährigen
Versehrtensportmeisterschaften beteiligen
könnten. Vielleicht läßt sich das ermöglichen.
Wettkämpfe, vielleicht im Rahmen eines
Bezirks, würden nur dort durchzuführen sein,
wo mehr als fünf Meldungen abgegeben
werden. Um einen Überblick zu gewinnen,
empfehle ich, daß schon jetzt alle In-
teressenten mit zwei Postkarten ihre Be-
teiligung anmelden, eine Postkarte geht an
den Bezirksvorsitzenden, die andere an die
Schriftleitung „Der Kriegsblinde", Bielefeld,
Stapenhorststr. 138. Meldungsschluß würde
der 1. Juni sein müssen.
Noch eins: Spezialisten können sich
für eine einzelne der genannten Diszi-
plinen entscheiden, so daß also z. B. der
beste kriegsblinde Schwimmer für eine
Strecke von 300 m oder der beste Kriegs-
blinde im Kugelstoßen ermittelt würde.
Denkbar ist darüber hinaus eine Punktewer-
tung in einem Fünfkampf. Alle kriegs-
blinden Sportler, vor allem auch jene, die in
früheren Jahren gern Sport betrieben haben
und einmal wieder Lust hätten, auf den
Sportplatz zu gehen, mögen bald der Schrift-
leitung ihre Meinung zu dem Vorschlag
sagen und ihre Vorschläge mitteilen. Selbst-
verständlich müßten auch verschiedene
Altersklassen eingerichtet werden.
Also : meldet euch alle, und zwar
möglichst umgehend. Wir wollen unseren
glücklicheren, nichtversehrten Sportkame-
raden von ehemals beweisen, daß wir auch
auf dem Gebiet des Sports die Alten ge-
blieben sind. Franz Schmitgen
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14
(Ist Jagen und Fischen für Kriegsblinde waidgerecht?
[Unser kriegsblinder Kamerad K. Schulz, Revier-
iörster, schreibt uns:
Der Jäger oder Fischer wird bei dieser
Frage wehmütig lächeln oder entrüstet auf-
begehren. Gut, es stand schon oft das
Thema „Die Frau als Jägerin" zur Debatte
und es wurde viel darüber gesagt und ge-
schrieben; warum nicht einmal solche absurd
klingende Frage?
Herr Kollege von der grünen Farbe, —
Sie, passionierter Jäger, und Sie, meine
Fischer- und Sportfischerfreunde, kennen Sie
das prickelnde Gefühl? Ja, gewiß, Sie
kennen es!
- Nach einem Regenguß, dunstig liegen die
Blößen da . . . — man muß hin, der Bock
tritt heute hier bestimmt aus. Oder: West-
wind, schwül, in der Ferne rollt schon der
Donner. Ein Gewitter ist im Anzug. Treibt
es da nicht den Angler hinaus? Hält er es
dann noch in seiner Klause aus?
Doch, um es zur allgemeinen Beruhigung
vorwegzunehmen, mit der Jagd ist es natür-
lich aus! Dankbar aber bin ich dem Kolle-
gen, der mich zur Brunft mit hinausnimmt,
mich auf einem Hochsitz verstaut und mich
dann wieder abholt. Auch ist es eine alte,
liebe Erinnerung, wenn bei Revierfahrten es
plötzlich „nach Sauen stinkt". Halt, prrr!
Einige Minuten verharren an der Stelle. Der
Geruch von Wald, Moos und vorüber-
gewechseltem Schwarzwild wird gierig in
den „Windfang" eingesogen. Früher, ja,
früher . . .
1 Doch die zweite Frage sieht nun etwas
anders aus. Zunächst stelle ich fest: Der Aal-
fischer legt die Aalschnüre, stellt seine Aal-
körbe und angelt des Nachts. Der Sport-
fischer angelt mit dem Blinker und der
Forellenjäger holt die Forellen mit der Hand
unter Steinen und aus Uferlöchern hervor.
Was hat das nun mit dem Augenlicht zu
tun? Zum mindesten nicht sehr viel! Um
schnell etwas vorwegzunehmen: Wenn mich
die schlaflosen Nächte hinaustreiben — ich
habe es nämlich sehr bequem — und meine
Nacht-Aalangeln am Straßenrand liegen und
ich auf einer Bank vor meiner Wohnung
sitze, dann höre ich es oft:
„Kiek, er angelt all wedder! Ick denk, der
kann nich kieken?"
Nein, das kann er leider nicht, aber seine
Aale kann er trotzdem angeln. Zu den Vor-
bereitungen und einigen kleinen Spitzfindig-
keiten muß man sein „wandelndes Augen-
licht", die Frau, oder sonstwen zur Hand
haben. Meine Frau macht es schon tadellos
Und sucht mir des Nachts mit der Sturm-
laterne die erforderlichen Tauwürmer zum
Aalköder; mitfühlende Sportangler bringen
mir kleine Köderfische und auch meine bei-
den Mädels habe ich schon zur Würmersuche
eingespannt. Das Zurechtmachen der Angeln
und der Nachtschnüre kann man allein, auch
das Aufstecken des Köders. Ich muß immer
lächeln, wenn ich höre, daß es schon zu
dunkel sei und mein Angelfreund sich erst
die Brille aufsetzen muß, um den Haken zu
beködern. Ist doch auch lächerlich, nicht
wahr? So etwas fühlt man doch.
Ich habe meinen „Wigwam" nun in der
Elbeniederung aufgeschlagen, wo viel
Wasser, Be- und Entwässerungsgräben sind.
Mit den Fischen ist es auch einigermaßen
bestellt. Natürlich übe ich meine Leiden-
schaft, die zweite neben dem Pfeiferauchen,
hier aus. Allerdings kann ich nur Fische
angeln, die „massiv" beißen. Wie schon er-
wähnt: Aal, auch Schlei und Barsch mit Wür-
mern; Hecht und Zander mit Köderfischen
und im Herbst mit dem Blinker. In der Elbe
selbst — die ist breit genug und man hat ge-
nügend Platz zum Werfen — angele ich mit
der Wurfangel und Rolle. Die Angel wird
in den Strom hinausgeschleudert, die ca. 80
bis 100 m lange Schnur treibt im Strom ab
und rollt von der Rolle. Dann wird sie fest-
gelegt, die Stange zwischen Steine gesteckt
und die Schnur straff gezogen; denn ein Lauf-
blei von etwa 80 g Gewicht oberhalb des
Hakens, drückt den Köder auf den Grund
und hält ihn dort fest. Beißt nun ein Fisch
und will mit dem Köder fort, zieht er die
Schnur durch das Laufblei, das ja festliegt,
und die eingestellte Knarre an der Rolle
signalisiert den Biß. Das Herz schlägt wieder
bis an den Hals, man haut an und wenn es
am anderen Ende zappelt, ist man wieder in
Fahrt! Das frischt auf!
Aber auch wenn es nicht am anderen Ende
zappelt, und das ist ja meistens der Fall, —
allein die Betätigung, der frische Wind, der
Geruch von Wasser und Moder geben dem
Naturfreund neue Kraft und verscheuchen
die Grillen.
Zusammenfassend kann ich die Frage nur
bejahen! Warum sollte der passionierte
kriegsblinde Angler nicht noch im Rahmen
des Möglichen seine Leidenschaft ausüben?
Stichhaltige Gründe, die auf ein unwaid-
männisches Verhalten schließen lassen, sind
gar nicht vorhanden. Gerade beim Angeln
kommt es ja sehr auf das Gefühl an und in
zweiter Linie erst auf das Sehen.
Ein besonderes und merkwürdiges Petri
Heil, das mir als Kriegsblinder zuteil
wurde, will ich noch schildern: Nach meiner
Verwundung war ich während des Krieges
im ehemaligen Warthegau, meiner Heimat,
im Forstberuf tätig. Die Gegend ist mit
Seen, Bächen, Gräben und Fischen reich ge-
segnet. In den väterlichen Fischgewässern
konnte ich meine alte Passion nun von
neuem an einexerzieren. Im Juli 1943 legte
ich eines Tages eine Aalschnur mit 150 Haken
und beköderte sie mit kleinen Fischen. Am
andern Morgen fuhr ich mit meinem Vater
auf den See hinaus, um die Schnur zu heben.
Ich nahm die Schnur auf, während mein
Vater den Kahn fuhr, denn das Zappeln
wollte i c h doch fühlen. Ein Glück, daß wir
zu zweit waren! Plötzlich zappelte es nicht,
sondern zog! Mein Vater machte mir mit
dem Ruf: „Ein großer Karpfen!" verständlich,
daß ich einen Koloß vor mir hatte.
Es wollte nicht in meinen Kopf hinein. Der
Karpfen ist doch ein Friedfisch, wie kann er
auf einen Fischköder beißen? Aber das half
nun alles nichts, das Ziehen am anderen
Ende ließ mich zur Vorsicht mahnen. Die
Plätze wurden gewechselt. Von Vätern fern-
gesteuert, fuhr ich den Kahn rückwärts an
Land, während er den Karpfen hinterherzog.
An Land wurden die Plätze wieder gewech-
selt und ich bekam die Schnur mit dem aus
dem Wasser springenden Karpfen in die
Hand gedrückt. Vater sprang in voller
Kriegsbemalung ins Wasser und fing den
springenden Karpfen buchstäblich mit den
Armen auf. Ja, das konnte er auch, denn der
Fisch wog 32 Pfund und war 1,05 m lang.
Die in der Nähe liegende staatliche Fischerei-
schule bestimmte das Alter mit 18 Jahren.
Petri Heil!
Nachstehend bringen wir eine Partie aus
dem Vereinsturnier 1952 des Schachvereins
„Turm", Köln, gespielt am 13. 3. 1952
(M. -Klasse)
Damenbauernspiel
Weiß: Mertens Schwarz: Gilsdorf.
1. d4 d5 2. Sf3 Sf6 3. e3 Lf5 4. Ld3 (besser
ist c4 nebst Db3, um auf b7 zu drücken.
Weiß sollte sich nicht den guten Läufer ab-
tauschen lassen) L:d3 5. D:d3 e6? 6. Sbd2?
(Weiß rechnete nicht mit einem Eröffnungs-
fehler des Schwarzen und übersah daher den
vorteilhaften Zug 6, Db5 + ) Sc6 7. c3 Ld6
8. 0-0 0-0 9. e4 d:e4 10. S:e4 S:e4 11. D:e4
h6 12. Tel Tb8 13. Dg4 Df6 14. Te4 Se7
15. Se5 Tbd8 16. f4 Sf5 17. De2 a6 18. g4L:e5
19. f:e5 Dg6 20. Khl Se7 21. Ld2 Dh7 22.
Tgl c5 23. g5? (stärker war, den Angriff mit
h4 nebst h5 fortzusetzen und im gegebenen
Augenblick durch den Vorstoß g5 die Öff-
nung der g-Linie zu erzwingen. Durch den
frühzeitigen Vorstoß wird Schwarz eine Ab-
riegelung und das Postieren des Springers
auf f5 ermöglicht. Den Bauern c5 kann Weiß
nicht schlagen; z. B. 23. d:c5? T:d2! 24. D:d2
D:e4 + ) h5 24. Th4 c:d4 25. c:d4 g6 26. Te4
Sf5 27. Lc3 Kg7 28. a3 Dg8 29. Tdl Td5
30. Df2 Tfd8 31. Td2 De8 32. Kg2 Dc6 33. Kgl
Kg8 34. Tf4 Dd7 35. Te4 De7 36. h4 Dd7
37. Kh2 Se7 38. Tf4 Sf5 39. Te4 Dc6 40. Dgl
T5d7 41. Tf4 Se7 42. Df2 Sf5 43. Kgl Sg7
44. Dg2 Db6 45. Df2 Se8? 46. d5! D:f2 47. T:f2
e: d5?(T:d5 wäre etwas weniger unangenehm
gewesen) 48. e6! (das kostet eine Figur; aber
es kommt noch schlimmer. Schwarz übersah,
daß der bisher „schlechte" weiße Läufer
plötzlich sehr stark geworden war) f:e6??
49. Tf8+ Kh7 50. Th8 ++ und die Kiebitze
freuten sich. Gabriel Mertens.
«5
%&~ffJ»
Mit Millionen von
Wettlreunden ständig im
Dienste des Sports
West-Süd-Block
Toto West / Württemberg -Baden Toto / Hessen -Toto / Toto Rheinland/Pfalz
15
iLs\(cwlc JxctcufKcttcst,
Vorfrühling
Unsere Borkumfahrer wird es inter-
essieren, daß die sonst so gefürchteten
Winterstürme in diesem Jahr der Insel eine
erfreuliche Überraschung gebracht haben. Am
Strand wurde soviel neuer Sand angetrieben,
daß der neue Badestrand sich jetzt
um den ganzen Nordteil der Insel bis vor
die großen Hotels erstreckt.
*
Nunmehr ist auch im Hauptpostamt Mül-
heim (Ruhr) ein Kriegsblinder im
Schalterdienst tätig. Es ist unser
Kamerad Moll, der vor einem Jahr seine
Assistentenprüfung bestand und der mit
Hilfe selbst ersonnener Kartenreiter und
metallener Meßwerkzeuge Briefmarken gegen
Hartgeld verkauft. In jüngster Zeit machte
den ersten erfolgreichen Versuch dieser Art
ein Kamerad in Kiel.
*
Ein Gesuch um Begnadigung der 2 0 0 0
Kriegsblinden, die während des Bür-
gerkrieges in Spanien auf kommu-
nistischer Seite gekämpft haben und nach
ihrer Flucht ins Ausland noch nicht in ihre
Heimat zurückzukehren wagten, richtete der
Präsident des spanischen Blindenverbandes
an den Staatschef Generalissimus Franco. Der
Verband will die Fürsorge für die Blinden
nach ihrer Rückkehr übernehmen. Wenn uns
auch die genannte Zahl als fast unglaubhaft
hoch erscheinen will, so zeichnet sich hier
doch ein von der Weltöffentlichkeit zu Un-
recht übergangener, erschütternder Vorgang
ab.
*
Wir berichteten schon einmal über einen
öffentlichen Blumen- und Kräuter-
garten, der in dem englischen Badeort
Hastings speziell für Blinde angelegt worden
ist, also nicht für die Augen sondern für den
Geruchs- und Tastsinn. Jetzt sind ein Dutzend
weiterer Städte in England diesem Beispiel
gefolgt. Man errichtet Beete in Brusthöhe,
Benedict & Dannheisser G. m. b. H.
Leonische Spinnerei und Weberei
Telefonschnüre und Schwachstromleitungen
Nürnberg - N.
Äurjere Bayreuther Strafe 48
die schräg ansteigen, so daß ein Blinder
bequem Gesicht und Hände an die Pflanzen
bringen kann. Stark duftende Blumen und
Kräuter oder Pflanzen mit charakteristischen
Blättern und Formen werden bevorzugt.
Namensschilder mit metallener Brailleschrift
sowie Geländer als Leitvorrichtung dienen
dem Blinden zur selbständigen Orientierung.
*
In der Ostzone bemüht sich die Kirche in
wachsendem Maße um eine Hilfe für die
Blinden. So trafen sich jetzt in Leipzig auf
Einladung der Inneren Mission Sachbearbeiter
für Blindenfragen, Der sogenannte „ B 1 i n -
dendienst der Inneren Mission"
bemüht sich vor allem um einen geistlichen
Dienst (Blindenbibelstunden oder -wochen
usw.).
*
Die als Fachlieferant für Kokosgarne,
Faserstoffe, Borsten usw. angesehene Im-
portfirma Johannes Lucht & Co.,
Haben Sie sich bei der Lektüre des vorigen
Heftes mit dem Prospekt der L ot t e r i e - E i n •
nähme R i nd l e (Augsburg, Königsplatz) be-
schäftigt? Versuchen Sie Ihr Glück! Jetzt beginnen
die neuen Ziehungenl
Hamburg, mit der auch viele Kriegsblinden-
arbeitsgemeinschaften und Handwerker-
kameraden zusammenarbeiten, feiert in die-
sen Tagen ihr 25jähriges Geschäftsjubiläum.
Die Firma hatte vor dem Kriege vier eigene
Niederlassungen in Süd-Indien, die mit dem
Kriegsende verlorengingen, konnte aber ihre
weltweiten Geschäftsbeziehungen in den
letzten Jahren wieder vorbildlich aufbauen.
*
Die italienische Kunstlaufmeisterin im
Rollschuhlaufen, Leda Pelli, ist Sportlehrerin
an einer Blindenschule. Dort hat sie 80 blin-
den Kindern das Rollschuhlaufen
beigebracht. Ein durch eine Minenexplosion
erblindeter 14jähriger Junge beherrscht be-
reits mit meisterlicher Eleganz die kompli-
ziertesten Figuren.
*
Der bayerische Landtag hat durch ein
Gesetz das an Friedensblinde gewährte
Blindengeld von 75 DM auf 90 DM im
Monat heraufgesetzt.
*
Eine Sonderausgabe der Programmzeit-
schrift des Londoner Rundfunks „Radio
Times" feierte ihr 25jähriges Jubiläum:
es ist die seit 1927 vom Britischen Blinden-
Institut gedruckte Punktschrift-Ausgabe.
*
Bei den Bemühungen um ein einheitliches
Weltsystem der Punktschrift hatten sich
Schwierigkeiten mit der spanischen und
portugiesischen Sprache ergeben. Kürzlich
traten Sachverständige in Montevideo
zusammen, um wenigstens das System für
diese beiden benachbarten Sprachgebiete zu
vereinheitlichen.
Das Nationale Blindeninstitut in London
hat weiße Stöcke eingeführt, die
hell aufleuchten, wenn sie vom Scheinwerfer-
licht getroffen werden. Die ersten Erfahrun-
gen haben gezeigt, daß die neuen Stöcke
schon aus großer Entfernung im Schein-
werfer der Fahrzeuge sichtbar werden und
damit für die Sicherheit der Blinden überaus
nützlich sind.
In England sind zur Zeit 125 Kriegsblinde
als Masseure („Physiotherapeuthen")
tätig. Sieben weitere befinden sich noch in
der Ausbildung.
*
Die National-Bibliothek für Blinde in Eng-
land bringt gleichzeitig mit der Schwarzdruck-
Ausgabe das vielbändige Werk Chur-
chills „Der zweite Weltkrieg" heraus. Es
sind bereits 61 Bände in Blindenschrift er-
schienen.
In England stellte man eine Zunahme der
Fälle von Blindheit bei fr-ühgebo-
renenKindern fest. Infolge der Entwick-
lung in der Medizin ist zwar die Sterblich-
keitsziffer bei Frühgeburten erheblich gesun-
ken, aber Kinder, die vor ein paar Jahren
noch gestorben wären, entwickeln jetzt Blind-
heit. Allein in Burmingham waren bei tausend
Frühgeburten 42 Erblindungen — und zwar
gerade bei besonders schwächlichen Kindern
— zu verzeichnen. Ursache und Behandlungs-
methode der betreffenden Augenkrankheit
(retrolentale Fibroplasie) sind noch nicht
gefunden.
*
Der Deutsche Schachbund hat in Würdi-
gung der Bemühungen um das Blinden-
schach einen der bekanntesten Schachspieler
den internationalen Schach-
meister A. Brinkmann, als Turnier-
leiter für die Austragung der Schachmeister-
schaften für Blinde in Meschede zur Ver-
fügung gestellt.
Kahl recken noch der Bäume Aste
Die Finger in das Abendblau.
Die Straßen tragen kleine Reste
Vom Schnee durchsetzt, von Ruß und Grau.
Es wälzt sich des Verkehres Schlange;
Die Menschen eilen ohne Rast.
Die Sonne, die sie schon so lange
Entbehren, scheint vergessen iast.
In dieses Hasten ohnegleichen
Dringt schmelzend einer Amsel Lied.
Die Blicke sich verwundert neigen,
Als ob die Sängrin es erriet:
„Der Frühling kommt, ihr Menschenkinder!
Als erster Gruß bin ich geschickt.
Bald wehn die Lülte wärmer, linder!"
Und manche Brust hebt sich beglückt.
Kam. Hans Schmalfuß[
In Ergänzung zu unserer Notiz im März-
heft über die „Lesemaschine" des Dipl.-Ing.
Dr. Blum erfahren wir, daß unter Umständen
das Gerät die Druckschriften nicht in hör-
bare, sondern in taktile Zeichen umsetzt,
also in solche, die der Blinde abtasten"
kann. Eine solche Methode ist allerdings
bereits von anderen Erfindern früher mit
brauchbaren Lösungen in Angriff genommen
worden.
*
Für die Versorgung der Blinden in
Amerika mit „sprechenden Büchern" auf
Schallplatten stehen der Kongreßbücherei
in Washington jährlich eine Million1
Dollar zur Verfügung. Im Durchschnitt
braucht man zum Lesen, d. h. zum Abhören
eines sprechenden Buches (mehrere große
Langspielplatten) elf Stunden. Der Bücher-
katalog umfaßt bereits 288 Seiten. Technisch!
weitaus glücklicher ist die in Deutschland;
vorgesehene Lösung mit Magnetophon-
bändern, die es bei der Einrichtung der
amerikanischen Bibliothek, nämlich 1934,
noch nicht gab.
*
Unser Kamerad Dr. Hans Ebbecke
(Heidelberg), der als humorvoller Rezitator
und Lautensänger sich einen Namen gei
macht hat, tritt neuerdings gemeinsam mit
unserem Kameraden Willi Blank (Wurm-
berg) auf, der als Akkordeonvirtuose in
letzter Zeit großen Erfolg hatte.
*
Eine bittere Enttäuschung erlebte ein
selbständig tätiger, kriegsblinder Bürsten-
macher in Uelzen. Wochenlang blieben
die sonst regelmäßigen Aufträge aus, bis er
erfuhr, daß eine angebliche Vertreterin in
seinem Namen auftrat und Fabrikware ver-
kaufte. Obendrein wurde er auch durch
einen anderen Betrüger, der mit falschen
Ausweisen auftrat, um erhebliche Beträge
geprellt. Welche Niedertracht gehört zu
einer solchen schändlichen Ausnutzung der
Kriegserblindung des Mitmenschen!
*
Etwa hundert Kriegsblinde betreiben in
England ein eigenes Ladengeschäft;
vornehmlich mit Standardwaren wie Schoko1-
lade, Tabakwaren, Schreibwaren oder Eis1.
Die englische Kriegsblindenstiftung „St. Dun-
stan's gewährt die Finanzierungsmittel, z. B.
dreihundert Pfund als Geschenk und sieben!
hundert als Darlehen. Während der ersten
sechs Monate arbeitet der Kriegsblinde als
Angestellter gegen Gehalt. Dann wird ge-
prüft, ob sich die Geschäftseröffnung lohnt.
Von den Einnahmen erhält dann ein DritteJ
der Kriegsblinde, ein Drittel dient einen»
Reservefonds für geschäftliche Anschaffunj-
gen und ein Drittel einem Sonderfonds zum
Ankauf einer Lebensversicherung. Mit deii
Mitteln des Reservefonds zahlt der Kriegsf
blinde das Darlehen der Stiftung zurück unji
kauft dadurch den Laden. !
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JDrogrammvorscliau für f4örspiele
München: „Antrobus stirbt" von K. F. Tschon
NWDR/UKW-West: „Mit zwei Mark fünfzig in der Tasche" von Paul Schaaf
Südwestfunk und Bremen: „Barbara geteilt durch elf" von Egon Jameson
NWDR/UKW-Nord: „Dunkle Wünsche" von Walther von Hollander
Südwestfunk/UKW: „Die begnadete Angst" von G. Bernanos
RIAS: „Der Desillusionist" von Christian Bock
BBC (deutsch): „Die alten Damen" nach Hugh Walpol
Saarbrücken: „Der rote Simca von Kurd E. Heyne
NWDR: „Fräulein Else" von Arthur Schnitzler
Südwestfunk: Walter Dirks über das Hörspiel „Die gekaufte Prüfung"
Beromünster: „Philoktet" nach Sophokles
Frankfurt: „Himmelsmusik", ein Klangmärchen von Peter Herz
NWDR: „Spionage für den Osten", Tatsachen-Hörspiel von J. Agricolar
München/UKW: „Liebelei" von Arthur Schnitzler, nach H. v. Cube
NWDR/UKW-West: „Der Weg in die Hölle" von Peter Cheyney
Stuttgart: „Der Haifisch soll leben" nach Mark Twain, von Hans Hömberg
Stuttgart/UKW: „Das Lied der Wildgänse" von Helmut Habrich
Frankfurt: „Der Fuchs" nach D. H. Lawrence, von Erich Kuby
Frankfurt/UKW: „Himmelsmusik" von Peter Herz
NWDR/UKW-West: „Weh dem, der nichts geleistet hat", von R. O. Diehl
Südwestfunk: „Herr Lamberthie'r" von Louis Verneuil
München: „Das Wunder des Malachias" (1. Teil) von Bruce Marshall
Südwestfunk/UKW: „Die Tage sind gezählt" von Josef Martin Bauer
Stuttgart: „Die andere und ich" von Günter Eich
RIAS: „Mr. Gillie" von James Bridie
Bremen: „Der Bäcker und seine Frau" von Marcel Pagnol
München/UKW: „Antrobus stirbt" von Karl Richard Tschon
NWDR: „St. Louis Blues" von Heinz-Oscar Wuttig
Saarbrücken: „Die Dämonen" nach Dostojewskij, von Anton Betzner
Beromünster: „Gösta Berling" nach Selma Lagerlöf von Oda Schäfer
München: „Das Wunder des Malachias" (2. Teil) nach Bruce Marshall
NWDR/UKW-West: „Die Geschichte des Askid Torgilsson" von E. Rottluff
Stuttgart: „Der Streik der Ganoven" von Detlev Motschmann und H. Coubier
Frankfurt: „Sie fielen aus Gottes Hand" von H. W. Richter
München/UKW: „Das Wunder des Malachias" (1. Teil) nach Bruce Marshall
München: „Liebelei" von Arthur Schnitzler
NWDR-UKW-West: „Wenn de Hahn kräht" von August Hinrichs
Südwestfunk: „Blick auf Venedig" von Günter Eich
Frankfurt/UKW: „Der Fuchs" nach D. H. Lawrence von E. Kuby
Stuttgart: „Erpressung" von Patrick Hamilton
Südwestfunk/UKW: „Was sollen wir denn tun?" von Fred Hoerschelmann
Bremen: „Kleider ohne Leute" von Romain Gary
München/UKW: „Das Wunder des Malachias" (2. Teil) nach Bruce Marshall
Bremen: „Das große Messer" von Clifford Odts
NWDR/UKW-West: „Nur ein Experiment" von Jean de la Varende
NWDR: „Karussells werden im Himmel gemacht" von H. Dührkop
Frankfurt: „Das verschlossene Haus" von Michael Harward
NWDR/UKW-West: „In alle Welt drang ihre Kunde" von Bastian Müller
NWDR: „Unter den Brücken" von Walter Ulbricht
Frankfurt/UKW: „Dumala" nach Ed. v. Keyserling von H. Kettler
NWDR/UKW-West: „Erasmus im stillen Winkel" von K. Heynicke
Südwestfunk: „Der Reporter des Satans" von Paul Hühnerfeld
München: „Auf dem Weg zum Paradies" von Walter Kolbenhoff
NWDR: „Die sagenhafte Geschichte des Hengstes Godolphin Arabian" nach
Marguerite Henry
Südwestfunk/UKW: „Der schlecht gefesselte Prometheus" von Andre Gide
Bremen: „Mon Faust" von Paul Valery
Stuttgart: „Der Tramp" von Otto Heinr. Kühner
München/UKW: „Die Schöne im Walde" von Jules Superviell
NWDR: „Alle Menschen leben in Kirchborn" von Werner-Jörg Lüddecke
NWDR/UKW-West: „Das Vermächtnis"
Frankfurt: „Das war Mama" von John van Druten
Südwestfunk: „Der Prozeß um des Esels Schatten" von Friedrich Dürrenmatt
Frankfurt/UKW: „Unterm Birnbaum" nach Theodor Fontane
Bremen: „Unkraut unter dem Weizen" von Emery Bonett und Erwin Wickert
Südwestfunk/UKW: „Barbara geteilt durch elf" von Egon Jameson
Stuttgart: „Um eine Viertelmillion" nach Hemingway
NWDR: „Die Liebe der vier Obersten" von Peter Ustinov
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
Denke an den „Hörspiel-Preis der Kriegsblinden"!
Auch der Lärm hat sein Recht
„Schweigen um Jeanette" (München)
Das Erleben des Hörens zum Thema eines i
Hörspiels zu machen, das allein zeugt schon,
von einer — leider ungewöhnlichen —
Sicherheit im Griff nach den Möglichkeiten,
die allein dem Rundfunk vorbehalten sind.
Kein Wunder, daß ein so erfahrener und mit
Leidenschaft dem Mikrophon verpflichteter
Rundfunkmann wie Oskar Wessel der Autor
ist. Er läßt ein junges, bis dahin taubes
Mädchen die Lust und die peinvolle Last des
Hörens erfahren. Und mit ihr erfährt der
Hörer, der abgestumpfte Mensch unserer
Tage, wie mörderisch und beängstigend der
Lärm unserer Städte ist. „Rhythmus des Da-
seins, Trubel und Tempo" ruft dieser Mensch
dem geängstigten Mädchen voller Stolz zu.
Es flieht in die vertrautere Stille. Und die
Versuchung mag für den Autor nahegelegen
haben, sein Hörspiel hier mit einem Plädoyer
für die Stille und das Schweigen zu beenden.
Es wäre nicht unfruchtbar gewesen, gerade
weil diese These den lärmfreudigen Men-
schen nachdenklich machen könnte. Aber
es wäre unwahrhaftig gewesen, denn auch
die Stille kann zur Last werden — das Mäd-
chen erlebt das — und erst in der Relation
zwischen beiden, zwischen dem Schweigen-
den und dem Lauten, ist der Weg zu finden.
Dieser Schluß, daß eben beides zu akzep-
tieren ist, hätte etwas klarer sein können.
Fast mußte man den Eindruck gewinnen,
daß das Mädchen Jeanette den „Abgrund
des Schweigens" noch weniger erträgt als
den Lärm, und daß sie sich für den Lärm „da
draußen" entscheidet, überhaupt ist das Hör-
spiel nicht ohne Schwächen, angefangen von
der Unglaubhaftigkeit des Vorgangs, daß
Jeanette sogleich nach ihrer Operation die
menschliche Sprache versteht (und vorher
elegant sprach) bis hin zu sehr viel mono-
logisierenden, erzählenden und betrachten-
den Partien, die dem Ganzen den dramati-
schen Atem und die Rundung der Kom?
Position nehmen. So blieb vieles allzu
skizzenhaft. Trotzdem aber hätten wir beim
Münchener Preisausschreiben dieses Werk
höher eingestuft als die an erster Stelle
preisgekrönten „Wildgänse". Die Maßstäbe
von Preisgerichten sind eben oft sehr ge-
heimnisvoll.
1:0 für die Amateure
„Die große Masche" (NWDR)
Hörspiel von Otto Heinz Jahn
Fußball ist populär. Und man möchte
hoffen, daß auch Otto Heinz Jahns Hörspiel
vom Fußball populär wird, gerade weil es
die kritischen und bedenklichen Seiten des
Fußballsportes — seine Profittendenz und
sein Managertum — attackiert; und zwar
mit Liebe zum Menschen und zum Sport, so
daß ein Widerspruch schwer wird. Mag sich
Jahn auch in der Komposition etwas über-
nommen haben — den Gesamtrahmen eines
großen Fußballspiels muß er mit allzu vielen
Rückblendungen erkaufen — so erweist er
sein überdurchschnittliches Können doch an
einzelnen ausgezeichneten Szenen, beson-
ders zum Schluß hin. Auch weiß er alle
Register funkischer Möglichkeiten zu ziehen,
Sl
imperial
Weinbrand'
: ..// v c^\ ^_.;; - ... Cura cao (41 %)
18
etwa wenn er die glücklich angelegte Rolle
des Sportreporters mit Überleitungen kon-
trastiert, die ein Toter spricht, der eigent-
liche Vater der Mannschaft. Mag auch man-
ches Anrempeln der Oberligastruktur nicht
ganz fair und gerecht erscheinen, — der
sportfreudige Hörer mußte gerade durch
diese Überspitzungen nachdenklich werden.
Der Spielleiter Fritz Schröder-Jahn hatte ein
prächtiges Team hinter sich, das er mit
sicherer Hand zum Siege lenkte. Daran
konnten auch die bitterbösen Proteste des
HSV Hamburg nichts ändern. Wer in der
Öffentlichkeit und für sie tätig ist, der muß
auch öffentliche Kritik hinzunehmen ver-
stehen.
Lehrbeispiel für Hörspiel-Autoren
(Südwesllunk)
Carl Zuckmayer hat kürzlich vom Hörspiel
gefordert, es müsse auch bei der Darstellung
psychologisch komplizierter Vorgänge für
den einfachen Hörer verständlich und kristall-
klar in seinem Aufbau sein. Das von einem
Kriminalfall, dem Mord an einem Zollinspek-
tor, ausgehende Hörspiel von Josef Martin
Bauer: „Die Tage sind gezählt", das der Süd-
westfunk in einer packenden und ungemein
geschlossen wirkenden Inszenierung von
Gerd Beermann brachte, erfüllt diese Forde-
rung Zuckmayers und zeigt, wie fruchtbar es
sich gerade bei einem mit starker Phantasie-
kraft begabten Autor auswirkt, wenn er sich
in strenger Disziplin um die Möglichkeiten
und Gesetze des Akustischen bemüht, statt
Behelfe aus rundfunkfremden literarischen
Bereichen heranzuziehen. Bei J. M. Bauer ge-
schieht das deswegen so überzeugend, weil
zwischen dem Beginn des Hörspiels mit den
fliehend gehetzten Schritten des Mörders im
Treppenschacht eines Mietshauses und sei-
nem Ende, den unheimlich ruhigen Schritten
der Kriminalbeamten, mit der zunehmenden
Spannung und Tragik sowohl bei den Haupt-
personen der Handlung wie bei den Hörern
die Einsicht wächst und schließlich zu der
schweren und doch befreienden Erkenntnis
sich verdichtet: daß Schuld gesühnt werden
muß. Die mit ihren Kindern in dürftigen
Verhältnissen lebende Kriegerwitwe, die den
Mörder verbirgt und ihm dann zur Flucht
verhelfen will, bringt eben durch ihre Liebe
— ohne daß sie es will — den Schuldigen
Das Echo im Rundfunk
Der „Hörspielpreis der Kriegsblinden" fand
auch im deutschen Rundfunk ein lebhaftes
Echo. Der Süddeutsche Rundfunk
wird das preisgekrönte Hörspiel erneut auf-
führen; auch der Hessische Rundfunk
hat das Hörspiel in sein Programm auf-
genommen, ebenso unter ausdrücklicher Be-
zugnahme auf den Hörspielpreis zwei wei-
tere Werke, die das Preisgericht in die engere
Wahl gezogen hatte. Beide genannten Sen-
der brachten außerdem mehrere Zeitfunksen-
dungen (Gespräche usw.). Auch der NWDR
wiederholt eins der von uns ausgezeichneten
Hörspiele.
Programmhinweis
Der Südwestfunk hat u. a., in Zu-
sammenarbeit mit dem Landesverband Süd-
baden unseres Bundes, eine Hörfolge fertig-
gestellt, die unter dem Titel „Arbeit ist
das Licht der Blinden" am 10. Mai
von 16 bis 16.30 Uhr zu hören sein wird. Wir
machen alle Kameraden auf diese sicherlich
interessante Sendung aufmerksam.
zur Selbsterkenntnis. Die wenigen Figuren
bleiben jeweils in ihrem Lebenskreis und
wirken doch, auch da, wo sie nur charakteri-
siert werden — ausgezeichnet die- Kinder
und der Grieche — , als aufeinanderbezogene
Kräfte. Es fällt kein moralisierendes, kein an-
klagendes Wort. Aus dem Indirekten ergibt
sich die Unabweisbarkeit der Gewissensmah-
nung. Josef Martin Bauer beherrscht die
nicht nur für Zeichner erforderliche Kunst
des Weglassens. Müßte man für einen Lehr-
gang zur Schulung von Hörspielautoren ein
Musterbeispiel guter handwerklicher Arbeit
nennen: hier ist es!
Ein Beispiel menschlicher Bewährung
Aus der Ansprache des Dichters Erwin Wickert bei der Verleihung des Hörspielpreises
Greve & Uhl
OSTERODE
Die Zuerkennung des deutschen Hörspiel-
preises 1951 für das Hörspiel „Darfst du die
Stunde rufen?" hat mich überrascht und be-
wegt. Ich danke Ihnen sehr für diese Ehrung
und die Überreichung der Plastik Ihres
kriegsblinden Kameraden Jakob Schmitt.
Bewegt hat mich die Entscheidung, weil
Menschen sie trafen, die am ernsthaftesten
hören, die Nur- Hörer sind und für die das
Wort ein größeres Gewicht hat als für uns
Augenmenschen; Menschen, zu denen wir
Zugang nur durch das Ohr finden, und die
ein viel sichereres Gefühl für das falsche und
richtige Wort, für den falschen und den rich-
tigen Ton haben.
Im vergangenen Jahr sind viele gute
deutsche Hörspiele gesandt worden, die
künstlerisch meist bedeutender waren als
unser Film und oft auch gewichtiger als das,
was uns heute das Theater bietet. Einige
davon — ich will nur die Namen ihrer Ver-
fasser nennen: Günther Eich, Christian F.ock,
Wuttig, Josef Martin Bauer — .standen auch
bei der Preisverteilung zur Diskussion, und
ich muß gestehen, mir wäre die Entscheidung
sehr schwer geworden. '
Wenn Sie trotzdem dem Hörspiel „Darfst
du die Stunde rufen?" den Preis zuerkannten,
so ist das wohl nur so zu erklären, daß
außer den ästhetischen und formalen Grün-
den noch andere den Ausschlag gaben. Das
Entscheidende war für Sie vielleicht nicht
allein die dramaturgische Durchführung, eine
Glätte oder Eleganz der künstlerischen Lö-
sung, sondern die Wirkung auf den Hörer,
auf den Menschen. Und hierin begegnet
sich Ihre Auffassung mit meinen Be-
mühungen. \
Das Hörspiel, dem Sie den Preis zuerkann-
ten, hat nach seiner ersten Sendung eine
Reihe zustimmender Urteile in der Fresse
gefunden, soweit sich die Presse heute über-
haupt schon mit Hörspielen befaßt. Sie wur-
den für mich aber alle aufgewogen durch den
Brief einer Hörerin, die an einer unheilbaren
Krankheit litt und wußte, daß bie in abseh-
barer Zeit daran sterben werde. Sie schrieb,
sie habe sich oft mit dem Gedanken getra-
gen, ihr Leben und ihr Leiden freiwillig zu
beenden, aber das Hörspiel habe ihr die
Kraft gegeben, die Schmerzen bis zum Ende
zu ertragen.
Dieser erschütternde Brief hat mich in
mancher Hinsicht beunruhigt; ganz ähnlich
wie diese Preiszuteilung. Zuvor aber lassen
Sie mich erklären, warum mich Ihre Ent-
scheidung überrascht hat: Vielleicht, so
dachte ich anfangs, liegt hier ein Miß-
verständnis vor. Wollte man etwa mir an-
erkennen, daß ich mich gegen die Euthanasie
ausgesprochen habe? Aber lediglich diese
Stellung zu beziehen, ist leicht; und wenn
das Hörspiel nur den einen lehrhaften Zweck
verfolgt hätte, nämlich die Verwerflichkeit
des sogenannten Gnadentodes vor Augen zu
führen, dann hätte es keinen Preis verdient.
In einer Predigt oder einem Essay kann man
den Gedanken eher deutlich machen. Aus,
der Begründung des Preisrichterkollegiums
. ging jedoch hervor, „daß es nicht die Auf-
gabe des Hörspiels sein kann, eine endgül-
tige Antwort zu geben1." -
;_■ _Was.gesch.ieht nun in dem Hörspiel? Eine
jnflS« Frau leidet an einer unheilbaren
Krankheit. Sie wird sterben. Sie weiß es,
aber sie will es nicht wissen. Sie hofft auf
das Leben und fürchtet den Tod. Aber sie
fürchtet auch das Leben und hofft auf den
Tod. Sie sehnt das Nichts herbei und schließt
doch voller Entsetzen die Augen vor dem
Abgrund. Und schließlich wünscht sie, man
möge ihre Leiden abkürzen. Erst als sie be-
greift, welches Gewissensopfer sie damit von
ihren Mitmenschen verlangt, ändert sie ihre
Meinung. Warum? Hat sie nicht alle Gründe
auf ihrer Seite? Ist ihr Wunsch nicht mensch-
lich verständlich? Fordert das Mitleid nicht,
ihrem Wunsche zu willfahren?
Sie verwirft aber im Angesicht des Todes
die vernünftigen, die menschlichen, die
humanitären Gründe und unterwirft sich det
Entscheidung des Gewissens, der Entschei-
dung Gottes.
Ist damit in dem Hörspiel das Problem
der Euthanasie gelöst? Nein. Jedenfalls
nicht für den, der den Sieg verstandes-
mäßiger Gründe gegen den Gnadentod
erwartet hätte. Es gibt — vielmehr: ich
weiß — keinen dem Verstand einleuchten-
den Grund gegen die Euthanasie. Die
Patientin trifft deshalb ihre Entscheidung
auch nicht aus dem Verstand heraus. Sie
ergreift die Lösung, die ihr das Gewissem
vorschreibt; und darin findet sie die Ruhe
und den Mut zum Leiden und Sterben. Hier
ist ein Bruch im Hörspiel: Die rational»
Argumentation wird abgebrochen, weil sie
an dem Problem scheitert. Die Antwort
kommt von einer anderen, einer höherer
Ebene; die künstlerisch elegantere Lösur.c,
wird hier der existentiellen Wahrheit ge-
opfert. Wenn das Hörspiel sich vorgenom-
men hätte, die Frage mit Gründen der Ratio
zu beantworten, dann konnte dies nicht ge-
lingen. Denn das Problem ist nicht so ein-
fach wie etwa das der Toleranz in „Nathan
dem Weisen".
Aber das Hörspiel hatte sich nicht die Auf-
gabe gesetzt, das Problem zu illustrieren, im
Dialog zu umschreiben und zu analysieren.
Indem es eine künstlerisch folgerichtige
Lösung aufgab, wollte es den Appell an den
Menschen richten, Werte setzen, sich zu einer
Rangordnung der Menschen bekennen, in
diesem Falle das göttliche Gebot über das
der Humanität und des Mitleids steilen.
Daß dieser Appell gehört wurde, bestätigt
der vorhin erwähnte Brief jener kranken
Hörerin, die durch ihn den Mut fand, das
Leiden zum Tode zu übernehmen. Dennoch
beunruhigte mich dieser Brief; und lassen
Sie es mich gestehen, dieselbe Beunruhigung
empfand ich, als ich die Nachricht von der
Preisverteilung erhielt. Ist es nicht sehr
leicht für mich, der ich den Tod nicht so un-
mittelbar auf mich zukommen sehe wie die
Hörerin oder die Patientin im Stück, einen
solchen Appell an meine Mitmenschen zu
richten? Ist es nicht auch bequem, ein Hör-
spiel dieses Appells wegen zu prämiieren,
solange wir nicht wissen, wie w i r uns in
einer solchen Stunde bewähren werden?
Würden wir angesichts des Todes denselben
Mut aufbringen, den wir. an der Patientin
bewundern?
Im Hörspiel stellt die Todgeweihte dem
. zuredenden Arzt dieselbe Frage; und er ant-
wortet, er wisse nicht, wie er sich dann ver-
, halten werde. Vielleicht werde auch er dann
..schwach seim Und trotadem hat der Arzt
den anderen Menschen in seiner Umgebung
19
etwas voraus. Er hat den Unterschied
zwischen einer transzendenzlosen Humanität,
der „falschen Humanität", wie er es nennt,
gegenüber der gottverpflichteten Humanität
erkannt. Er weiß, daß sein Wunsch Dach dem
Gnadentod, wenn er ihn jemals äußern
sollte, nicht „rechtens", sondern Schwäche
ist; daß die Entscheidung der Patientin, die
das Leiden zum Tode auf sich nimmt, von
höherem Rang ist als die dem Verstand
einleuchtenderen Argumente der anderen.
Die Patientin also gibt ein Beispiel höhe-
ren menschlichen Ranges, an dein wir uns
bewähren müssen. Ein Beispiel, das einen
Appell an uns richtet, einen Befehl. Das Hör-
spiel gewährt uns also keine bequeme
Lösung, sondern es fordert uns puf, die
Lösung je und je in uns selbst zu vollziehen.
Kriegsblinde erzählen:
Ostergedanken um den Galgenberg
Auf halber Höhe des Kirchhofsberges blieb
Lehrer Schäfer stehen; das Auffahren eines
leichten Federwagens auf das Kopfstein-
pflaster dort unten hinter der Kirchhofs-
mauer hatte ihn zum Innehalten veranlaßt.
Das Gespann fiel nun in den Schritt zu-
rück. Schäfer stützte sich auf seinen Krück-
stock, knöpfte seinen Überzieher auf, lüftete
den Hut und ließ sich die Stirn vom frischen
Märzwind kühlen. Sein Gesicht wandte er
nun nach rechts, voll in die Sonne und weit
über die ebenen, noch graubraunen Felder,
die ab und zu von rechteckigen, grünen
Wintersaaten unterbrochen wurden, er sah
drüben zum blauschwarzen Waldrand, vor
dem sich einzelne Birken und Birkengruppen
grauweiß abhoben, — wurde nun aber von
einem Kinderjubel, oben vom Berge her,
dort bei dem einzelnen Hause, in seiner
genießenden Betrachtung unterbrochen. Mit
viel Gequietsche und lauten Rufen stürmten
wohl vier bis sechs Kleine vom Hof auf die
Straße. Die hellen Röckchen und Blusen
leuchteten in der Vormittagssonne, weiße
und hellblaue Schleifchen wirbelten um die
Köpfe, Birkenruten, deren hellgrüne Blätter
am Ofen und im warmen Wasser vorge-
trieben waren, schwenkten sie in der Luft.
„Stiep, stiep, Osterei . . ." schallte es. Dann
schoß die ganze kleine Gesellschaft unter die
Fliederhecke am Zaun.
„Da habt ihr sie ja nun, eure Schätze, mur-
melte Schäfer, sein Gesicht strahlte, und noch
schmunzelnd sah er jetzt nach links, denn
der leichte Jagdwagen von Direktor Riedel
hielt nun neben ihm.
„Auf dem Osterspaziergang, Schäfer? Wo-
hin des Wegs? Aufsteigen, gefällig?" Direk-
tor Riegel öffnete die Schutzdecke, rückte zur
Seite und hielt Schäfer die Rechte entgegen,
gleichzeitig zur Begrüßung und als Hilfe
beim Aufsitzen.
„Sieht Ihnen ähnlich, immer mit lachen-
dem Gesicht. Allerdings — bei dem Oster-
wetter! Kommen Sie, ich fahre bei Ihnen
vorbei."
„Nicht nötig", dankte Schäfer, „laden Sie
mich bei Ihrer Villa dort am Waldrande ab,
ich fahre gern mit Ihnen übers Feld. Habe
heute den Kantor in der Kirche vertreten."
Im ruhigen Schritt hatte nun der Wagen
die Kinder erreicht. Sie hatten kehrt ge-
macht, standen wie in Reih und Glied, mit
Front zur Straße, staunend und gaffend. Die
Gesichter waren vor Eifer gerötet, die Nas-
chen nicht alle einwandfrei. Die Kleinsten
hatten mit den Zuckereiern zu tun, kauten
und lutschten und versuchten, ihre Schätze
in Hosen- und Schürzentaschen zu verstauen.
Liesel stand in der Mitte der Reihe, sah über
die Köpfe des linken Flügels hinweg und
machte einen artigen Knicks. Am rechten
Flügel war ein kleiner Kampf im Gange.
Das Übermaß des Osterfundes wollte mit
aller Gewalt nicht in die Hosentasche! Die
des kleinen Nebenmannes schienen dagegen
leer und gerade deswegen, so meinte er
wohl, müsse er sich des Überflusses beim
anderen gewaltsam bemächtigen. Der vom
Sonenschein erwärmte, schlüpfrige Boden
sorgte für die Beendigung des Streites, denn
beide Rivalen landeten mit ihren Sonntags-
hosen auf dem nassen Boden.
„Na, die beiden bereiten Mutters Fest-
tagsfreude vor", knurrte der Direktor, „Kin-
der bringen doch weiter nichts als Ärger und
Sorgen."
„Nun, nun, nicht immer Ärger, wohl Sor-
gen und auch Freude," erwiderte Schäfer
ruhig, „ich kann wohl mitreden; mein Jüng-
ster von den acht hat gerade diese Ostern
sein Lehrerexamen bestanden. Ja, alle acht
studieren. Macht freilich Sorge, aber sagen
Sie selber, Direktor, habe ich nun nicht auch
Freude?"
Der Angeredete schwieg zunächst, sein
Blick war geradezu ins Leere gerichtet. Nun
atmete er seufzend: „Mein einziger Junge
hat mir ja nun zu diesem Fest versprochen,
sein Ingenieurexamen im nächsten Jahre
bestimmt zu bestehen. Allerdings sein dritter
Versuch! Ich sage Ihnen, Schäfer, zwei von
der Sorte, und ich wäre ein armer Mann. Na,
und dann erst acht ..."
Im leichten Trab bog der Kutscher jetzt
von der Straße ab, in den Feldweg nach
halbrechts. Schäfer lehnte sich vor, tippte
ihn in den Rücken und bedeutete ihm, wie-
der Schritt zu fahren. Riedel schien erstaunt.
Seelenruhig lehnte sich Schäfer auf seinen
Sitz zurück. „Vor gut vierzig Jahren kam ich
als Junglehrer hier her", begann er, „am
ersten Karfreitag machte ich diesen Spazier-
gang, sehen Sie mal nach dort, halblinks!"
Er wies mit der Linken in die Richtung.
Am dunklen Kiefernwaldrand erhob sich
eine helle, sandige Anhöhe. Mitten darauf
eine riesige, knorrige Eiche.
„Der Galgenberg, Schäfer."
„ — und rechts daneben, wo die Birken
stehen, der Franzosenfriedhof. Die Kiefern
wurden damals gerade gepflanzt. Aber die
Eiche, die stand damals schon da. Ein gutes
Halbjahrtausend soll sie alt sein. Plündernde
und mordende Franzosen sollen hier von
den vereinigten preußisch-russischen Trup-
pen gehängt und erschossen worden sein,
und da nebenan sollen sie begraben sein."
Und Schäfer rief dem Kutscher zu: „Halten
Sie!"
Das Gespann hielt jetzt genau in Höhe
der Eiche dort am Waldrand, ein grauer,
mächtiger Stamm. Die beiden gewaltigen
Seitenäste ragten gerade noch über die
Kiefernwipfel. Ein dritter, riesiger Seitenast
ragte nach vorn, deckte sich mit dem Stamm
KONSUM
und gab ihm so im noch unbelaubten Wipfel
eine gleichmäßigere, breite Silhouette gegen
den blauen Himmel. „Wie ein Kreuz . . .",
meinte Direktor Riedel bedächtig.
„Ein Kreuz, ein lebendes, auf dem Galgen-
berg!" Schäfer sagte diese Worte ruhig und
bestimmt und gab dem Kutscher das Zeichen
zur Weiterfahrt. „Mit meinen Kindern," fuhr
Schäfer fort, „habe ich Jahr für Jahr einen
Osterspaziergang hierher gemacht. Und wenn
das Herz gerade nicht aus Stein ist, berührt
wohl jeden das Geschehen in der Osterzeit,
wenn er unter freiem Himmel, im Angesicht
des Galgenberges, die Osterbotschaft hört."
K. Schulz, Hamburg
Selbstorientieren — aber wie ?
Nach dem Verlust der Sehkraft muß man
natürlich darauf achten, wie man die ver-
bliebenen vier Sinne so gut wie möglich als
Orientierungsmittel einschaltet. Wie sehr da-
bei vor allem das Gehör und der Tastsinn
durch Vibration und Schallwellen
unterstützt werden, habe ich bereits in der
Abhandlung „Vibration und Schallwellen als
Orientierungsmittel" im Novemberheft 1951
dieser Zeitschrift zu skizzieren versucht.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch
folgendes bemerken: Ein wesentliches Hilfs-
mittel für die Orientierung sind vor allem
auch Vorgänge, welche sich im äußeren
Ohr abspielen. Die Härchen im Gehörgang
bilden zusammen mit der Schleimhaut und
der Ohrmuschel ein wichtiges Instrument für
Vibrationswahrnehmungen. Die hierdurch
gebildete Fähigkeit zur Bestimmung der
Schallrichtung pflegt beim Blinden feiner
ausgeprägt zu sein als beim Sehenden.
Es ist zu be'achten, daß auch einzelne
Körperteile von Schwingungen befallen wer-
den können. Leider sind bisher nur wenige
Erfahrungen gesammelt worden, wo die
hohen und wo die tiefen Töne in unserem
Körper ansprechen. Jeder Vibrationsherd hat
wieder seine eigene Note. Wenn ich zum
Beispiel auf eine Hausmauer zugehe, habe
ich regelmäßig den Eindruck, daß Brust, Kinn
und Hände mir durch Wandrückstrahlung
das Hindernis anzeigen. Es wäre dabei inter-
essant, festzustellen, welche Körperteile bei
den einzelnen Hindernissen besonders an-
sprechen.
Drei Fragen stehen also zur Debatte:
1. An welcher Stelle unseres Körpers
sprechen vor allem die tiefen Töne an?
2. An welcher Stelle unseres Körpers
sprechen vor allem die hohen Töne an?
3. Welche Körperteile sprechen bei den ein-
zelnen Hindernissen in erster Linie an?
Kameraden, welche auf diesem Gebiet
eigene Erfahrungen sammeln konnten, hätten
die Möglichkeit, ihren Schicksalsgefährten
das Orientieren zu erleichtern, wenn sie ihre
Beobachtungen der Redaktion unserer Zeit-
schrift mitteilen würden. Es wäre jedenfalls
sehr zu begrüßen, wenn die bereits bekannten
Tatsachen auf diesem Gebiet durch prak-
tische Erfahrungen so erweitert würden,
daß man allgemein brauchbare Richtlinien
für das selbständige Orientieren aufstellen
könnte. Di. Kurt Wintterlin
fit$fc, tves/t/ii) dkaußm fe/t^/s,
Q)eb
daß tutt/i d6e<~M/eAmm& mne/i y/ä//^l.
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ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 9. 3. JAHRGANG MAI 1952 VERLAGSORT BIELEFELD
LERNEN WIR UNS FREUEN,
SO VERLERNEN WIR AM BESTEN,
ANDEREN WEHE ZU TUN!
NIETZSCHE
WAS ES AUCH QROSSES UND UNSTERBLICHES
ZU ERSTREBEN QIBT, DEM MITMENSCHEN
FREUDE ZU MACHEN IST DOCH DAS BESTE,
DAS MAN AUF DER WELT TUN KANN.
PETER ROSEQQER
AUS DEM INHALT
Seite
Hast du keine Aufgabe mehr? Von Kam. Günther Ebert
(Bamberg) 1
Erste Begegnung mit den österreichischen Kameraden ... 1
Umfrage nach neuen Blindenberufen 2
Gründlich aufgelesen 2
Nach Paris eingeladen (Braille-Feier) 2
Kriegsblinder erhielt Großes Verdienstkreuz 3
Steuer-Erleichterungen für Blinde (Hinweise für selbständig
tätige oder lohnsteuerpflichtige Kriegsblinde) Von Dipl.-
Kaufmann Rudolf Langermann 3
Zehntausend Blinden-Tastzeichen. Von Obering. Fr. Wilh. Gust 5
Ein Kriegsblinder in der Telefonzentrale. Von Emil Groß,
Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Zeitungs-
verleger 5
25 Jahre Kriegsblinden-Kurheim Bad Salzhausen. Von Albert
Bierwerth 6
Axel Bischoff 65 Jahre alt. Von Dr. Peter Plein 6
Seite
Rund um die Berolina. Von Axel Bischoff 7
Aus den Landesverbänden 8
Neugliederung des Landesverbandes Schleswig-Holstein
Besatzungsmacht und Kriegsblinden-Handwerk
„Haus der Kriegsopferversorgung" in Berlin
Willst du nicht mitmachen? (Sportarten für Blinde). Von
Dr. Kurt Wintterlin 12
Er wollte sich doch bessern. Von Heinz C. Schwarze ... 12
Neues Patent eines kriegsblinden Bürstenmachers .... 13
Eine Stenografiermaschine 15
Kleine Neuigkeiten 17
Hände. Gedicht von Christoph Burmester (Hamburg) ... 17
Schachmeisterschaften 1952 für Blinde der Bundesrepublik . 18
Der Kritiker am Lautsprecher 18
Programmvorschau für Hörspiele 19
Ein sehr armseliger Blinder (Bemerkungen zu dem Buch
„Der Blinde" von Walter Jens) 20
Das leine Linienspiel unseres Titelbildes — „Der Kriegsblinde und die Blüten" — zeichnete für uns Hans G r o h e.
Das Foto auf der Umschlagrückseite — „Lupinen im Sonnenlicht" — stammt von Kurt Hege.
151 - 842 - 841 - 840 - 839 - 838 - 837 - 836 - 843 - 844 - 852 - 857 - 858 - 860 - 861 - 863 - 864 - 865 - 866 - 867 - 877 - 876 - 878 - 879
„Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. K
Nr. 9 . 3. Jahrgang . Mai 1952 . Verlagsort Bielefeld
Hast du keine Aufgabe mehr?
Der Mensch hat in diesem Dasein Pflichten
zu erfüllen, von denen er durch keine Behin-
derung befreit wird, auch nicht durch die
Erblindung. Gewiß, vielen von uns ist die
Fähigkeit genommen, eine nach außen groß
in Erscheinung tretende Aufgabe zu leisten.
Manche von uns vermögen es nicht mehr,
auch nur auf die bescheidenste Weise, in den
Arbeitsprozeß aktiv mit einzugreifen. Das ist
für diese Kameraden sehr schlimm. Aber die
innere Befriedigung, die uns die Arbeit gibt,
nämlich anderen etwas zu geben und in-
mitten der Gemeinschaft zu stehen, können
wir auch trotzdem erreichen. Wir alle sind
durch viel Schweres hindurchgegangen, und
wir leben äußerlich in beständiger Nacht,
aber trotzdem können wir in unserem Innern
einen Tag voll strahlender Helle erleben. Oft
wird als eine gedankenlose Phrase das Wort
vom „inneren Licht" dahergeredet, aber einen
Inhalt erhält es doch nur dann, wenn sich
dieses Licht segensreich und spürbar auf an-
dere Menschen auswirkt, die mit uns in Ver-
bindung kommen.
Das geht gerade uns Kriegsblinde an. So
viele von uns leiden darunter, daß sie keine
wirkliche Aufgabe zu haben meinen. Sie
wähnen sich überflüssig. Ich aber glaube
ganz fest, daß in uns allen die Möglichkeit
zur Erfüllung einer ganz besonderen Mission
vorhanden ist: ob man sie nun darin sieht,
anderen Menschen ein Beispiel der Schick-
salsüberlegenheit vorzuleben oder ob man
es, wie ich es tue, nennt: wir sollen
Freude bereiten. Im Grunde ist es das-
selbe. Ich meine damit, daß wir durch un-
seren Frohsinn den Mitmenschen, die mit uns
zusammenleben, einen inneren Halt geben
können, ja, vielleicht sogar eine Richtung für
ihr eigenes Leben. Bemühen wir uns also,
|die eigenen Schmerzen und Schwierigkeiten
nicht im Mittelpunkt unseres Daseins zu
sehen, sondern sie in den Hintergrund zu
schieben, um statt dessen eine gelassene —
wenn es angebracht ist, auch einmal eine
ausgelassene — Heiterkeit an den Tag zu
legen. Damit vor allem beweisen wir, daß
wir doch stärker sind als das Schicksal, das
uns traf.
Die beglückendste Freude bereiten wir uns
und anderen dadurch, daß wir geben. Das
kann ganz im unmittelbaren Sinn dieses
Wortes geschehen — wie glücklich etwa
. werden Kinder durch ein Bonbon! — aber
„geben" kann man auch mit leeren Taschen
viel. Gebenkönnen will zwar gelernt und er-
fahren sein, aber es ist das schönste auf
Erden. Wir alle sind nicht reich an materi-
ellen Gütern, aber schenken können wir
trotzdem: ein hilfreiches, gütiges Wort ist
. einsamen und leidenden Menschen meist
wertvoller als ein Geldschein. Und welcher
. Leidende — mag er dem wohlwollenden
Trost glücklicherer Menschen auch nicht
glauben — wird sich dem Wort eines Kriegs-
blinden verschließen? Der Leidende weiß ja,
daß hier ein Gefährte spricht, der selbst Leid
kennt und zu tragen weiß. Leid und Einsam-
keit gibt es heutzutage in erschreckender
Fülle, täglich läuft sie dir über den Weg.
Hier hast du eine Aufgabe! Und mit den
Fröhlichen sei von Herzen fröhlich! Auch das
ist ein Geschenk, das du gibst.
Und deine engste Umwelt? Zeigen wir un-
seren Nächsten, daß wir ihnen dankbar sind
für manchen Verzicht und manche Hilfe, die
sie uns gewähren. Nehmen wir dieses täg-
liche Helfen nicht als selbstverständlich hin!
Und nicht von unseren Schmerzen laßt uns
sprechen, auch nicht immer wieder von- dem,
was wir verloren haben! Und dann: es
schadet auch nichts, wenn du den Deinen mal
eine Kleinigkeit mitbringst: wie freut sich
deine Frau über ein paar Blumen! Wie dank-
bar ist deine Mutter für das kleine Silber-
schälchen! Aber das kostbarste ist doch
immer die heitere Harmonie, die in
deine vier Wände zu zaubern ganz von dir
abhängen kann.
überhaupt: laßt uns durch unseren eigenen
inneren Frohsinn dazu beitragen, daß unsere
Mitmenschen Freude und Lebensbejahung
gewinnen! Wie ich in diesem Augenblick die
Frühlingssonne spüre, wie sie über Gesicht
und Hände streicht, so spüre ich auch ein
inneres Strahlen, das ich weitergeben kann.
Das Leben ist schön, Kameraden! Es kann
jedem von uns eine Fülle des Guten bringen,
öffnen wir unser Herz, um zu erleben und
um das Erlebte weiterzugeben, immer mit
dieser einen, uns auch selbst so beglücken-
den Aufgabe im Herzen: anderen Menschen
Freude zu bereiten.
Günther Ebert (Bamberg)
Erste Begegnung mit den österreichischen Kameraden
Auf Einladung des Vorsitzenden vom „Ver-
band der Kriegsblinden Österreichs", Kame-
rad Hirsch (Wien), nahmen unser Bundes-
vorsitzender, Amtsgerichtsrat Dr. Plein, und
der Kamerad Ing. Alfons Schramm aus Frei-
burg an einer Aussprache in Bregenz teil.
Dieses erste Treffen der Vertreter der öster-
reichischen und deutschen Kriegsblinden nach
dem Kriege wird von beiden Seiten als sehr
bemerkenswertes und hocherfreuliches Ereig-
nis gewertet. Schon die herzliche Begrüßung
zeugte von dem Geist der Kameradschaft, der
beide Organisationen über die Grenzen hin-
weg verbindet. In zwei Arbeitstagungen fand
ein ersprießlicher Erfahrungsaustausch in
der Kriegsblindenfürsorge beider Länder
statt. Am dritten Tag wurden die deutschen
Gäste zu der Jahreshauptversammlung der
Vorarlberger Kriegsblinden eingeladen. Am
Abend vorher fand ein Kameradschaftsabend
im Beisein der Spitzen der Behörden statt.
Kam. Hirsch dankte den deutschen Ver-
tretern nochmals für ihr Erscheinen und be-
tonte ausdrücklich, daß die stattgefundenen
Aussprachen in herzlichem und kamerad-
schaftlichem Geist gehalten waren. Er bat
im Namen der österreichischen Kriegsblin-
den, allen deutschen Schicksalsgefährten die
herzlichsten Grüße zu entbieten. Auch die
deutschen Vertreter gaben ihrer großen
Freude über die Wiederaufnahme der Ver-
bindung und ihrem Dank für die herzliche
Gastfreundschaft Ausdruck.
Kennzeichnend für den Geist dieser Be-
gegnung ist ein Brief, den maßgebende Vor-
arlberger Kameraden wenige Tage später an
unseren Bundesvorsitzenden Dr. Plein schick-
ten: „Mehr denn je waren am Tage Ihres
Hierseins unsere Herzen von dem Gefühl
bewegt, alte, echte freundschaftliche Ver-
bindung mit den Kameraden Deutschlands
gefunden zu haben", so heißt es in diesem
Brief. „Die Worte, die Sie zu uns redeten,
waren wie aus unserer eigenen Seele ge-
griffen, und die Grüße, die Sie von den
Kameraden Deutschlands überbrachten, über-
strömten unsere Gefühle, so daß Worte in
unserer Freude versanken. Es war uns eine
große Ehre, Ihre Begegnung mit Kamerad
Hirsch auf Vorarlberger Boden zu wissen.
Euer Vater Rhein durchzieht auch unser klei-
nes Land Vorarlberg im äußersten Westen
Österreichs . . . Ihr Besuch wird noch öfter zu
unserem Gespräch werden, erfüllt von der
gegenseitigen Liebe und Kameradschaft zu
Euch deutschen Brüdern jenseits der Grenze."
Auch die Bundeszeitschrift der österreichi-
schen Kriegsblinden widmet dieser Begeg-
nung zwei umfangreiche Berichte, in denen
die große Bedeutung dieses Zusammentref-
fens hervorgehoben wird. Es heißt dort:
„Schon die erste Begegnung verlief äußerst
herzlich, und man konnte allen Beteiligten
die Freude an der Wiederaufnahme der alten
Beziehungen anmerken. Da sowohl den deut-
schen Delegierten als auch den Vertretern
unserer Organisation nur drei Tage für ihre
Beratungen zur Verfügung standen, wurde
sogleich in einem Extrazimmer des Hotels
mit der Aussprache begonnen, die, nur durch
die Mahlzeiten unterbrochen, von früh bis
in die Nacht andauerte und ein rund 10 0
Punkte umfassendes, von der Verbands-
leitung ■ vorher zusammengestelltes Pro-
gramm, allerdings nur in groben Zügen, bis
Samstagnachmittag behandelte. Von der ren-
tialen und orthopädischen Versorgung über
die Berufs-, Erholungs- und kulturelle Für-
sorge, einschließlich der Führhundeversor-
gung, Wohnungsfürsorge, Umschulung, der
Werbetätigkeit und Sozialversicherung bis
zu den orthopädischen Fragen und der An-
1
knüpfung ausländischer Beziehungen wurde
alles, was auf beiden Seiten bisher erzielt
oder angestrebt wurde oder werden soll,
besprochen, verglichen und geprüft. Es kann
festgestellt werden, daß unsere Funktionäre
von den deutschen Kameraden manche inter-
essante und praktische Neuheit erfahren
konnten, während umgekehrt auch die Gäste
wertvolle Anregungen mit nach Hause nah-
men .. ■'. Diese grundlegende Aussprache kann
als Auftakt zur Wiederaufnahme zwi-
schenstaatlicher Beziehungen
unter den Kriegsblinden betrach-
tet werden und stellt unsere Organisation
Vor neue, umfangreiche, aber dankbare Auf-
gaben, zumal bei den Besprechungen die
Möglichkeiten, mit den Kriegsblindenorgani-
sationen anderer Länder in Verbindung zu
treten, sehr eingehend erörtert wurden. Lei-
der war die Zeit der deutschen Gäste nur
kurz bemessen, und schwer fiel allen der
Abschied . . . Durch diese erste Fühlung-
nahme zwischen der deutschen Organisation
und unserem Verband wurde die nach dem
ersten Weltkrieg begründete Zusammen-
arbeit und gepflegte Freundschaft nunmehr
in alter Herzlichkeit wieder
aufgenomme n."
Und an anderer Stelle der österreichischen
Zeitschrift wird ergänzend von dem Kame-
radschaftsabend berichtet: „Dr. Plein gab im
Hinblick auf die Erneuerung der Freundschaft
mit den Kameraden in Osterreich seiner
Freude Ausdruck und sagte unter anderem,
daß er es außerordentlich geschätzt habe,
mit Kamerad Hirsch, einem alten, erfahrenen
und mit reichem Wissen erfüllten Kämpfer
für das Wohl der Kriegsblinden, nach Jahren
wieder einmal zusammenzutreffen. Im Laufe
des Abends trugen die Kameraden sehr zu
Witz und Humor bei und ganz besonders
Kam. Dr. Plein und Kam. Ing. Schramm." Bei
der Versammlung der Vorarlberger Kriegs-
blinden am nächsten Tage habe Dr. Plein
0 rund lieh aufgelesei
Unter Kriegsblinden erzählt man sich
manchmal dolle Geschichten von Erlebnissen
mit Führhunden, Glasaugen oder anderen
Dingen, die das Schicksal so mit sich ge-
bracht hat. Die folgende kleine Geschichte
soll aber wahr und wahrhaftig passiert sein.
Der Kamerad, der sie erlebt hat, wird es
bestätigen.
Also, dieser Kriegsblinde wollte ein paar
Häuser weiter zum Briefkasten, ohne Führ-
hund, denn er kannte ja den Weg sehr gut,
und er hatte ja auch seinen treuen Hand-
stock bei sich. Er wandert also, in der einen
Hand den Brief, in der anderen den Stock,
kühn dahin, etwas grollend darüber, daß
seine Frau vom Kinobesuch noch nicht zu-
rück ist. Plötzlich gibt es einen Bums, dann
einen Fluch, ein Getöse — unser Freund war
gegen einen Mülleimer gerannt, war gestol-
pert und lag nun, alle Viere von sich ge-
streckt, auf dem Bürgersteig.
Nun beschimpfe man nicht immer unsere
Mitmenschen! Hier zeigten sie, wie so oft,
das allergrößte, ja, allzu großes Verständnis.
Sie eilten von allen Seiten herbei, übereifrig
und hilfsbereit. Zwei starke Männer stellten
unseren Kameraden wieder auf die Beine,
ein dritter klopfte ihm hinten den Anzug ab,
ein vierter vorn. Weitere hilfreiche Hände
steckten ihm den verlorenen Brief zu, man
setzte dem Geduldigen die dunkle Brille
auf die Nase, den Hut auf den Kopf, man
drückte ihm den Stock in die Finger, und
zu guter Letzt schob man ihm auch den
Zigarrenstummel zwischen die Lippen.
Alles schön und gut, dachte unser Kame-
rad und schickte sich mit vielen Dankes-
worten zum weitergehen an." Nur kann ich
mich gar nicht erinnern, daß ich vorhin
eine Zigarre geraucht hätte . . .
mit seinen Ausführungen und Grüßen den
größten Beifall aller Anwesenden gefunden.
Wir deutschen Kriegsblinden erwidern die
freudigen Grüße der österreichischen Kame-
raden auch an dieser Stelle auf das herz-
lichste. Die gastliche und kameradschaftliche
Aufnahme unserer Vertreter verpflichtet uns
alle zu größtem Dank. Der Bund der Kriegs-
blinden Deutschlands hat eine Abordnung
österreichischer Gäste, an ihrer
Spitze den Verbandsvorsitzenden, Kamerad
Hirsch, zu einer Zusammenkunft anläßlich
einer Tagung der Arbeitsfürsorgeeinrichtun-
gen am 26. Mai in Kassel nach Deutsch-
land eingeladen. Zu unserer großen
Freude haben die österreichischen Kamera-
den ihren Gegenbesuch zu diesem Termin
zugesagt.
Umfrage nach neuen Blindenberufen
Zu einem Aufruf der Deutschen Blindenarbeit e. V.
„Ab vom Blindenhandwerk!" —
das ist das Leitmotiv einer Aktion der Deut-
schen Blindenarbeit (DBA), um die Zahl der
Handwerker durch Hinführung zu anderen
Berufszweigen zu vermindern. Die DBA, in
deren Vorstand auch der Bund der Kriegs-
blinden Deutschlands vertreten ist und die
der Schutzverband für alle blinden Hand-
werker ist, hat einen Aufruf erlassen
„zur einheitlichen Feststellung von Arbeiten,
die Blinde zu leisten vermögen". Auf diese
Weise sollen Erfahrungen aus allen Ländern
gesammelt werden, besonders auch für solche
Berufsarten, die bisher weniger bekannt
sind und vielleicht nur von einzelnen
Schicksalsgefährten ausgeübt werden. Wir
alle wissen, daß das Blindenhandwerk, wie
es im Aufruf heißt, „heute keine aus-
reichende Existenzgrundlage mehr darstellt".
Wenn es gelingen sollte, wenigstens die
Zahl der in den Städten ansässigen blin-
den Handwerker durch Unterbringung in
andere Berufe zu verringern, würde durch
erhöhte Arbeitszuteilung den in ländlichen
Gemeinden wohnenden Handwerkern be-
trächtlich geholfen. Ein Arbeitsplatzwechsel
ist außerdem in den Städten auch leichter
möglich, da er hier nicht mit dem gerade für
einen Blinden äußerst schwierigen Woh-
nungswechsel verbunden ist.
Jeden. von uns geht dieser Aufruf etwas
an, denn jeder von uns trägt eine Mitver-
antwortung für den Kameraden. Jeder Blinde
also, der nicht einen der verbreiteten Stan-
dardberufe ausübt, sollte sich überlegen, ob
seine Tätigkeit nicht auch anderen Schick-
salsgefährten einen neuen Lebensinhalt
geben kann. Die Lage aller blinden Hand-
werker ist so erschütternd und die Absatz-
möglichkeiten der Ware sind so erschwert,
daß hier ein entscheidender Einschnitt not-
tut. Mit Recht werden also mit diesem Auf-
ruf nicht nur alle Behörden und Betriebe um
Mitarbeit gebeten, sondern vor allem auch
die einzelnen Blinden und ihre lokalen
Organisationen.
Was soll berichtet werden? Es
genügt eine kurze Beschreibung der Berufs-
tätigkeit, die von einem Vollblinden ausge-
führt werden kann, wobei folgende vier
Punkte bedacht werden müssen:
1. Ausbildung (z. B.: genügt Anlernzeit?
deren Dauer?)
2. Hilfsmittel (kurze Beschreibung beson-
derer Geräte usw., etwa notwendige Zusam-
menarbeit mit Sehenden).
3. Beurteilung der Arbeit (ist die. Arbeit
auf lange Sicht zu empfehlen?)
4. Bezahlung (volle Bezahlung? Gleich-
wertigkeit mit der Leistung des Sehenden?)
Die Berichte sollen nach Möglichkeit durch
Abbildungen oder durch Gutachten von
Arbeitgebern ergänzt werden. Die eingehen-
den Berichte werden geordnet und unter
Mitarbeit namhafter Fachleute ausgewertet.
Die wissenschaftliche Leitung dabei hat
Prof. Dr. med. Otto Graf vom Max-Planck -
Institut für Arbeitsphysiologie in Dortmund.
Die Bundesleitung des Bundes der Kriegs-
blinden Deutschlands hat den Aufruf bereits
mit näheren Unterlagen an alle Landesver-
bände und Bezirke unseres Bundes versandt,
und wir möchten auch an dieser Stelle noch
einmal die Bedeutung dieser Aktion unter-
streichen und die Bezirksvorstände um
baldige und sorgfältige Erledigung bitten.
Kriegsblinde Kameraden, die aus eigener
Initiative und Verantwortung über einen
neuen oder wenig bekannten Blindenbeinf
berichten möchten, schicken ihren Hinweis
am besten .an den zuständigen Bezirksvor-
sitzenden unseres Bundes. Seitens der Deut-
schen Blindenarbeit wird beabsichtigt, be-
sonders wertvolle Berichte und Vorschläge
auszuzeichnen.
Sehr interessant wird nicht zuletzt auch
das Ergebnis einer gleichen Umfrage sein,
die jetzt in Zusammenarbeit mit Herrn Prof.
Dr. Graf an das Ausland ergeht, um die
Erfahrungen bei der Beschäftigung von Blin-
den in anderen Ländern auch in Deutschland
auswerten zu können.
Reiche Möglichkeiten haben sich in den ,
letzten Jahren für Blinde ergeben, die als
Industriearbeiter tätig sind. Einige
Beispiele:
Elektroindustrie : Biegen und
Stempeln von Kontaktfedern für Relais; Be-
festigen von Metallklammern auf Schiefer-
sockel mittels Schrauben; Einnieten von Sil-
berkontakten in Relaiskontaktfedern; Stem-
peln der Zeichnungsnummern auf Kontakt-
federh für Relais; Einziehen von Schrauben
in Schalenhalter; Zusammensetzungsarbeiten
an Elektroherden; Einsetzen von Messing-
hülsen in Porzellaneinsätze; Einführen von
Schläuchen in ölfiltergehäuse.
Optische Industrie: Vorschrubben
und Einpassen von Linsen; Gewindekontrol-
lieren mittels Lehren; Vorschleifen von
Linsen.
Brauereiindustrie: Aufziehen von
Gummischeiben auf Patentverschlüsse; Bedie--
nung der Flaschenetikettiermaschine; Reini-
gen und Einfetten von Spundschrauben; Ab-
füllen und Verschließen von Flaschen.
Vielleicht kann dieser oder jener unserer
Leser bereits diese kurzen Teilaufstellungen
ergänzen? Vielleicht stellt gerade deine Be-
rufstätigkeit eine glückliche Lösung auch für
andere dar? Von der regen Mitarbeit aller
Kameraden und Bezirke bei der Beantwor-
tung dieses Aufrufes hängt viel ab.
Nach Paris eingeladen
Am 11. April hat die französische National-
versammlung den Beschluß der Regierung,
die Gebeine von Louis Braille in das
Pantheon zu überführen, einstimmig ge-
billigt. Braille liegt in seinem Geburtsort
Coupvray, einem 40 km von Paris entfernt
liegenden Dorf, beerdigt. Die Zeremonien
der großen nationalen Ehrung mit der Über-
führung ins Pantheon werden sich vom
15. bis 22. Juni abspielen. Ein durch den
Minister für das Gesundheitswesen gebil-
detes Komitee bereitet die Feierlichkeiten
vor und hat bereits auch einen Vertreter der
deutschen Kriegsblinden eingeladen. Die
Festwoche zeichnet sich durch eine Fülle von
Veranstaltungen in Paris aus, u. a. auch durch
einen Empfang beim Präsidenten der Re-,
publik, der auch bei einer offiziellen Zere-
monie in der Sorbonne den Vorsitz führen
wird. Auch ist eine Ausstellung vorgesehen.
Kriegsblinder
erhielt Großes Verdienstkreuz
Im Rahmen eines feierlichen Staatsaktes
erfolgte in der Staatskanzlei zu Mainz durch
den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz,
Altmeier, die Verleihung des Großen
Verdienstkreuzes des Bundesverdienstordens
an unseren Kameraden Herbert Schacht. Es
war die erste Verleihung des Bundesver-
dienstordens im Lande Rheinland-Pfalz. 16
weitere Männer erhielten gleichzeitig das
Bundesverdienstkreuz. Alle Ausgezeichne-
ten haben sich in den vergangenen Jahren
um die Minenräumung, die Entschärfung von
Blindgängern und auch V-Geschossen sehr
verdient gemacht.
Unser mit einer besonders hohen Auszeich-
nung bedachte Kamerad Herbert Schacht ver-
lor bei einer vorzeitigen Explosion das Augen-
licht, die linke Hand wurde abgerissen, die
rechte mußte amputiert werden. Außerdem
erlitt er weitere Verletzungen. Der jetzt 32-
jährige ehemalige Feuerwerker stammt aus
Pommern; und zwar aus Pottangow im
Kreise Stolp. Als Soldat hat er den ganzen
Krieg mitgemacht. Schon in amerikanischer
und französischer Gefangenschaft meldete er
sich freiwillig zum Minenräumen. Nach sei-
ner Entlassung 1946 meldete er sich wieder-
um zu einem Minenräumkommando in Rhein-
land-Pfalz. Hier wurde er kurz nach der
Entschärfung seiner 100 0. Mine durch eine
Explosion auf das schwerste verletzt. Er
kam in das Versehrtenheim Dießen am
Ammersee (Oberbayern), wo er sich noch
immer aufhält und Sprachen erlernt, um spä-
ter als Dolmetscher tätig sein zu können.
Hier im Versehrtenheim lernte er auch seine
Verlobte kennen. Der Lebensmut dieses vom
Schicksal nicht gerade mit Samthandschuhen
angefaßten Kameraden ist ungebrochen, was
auch Ministerpräsident Altmeier mit Bewun-
derung zum Ausdruck brachte. Besondere
Freude machte unserem Kameraden das Ver-
sprechen des Ministerpräsidenten, für die
Der erste und bisher einzige Träger des Großen Verdienstkreuzes in Rheinland-Pialz ist unser
Kamerad Herbert Schacht, der im freiwilligen, selbstlosen Einsatz beim Minenräumen das Augen-
licht und beide Hände verlor. Unser Bild zeigt Ministerpräsidenten Altmeier von Rheinland-Pialz
nach der Verleihung im Gespräch mit Herbert Schacht, der um den Hals den hohen Orden trägt,
und dessen Braut. Min.-Präsident Altmeier versprach dem Paar, das jetzt noch in Oberbayern lebt,
eine Wohnung in Mainz.
Beschaffung und Einrichtung einer Wohnung
sorgen zu wollen.
An der Verleihung nahmen auch Innenmini-
ster Dr. Zimmer und der Chef der Staats-
kanzlei, Minister a. D. Dr. H a b e r e r , teil.
Von der Bedeutung der Minenräumungs-
aktion kann man sich eine Vorstellung
machen, wenn man durch die Worte des
Ministerpräsidenten Altmeier erfährt, daß
700 alte und junge Menschen durch explodie-
rende Blindgänger oder Minen getötet wor-
den sind und viele schwerverletzt, darunter
zahlreiche Minensucher.
Wir beglückwünschen im Namen der Bun-
desleitung und aller Kriegsblinden unseren
Kameraden Schacht zu der hohen Ehrung,
die ihm zuteil geworden ist und auf die auch
wir mit ihm stolz sind.
Steuer -Erleichterungen für Blinde
Hinweise für selbständig tätige oder lohnsteuerpflichtige Kriegsblinde
Aul Bitten vieler Kameraden geben wir hier eine zusammenlassende Darstellung aller Steuer-
Erleichterungen für Blinde, und zwar nach dem neuesten Stand. Neben Hinweisen verschiedener
Fachleute wie z. B. unseres Kameraden Heim. Bürger (Lübbecke) verdanken wir die folgende Auf-
stellung vor allem unserem Kameraden Dipl.-Kaufmannn Rudolf Langermann, der als
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Braunschweig tätig ist.
Wir haben davon abgesehen, diese Darstellung mit der Erörterung dringlicher Fragen zu ver-
binden, etwa mit dem in letzter Zeit mehrlach von Kriegsblinden geäußerten Wunsch, daß die
Freibeträge der allgemeinen Preissteigerung angeglichen werden möchten, da ja die Unkosten,
die aus der Blindheit erwachsen, erheblich gestiegen sind.
I. Einkommensteuer
a) Für Veranlagte
(also vornehmlich für selbständig tätige
Kriegsblinde, aber auch für Lohnempfänger,
soweit sie außer Lohn oder Gehalt noch
andere Einkünfte haben, die jährlich mehr
als 600 DM betragen, z. B. Angestellten-,
Invaliden- oder Knappschaftsrente, Einkünfte
aus Vermietung und Verpachtung usw.).
Rechtsgrundlage: § 33 Einkommen-
steuergesetz in der Fassung vom 17. Januar
1952 (Bundessteuerblatt 1952/1, Seite 47)
Ziffer 213 in der Fassung vom 7. August 1951
(Bundessteuerblatt 1951/1, Seite 390). Dort
heißt es:
„Körperbeschädigten Personen sind auf
Antrag wegen der Aufwendungen, die un-
mittelbar mit der Körperbeschädigung
zusammenhängen, an Stelle der tatsächlich
erwachsenen Beträge folgende Pauschbeträge
zu gewähren:"
Bei allen steuerpflichtigen Blinden, also
auch bei selbständig Tätigen, jährlich „als
Pauschbetrag für außergewöhnliche Bela-
stung" 14 4 0 DM. Für selbständig Tätige
ist dies der einzige Pauschbetrag, im Gegen-
satz zu Lohn- oder Gehaltsempfängern.
„Werbungskosten" und „Sonderausgaben",
die infolge der Erblindung zu tragen sind,
müssen also vom selbständig tätigen Kriegs-
blinden gesondert aufgeführt und einge-
reicht werden, während der „erwerbstätige
Arbeitnehmer" auch dafür Pauschbeträge
erhält (siehe unten). Zu den erwerbstätigen
Arbeitnehmern gehören nicht solche
Steuerpflichtige, die Arbeitslohn nur mit
Rücksicht auf ein früheres Dienstverhältnis
(z. B. Ruhegehalt) beziehen. Ruhegehalts-
empfänger haben also nur einen pauschalen
Freibetrag von 1440 DM.
Der obengenannte Pauschbetrag bezieht
sich nur auf die Blindheitsfolgen unmittel-
barer Art. Selbstverständlich können weitere
Steuererleichterungen in Anspruch genom-
men werden, auch wegen Blindheitsfolgen,
soweit nachweisbar höhere Ausgaben nötig
waren. Die Pauschbeträge stellen also keine
Höchstgrenze dar. Auch kann ein Freibetrag
für die unumgänglich notwendige Beschäf-
tigung einer Hausgehilfin in einem Blinden-
haushalt gewährt werden (Nr. 124 EStR 1950
und Abschnitt 212 EStR 1949), sofern der
Steuerpflichtige nicht ein überaus hohes
Einkommen hat. Auch können außergewöhn-
liche Aufwendungen für Kinder neben der
üblichen Kinderermäßigung oder für bedürf-
tige Angehörige berücksichtigt werden usw.
Im Gegensatz zu Bezügen aus der Ange-
stellten- und Invalidenrente, die nur mit
jährlich 600 DM steuerfrei sind, sind alle
Bezüge nach dem Bundesversor-
gungsgesetz (Grundrente, Pflegezulage
usw.) steuerfrei.
Für selbständig tätige Kriegsblinde geben
wir als Muster in folgendem ein
Beispiel:
Selbständiger Masseur,
Einkünfte aus selbständiger Arbeit 2800 DM,
Angestelltenversicherungsrente 1320 DM,
jährlich 4120 DM.
Dabei ist natürlich zu beachten, daß bei
den Einkünften von 2800 DM bereits die
Betriebsausgaben (Miete, Heizung, Beleuch-
tung, Wäsche usw.) abgezogen sind.
HUDSON Strumpffabrik
G. m. b. H.
Stuttgart -Vaihingen
Am Wallgraben 142
Die Angestelltenrente ist nach § 3
Ziffer 4 EStG mit 600 DM jährlich steuerfrei.
Als „Sonderausgaben" stehen dem blinden
Masseur pauschal steuerlich mindestens
200 DM jährlich zu. Hat er höhere Sonder-
ausgaben, hierzu gehören u. a. Versiche-
rungsbeiträge, Beiträge an Bausparkassen,
langfristige Sparguthaben usw., so kann er
außerdem Freibeträge beantragen, und zwar
jährlich 800 DM für sich selbst und 400 DM
für die Ehefrau und jedes Kind, für das
ihm Kinderermäßigung gewährt wird. Ist
er, bzw. die Ehefrau, älter als 50 Jahre, so
verdoppeln sich diese Freibeträge. Unter
Umständen können auch darüber hinaus-
gehende Beträge noch zu 50 °/o anerkannt
werden. Abzugsfähig sind ferner, unabhän-
gig von diesem Freibetrage, Schuldzinsen
sowie Vermögens- und Kirchensteuer, und
zwar voll als Sonderausgaben. Von diesen
Sonderfällen sei bei dem Beispiel jedoch
abgesehen.
Das Bruttoeinkommen von 4120 DM ver-
ringert sich demnach zunächst um den Frei-
betrag gem. § 33 wegen Blindheit (1440 DM),
ferner bei der Angestelltenrente um 600 DM
und ferner um die „Werbungskosten", die
wir hier mit dem offiziellen Pauschbetrag
von 312 DM ansetzen wollen. Dazu wird der
Pauschbetrag für „Sonderausgaben" (200 DM)
abgezogen. Insgesamt verringert sich das
Bruttoeinkommen also um 2552 DM, so daß
lediglich 1568 DM steuerpflichtig verbleiben.
Die Steuer bemißt sich nach dem Einkom-
mensteuertarif je nach der Steuergruppe. Sie
beträgt für Ledige in diesem Falle 97 DM.
b) Lohnsteuer
Rechtsgrundlage: §26 Lohnsteuer-
durchführungsverordnung in der Fassung
vom 12. 2. 1952 (Bundessteuerblatt 1952/1,
Seite 113), Ziffer 40 Lohnsteuerrichtlinien in
der Fassung vom 23. 2. 1952 (Bundessteuer-
blatt 1952/1, Seite 129).
Körperbeschädigte Arbeitnehmer erhalten
auf Antrag wegen der Werbungskosten,
Sonderausgaben und außergewöhnlichen Be-
lastungen, die ihnen unmittelbar durch ihre
besonderen Verhältnsse erwachsen, einen
auf der Lohnsteuerkarte einzutragenden
jährlichen steuerfreien Pauschbetrag, der bei
„erwerbstätigen" Blinden 2 4 0 0DM beträgt.
Von diesem Pauschbetrag entfallen 20 v. H.
auf Werbungskosten (480 DM), 20 v. H. auf
Sonderausgaben (480 DM) und 60 v. H. auf
außergewöhnliche Belastung (1440 DM). Bei
„nicht Erwerbstätigen" — siehe Punkt a)
dieses Aufsatzes — kann nur ein Pausch-
betrag von 1440 DM für „außergewöhnliche
Belastung" eingetragen werden.
Es sei nochmals wiederholt, daß diese
Pauschbeträge nur für die besonderen Be-
lastungen gelten, die durch den Körper-
schaden verursacht sind. Es stehen also
dem Kriegsblinden Arbeitnehmer außerdem
die in dem Lohnsteuertarif allgemein ein-
gebauten Freibeträge für Werbungskosten
(monatlich 26 DM) sowie Sonderausgaben
(monatlich 39 DM) ohne Antrag zu. Außer-
dem bleibt es jedem Steuerpflichtigen un-
benommen, andere außergewöhnliche Be-
lastungen oder erhöhte Werbungskosten
und Sonderausgaben, die nicht durch den
Körperschaden bedingt sind, geltend zu
machen, — siehe auch Punkt a) dieses Auf-
satzes.
Beispiel:
Blinder Industriearbeiter, ver-
heiratet, mit zwei Kindern, Ostvertriebener.
An Einkünften aus nicht selbständiger
Arbeit (Arbeitslohn) sei ein Jahresbetrag
von 3600 DM angenommen. In die Lohn-
steuertabelle sind bereits als Verringerung
eingebaut: Pauschale für „Werbungskosten"
in Höhe von 312 DM. Dieser Betrag erhöht
sich wegen der Blindheit (siehe oben) um
480 DM auf 792 DM; ferner ist laut Lohn-
steuertabelle bereits ein Pauschalbetrag von
468 DM für „Sonderausgaben" eingebaut,
der sich wegen Blindheit um weitere 480 DM
auf 948 DM erhöht. Damit sind bereits
1740 DM steuerfrei. Dazu kommt nun der
Freibetrag nach § 33 für „außergewöhnliche
Belastung wegen Blindheit" in Höhe von
1440 DM. Damit sind von dem Jahreslohn
in Höhe von 3600 DM bereits 3180 DM
steuerfrei. Da jedoch der im Beispiel ge-
nannte Kamerad Ostvertriebener ist,
kann er zur Wiederbeschaffung von Hausrat
und Kleidung nach § 33a EStG den ab 1. 1.
1952 gültigen Pauschbetrag von 840 DM
außerdem in Anspruch nehmen, so daß er
völlig steuerfrei bleibt, da die Freibeträge
höher sind als seine Bruttoeinkünfte. Dieser
Kamerad würde bei einem jährlichen Ar-
beitslohn von 4020 DM immer noch steuer-
frei bleiben, ebenso dann, wenn er außer
dem Jahreslohn von 3600 DM noch eine In-
validenrente in einer Höhe bis zu jährlich
880 DM beziehen würde.
Für Hinterbliebene
Die unter a) und b) genannten Pausch-
beträge gelten laut Ziffer 213 (Bundes-
steuerblatt/I 1951, Seite 390) auch für die
Hinterbliebenen von Blinden, sofern diesen
Personen Hinterbliebenenbezüge oder ent-
sprechende Bezüge auf Grund gesetzlicher
Vorschriften zustehen, und zwar auch dann,
wenn die Versorgung ruht.
II. Vermögensteuer
Rechtsgrundlage: § 5 Vermögen-
steuergesetz in der Fassung vom 16. Januar
1952 (Bundessteuerblatt 1952/1, Seite 40).
Bei der Veranlagung unbeschränkt steuer-
pflichtiger natürlicher Personen bleiben ver-
mögensteuerfrei (Freibeträge)
1. 10 000 DM für den Steuerpflichtigen seihst,
2. 10 000 DM für die Ehefrau, wenn beide
Ehegatten unbeschränkt steuer-
pflichtig sind und nicht dau-
ernd getrennt leben,
3. 5 000 DM für jedes Kind, das das 18.
Lebensjahr noch nicht voll-
endet hat.
Kinder im Sinne dieses Gesetzes sind ehe-
liche Kinder, eheliche Stiefkinder, für ehe-
lich erklärte Kinder, Adoptivkinder, unehe-
liche Kinder (jedoch nur im Verhältnis zur
leiblichen Mutter) und Pflegekinder.
Der Freibetrag wird auf Antrag gewährt
für Kinder des Steuerpflichtigen, die das
25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben
und auf seine Kosten unterhalten und für
einen Beruf ausgebildet werden.
Weitere 10 000 DM sind steuerfrei, wenn
die folgenden Voraussetzungen sämtlich
gegeben sind:
1. Der Steuerpflichtige muß über 60 Jahre
alt oder voraussichtlich für mindestens
3 Jahre erwerbsunfähig sein.
2. Das letzte Jahreseinkommen des Steuer-
pflichtigen darf nicht mehr als 3000 DM
betragen haben. Maßgebend ist das Ein-
kommen, mit dem der Steuerpflichtige
für den letzten Veranlagungszeitraum zur
Einkommensteuer veranlagt worden ist.
3. Das Gesamtvermögen darf nicht mehr als
100 000 DM betragen.
III. Umsatzsteuer
Rechtsgrundlage: § 45 Durchfüh-
rungsbestimmungen zum Umsatzzteuergesetz
in der Fassung vom 1. September 1951
(Bundessteuerblatt 1951/1, Seite 482).
Steuerfrei sind:
1.. Die Umsätze der Blinden, wenn sie nicht
mehr als 2 Arbeitnehmer beschäf-
tigen und die Voraussetzungen der Steuer-
freiheit durch eine Bescheinigung des Be-
zirksfürsorgeverbandes nachweisen-,
2. Die Blindenbeschäftigungswerkstätten,
Blindenanstalten, Blindenvereine und ähn-
liche Einrichtungen der Blindenfürsorge
mit den Lieferungen von Gegenständen,
die die von ihnen betreuten Blinden her-
gestellt haben (Blindenware), und mit den
sonstigen Leistungen, die sie durch diese
Blinden haben ausführen lassen.
Die Ehefrau, die minderjährigen Abkömm-
linge, die Eltern des Blinden und die Lehr-
linge gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne
des Absatzes 1 Ziffer 1.
IV. Kraftfahrzeugsteuer
Rechtsgrundlage: § 9 Durchfüh-
rungsverordnung zum Kontrollratsgesetz
Nr. 14 zur Änderung der Kraftfahrzeug-
steuergesetze nach seiner Änderung durch
das Kontrollratsgesetz Nr. 51 (Steuer- und
Zollblatt 1947, Seite 184).
Körperbehinderten, die infolge Geburts-
fehlers, Unfällen, Kriegsverletzung oder
eines sonstigen Körperschadens zur Fort-
bewegung auf die Benutzung eines Per-
sonenkraftfahrzeuges nicht nur vorüber-
gehend angewiesen sind, kann auf Antrag
die Kraftfahrzeugsteuer ganz oder zum Teil
erlassen werden.
Die Vergünstigung darf nur bei Personen-
kraftwagen bis zu 2400 ccm Hubraum ge-
währt werden, wenn besondere wirtschaft-
liche Verhältnisse, insbesondere die durch
die Beschädigung verursachte Erwerbs-
beschränkung des Antragstellers, die Er-
hebung der Steuer als unbillige Härte er-
scheinen lassen. Werden gelegentlich an-
dere Personen unentgeltlich mitbefördert
oder ist zur Hilfeleistung des Antragstellers
die Mitnahme einer Begleitperson erforder-
lich, so steht dies der Vergünstigung nicht
entgegen.
V. Lastenausgleich
über die vorgesehenen bzw. beantragten
Begünstigungen kann erst nach Erscheinen
des demnächst zu erwartenden Gesetzes be-
richtet werden.
Dipl.-Kaulm. Rudolf Langermann
JTAH?
AUFZUG^
Aufzüge
Etehtroztige
Krane
R. STAHL • Maschinenfabrik
STUTTGART 1
Postfach 399
Zehntausend Blinden -Tastzeichen
Der Erfinder der Blinden-Tastzeichen für Te-
lefonisten, Oberingenieur Friedrich
Wilhelm G u s t (Siemenswerke, Speyer), teilt
in dem iolgenden Bericht, um den wir ihn baten,
einige Erfahrungen aus seiner Arbeit mit.
Das Blinden-Tastzeichen, die Fernsprech-
signal-„Lampe" des blinden Telefonisten, hatte
dieser Tage Jubiläum. Wir waren über-
rascht und erfreut, als die Werkstatt meldete,
in Speyer seien nach dem Zusammen-
bruch insgesamt 10 000 Blinden-
Tastzeichen fabriziert worden. Sie sind
aber nicht nur fabriziert worden, sondern
samt und sonders hinausgegangen in die Be-
triebe und Verwaltungen, um den blinden
Telefonisten die Arbeit möglich zu machen.
Wieviel Vermittlungsanlagen damit in Be-
trieb genommen werden konnten, läßt sich
zwar nur annähernd errechnen, der Versuch
soll aber dennoch gemacht werden. Für die
Bestückung einer schnurlosen Vermittlung
werden im Durchschnitt etwa 30 Tastzeichen
gebraucht. Somit wären rund 330 Arbeits-
plätze eingerichtet bzw. f ür Blindenbedienung
umgestellt worden. Diese Zahl liegt aber zu
hoch, denn nach unserem Eindruck sind etwa
V'3 aller gelieferten Tastzeichen als Ersatz-
und Reserveteile für früher gebaute (vor
1945) Blindenanlagen verbraucht worden. Mit
rund 200 neuen Telefonistenplätzen kommt
man der Wahrscheinlichkeit schon näher.
(Im Laufe des Krieges wurden bereits etwa
500 Arbeitsplätze eingerichtet, von denen
wohl 200 bis 300 noch in Betrieb sein dürf-
ten. Dazu kommt noch eine ganze Anzahl
von Schnurvermittlungen, die von Blinden
bedient werden, so daß man zur Zeit wohl
mit 450 bis 500 Arbeitsplätzen rechnen kann.
Die Schriftleitung.)
Es wäre nun für alle weiteren Disposi-
tionen sehr wertvoll, einmal die Gegenprobe
zu machen und die Zahl der insgesamt in
Betrieb befindlichen Blindenplätze durch
Zählung genau festzustellen. Vielleicht fin-
det sich in den Blindenorganisationen
jemand, der sich dieser Aufgabe annimmt.
Keineswegs darf man sich mit der vorhin
errechneten Zahl, also 200 Telefonisten-
stellen seit 1945, zufrieden geben Die An-
zahl der in der gleichen Zeit, also in der
Zeit nach dem Kriege, von allen Fernmelde-
firmen zusammengenommen, fabrizierten und
montierten Anlagen liegt um ein Vielfaches
höher. Nach rohen Schätzungen etwa 30mal
so hoch! So wird erkennbar, wie groß das
Arbeitsfeld ist, das den Berufsvermittlern
der Fürsorgebehörden noch offensteht. Man
wird für den praktischen Angriff der Auf-
gabe, blinde Telefonisten in den Einsatz zu
bringen, wieder einen Weg gehen müssen,
der im Kriege schon mit gutem Erfolg ge-
gangen wurde, nämlich die Auswertung
der Kundenlisten bei den Her-
stellerfirmen, bei deren Vertriebs-
organisationen und bei der Deutschen Bun-
despost. Das Adressenmaterial, das man vor-
finden wird, wird alle Fürsorgestellen
zahlenmäßig überraschen Systematischer
; als bisher kann nun die Stellenwerbung ein-
setzen. Hoffentlich gehen die Dienststellen
. der öffentlichen Verwaltungen mit gutem
Beispiel voran. Bisher, so wird immer wieder
geklagt, sei das leider noch nicht der Fall.
Die große Anzahl schnurloser Vermittlun-
gen, vielfach erwiesen die geeignetste Tech-
nik für den Blinden, enthebt die Fürsorger
der Mühe, sich für technisch nicht so gut
geeignete Schnurvermittlungen zu verwen-
den. Damit soll diese Technik nicht grund-
sätzlich als für Blinde ungeeignet bezeichnet
werden. Es steht aber fest, daß die schnur-
lose Vermittlung, deren Eindringen in die
Nebenstellentechnik unvermindert anhält,
für unsere Ziele die geeignetere ist. Es
würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen,
wollten hier alle Begründungen hierfür
wiedergegeben werden. Wir glauben, uns
auf unsere früheren Schriften und Vorträge
berufen zu dürfen. Mindestens aber wird in
dem beinahe druckreifen Buch „Der blinde
Telefonist" über alle diese Dinge ausführlich
gesprochen werden.
Schließlich noch einmal zurück zu unserem
jubilierenden Tastzeichen. Nachdem im Zuge
der Ausplünderung unserer Siemensstädter
Betriebe auch alle Konstruktionsunterlagen,
Fabrikationsvorschriften und Berechnungen
für das Tastzeichen verschleppt wur-
den, galt es, dieses Material so schnell als
möglich wieder herzustellen. Das war be-
stimmt kein leichter Entschluß in Anbetracht
der damaligen Not an Personal und in An-
betracht des Mangels an Mitteln für ein Pro-
dukt, dessen wirtschaftliche Größe, ge-
messen an anderen Techniken, kaum von
Belang war und auch heute noch kaum von
Belang ist. Ganz zu schweigen von den be-
sonders großen Schwierigkeiten, die durch
die damalige Materialnot gegeben waren.
Man hat sich aber von seinem Ziel nicht ab-
drängen lassen und immer wieder auf die
soziale Seite dieser Aufgabe hingewiesen.
Des schließlichen Erfolges erfreuen sich
heute mehr als 200 neu eingestellte blinde
Telefonisten, und wir dürfen auf Grund der
ständig steigenden Nachfrage nach Tast-
zeichen überzeugt sein, daß diese Zahl
ständig wachsen wird.
Der Techniker spricht nicht gern von
Schwierigkeiten, wenn sie überwunden sind.
Die Kleinheit des Bauelementes aber
verführt den Laien oft dazu, die Sorgen und
Mühen zu verkennen, die diesem Gerät an-
haften. Wer weiß schon, daß das Tast-
zeichen, so winzig es auch ist, aus 19 ver-
schiedenen Einzelteilen besteht?
Und wer weiß, daß 8 verschiedene Material-
sorten höchster Qualität verwendet werden
müssen? Wer weiß weiterhin, daß die unab-
dinglich notwendige Präzision jedes einzel-
nen Teilchens recht komplizierte Werkzeuge
erfordert und daß für die Prüfung der ein-
zelnen Teile, so wie schließlich des fertigen
Produktes 7 verschiedenartige Prüfeinrich-
tungen und Meßwerkzeuge notwendig sind?
Die Fachleute pflegen in solchen Fällen zu
sagen: „Das Ding hat es in sich", und unser
Tastzeichen mit dem technischen Namen
9Fgglvla hat es ganz besonders „in sich".
Wer geschickt genug ist, leiste sich einmal
die Zerlegung dieses Bauelementes in alle
seine Einzelteile. Er wird sich nicht wenig
wundern. Er wird aber bestimmt erkennen,
welche Unmenge von Mühe und Sorgfalt not-
wendig war, es so zu entwickeln und her-
zustellen wie es heute in .seine Hände
kommt. Friedr. Wilh. Gust
Ein Kriegsblinder in der Telefonzentrale
Erfahrungen eines Verlagsleiters
Von Emil Groß, Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Zeitungsverleger
Zeitungen haben viel zu telefonieren. Da
gibt es zu jeder Tages- und Nachtzeit Stadt-
und Ferngespräche. So auch im Bielefelder
Pressehaus. Da in diesem großen Gebäude
neben einem Zeitungsunternehmen ein
Druckereibetrieb, eine Buchhandlung, Partei-,
Jugend- und Wohlfahrtsunternehmen und
eine Baugenossenschaft untergebracht sind,
ist ständig ein starker Telefonverkehr fest-
zustellen. Dazu kommt noch, daß an die
Haupttelefonzentrale im Pressehaus die
Büros des Zeitungsverlegervereins ange-
schlossen sind. Von diesen Büros werden
täglich Dutzende von Ferngesprächen mit
vielen Städten im Bundesgebiet geführt. Be-
sonders in den letzten Monaten sind vom
Verlegerverein im Zusammenhang mit der
Papierkrise übermäßig viele Ferngespräche
geführt worden.
Die Telefonzentrale des Bielefelder Presse-
hauses wird also ungewöhnlich stark in An-
spruch genommen. Die personelle Besetzung
ist demzufolge die wichtigste Voraussetzung
für ein reibungsloses Funktionieren. Von
Anfang an stand für die Geschäftsleitung des
Pressehauses fest, daß in der Telefonzentrale
vorwiegend Kriegsbeschädigte beschäftigt
werden sollen Das ist dann auch seit 1946
geschehen.
Eines Tages machte das Bielefelder Arbeits-
amt den Vorschlag, doch auch einmal einen
Kriegsblinden in der Telefonzentrale zu be-
schäftigen. Es wurde daraufhin nach kurzer
Probezeit der Kollege Rudi Herter ange-
stellt. Dieser ist nun seit bald drei Jahren
in seiner Funktion als Telefonist tätig, und
es kann hier bestätigt werden, daß in all
diesen Monaten keinerlei Klage über
ihn geäußert wurde. Der Kollege Herter hat
sich in sehr kurzer Zeit in seine Aufgabe
hineingearbeitet und erfüllt heute seinen
Beruf wie seine anderen Kollegen
Er kommt morgens pünktlich mit seinem
Führhund zum Dienst. Die Telefonapparatur
ist mit dem Stift-System versehen Dadurch
kann Herter die einzelnen Telefonanrufe ab-
tasten und kann verbinden. Im Pressehaus
berücksichtigt heute niemand mehr, daß
Herter Kriegsblinder ist. eben weil seine
Dienstleistung vollwertig ist. Wir sind
überzeugt, daß die auswärtigen Anrufer nie-
mals bemerken, daß sie von einem Kriegs-
blinden bedient werden.
Da in unserer Telefonzentrale nur Kriegs-
beschädigte beschäftigt sind, überlassen wir
diesen selbst die Diensteinteilung, damit sie
in kollegialer Weise die Wünsche der ein-
zelnen Kollegen berücksichtigen können. Das
gilt für den Feiertagsdienst, für die Ferien-
einteilung und in Krankheitsfällen. Wir sind
mit der Arbeit der Kriegsopfer in unserem
Hause sehr zufrieden. Es ist uns bekannt
geworden, daß es noch viele arbeitslose
kriegsblinde Telefonisten gibt. Auf Grund
unserer erfreulich guten Erfahrungen kön-
nen wir mit gutem Gewissen anderen
Unternehmungen die Beschäftigung
von Kriegsopfern, insbesondere auch von
Kriegsblinden, im Telefon-
dienst nur empfehlen. Hier gibt es
die reale Möglichkeit, die durch den Krieg
schwer geprüften Opfer wieder einer sinn-
vollen Berufsaufgabe zuzuführen.
(Aus dem „Kriegsblindenjahrbuch 1952')
"JhUche SpeUe - Jkait&i 7.hank
aus dem
Elt-u. Gas-Kühlschrank
Billig im Betrieb!
Kein Verderben der Speisen!
Daher große Ersparnisse!
Ausstellung verschiedener Fabrikate u.Größen
Günstige Zahlungsbedingungen erleichtern
die Anschaffung
Nordharzer Kraftwerke GmbH.
Goslar
S t a d t g es c h ä f t Am Markt 7
Unser Kur- und Erholungsheim in Bad Salzhausen wurde am 1. Juni 1927, also vor nun 25 Jahren, vom Kriegsblindenbund übernommen und hat
seitdem Tausenden von Gästen neue Krait und Lebensireude gegeben. Links die Vorderfront des Hauses, rechts die Rückseite.
(^(lückltCL-ßtes C^ubi^d
aum
25 Jahre Kriegsblindenkurheim Bad Salzhausen/Oberhessen
Am 1. Juni dieses Jahres sind 25 Jahre
verflossen, seitdem das Kriegsblindenheim
in Bad Salzhausen seiner Bestimmung über-
geben werden konnte. Eine kleine Kommis-
sion des Bundes erblindeter Krieger, be-
stehend aus Vertretern des Bundesbeirates,
Bundesvorstandes und Heimausschusses ent-
schieden sich nach Besichtigung mehrerer
Häuser für den Ankauf des Hauses „Still-
fried" in Bad Salzhausen. War es die Zweck-
mäßigkeit des Hauses oder war es mehr der
liebliche, kleine Badeort, der die Entschei-
dung des Bundes beeinflußte? Auf alle Fälle
können wir heute sagen, daß die Entschei-
dung eine glückliche war.
Bad Salzhausen, das in den Badeprospekten
wohl mit Recht als die Perle Hessens be-
zeichnet wird, war auserkoren, nun auch den
deutschen Kriegsblinden eine ideale Er-
holungsstätte zu werden. Die Mannigfaltig-
keit der Quellen wie Lithium, Schwefel, Stahl
und Sole, sämtlich in eine reizvolle Land-
schaft gebettet, dazu herrliche Waldungen,
waren so recht geeignet, unseren Kameraden
Erholung und neue Arbeitskraft zu geben.
Nach gründlicher Instandsetzung, Erneue-
rung der Einrichtung, konnte das Heim am
1. Juni 1927 in Benutzung genommen wer-
den. Auf Grund der Erfahrungen wurden von
uns im Laufe der 25 Jahre manche Verbesse-
rungen vorgenommen. Mit Freude und Ge-
nugtuung können wir heute sagen, daß das
Heim in Bad Salzhausen zu den beliebtesten
Heimen des Bundes gehört.
Wegen der nur kurzen Entfernung der
Bäder und Quellen wird es gerade von geh-
behinderten und älteren Kameraden bevor-
zugt. Im Verlauf des letzten Krieges wurde
das Heim zweimal von der Wehrmacht be-
schlagnahmt und als Lazarett in Anspruch
genommen. Nach Kriegsschluß fanden Aus-
gebombte und Kameraden aus dem Osten
hier Aufnahme. Erst 1947 konnte das Heim
wieder teilweise als Erholungsstätte benutzt
werden. Nachdem unseren Flüchtlingsfamilien
andere Unterkünfte zugewiesen waren, stand
es 1948 ganz für Erholungszwecke zur Ver-
fügung. Trotz der vorübergehenden Zweck-
entfremdung dürften weit über 4000 Kriegs-
blinde in Salzhausen Erholung gefunden
haben. Sie wie auch ihre Familien werden
sich gern der schönen Stunden dort erinnern
und werden immer wieder gern zu den
Gästen des Hauses zählen. Der Bund aber
kann mit Stolz auf das 25jährige Bestehen
des Heims zurückblicken. Tausende von
Kriegsblinden fanden hier Gesundung und
Kraft zur weiteren Ausübung des Berufes,
Tausende werden künftig, so hoffen wir, das
gleiche Glück haben.
Das Heim aber hat innen und außen ein
neues Kleid bekommen und erwartet im
Jubiläumsjahr mit seiner Leiterin, Schwester
Helene Ernst, die es nun bereits 14 Jahre
betreut, seine Gäste, um auch ihnen vier
Wochen der Erholung und Entspannung zu
geben. Albert Bieiwerth
Axel Bischoflf 65 Jahre alt
Eigentlich sollte schon im vorigen Heil unserer
Bundeszeitschrilt folgender Gruß aus Berlin
stehen: „Zum 65. Geburtstag wünschen wir Dir,
lieber Axel Bischof!, alles erdenklich Gute. Möge
es Dir vergönnt sein, noch viele Jahre in alter
Frische bei uns zu bleiben und in alter Schaffens-
kraft unser Wegbereiter zu sein. Dies wünschen
von ganzem Herzen Deine Berliner Kameraden."
Nun, die Berliner Kriegsblinden haben inzwischen
ihre Geburtstagsgrüße persönlich und auf herz-
lichste Weise übermittelt. Aber nicht nur aus
Berlin, sondern aus allen Teilen Deutschlands
gelten dem bewährten Kameraden und Mit-
begründer unseres Bundes die allerbesten Grüße,
Sie seien zusammengefaßt in dem folgenden
Glückwunsch unserer Bundesleitung:
Am 1. Mai d. J. vollendete Kamerad
Bischoff, Berlin, sein 65. Lebensjahr. Durch
seine Arbeit im Dienst der deutschen Kriegs-
blinden an verantwortungsvollster Stelle hat
Axel Bischoff seinen Namen unauslöschlich
in die Geschichte der deutschen Kriegs-
blinden eingeschrieben. Schon früh im ersten
Weltkrieg verlor er sein Augenlicht und
wurde, wie wir alle, aus seiner beruflichen
Tätigkeit herausgerissen. Aus der gewerk-
schaftlichen Schule kommend, stellte er auch
bald als Kriegsblinder seine dort gewonne-
nen Erfahrungen in den Dienst seiner Kame-
raden und war bestimmend in den Vor-
arbeiten mit tätig, die zur Gründung des
Bundes erblindeter Krieger Deutschlands
e. V. am 5. März 1916 führten. Als Gründer
dieser Kriegsblinden-Schicksalsgemeinschaft
hat er dann sowohl in der Leitung des Be-
zirkes Großberlin wie in der Bundesleitung
bis zum Jahre 1929 führend mitgearbeitet.
Als Vertreter des Bundes erblindeter Krie-
ger Deutschlands e. V. im Reichsausschuß für
Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebe-
nen-Fürsorge wirkte er maßgebend an der
Gestaltung der Kb- und Kh-Versorgung und
-Fürsorge, insbesondere aber an der versor-
gungsrechtlichen Gestaltung für uns Kriegs-
blinde mit. Von 1923 bis 1929 war er
1. Vorsitzender der Kriegsblinden-
Schicksalsgemeinschaft und in dieser Zeit
wurden wesentliche Erfolge in der Kriegs-
blindenversorgung und -fürsorge durch seine
Arbeit erreicht. Axel Bischoff war weder ein
bequemer Freund noch Gegner. Das haben
all die kriegsblinden Kameraden kennen-
gelernt, die mit ihm oder gegen ihn zum
Wohle der Kriegsblinden im Bunde tätig
waren. Seine rastlose Hingabe an die Kriegs-
blindenarbeit, seine temperamentvolle Be-
kämpfung jeden Widerstandes, sein großes
Können und seine großen Erfahrungen und
sein energisches Eintreten für das von ihm
als richtig Erkannte ließen ihn nicht nur an
sich selbst, sondern an alle anderen die
größten Anforderungen stellen. Wie so viele
unserer kriegsblinden Kameraden, die ehren-
amtlich im Dienste unserer Kriegsblinden-
Schicksalsgemeinschaft tätig waren und noch
sind, hat er bei seiner Arbeit Dank und Un-
dank, Gunst und Mißgunst, Anerkennung
und Verleumdung, Verständnis und Neid in
reichlichem Maße kennengelernt. Unter Hint-
ansetzung seiner persönlichen und dienst-
lichen Belange mußte die Überfülle der
Kriegsblindenarbeit von ihm geleistet wer-
den. Wie alle temperamentvollen und in
ihrer Arbeit sich verzehrenden Menschen
konnte er lieben und hassen mit der Glut
des ganzen Herzens.
Diesem aufopfernden Einsatz seiner vollen
seelischen und körperlichen Kräfte sind aber
auch die Erfolge zu verdanken, auf die er
jetzt nach Vollendung seines 65. Lebens-
jahres voll Stolz zurückblicken kann. Wenn
er auch wegen Erreichung der Altersgrenze
zu seinem eigenen und unserem Bedauern
aus seiner beruflichen Tätigkeit bei der Ver-
Sicherungsanstalt Berlin ausscheiden muß,
obwohl er doch noch erfolgreich zum Wohle
der beruflichen Unterbringung seiner kriegs-
blinden Kameraden gerne weiter tätig ge-
blieben wäre., so wissen wir doch, daß ein
Axel Bischoff nach all den Jahren erfolg-
reicher Kriegsblindenarbeit noch nicht einen
geruhsamen Lebensabend beginnen will. Er
und wir hoffen, daß er sich jetzt frei von
seinen beruflichen Bindungen- noch inten-
siver innerhalb der Schicksalsgemeinschaft
der deutschen Kriegsblinden zum Wohle sei-
ner Berliner kriegsblinden Kameraden, aber
auch der .gesamten deutschen Kriegsblinden
einsetzen kann und wünschen ihm hierzu
beste Gesundheit für sein weiteres Leben.
Seine in jahrzehntelanger Arbeit gesam-
melten reichen Erfahrungen und die aus sei-
nem guten Gedächtnis begründete Beherr-
schung der versorgungs- und fürsorgerecht-
„lichen Lage der Kriegsblinden sowie seine
umfangreichen Kenntnisse auf dem Gebiete
des Blinden-, insbesondere des Kriegsblin-
denwesens sind für uns auch noch in der
Zukunft von unschätzbarer Bedeutung.
Die Bundesleitung spricht daher im Namen
der gesamten deutschen Kriegsblinden dem
Kameraden Axel Bischoff nebeji dem Dank
und der Anerkennung für seine bisher zum
Wohle der gesamten deutschen Kriegs-
blinden geleistete Arbeit die herzlichsten
Glückwünsche aus.
gez.: Dr. Peter Plein, 1. Bundesvorsitzender
Rund um die Berolina
Aus der Tätigkeit des Landesverbandes Berlin — Fortschritte und Nöte
Im Juliheft 1951 unseres Bundesorgans
wies ich auf die außerordentlichen Schwierig-
keiten hin, die hier in Berlin infolge der
besonders gelagerten Verhältnisse bei der
Durchführung des Berliner und des Bonner
Versorgungsgesetzes entstanden sind. Das
Bundesversorgungsgesetz (BVG) wurde in
Berlin von der gesetzgebenden Körperschaft
am 5. 4. 1951 übernommen und am 23. 4. 1951
verkündet. Die Schwierigkeiten waren in
Berlin um so größer, als ja hier zwei Gesetze
nebeneinander liefen, und zwar das
Berliner Versorgungsgesetz und nunmehr das
Bundesversorgungsgesetz. Es mußten alle
Falle, die bereits nach dem Berliner Gesetz
anerkannt waren, erneut nach dem Bundes-
versorgungsgesetz umgestellt werden und
dort, wo eine Anerkennung bisher überhaupt
nicht erfolgte, mußten beide Gesetze mit
ihren verschiedenartigen Bestimmungen be-
rücksichtigt werden. Erst im Juli 1951 konnte
mit der Durchführung des BVG begonnen
werden, aber trotzdem ist festzustellen, daß
bis zum Schluß des Jahres 1951 doch die
übergroße Mehrheit unserer Kameraden in
den Besitz des Rentenbescheides nach dem
BVG und der damit verbundenen Nach-
zahlung gekommen ist.
In bezug auf die orthopädische Versorgung
sind wir 1951 einen erheblichen Schritt vor-
wärtsgekommen. Die Versorgung mit Klein-
schreibmaschinen, Bündenuhren, Regen-
mänteln und Handschuhen ist so gut wie
abgeschlossen.
Dies alles war nur möglich, weil zwischen
Landesversorgungsamt und Organisation ein
durchaus vertrauliches und außerordentlich
gutes Zusammenarbeiten erzielt werden
konnte. Es ist mir ein Bedürfnis, auch an
dieser Stelle dem Landesversorgungsamt,
insbesondere aber Herrn Barth als dessen
Leiter, für das außerordentliche Verständnis
zu danken, das wir bei ihm gefunden haben.
Weniger erfreulich war die Entwicklung
auf dem Gebiete der Fürsorge. Auch wir
haben hier lebhaft bedauert, daß die Ver-
waltungsvorschriften zu den §§ 25 — 27 BVG
erst so verspätet erlassen werden sind. Die
Hauptfürsorgestelle ist zwar jetzt
auch in Berlin ins Leben gerufen worden,
aber sie vermag ihre Tätigkeit nur in durch-
aus beschränktem Umfange aufzunehmen und
diese Tätigkeit beschränkt sich zur Zeit nur
auf die rein soziale Fürsorge. Die Verwaltungs-
vorschriften zu § 25 BVG bringen zwar in
bezug auf die Sonderfürsorge für Kriegs-
blinde recht klare Vorschriften auch für die
Durchführung der Berufs-, Erholungs- und
Siedlungsfürsorge, aber in Berlin wartet man
noch immer auf das neue Schwerbeschädigten-
gesetz. Dies Zögern ist um so unverständ-
licher, als gerade die Verwaltungsvorschrif-
ten zu § 25 für die Sonderfürsorge durchaus
klar gehalten sind und nach unserer Auf-
fassung durch das neue Schwerbeschädigten-
gesetz keinerlei Verschlechterung erfahren
werden. Wir sehen in dieser Verzögerung
eine Gefahr, nicht zuletzt deshalb, weil ja
die Verwaltungsvorschriften rückwirkende
Kraft ab 1. Oktober 1950 haben und die
Durchführung um sq schwieriger wird, je
weiter wir uns von diesem Zeitpunkt ent-
fernen. Ich hoffe, daß man auch in Berlin
die Verwaltungsvorschriften durch den Senat
schnellstens übernimmt und auch
voll wirksam werden läßt.
Sehr eingehend hat sich der Landesver-
band auch mit der Frage der künftigen Ge-
staltung des Schwerbeschädigtengesetzes be-
faßt. Der vorliegende Regierungsentwurf
bringt nach unserer Auffassung doch Ver-
schlechterungen, die nicht ohne weiteres hin-
genommen werden können. Inzwischen hat
sich ja der Bundesbeirat in seiner Sitzung
in Wiesbaden sehr eingehend mit dieser
Frage beschäftigt und die Stellungnahme des
Bundes in einer im April-Heft zum Abdruck
gekommenen Entschließung festgelegt In Ber-
lin wurde bisher die Vermittlung Blinder
nach einer Verordnung der alliierten Kom-
mandantur vom 17. März 1947 durchgeführt,
nach der auf je 100 Arbeitsplätze
1 Blinder eingestellt werden soll. Die Durch-
führung dieser Verordnung hat sich keines-
wegs hemmend bei der Unterbringung Blin-
der ausgewirkt, sondern es war im Gegenteil
mit Hilfe dieser Verordnung möglich, noch
am Schluß des vergangenen Jahres 2 1 Ar-
beitsplätze, hauptsächlich im Bürobe-
darf, durch Blinde besetzen zu können und
in neuester Zeit konnten 3 Ohnhänder-
Kameradenals Auskunftsangestellte ver-
mittelt werden. Dies war ein beachtlicher
Erfolg. Leider war es infolge der in West-
berlin herrschenden ungeheuren Arbeits-
losigkeit und der katastrophalen Wirtschafts-
lage nicht möglich, in der Industrie Blinde in
nennenswerter Zahl einzusetzen. Dies wird
erst bei einer Besserung der wirtschaftlichen
Verhältnisse möglich sein.
Es war nicht verwunderlich, daß bei der
Festsetzung der Rente nach dem Berliner und
dem Bundesversorgungsgesetz manche Fehler
unterlaufen sind, so daß eine ganze Reihe
von Einsprüchen erforderlich war.
Sie bezogen sich in erster Linie auf die Höhe
der Pflegezulage. — Die Führhundbeihilfe
wurde in zahlreichen Fällen gewährt.
Schwierigkeiten besonderer Art
Außerordentliche Beunruhigung hat der
§ 29 des Berliner Versorgungsgesetzes hervor-
gerufen, nach dem zwei Renten aus der
gleichen Ursache nebeneinander nicht ge-
währt werden dürfen. Dies bedeutet, daß für
die Zeit vom 1.7. bis 30.9. 1950, also für die
Zeit, in der das Berliner Gesetz in Kraft war,
die Invalidenrente neben der Versorgungs-
rente nicht gezahlt wurde. Hier ergibt sich
ein erheblicher Widerspruch zu § 87 des BVG
und auch zu den Bestimmungen der Reichs-
versicherungsordnung. Wir haben in allen
Fällen Einspruch gegen die Rentenbescheide
eingelegt und es ist zu hoffen, daß auch diese
leidige' Angelegenheit in unserem Sinne er-
ledigt werden kann.
Die Frage der Gewährung der I n v-a -
lidenrente für berufstätige Kame-
raden ist noch nicht entschieden. An unserem
Standpunkt, den ich ja bereits früher ein-
gehend dargelegt habe, hat Sich nichts ge-
ändert. Wir halten nach wie vor daran fest,
daß der berufstätige Blinde Anspruch auf
Invalidenrente gemäß der von ihm geleisteten
Beiträge hat. Zweckmäßig erscheint uns aber,
daß diese Frage im Verordnungs- oder Erlaß-
wege durch das Bundesarbeitsministerium
geregelt wird.
Auf dem Gebiete der Siedlungsfür-
sorge sind wir mit unseren Verhandlungen
noch nicht zum Abschluß gekommen. Wir
sind bemüht, zunächst die durch Kriegs-
einwirkung zerstörten Eigenheime unserer
Kameraden wieder aufzubauen und es besteht
begründete Hoffnung, daß wir auch hier ein
günstiges Ergebnis erzielen.
Badekuren konnten im vergangenen Jahr
in einer ganzen Anzahl Fälle erwirkt werden.
Berlin besitzt ja selbst keine Erholungs-
möglichkeiten, so daß wir in jedem einzelnen
Falle auf die Heime in Westdeutschland und
Süddeutschland angewiesen sind. Es soll aber
auch hier von mir dankbar anerkannt werden,
daß seitens der Leitung unserer Abteilung
Erholungsfürsorge in weitgebendem Maße
den Anträgen aus Berlin entsprochen wurde.
Die Kriegsblindenarbeitsgemein-
schaft Berlin hat sich in der sehr kurzen
Zeit ihres Bestehens kräftig entwickelt. Ver-
gessen wir nicht, daß sie erst seit einem Jahr
ihre Tätigkeit aufgenommen hat und daß
naturgemäß im ersten Jahr erhebliche Zu-
schüsse für Ersteinrichtungen geleistet wer-
den müssen. Es kann aber damit gerechnet
werden, daß sich unsere Arbeitsgemeinschaft
in absehbarer Zeit in durchaus günstigem
Sinne weiterentwickeln wird.
Gehört Spandau zum Ostsektor?
In organisatorischer Hinsicht entwickelte
der Landesverband 1951 eine überaus rege
Tätigkeit. All das, was im Bundesgebiet an
r.
DasBeste
vw/Rcaders Digest
bringt im neuen Mai-Heft eine
14seitige Zusammenfassung aus
dem Buch
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Jeder von uns trägt einen Trieb
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sich. Dr. A. A. Hutschnecker
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so lange Sie auch leben mögen,
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Erregungen beeinflußt wird, und
wie Sie Krankheiten durch die
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Diesen sowie weitere 26 hoch-
interessante Artikel lesen Sie
im neuen Mai-Heft der bekann-
ten Monatsschrift
Das Beste aus Raeder's Digest
überall im Buch- und Zeitschrif-
tenhandel für 1 Mark.
Aufgaben im großen zu leisten ist, muß
L»er in Berlin im kleinen wiederholt werden.
Allerdings besteht darin noch ein Unterschied:
c?*'e unselige Spaltung Berlins in zwei Stadt-
verwaltungen und zwei Währungsgebiete
macht sich auf Schritt und Tritt fühlbar. Von
den Auswirkungen macht man sich außer-
halb Berlins kaum eine rechte Vorstellung.
Dies ist schließlich auch nicht verwunderlich,
wenn man erleben muß, daß selbst amtliche
Stellen außerhalb Berlins über die räumlichen
und sonstigen Verhältnisse so gut wie nicht
unterrichtet sind. Was soll man z. B. dazu
sagen, wenn eine bahnamtliche Stelle in
Westdeutschland kürzlich eine an uns gerich-
tete Sendung nach Berlin-Spandau zurück-
w i.e s mit dem Bemerken, daß Spandau im
Ostsektor Berlins liege! Eine Neuigkeit für
uns Berliner! Wenn das schon am grünen
Holz passiert, dann darf man sich nicht wun-
dern, wenn im allgemeinen eine völlige Un-
kenntnis über die Teilung Berlins vorherrscht.
Auch unsere Kameraden werden sich draußen
kaum ein rechtes Bild machen und ich möchte
deshalb zum Schluß ganz kurz die Teilung
Berlins schildern. Berlin gliedert sich in einen
Ostsektor (russisch) und drei Westsektoren
(amerikanisch, britisch, französisch).
Die 20 Verwaltungsbezirke Berlins verteilen
sich auf die einzelnen Sektoren wie folgt:
Zu den Westsektoren gehören die Ver-
waltungsbezirke Kreuzberg, Neukölln, Schöne-
berg, Steglitz, Tempelhof und Zehlendorf
(amerikanischer Sektor); Charlot-
tenburg, Spandau, Tiergarten, Wilmersdorf
(britischer Sektor); Reinickendorf und
Wedding (französischer Sektor). Die
übrigen acht Bezirke gehören zum russischen
Sektor Berlins.
Diese unsinnige und unselige Zerreißung
einer Großstadt führt naturgemäß oft zu
unhaltbaren Zuständen, um so mehr, als die
Sektorengrenzen oft mitten durch eine Straße
hindurchgehen, so daß die eine Seite zum
russischen Sektor und die andere zum ameri-
kanischen Sektor gehört. Es ist nicht ganz
leicht, die Belastung, die durch solche Ver-
hältnisse auch seelisch besteht, zu ertragen
und selbst wer in der öffentlichen Verwaltung
tätig ist, findet sich oft nicht mehr zurecht.
Wir Berliner jedenfalls würden es mit äußer-
ster Dankbarkeit begrüßen, wenn diesen Zu-
ständen ein Ende bereitet werden könnte
und Berlin wieder zu einer einheitlichen und
freien Stadt werden wird.
Axel Bischoff, Berlin
o/uj d&n ^t^^^^e/^pü/^^fv
Neugliederung des Landesverbandes
Schleswig • Holstein
Wie wir bereits in der Dezember-Nummer
.unserer Bundeszeitschrift mitteilten, hat der
Vorstand des Landesverbandes Schleswig-
Holstein die Neugliederung des Landesver-
bandes beschlossen. Dem Wunsche der Ka-
meraden folgend, sind jedoch nicht vier, son-
dern nur drei Bezirke gebildet worden,
und zwar:
a) Bezirk Nord mit dem Sitz in
Schleswig, umfassend die Kreise Eckern-
förde, Eiderstedt, Flensburg, Husum, Norder-
dithmarschen, Rendsburg, Schleswig, Süder-
dithmarschen und Südtondern;
(Bezirksleiter: Kam. Joachim Gnutz-
:m a n n in Schacht- Audorf, Kreis Rendsburg,
Lange Reihe);
b) BezirkMitte mit dem Sitz in Kiel,
umfassend die Kreise Bad Segeberg, Eutin,
Kiel, Neumünster, Oldenburg, Pinneberg,
Plön und Steinburg;
(Bezirksleiter: Kam. Herbert Strauch-
mann in Kiel, Arfrade 2a);
c) Bezirk Süd mit dem Sitz in L ü -
;beck, umfassend die Kreise Lauenburg a.
d. Elbe, Lübeck und Stormarn;
; (Bezirksleiter: Kamerad Peter Szelag
lin Rensefeld bei Bad Schwartau, Linden-
i Straße 10).
Die bisherigen Kreisgruppen bleiben als
j Unterbezirke bestehen. Die Kameraden wer-
!den gebeten, sich nunmehr mit ihren Wün-
schen und Anliegen nur noch an die für
;, sie zuständigen Unterorgane zu wenden.
' Durch die Arbeitspläne ist eine individuelle
iund intensive Betreuung der Kameraden
| gewährleistet.
*
Bei dem Landesversorgungsamt des Lan-
des Schleswig-Holstein in Neumünster,
! Steinmetzstraße 1, haben die versorgungs-
: ärztliche Untersuchungsstelle und die ortho-
< pädische Versorgungsstelle am 1. April 1952
| ihren Betrieb aufgenommen. H. K.
Besatzungsmacht!
und Kriegsblindenhandwerk
Die US-Dienststelle Nürnberger Military
Post, Engr. Proo. Officer, zeigt für das
Kriegsblindenhandwerk besonderes Ver-
ständnis. Vor allem sind es U. S. Officer
Hugh H. Hurlahe und Mr. Hamann, die sich
immer wieder persönlich dafür einsetzen,
daß die Bayer. Kriegsblindenarbeitsfürsorge
Gem. G. m. b. H., Zweigniederlassung Nürn-
berg, Aufträge für Bürsten und Besen, Pinsel
und dergl. erhält. In den Verhandlungen er-
wies sich, daß die beiden Herren ein ganz
besonderes Verständnis und ein tiefes Mit-
empfinden für die Schwerkriegsbeschädig-
ten, insbesondere die Kriegsblinden, haben,
und daß sie in vollem Umfang verstehen,
was Arbeit für den Lichtlosen bedeutet. Es
ES STARBEN:
LANDESVERBAND BERLIN
M e h 1 e s , Heinz, Beflin-Tempelhof , Prüß-
straße 48, durch tragischen Unglücksfall,
gest. am 15. 3. 1952
LANDESVERBAND HAMBURG
G o e t j e n , Hinrich, Hamburg 39, Novalis-
weg 24b, gest. am 13. 4. 1952
LANDESVERBAND HESSEN
Jungmann, Ottmar, Gladenbach Kr. Bie-
denkopf, gest. im Februar 1952
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
Fahrenholz, Helmut, Anderten/Hann.,
geb. 23. 8. 1917, gest. am 4. 5. 1952
RHEINLAND-PFALZ
Brandenburg, Wilhelm, Bingerbrück,
Martin-Luther-Stift, gest. am 6. 4. 1952
im Alter von fast 80 Jahren
LANDESVERBAND WESTFALEN
Meier, Elisabeth, Herlinghausen,
Witwe des Kriegsblinden Heinrich Meier,
gest. am 2. 10. 1951
Die Kriegsblinde Frau Anna Schülting,
Coesfeld, Weberstraße 7, gest. am 29. 4.
im Alter von 56 Jahren
Ehefrau des Kam. Karl Wohlgehage,
Dortmund-Hörde, Cimberstraße 40, gest.
im November 1951
B i s d o r f , Walter, Witten-Annen, Rudolf-
König-Straße 17, gest. am 6. 4. 1952 im
Alter von 57 Jahren
U h 1 m a n n , Gustav, Gelsenkirchen, Im
Bühl 1, gest. am 28. 4. 1952 im Alter von
75 Jahren
Kroger, Bernhard, Wattenscheid, Dicke-
bankstraße 4, gest. am 28. 4. 1952 im Alter
yon 59 Jahren
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHEN!
ist nur zu wünschen, daß dieses Verhältnis
sich weiter entwickelt und auch andere
Dienststellen der Besatzungsmacht umfaßt.
Jedenfalls würde damit vielen kriegsblinden
Handwerkern wieder Arbeit und Verdienst
und somit Freude und Licht gegeben.
„Haus der Kriegsopfer Versorgung"
in Berlin
Das Landesversorgungsamt Berlin hat in
Wilmersdorf, Sächsische Straße Nr. 28, ein
neues, schönes Gebäude erhalten, das „Haus
der Kriegsopferversorgung", das am 3. April
feierlich eingeweiht werden konnte. Damit
ist endlich ein Provisorium beendet, das bei
der Durchführung des Versorgungsgesetzes
in Berlin unendliche Schwierigkeiten bereitet
hat. Die katastrophale Raum- und Personal-
not machte die Durchführung des Gesetzes
fast unmöglich. An der Einweihung nahmen
als Vertreter des Bundes-Arbeitsministeriums
auch Min. -Rat Dr. Schönleiter und Min. -Rat
Dr. Pötzold teil.
Das Mitteilungsblatt des Landesversor-
gungsamtes Berlin, „Kriegsopferversorgung",
gab das Märzheft als Sondernummer zur Ein-
weihung des neuen Gebäudes heraus. Es
gehen daraus nicht nur interessante sta-
tistische Angaben hervor — 288 118 Perso-
nen stellten in Berlin als Beschädigte oder
Hinterbliebene Versorgungsanträge! — , son-
dern es wird auch ein hochinteressantes Bild
von der Besonderheit des neuen Dienstgebäu-
des gegeben. In sinnvoller Zweckmäßigkeit
haben die Architekten und die Verwaltung
die Aufgabe des Baues bei seiner Einrich-
tung berücksichtigt: von der Geländerführung
bis hin zu einem Sondereingang und Sonder-
Warteraum für Selbstfahrer wurde alles be-
dacht, was dem Kriegsbeschädigten den Be-
such erleichtern kann. Das Haus enthält nicht I
nur eine Beobachtüngsstation, eine röntgen-
ärztliche Station usw., sondern auch eine
Gehschule mit Laufbrücken, Kontrollspiegeln
und Kletterwand. Mit Recht wurde dieses
auch dem Schönheitssinn so wohltuend ent-
sprechende, in Material und Farbe innen wie
außen harmonische Gebäude als eine der
mustergültigsten Einrichtungen Deutschlands
auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung
bezeichnet. Um einen Begriff von der Größe
des siebenstöckigen Gebäudes zu geben, sei
vermerkt, daß 29 000 Quadratmeter Innen-,
putz und 3500 Quadratmeter Außenputz bei
der Errichtung zu verzeichnen waren.
Wir freuen uns über diesen Fortschritt, der
auch unseren Berliner Kameraden, die in
mancher Hinsicht unter besonderen Schwie-
rigkeiten zu leiden haben, zugute kommen
wird.
Filmerfolg in Berlin
Bereits 15 Berliner Lichtspielhäuser, dar-
unter große und angesehene Theater, haben
nach der glanzvollen Premiere in der „Film-
bühne Wien" den amerikanischen Kriegs-
blindenfilm „Sieg über das Dunkel"
in diesen Wochen aufgeführt. Weitere Häu-
ser haben die Aufführung für die aller-
nächste Zeit angekündigt. Es ist zu hoffen,
daß alle Westberliner Lichtspielhäuser die-
ses unter dem Protektorat des Kriegsblinden-
bundes stehende Filmwerk, das bei Presse
und Publikum gerade in Berlin einen un-
gewöhnlichen Erfolg hatte, aufführen.
Handwerkertagung in Kassel
Die Leiter aller Kriegsblinden-Handwerker-
fürsorgeeinrichtungen des Bundesgebietes
werden am 2 6. Mai in Kassel zu einer
Beratung zusammenkommen. Wichtige Fra-
gen stehen zur Debatte, angefangen von
dem Gesetzentwurf zum Schutze des Ver-
triebes von Blindenwaren bis hin zur Frage
des Einkaufs von Rohstoffen. Die Tagung
erhält besondere Bedeutung durch die für
den folgenden Tag, den 27. Mai, geplante
Vorstandssitzung der Deutschen Blinden-
arbeit e. V., die ebenfalls in Kassel statt-
findet.
8
Das Magnetofon -Bandgerät
Der „ B 1 i h d"e n s e k r e t ä r ", das Ma-
gnetofonbandgerät KL 15 der AEG, ist in den
vergangenen Monaten bereits vielfach im
Rahmen der Berufsfürsorge an Kriegsblinde
geliefert worden. In den meisten Fällen fand
erfreulicherweise eine Kostenübernahme
durch öffentliche, z. B. durch Hauptfür-sorge-
stellen, statt. Die ersten Erfahrungsberichte
• beweisen, daß dieses neue technische Hilfs-
mittel den Erwartungen der Kameraden weit-
gehendst entspricht. In Beantwortung vielerlei
Anfragen weisen wir hier noch einmal darauf
hin, daß der Leiter des Landesverbandes Süd-
baden unseres Bundes, Ing. A. Schramm,
Freiburg, Kirner Straße 11, bereit
ist, Tongeräte und Zubehör mit einem Ra-
batt von 22Va °/o zu vermitteln, allerdings
" ausschließlich für den Blindenbedarf, - was
von Fall zu Fall nachgeprüft wird. Bei einer
Anzahlung von 20 %> des Gesamtkaufwertes
kann der Rest in 10 Monatsraten bezahlt
"werden. Anfragen und Aufträge — sowohl
von Behörden als auch von Selbstbeziehern
— sind an die obengenannte Anschrift direkt
zu richten.
Erfolgreicher Akkordeon -Virtuose
Der kriegsblinde Akkordeon-Vir-
tuose Willi Blank aus Wurmberg bei
Pforzheim, der u. a. für den Süddeutschen
Rundfunk und neuerdings auch für den Süd-
westfunk spielt, erhielt auf Grund seiner
letzten Rundfunkübertragung ein Angebot,
auf vier Monate nach Lake George
(USA) zu kommen. Blank lehnte das An-
gebot ab, um zunächst einmal in der Heimat
noch festeren Fuß zu fassen.
PERSÖNLICHES
Ehrentage
Am 17. April' feierte unser im 1. Weltkrieg
erblindete Kamerad Johann Heldt, Bad
Harzburg, Burgstraße 31 (früher Berlin-
Neutempelhof), seine goldene Hochzeit.
Unser Kamerad David Wiegand und
seine Ehefrau Katharina, geb. Beetz, Solin-
gen, Meigen 41, begingen am 9. 5. 1952
das goldene Ehejubiläum.
Unser Kamerad Albert Engelhardt
und seine Ehefrau Emma, geb. Schöne, Vel-
bert, Losenburg 4, feierten am 9. 4. 1952
das Fest der Silberhochzeit.
Am 27. 4. 1952 feierte unser Kamerad
Wilhelm Hintze, Berlin- Charlotten-
burg, Sybelstraße 58, seinen 70. Geburtstag.
Unser Kamerad E r n s t O s s e n b r ü g g e,
Steinkirchen (Kreis Stade) feierte am
1. April 1952 sein 25jähriges Geschäfts-
jubiläum. Am 1. 4. 1927 eröffnete er in
Steinkirchen ein Gemischtwarengeschäft.
Geburten
Kamerad TheodorWinkels.Weeze
(Bez. Geldern), und Frau Martha am 29. 3.
1952 das zweite Kind, „Rita".
Kamerad Robert Liedtke, Bielefeld,
August-Bebel-Straße 34, und Frau Eva, geb.
Burkatzki, ein Sohn namens Peter.
Kamerad Gerhard Fischer und Frau,
Bielefeld, Ravensberger Straße 36, am
14. 4. 1952 eine Tochter „Irmgard". (Kamerad
Fischer bezog gleichzeitig eine neue Woh-,
nung und — als Einhänder — einen Arbeits-
platz als Telefonist.)
Kamerad WernerFernholz und Frau
Hedwig, Iserlohn, Woestestraße 4, am
6. 4. 1952 ein Sonntagsjunge „Wolfgang".
Kamerad Kurt Mayerhauser und
Frau, Berlin- Charlottenburg, Knobels-
dorffstraße 24, ein kräftiger Junge.
Kamerad HansBenten und Frau, Dor-
sten, Alter Postweg 65, am 10. 12. 1951,
ein Sohn „Werner Antonius".
Kamerad Anton Kurzaj, Gelsen-
kirchen- Buer, Horster Straße 33. am
27. 12, 1951 eine Tochter „Charlotte".
Kamerad Heinrich Gaul und Frau, Lohra
(Kreis Marburg), am 13. 12. eine Tochter
Helga.
Kamerad Hermann G n a u und Frau,
Niederklein (Kr. Marburg), am 2. 11.
ein Sohn Gerhard.
Kamerad Herbert Becker und Frau,
Marburg, Georg- Voigt-Straße 42, am
3. 2. eine Tochter Mareile.
Kamerad Robert S e i b e 1 und Frau,
Achenbach, Kr. Biedenkopf, am 5. 2.
eine Tochter Brigitte.
Kamerad Willi Hummel und Frau,
Marburg, Freiherr-von-Stein-Straße 14,
am 7. 2. eine Tochter.
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nenstraße 27. tiefere auch an
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bügelt zu werden und ist un-
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Bei Bestellungen im Werte von 30 DM portofreie Nachnahmesendung.
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Tochter von Kriegsblindem
Kriegerwitwe, 33 J., mit 12jähr.
Sohn, sucht Bekanntschaft eines
Kriegsblinden. Einheirat beider-
seits möglich. Zuschriften erbe-
ten unter P. V. an die Schrift-
leitung, Bielefeld, Stapenhorst-
straße 138.
LUTHER-WERKE
LUTHER & JORDAN
Braunschweig
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so werden Sie diese selbstverständlich von kriegsblinden Handwerkern kaufen
wollen. Aber man merke sich: echte Blindenware und auch die Ausweise
unserer Vertreter tragen die bekannte Schutzmarke — zwei zur Sonne ge-
streckte Hände — und das Wort „Blindenarbeit" Wenn Ihnen die Anschrift
der für Ihr Gebiet zuständigen Arbeitsgemeinschaft der kriegsblinden Hand-
werker unbekannt ist, so fragen Sie an bei: „Der Kriegsblinde", Bielefeld,
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Willst du nicht mitmachen?
Kleiner Speisezettel über Turn- und Sportarten für Blinde
- Die Anregung, kriegsblinde Sportmeister
zu ermitteln (Aprilheft) und die Förderung
des Versehrtensports im allgemeinen (z. B.
die Einrichtung des Versehrtensportheims
Isny-Mairhöfen im Allgäu) lassen die Frage
wieder in den Vordergrund treten, welche
Turn- und Sportarten für Blinde besonders
geeignet sind, zumal jetzt im Frühling die
Sportplätze wieder locken.
Mit dem Begriff „Mangel an Bewe-
gung" werden sich wohl für die meisten
Schicksalsgefährten unerfreuliche Vorstel-
lungen über Stockungen im Ablauf des
menschlichen Organismus, vor allem Ver-
dauungsstörungen, verbinden. Es ist bekannt,
daß diese Störungen durch entsprechenden
Bewegungssport erheblich zu mildern, wenn
nicht zu beseitigen sind. Welche Turn- und
Sportarten kommen nun gerade für uns
Blinde in Betracht?
Beim Bodenturnen und bei der Morgen-
gymnastik brauchen wir uns- keinerlei Be-
schränkungen aufzuerlegen. Als Geräte sind
vor allem die „gute, alte Hantel" zu nennen,
die durch ihr Eigengewicht die Armmusku-
latur vor immer neue Aufgaben stellt. Neben
die Hantel tritt das Ausziehgerät, der Ex-
pander. Wem das Ausziehen sämtlicher
5 Stränge zu schwer ist, kann einige weg-
lassen (bis auf einen, versteht sich). Der
Expander hat den Vorteil, daß auch Rücken-
übungen möglich sind. Wem daran gelegen
ist, seine Wut über die Widerwärtigkeiten
des täglichen Lebens gründlich auszulassen,
dem bietet der Punchingball die prächtigste
Gelegenheit dazu. Natürlich muß er in einer
für die Körpergröße richtigen Höhe mon-
tiert sein.
Wenden wir uns einer Turnhalle zu, so
ergibt sich erfreulicherweise, daß der Blinde
sämtliche Geräte benutzen kann, bei wel-
chen kein Anlauf erforderlich ist Es sind
dies vor allem der Barren, das Reck, die
Kletterstange und das Kletterseil. Wer früher
gern an Geräten geturnt hat, sollte sich die
Freude an dieser Sportart nicht entgehen
lassen.
Erst recht aber sollte der Sportplatz dir
wieder vertraut werden. Viele Übungen der
Leichtathletik, wie z. B. Kugelstoßen, lassen
sich in vollem Wettbewerb mit dem sehen-
den Sportkameraden durchführen. Auch
Springen aus dem Stand ist ohne fremde
Hilfe möglich.
Bei Hoch- und Weitsprung darf nach vor-
herigem Abtasten der Seilhöhe bzw. der
Absprungstelle auch der notwendige Anlauf
sehr bald kein Hindernis bilden. Sehr gut
möglich ist auch das Speerwerfen, schwie-
riger schon ist Schleuderball und vor allem
Diskus, aber mancher kriegsblinde Kamerad,
beherrscht auch diese Technik wieder und
ist mit Recht stolz darauf.
Beim Laufen ist besonders der Waldlauf
hervorzuheben, welcher in Begleitung eines
sehenden Sportkameraden zu einem wirk-
lichen Genuß werden kann.
Daß Wett-, vor allem Ballwettkämpfe
nicht mehr in Betracht kommen, werden
manche bedauern. Trösten wir uns damit,
daß wir wenigstens vor den Unfällen ver-
schont bleiben, die z. B. beim Fußballspiel
so häufig einzutreten pflegen. Es gibt aber
dafür viele Wassersportarten, die sich ge-
rade für Blinde recht gut eignen. So wurde
das Schwimmen bereits von den Blinden-
lazaretten aus eifrig betrieben. Bei Schwimm-
bassins kann man sich ganz gut dazu er-
ziehen, den Bassinrand immer wieder mit
der Hand abzutasten. Bei Wettkämpfen
empfehlen viele Kameraden Bahnseile auf
Korken. Kleine Zusammenstöße mit anderen
Schwimmern darf man, wenn man sich im
Wasser tummelt, natürlich nicht allzu tra-
gisch nehmen. Und auf einen Kopfsprung
vom Dreimeter-Sprungbrett kann man
schließlich auch verzichten. Bei sommerlichen
Seebädern wird die Orientierung durch die
gute Schallübertragung auf der Wasserober-
fläche wesentlich erleichtert. Kluge Kame-
radenfrauen setzen dem freiheitsdurstigen
Schwimmer eine leuchtende Badekappe auf,
um ihn beobachten zu können, ohne daß er
sich nach den schwächeren Schwimmstößen
seiner Frau richten muß. Und noch ein herr-
licher, ungemein gesunder Wassersport, bei
dem der ganze Körper durchgearbeitet wird:
das Rudern! Auch hier stehen wir den Sehen-
den in nichts nach, und mancher Kriegs-
blinde hat seine schönste Feierabendfreude
im Boot und bei den Kameraden seiner
Rudermannschaft.
Neben diese sommerlichen Sportarten tritt
im Winter der Skisport. Voraussetzung ist
hier, daß man sich in dem betreffenden Ge-
lände sehr genau auskennt. Man muß also
wissen, wie lange ein abfallender Hang sich
hinzieht und wann er wieder in eine Stei-
gung übergeht. Natürlich werden beim Ski-
sport die Schwierigkeiten geringer und der
persönliche Genuß entsprechend größer,
wenn sehende Begleitpersonen ständig uns
uns sind.
Und schließlich noch die einfachste körper-
liche Bewegung, das Gehen, das Wandern.
Jeder von uns weiß, daß Wanderungen, be-
sonders Bergwanderungen, für Blinde gleich-
falls zu Naturerlebnissen eigener Art werden
können. Das Einhaken ist bei Wanderungen
allerdings zu lästig. Notfalls stellen zwei
aneinandergeknotete Taschentücher oder ein
abgebrochener Zweig eine freiere Verbin-
dung von Hand zu Hand her. Und Gehen
ohne Begleitung? Nun, wir haben ja die
Möglichkeit, mit Hilfe des Stocks auf ver-
kehrsfreien, bekannten Wegen wenigstens
kleinere Entfernungen zurückzulegen. Nicht
vergessen sei hier das Fahren mit dem
Tandem, welches ähnlich wie Skilaufen und
Wandern die Beinmuskulatur zu ihrem Recht
kommen läßt.
Bei Ausübung der genannten Turn- und
Sportarten je nach Lust und Liebe besteht
die Aussicht, daß Funktionsstörungen des"
Körpers wieder verschwinden, ferner, daß
Selbstbewußtsein und Lebensfreude sich stei-
gern, und nicht zuletzt: daß auch eine äußerst
wichtige Erscheinung regelmäßig bleibt, näm-
lich .. . der Schlaf! , Dt. Kurt Wintterlin
Er wollte sich doch bessern!
„Das ist ja herrlich, wir haben das ganze
Schwerbeschädigtenabteil für uns alleine!"
rief Frau Gaby erfreut aus und fügte gleich
darauf hinzu: „Da kann ich dir gleich einmal
die Leviten lesen." Sie geleitete ihren Mann
zum Fensterplatz und setzte sich ihm gegen-
über. Ewald mimte den Unschuldigen und
spielte aufreizend mit dem Ledergurt des
Fensters, indem er in gleichmäßigen Abstän-
den gegen die Tür klopfte. Doch wohl oder
übel mußte er die Worte seiner Frau über
sich ergehen lassen. Sie sprach:
„Weißt du, Ewald, ich finde es einfach em-
pörend, mich ständig so in Verlegenheit zu
bringen! Wie oft habe ich dir schon gesagt,
daß ich jedesmal puterrot anlaufe, wenn du
wieder etwas Unsinniges fabriziert hast. Ich
finde dein Benehmen ziemlich blamabel."
Ewald klopfte einen Marsch mit dem Leder-
riemen und entgegnete in aller Ruhe: „Ich
weiß gar nicht, was du willst, Liebling! Ich
habe dir eben in der Straßenbahn zu ver-
stehen gegeben, daß du, wenn du rechtzeitig
fertig sein willst, um den Zug noch zu er-
reichen, etwas früher mit dem Kofferpacken
anfangen mußt. Weil nun die Straßenbahn
so einen fürchterlichen Spektakel machte und
du mich nicht verpfänden hättest, so war ich
leider gezwungen, etwas lauter als gewöhn-
lich zu reden."
„Etwas lauter zu reden?" unterbrach ihn
seine Frau. „Das nennst du etwas lauter
reden? Geschrieen hast du! Die Leute in der
Bahn haben sich nach uns umgedreht. Du
siehst es ja nicht, wie sie erstaunt gucken und
ihre Mundwinkel verziehen, aber ich, ich
muß alles aushalten. Und überhaupt, mir ■
Vorhaltungen zu machen, daß ich nicht schnell
genug fertig werde! Du siehst doch, wir
haben den Zug noch rechtzeitig bekommen.
Außerdem hast du gut reden, du stehst her-
um und kommandierst, während ich die
ganze Arbeit machen muß. Du findest deine
Siebensachen zum Waschen und Rasieren
immer zurechtgelegt, 'und deine ganze Ar-
beit ist es, die Haustür aufzuschließen und
die Zeitung hereinzuholen. Wenn ich dich
bitte, den Koffer abzuschließen, dann vergißt
du das sogar noch. Alles lastet auf meinen
zarten Schultern."
Ewald trommelte unentwegt weiter, kehrte
in sich und antwortete nach einer Weile:
„Du hast j-a recht, aber einer muß doch für
Ordnung und Pünktlichkeit sorgen, und das
bin ich. Schließlich hast du ja auch deine
Fehler. Wenn ich daran denke, wie du mir
neulich in der Straßenbahn heimlich zuflü-
stertest, ich solle nicht ein solch böses Ge-
sicht machen! Dazu hattest du keinen Grund.
Lächle oder lache ich einmal herzhaft, dann
verbietest du es mir, wegen der Leute, wie
du sagst. Bin ich hingegen todernst und so-
zusagen normal, dann ist es auch nicht recht.
Ich habe nun einmal so ein dummes Ge-
sicht, daran läßt sich leider nichts ändern
und du wirst dich daran gewöhnen müssen."
Frau Gaby mußte ihm zustimmen, doch sie
teilte einen weiteren Tadel aus: „Wenn ich
dich anstoße, um dich ein bißchen herumzu-
drehen oder weiterzuschieben, dann hat das
seinen triftigen Grund. Du brauchst dann
nicht gleich loszureden in der Form: Na,
warum stößt du mich denn oder so ähnlich.
Der Herr, der direkt vor dir stand, bekam
immer den Rauch von deiner Zigarre in die
Nase, und er verzog jedesmal sein Gesicht
dabei. Du mußt doch auch einmal Rücksicht
nehmen, Ewald!"
Ewald lachte schallend über diese Eröff-
nung, was ihm einen wohlgezielten Schlag
seiner Frau auf die Hand einbrachte, so daß
er endlich den Lederriemen loslassen mußte.
„Es war doch eine gute Zigarre, eine mit
Bauchbinde", meinte er entschuldigend,
.^sicherlich war es ein Nichtraucher. Ja, das
wird es sein."
Frau Gaby führ in ihrer Zurechtweisung
fort: „Meine Handlungsweise ist immer be-
gründet", sagte sie ernst. „Wenn wir spa-
zieren gehen und ich verlangsame meine
Schritte oder bleibe ganz stehen, dann dürfte
es dir nicht schwerfallen, zu denken, daß da
irgend etwas im Wege ist, etwa eine Bau-
steile, oder es stehen einige Leute herum.
Du aber wirst dann ungeduldig und brüllst:
,Nun geh doch endlich weiter!' Die Oma,
die einen Kinderwagen ins Haus fahren
wollte, schaute dich ganz entgeistert an. Ich
weiß ja, daß du es nicht böse meinst, aber
was sollen bloß die- Leute davon denken!
Sie meinen am Ende noch, wir sind unglück-
lich verheiratet. Auch habe ich dir schon
so oft gesagt, du sollst nicht ausspucken,"
wenn du erkältest bist. Wenn du auch nie-
manden kommen hörst, es kann doch jemand
neben oder vor dir laufen. Du vergißt, daß
es heute Kreppsohlen gibt. Benimm dich also
in Zukunft ein wenig besser. Ich kann dir
nicht, immer vor allen Menschen lange Auf-
klärungen geben. Wir werden schon sowieso
12
oft genug angestarrt und beobachtet, daß es
keine Freude mehr ist. Du willst doch auch
möglichst unauffällig erscheinen und es soll
nicht jeder gleich sehen, daß du blind bist.
Du mußt daher einsehen, daß ich immer nur
dein Bestes will."
1 „Ich will doch auch nur dein Bestes",
entgegnete Ewald, „aber ist es denn ein
Wunder, daß ich ärgerlich werde, wenn du
in der Bahn zuerst neben mir stehst, und
Will ich dann plötzlich deinen Arm nehmen,
um mich festzuhalten, da bist du nicht mehr
da, und ich greife dummerweise nach einem
jungen Mädchen. — Erlauben sie mal —
sagte sie. Ich habe es natürlich gleich am
Mäntel gemerkt und sofort wieder losgelas-
sen. Und wie oft habe ich dich schon ge-
beten, mir ab und an ein Wörtchen zu gön-
nen, damit ich darüber orientiert bin, ob du
überhaupt noch da bist."
„Ich laufe dir schon nicht weg", bekam
Ewald zur Antwort, „doch nun laß uns die-
ses Thema beenden. Wir wollen frühstücken,
denn ich habe schon tüchtigen Appetit. Es
ist schön, daß wir dieses Abteil so schnell
gefunden haben, die anderen Wagen waren
alle stark besetzt. In etwa einer Stunde sind
wir auch bereits am Ziel. Ich bin gespannt,
was deine Verwandten sagen werden, wenn
wir so plötzlich aus heiterem Himmel an-
kommen."
Das Frühstück in Form von dickbelegten
Brötchen und weichgekochten Eiern war bald
beendet, und die Pause in der ehelichen
Aussprache wurde dadurch verlängert, daß
jeder seinen eigenen Gedanken nachging,
um nach neuen Argumenten zu suchen oder
die alten zu vergessen. Der Personenzug
stampfte von Station zu Station weiter und
brachte die beiden Reisenden ihrem Ziele
näher. Noch immer schwiegen sie, und es
hatte auch keinen Sinn, sich zu unterhalten,
weil Frau Gaby das Fenster geöffnet hatte
und es ziemlich laut im Abteil war. Ewald
Neues Patent eines kriegsblinden Bürstenmachers
Welcher Hausvater hat sich nicht schon
über die lästige Arbeit, des Einstielens bei
Schrubbern und Besen geärgert? Das braucht
künftig nicht mehr zu sein, denn unser Kame-
rad Mathias Schumacher aus Hei-
hgenhaus bei Düsseldorf hat ein Patent auf
den Markt gebracht, das als Haltegerät für
Schrubber und Stiel eine überraschende Neu-
heit darstellt. „Neuer Tip — nur noch BLIP",
so heißt das Schlagwort auf einem Prospekt,
und es scheint sich um die einfachste Sache
der Welt zu handeln. Aber wirklich gute
Erfindungen erscheinen immer einfach, nur
muß man erstens „drauf kommen" und zwei-
tens viel Geduld und Geschick aufwenden,
bis das fertige Modell vorliegt und die Ertei-
lung eines Patentes erfolgen kann.
Unser Kamerad Schumacher verfolgte den
Gedanken an diese Erfindung schon seit zehn
Jahren. Immer wieder überlegte und pro-
bierte er, wie man Besen, Schrubber usw in
dor Weise verbessern könne, daß nur die
eigentlichen Borstenhölzer ausgewechselt
würden und der Deckel samt Stiel also
immer bestehen bleibt. „Ich machte mich", so
erzählt der Erfinder, „an die Verfertigung
eines kleinen Pappmodelles, das ich im Laufe
der Zeit stetig verbesserte. Hiernach ver-
suchte ich es mit Holz und Blech, und der
Gedanke nahm immer mehr Form an. Es hat
lange Zeit der Überlegung gekostet, um erst
einmal im Geiste evtl. auftretende Mängel
auszuschalten und alle Möglichkeiten in Be-
tracht zu ziehen. Erst vor zwei Jahren zog
ich Sehende hinzu, um mit ihnen die An-
fertigung von Modellen zu besprechen. Es
gab eine Menge Schrott, bis das nun vor-
liegende Modell in seiner tatsächlichen Voll-
kommenheit vorlag. Mit Hilfe eines Patent-
ingenieurs wurde die Erfindung dem Patent-
amt eingereicht, und bald traf der erste
•Erfolg in Form der Patenterteilung ein."
Unser Kamerad Mathias
Schumacher erfand dieses
■Wirklich patente Patent: eine
teichtmetallplatle mit einge-
bauter Federung hält das
Bürstenholz. Ein Grill mit
zwei Fingern, und das Bür-
sten- oder Besenholz fällt
heraus, um dann — ohne
daß man Mühe mit dem Ein-
'stielen hätte — eine neue
'oder eine andere Bürste,
einen Besen oder Schrubber
aulzunehmen.
Das Ergebnis all dieser Bemühungen (s.
auch Abbildung) ist ein Leichtmetalldeckel,
in den der Schrubber- oder Besenstiel nur
einmal befestigt wird, um dann beliebig
lange (und auswechselbar für Besen oder
Schrubber usw.!) in dem Deckel stecken
bleiben zu können. Ist der Schrubber abge-
nutzt oder braucht man den Stiel ■ für ein
anderes Gerät, so genügt ein Griff mit zwei
Fingern, um das Holz herausfallen zu lassen
und ein neues einzusetzen. Eine verborgene
Federung drückt diese Spezialhölzer fest
unter den Deckel. Durch eine Kombinations-
möglichkeit lassen sich grobe, feine und
Bohnerbürsten verwenden.
„Blip 1" ist für den Haushalt und den
Kleinverbraucher bestimmt, „Blip 2" für
Großverbraucher, also Behörden, Anstalten,
Betriebe (auswechselbar als Straßenbesen
und Schrubber, zugleich als Faß- und Kannen-
bürste). So hilft das neue Gerät allerlei Geld
zu sparen, schon durch den bleibenden Stiel
und durch verschiedene Benutzungsmöglich-
keiten. Dazu kommt aber die durchschnitt-
liche Holzersparnis von 60 bis 70 Prozent.
Die Hausfrau braucht jetzt nur noch die
Bürstensohle zu kaufen.
Der Erfinder hat die Hoffnung, daß gerade
auch kriegsblinden Handwerkern oder unse-
ren Arbeitsfürsorgeeinrichtungen mit diesem
Gerät gedient werden kann. Er hat deshalb
bei seinen Verträgen mit der Hersteller-
firma in kameradschaftlicher Verantwortlich-
keit Wege offengehalten, um die Erfindung
gerade auch kriegsblinden Handwerkern
nutzbar machen zu können. Arbeitsfürsorge-
einrichtungen oder selbständig tätige Hand-
werker, die sich für die Erfindung inter-
essieren, können sich unmittelbar mit dem
Erfinder Mathias Schumacher, Heiligenhaus
(Bez. Düsseldorf), Sachsenstraße 11, in Ver-
bindung setzen.
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überdachte noch einmal den Verlauf der
letzten Stunde und die anschließende Gar-
dinenpredigt seiner Frau. Im großen und
ganzen war er ja mit ihr einer Meinung,
aber durfte man es sogleich zugeben. Fehler
machte jeder, und warum sollte er eine Aus-
nahme bilden?
Trotzdem beschloß er, sich auf alle Fälle
zu bessern. Seine liebe Frau sollte sich nicht
mehr so viel über ihn ärgern. Sie war nun
einmal in dieser Hinsicht sehr empfindlich,
und wenn er ganz ehrlich sein sollte, mußte
er zugeben, daß er selbst früher ja auch
peinliche Situationen haßte und ihnen aus
dem Wege ging. Da nun jedoch sein Leben
einen anderen Verlauf genommen hatte,
mußte er sich eben noch mehr umstellen, um
diese Peinlichkeiten seiner Ehepartnerin zu
ersparen. Ja, das wollte er tun, auch wenn
es schwer fiele. Um nun diesem Entschluß
einen takräftigen Beweis zu geben und seine
Frau gänzlich zu versöhnen, stand er über-
raschend auf, nahm seine Frau zärtlich in
die Arme und gab ihr einen innigen, aus-
giebigen Kuß auf den Mund. Befriedigt setzte
er sich nieder und grinste erleichtert vor
sich hin.
Doch bald wurde sein Gesicht länger und
länger, weil seine Frau gar nicht daran
dachte, auf diesen Gefühlsausbruch zu rea-
gieren. Was hatte sie nur? Sollte er sich
schon wieder vorbeibenommen haben? Aber
das konnte nicht sein, es war doch niemand
außer ihnen im Abteil. Frauen haben nun
manchmal Launen, das gibt sich schon wie-
der, dachte er. Der Zug hielt abermals auf
einem kleinen Bahnhof.
„Komm, Ewald", sagte Frau Gaby und zog
ihn mit sich hinaus auf den Bahnsteig, um
gleich darauf mit ihrem Mann ein anderes
Abteil aufzusuchen. Ewald wußte nicht, was
er sagen sollte und verzog den Mund, als
seine Frau ihm eröffnete, daß er stehen
müsse, da es hier sehr voll sei. Aber sie
hätten ja nur noch eine Station zu fahren. In
Ewald begann etwas wie so eine Ahnung
aufzukommen, warum dies alles so ge-
schehen mußte und er wagte nicht, auch nur
ein Wörtchen mit seiner Frau zu reden.
Endlich hatten sie ihr Reiseziel erreicht,
man hatte den Bahnhof und die Sperre hin-
ter sich gelassen und pilgerte die Bahnhof-
straße des kleinen Städtchens entlang. Nun
hatte Frau Gaby Gelegenheit, mit ihrem
Mann zu sprechen. Sie kniff ihn halb lachend,
halb weinend in den Arm und sagte: „Oh,
Ewald, du bist unbezahlbar. Ich hatte ge-
dacht, ich könnte dich noch ein wenig bes-
sern, wenn ich dir gut zurede, aber ich sehe
es ein, es ist zwecklos. Da haben wir nun
lang und breit über dieses heikle Thema
gesprochen, und was tust du? Du stehst ein-
fach auf und küßt mich. Es wäre nichts dabei
gewesen, wenn nicht zufällig zwei Herren
die grinsenden Zeugen gewesen wären."
Ewald war erschüttert, das hatte er nicht
geahnt. Sicher waren die beiden Männer auf
der vorigen Station eingestiegen, als gerade
der D-Zug vorbeibrauste, und er hatte nichts
davon gehört. „Und ich wollte mich doch
wirklich bessern!" seufzte er.
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14
Eine Stenografiermaschine
Wenn auch noch sehr fraglich ist, ob die
Stenografiermaschine, deren Beschreibung
hier folgt, für kriegsblinde Stenotypisten
brauchbar ist, so ist doch die Arbeitsmethode
dieser Maschine so interessant, daß Beschrei-
bung und Hinweis sich lohnen. Für jene
kriegsblinden, die mit größter Geschwindig-
keit Protokolle, Reden und Debatten mitzu-
schreiben haben, bietet sich vielleicht hier
auch ein wichtiges Arbeitsgerät. Wir wollen
es jedenfalls einmal zur Debatte stellen.
Diese „Grandjean-Stenografiermaschine"
ähnelt in der Tastatur und vor allem in der
Möglichkeit, mehrere Tasten gleichzeitig
drücken zu können, durchaus einer Maschine
für Blindenpunktschrift. Es können also ganze
Wörter mit dem gleichen Anschlag geschrie-
ben werden. Die Niederschrift in Druckbuch-
staben (nur große Buchstaben) erfolgt auf
einem Papierband, das in Breite und Art den
Papierbändern von Rechenmaschinen gleicht.
Auf den ersten Blick schein ein fertig-
beschriebenes Band wahllos mit Buchstaben
übersät zu sein, doch liegt der Schreib-
methode ein überaus klug erdachtes und
sinnvolles System zugrunde. Das Ablesen
der Bänder bedarf nur einer kurzen Anlei-
tung, und nach wenigen Tagen kann das
Band, am besten mit Hilfe eines Leseständers,
Ohne große Schulung leicht und fließend ab-
gelesen werden.
i Den Kriegsblinden kann aber hier vor-
nehmlich nur das Schreiben interessieren,
und die Aussicht, mit dieser Maschine er-
wiesenermaßen schneller zu schreiben, als es
dem besten Stenografen möglich ist. In der
Praxis würde die Arbeit eines Blinden mit
dieser Maschine so verlaufen, daß er nur
Stenogramme aufnimmt, aber eine an-
dere Person die Übertragung vornimmt.
Denkbar, ja, besonders günstig wäre auch
ein Verfahren, wonach eine Hilfskraft dem
Stenotypisten nach der Aufnahme den Band-
text in die Maschine diktiert.
Außer der Möglichkeit, Silben und ganze
Wörter mit einem Anschlag auf mehreren
Tasten niederzuschreiben, ist die rasche
Schreibweise dadurch erleichtert, daß für
verschiedene der üblichen Buchstaben die
Taste fehlt. So steht z. B. ein „K" auch für
den Laut „G", oder F auch für V, ein T für D.
Da immer silbenweise geschrieben wird,
steht also auf dem Schreibband anstatt „die
Tasse" nur: TI — TA— SE. Eine ganze An-
zahl solcher Vereinfachungen haben sich
sehr bewährt.
Erst seit wenigen Wochen ist diese im
Ausland seit vielen Jahren schon bekannte
Maschine auch in Deutschland in der Ein-
führung begriffen. Da das Stenogramm eine
exakte Druckschrift mit einer denkbar schnel-
len Aufzeichnungsfähigkeit vereinigt, ist da-
mit zu rechnen, daß die Einführung auch in
Deutschland Erfolg hat. Die leichte Bedie-
nung läßt keine Ermüdungserscheinungen
aufkommmen. Bei einem Wettbewerb in
Paris wurden Schreibgeschwindigkeiten er-
zielt, die bei immer wiederholten Sätzen
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weit höher lagen, als irgendein Mensch zu
sprechen vermag. In Deutschland wurde die
Maschine zuerst benutzt beim Alliierten
Kontrollrat in Berlin. Sie ist beim Auswär-
tigen Amt in London im Gebrauch, beim
Internationalen Arbeitsamt in Genf, bei den
Tagungen der UNO und bei vielen inter-
nationalen Konferenzen der westlichen Welt.
Es ist offensichtlich so, daß sich die Maschine
seit rund 20 Jahren durchaus bewährt hat.
Selbstverständlich ist es erforderlich, daß
der Stenotypist oder, wie man hier sagt, dei
Stenotyper", dieses „Stenotypieren" nach
einer bestimmten Methode erst erlernen
muß. Erfahrungsgemäß ist aber das Erlernen
und auch das Erreichen einer verblüffend
hohen Schreibgeschwindigkeit sehr viel
rascher möglich, als bei den bisherigen
Methoden der Stenografie.
Es wäre interessant und wünschenswert,
wenn ein kriegsblinder Stenotypist sich ver-
suchsweise einmal mit dieser Maschine be-
fassen könnte, und wir zweifeln nicht daran,
daß die deutsche Lieferfirma der Maschine
(Gustav A. Mücher, München 25) ihm dabei
zur Seite stehen würde. Es sollte jedenfalls
nichts unversucht bleiben, um neue Berufs
möglichkeiten auf solche Weise auszukund'
Schäften. Schlimm steht es nur mit dem An-
schaffungspreis: die komplette Maschine
einschl. Handkoffer, Leseständer und Lehr-
anweisung kostet 840 DM. Aber vielleicht
lassen sich Hilfen finden, und für den Auf-
bau eines Berufs muß man schon einiges
einsetzen können.
Kriegsblinde, die sich für die Maschine
interessieren, können sich gern an die
Schriftleitung „Der Kriegsblinde", Bielefeld,
Stapenhorststraße 138, wenden. Begrüßens-
wert wäre es vor allem, wenn ein Kamerad
in München in Verbindung mit der dortigen
Lieferfirma einmal einen Versuch wagen
würde.
Das Ablesen des Textes ist nach kurzer Übung
nicht schwer und wird durch ein Lesegerät er-
leichtert. Einem blinden Stenotypisten müßte
allerdings der Text für die Reinschritt in die
Schreibmaschine diktiert werden. Denkbar wäre
auch, daß der Stenotypist nur damit beschäitigt
wird, Reden oder Verhandlungen mitzuschreiben.
Die Übertragung eriolgt dann durch eine
Schreibkraft.
Fabrikant G. Bauknecht 60 Jahre alt
Der Stuttgarter Fabrikant G. Bau-
knecht vollendete am 30. April sein
60. Lebensjahr. Vom kleinen Handwerker
zum einflußreichen Industriellen aufgestie-
gen, spricht der Lebensweg dieses hervor-
ragenden Mannes für das, was sich mit
Tüchtigkeit und Energie erreichen läßt. Die
elektrischen Küchenmaschinen, die das Bau-
knechtzeichen tragen, sind seit Jahren weit
bekannt. Unsere besonderen Glückwünsche
gelten dem Jubilar deshalb, weil er und
seine Firma immer wieder für die Sorgen
und Anliegen der Kriegsblinden ein vorbild-
liches Verständnis gezeigt haben.
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\ leiste JxcustrfK eifert
Hände
Ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes von
Einbeck bei Göttingen beobachtete, wie ein
Arbeiter in einer Fahrradfabrik beim
Speicheneinziehen arbeitete, ohne
hinzusehen. Er schlug der Leitung des Wer-
kes vor, diese Arbeit einer 30jährigen blin-
den Frau zu übertragen. Die Werksleitung
erklärte sich sofort bereit, und die Frau
erhielt den Arbeitsplatz zur höchsten Zu-
friedenheit aller Beteiligten. Ein ebenso
lobenswerter wie bezeichnender Vorgang!
Nur ganz persönliche Initiative entdeckt und
erschließt Arbeitsplätze für Blinde!
*
Eine vorbildliche Anweisung ging an die
Wohnungsämter der Stadt- und Land-
kreise des Verwaltungsbezirks Braunschweig:
bei der Zuteilung freien Wohnraums soll den
Blinden größtes Verständnis entgegenge-
bracht und ihren Wünschen weitgehend ent-
sprochen werden.
*
Die jüngste Autofahrerin Euro-
pas ist die zwölfjährige Colette Grosgeorges
in Paris, die ihren kriegsblinden Vater zu
den verschiedensten Kirchen und zu ört-
lichen Trauerfeiern fährt, bei denen er als
Organist mitwirkt. Vor einem Jahr bean-
tragte er mit Erfolg, daß man seiner Tochter
einen Führerschein geben möchte. Colette ist
seitdem 10 000 km unfallfrei gefahren, aller-
dings mit einem Kleinstwagen mit einem
124-ccm-Motor. Das tüchtige Mädchen be-
wältigt außerdem noch die Anforderungen
der Schule.
*
Die noch junge wissenschaftliche Lehre,
daß man durch Farbeneinwirkung
Einflüsse auf den Körper gewinnen und so-
gar Krankheiten heilen könne, hat in angel-
sächsischen Ländern zu interessanten Ver-
suchen mit Blinden geführt: Es wurde fest-
gestellt, daß auch völlig Erblindete auf Far-
ben reagieren. Wenn man sie mit rotem
Licht anleuchtete, beschleunigte sich sofort
jder Puls.
*
In Gegenwart des türkischen Botschafters
'und türkischer Theaterfachleute fand in
Iserlohn die deutsche Erstaufführung des
Schauspiels „DerBlinde" von Vedat
Nedim Tör statt. Das Stück, das 1950 auch in
Paris aufgeführt wurde, schildert die Pro-
bleme einer Ehe zwischen einem Blinden und
einer sehenden Frau, allerdings von einer
sehr türkischen und uns fremden Denkweise
her. Als schönes Lied auf die eheliche Liebe
fand das Stück aber auch beim deutschen
Publikum viel Beifall.
*
König FarukvonAgyptenhat neben
| anderen Liebhabereien auch eine Vorliebe
für den deutschen Schäferhund. Seine Zucht
umfaßt rund 50 Hunde. Der König hat sich
mit seiner Zucht jetzt der deutschen Haupt-
| Organisation, nämlich der zuchtbuchführen-
; den Instanz des Vereins für deutsche Schäfer-
jhunde in Augsburg angeschlossen.
*
Durch eine Zeitungsanzeige bat ein 79jäh-
: riger blinder Rentner in Kaiserslautern kürz-
lich darum, daß ihm ein Menschenfreund die
jTageszeitungvorlesen möchte. Von
| den 70 000 Einwohnern der Stadt meldete
I sich ein einziger, ein 65j ähriger Justizober-
| Sekretär. „Ob er standhält, weiß ich noch
i nicht", zweifelt der Blinde.
*
Der Ehrgeiz eines Pfadfinders ist es,
jeden Tag eine gute Tat zu tun. So haben
es die St. -Georgs-Pfadfinder von Fulda über-
nommen, blinde Mitmenschen, denen es an
der notwendigen Begleitung fehlt, wöchent-
lich ein- oder mehrmals spazieren zu führen.
Der Verband der Kriegsblinden Öster-
reichs pachtete vor über fünf Jahren ein
Erholungsheim in Waxenberg
(Mühlviertel). Die diesjährige Kursaison
sieht vom 17. Mai bis 4. Oktober fünfmal
einen Turnus von je vier Wochen Aufent-
halt vor.
*
Blinde Telefonisten in englischen Regie-
rungsstellen erreichten eine Erhöhung ihres
Wochenlohnes von 120 auf 134 Schil-
ling (ca. 78,— DM).
*
In Tokio erschien erstmalig ein englisch-
japanisches Wörterbuch in Blinden-
schrift.
Zum Thema Sportmeisterschaft
Zu dem Aufruf unseres Kameraden Schmit-
gen, die besten kriegsblinden Sportler zu
ermitteln, scheinen sich hier und da Miß-
verständnisse ergeben zu haben. Es sei daher
betont, daß jeder von uns mitmachen sollte,
auch wenn er nur gelegentlich Sport betreibt
oder keine Spitzenleistungen aufweisen
kann. Es soll auf diese Weise ja nur be-
kundet werden, daß wir keine lebensfremden
Stubenhocker sind. Auch genügt es völlig,
wenn ein Kamerad nur eine einzige Sport-
art, also 300-m-Schwimmen oder Kugelstoßen
vorzieht. Sicherlich findet sich in jedem Ort
ein Sportverein, der die Leistung gern be-
scheinigt.
Also Mut! Meldet eure Teilnahme an die
Schriftleitung „Der Kriegsblinde", Bielefeld,
Stapenhorststraße 138. Wer mitmacht, be-
lohnt sich selber!
Ein Einbrecher schweißte in London
einen Safe auf und raubte 1000 Pfund Ster-
ling. Um sein Gewissen zu beruhigen, gab
er eine Schachtel voll Münzen als kleinen
Anteil den Blinden, die sich für Spenden
dieser Art hoffentlich — bedanken.
*
Aus einer Resolution der Nationalen Liga
der Blinden in Irland geht hervor, daß
dort noch manche Rückständigkeit
herrscht. Mangelhaft ist vor allem das
System der Erziehung blinder Kinder, die
nicht dem Schulzwang unterliegen. Auch
wird wenig getan, um blinde Frauen beruf-
lich zu beschäftigen.
In der schottischen Stadt Glasgow beklag-
ten sich die Blinden über eine Anordnung
der Gesundheitsbehörde, wonach das Mit-
nehmen von Hunden in Lebens-
mittelgeschäfte und Restaurants ver-
boten worden ist. Die Vereinigung der Blin-
denführhundhalter erreichte für Führhunde
die Aufhebung des Verbotes. Dazu meint
der „Horizont", die offizielle Zeitschrift der
Nationalen Liga der Blinden von Groß-
britannien und Irland abweisend: „Wir be-
dauern diese Ausnahmebestimmung. Blinde
haben die gleiche Verantwortung als Staats-
bürger wie das allgemeine Publikum, und
sie sollten nicht versuchen, ihre Erblindung
dazu zu gebrauchen, um dieser Verantwort-
lichkeit zu entgehen."
*
Als Wegweiser für Betriebsräte, Arbeits-
richter und andere mit Fragen des Berufs-
lebens sich befassende Personen ist in der
DAG-Schriftenreihe (Nord Verlag, Ham-
burg 36, Holstenwall) eine sachkundige
Schrift „Kündigungsschutz und Kün-
digungsrecht der Angestellten" erschienen
(Preis 1 DM). Eine weitere Schrift erläutert
das Mutterschutzgesetz.
Hände, die den Schlägel führten,
Hände, die nach Kohle schürten,
Die den Spaten in das Erdreich stießen,
Bauernhände, hart und schwer,
Die nie von der Arbeit ließen,
Heute schaffen sie nicht mehr.
Hände, nimmermüde Hände,
Eure Arbeit ist zu Ende.
Hände, die am Amboß schafften,
Hände, die die Segel rafften
Die voll Fleiß am Schraubstock feilten,
Hände, welche Netze zurrten,
Steine klopften, Taue speilten,
Hände, die nicht müde wurden,
Heute schaffen sie nicht mehr.
Hände, nimmermüde Hände,
Eure Arbeit ist zu Ende.
Hände, die die Feder führten,
Hände, welche musizierten,
Künstlerhände zart und eben
Hände, die den Taktstock heben,
Hände, die den Stein behauten,
Hände, die uns Dome bauten,
Heute schaffen sie nicht mehr.
Hände, nimmermüde Hände,
Eure Arbeit ist zu Ende.
Hände, ihr könnt nicht mehr bauen,
Nicht mehr graben, nicht mehr spielen,
Nicht mehr schaffen, ihr müßt schauen,
Ihr müßt tasten, ihr müßt fühlen.
Dinge, die uns wert gewesen,
Die wir nicht mehr sehen können,
Bücher, die wir gern gelesen,
Worte, die im Herzen brennen.
Dichterworte, tausend Punkte,
Hände gleiten drüber hin
Und enträtseln ihren Sinn.
Hände, nimmermüde Hände,
Eure Arbeit ist noch lange
nicht zu Ende.
Kriegsblinder Christoph Burmester
Die erst vor kurzer Zeit mit kleinstem
Kapital gegründete Colonia-Versand-
buchhandlung in Köln-Lindenthal,
Kronenburger Straße 10, stiftete der Bun-
desleitung einige zum Vorlesen für Kriegs-
blinde besonders geeignete Bücher — ein
nachahmenswertes und vorbildliches Vor-
gehen. Bei dieser Gelegenheit wiederholen
wir den Wunsch unserer Erholungsfürsorge,
daß die Kameraden, die unsere Heime be-
suchen, doch Spiele oder Bücher mit-
bringen und dem Heim schenkungsweise
überlassen möchten.
/hrruhtigm
üto-3eder
17
Für unsere Schachfreunde
Schachmeisterschaften 1952 für Blinde der Bundesrepublik
CONTINENTAL RUNDFUNK G-M-B-H
Das Blindenerholungsheim Meschede
(Sauerland) stand in der Zeit vom 5. bis
14. 4. 1952 im Zeichen des Schachsports. 27
blinde Schachfreunde aus West, Nord und Süd
nahmen an der diesjährigen Meisterschaft
teil. Zählt man den Turnierleiter, seine Hilfs-
kraft und einen Beobachter, den die Blinden-
schule Warstein schickte, hinzu, so ergibt
sich die stattliche Anzahl von 30 schachfreu-
digen Menschen gegenüber 17 beim vorjäh-
rigen Turnier in Stukenbrock. Diese Tat-
sache allein schon läßt den Aufschwung
ahnen, den das Schach unter den Blinden in
der Zeit des einjährigen Bestehens des Deut-
schen Blinden-Schachbundes genommen hat.
Die Teilnehmer befaßten sich am Vorabend
des Turniers in mehreren Zusammenkünften
eingehend mit den Problemen des Blinden-
schachs, umrissen die künftigen Aufgaben,
legten eine Turnierordnung fest, klärten die
Auf- und Abstiegsfrage und wählten den
Vorstand des Blinden-Schachbundes neu. Der
bisherige Vorstand, bestehend aus H. Ueker-
mann, Herford (1. Vorsitzender), W. Böhnke,
Stukenbrock (Kassierer), G. Mertens, Köln
(Pressewart), wurde wiedergewählt und durch
die Wahl von F. Rauer, Freiburg i. Breisgau
(2. Vorsitzender), und F. Uekermann, Lieme
(Schriftführer), erweitert.
Gespielt wurde in 2 Klassen, und zwar
in der Meisterklasse mit 1 1 Mann und
im Hauptturnier mit 16 Mann, d. h. im
letzteren gingen sogar 3 weibliche Teilneh-
mer an den Start. Der Kampf in der Meister-
klasse verlief äußerst spannungsreich. Fast
jede Runde brachte Überraschungen. Es wurde
mit großem Ernst und Eifer gespielt, und
jeder gab sein Bestes. W. W ü r t z, Köln,
holte sich wiederum den Titel eines B 1 i n -
den-Schachmeisters der Bundes-
republik. In ihm siegte der erfahrungsreichste
und beständigste der Spieler.
Turnierergebnis der Meisterklasse:
1. W. Würtz, Köln 8V2 Punkte
2. G. Mertens, Köln 7
3. F. Diehl, Köln 6V2 „
4. H. Uekermann, Herford 6 „
5. W. Stelk, Kiel 5V2 „
6. F. Eckert, Bocholt 4V2
7. F. Rauer, Freiburg (Breisgau) 4 „
8. F. Steidele, Gelsenkirchen 4 „
9. F. Uekermann, Lieme 4 „
10. F. Redeker, Bockhorst 4
11. H. Grürmann, Plettenberg 1 „
Die ersten fünf Plätze im Hauptturnier be-
legten: W. Böhnke, Stukenbrock, 9Va Punkte;
R. Steinbach, Koblenz, 9»/ä Punkte; W. Rose,
Kiel, 7V2 Punkte; H. Lichy, Köln, 7 Punkte,
und H. Bonet, Schwäbisch-Alm, 6V2 Punkte.
Mit dem Abschneiden der (nur) 3 kriegs-
blinden Teilnehmer Mertens, Eckert
und Steidele kann man sehr zufrieden sein^
Eckert sicherte sich durch einen Sieg über
Diehl in der letzten Runde noch einen be-
achtlichen 6. Platz. Steidele hatte einen aus-
gezeichneten Start, ließ sich aber dann durch
eine unerwartete Niederlage etwas aus der
Bahn werfen. Die künftig in dieser Schach-
spalte veröffentlichten Partien werden Zeug-
nis ablegen von dem Können unserer kriegs-
blinden Schachfreunde.
Der Deutsche Schachbund bekundete sein
Interesse am Blindenschach damit, daß er
seinen Generalsekretär, Schachmei-
ster Alfred Brinckmann (Kiel), als Tur-
nierleiter zur Verfügung stellte, was gar
nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Mit Herrn Brinckmann waren wir" in jeder
Weise zufrieden. Er erfreute sich unter den
Teilnehmern einer großen Beliebtheit, kühlte
durch seinen unnachahmlichen Humor die
heißen Köpfe des öfteren merklich ab und
weilte auch nach dem Spiel immer unter uns.
Er äußerte nach dem Turnier, die Blinden-
schachmeisterschaft in Meschede sei eines
der schönsten Schacherlebnisse in seiner lan-
gen Laufbahn gewesen. Besonders lobend
sprach er sich aus über das beachtliche
Spielniveau, das die blinden „Meister" ent-
wickelt hätten.
Die Klärung der Kostenfrage des Turniers
war auch in diesem Jahre mit erheblichen
Schwierigkeiten verbunden. Dank der Unter-
stützung durch die Blindenorganisationen,
insbesondere durch den Landes-Blindenaus-
schuß Nordrhein-Westfalen, fand die Finanz-
frage schließlich doch eine erträgliche Lösung.
6 Teilnehmer mußten jedoch ihre Unkosten
voll, andere teilweise aus eigener Tasche
bestreiten. Der Bund der Kriegsblinden be-
wies sein Verständnis durch Übernahme der
Kosten seiner 3 Mitglieder und durch Stif-
tung eines Betrages zur Beschaffung von
Preisen. Lob verdienen auch die Blinden-
schulen Ilvesheim, Hannover und Warstein,
die auf ihre Kosten Teilnehmer entsandten,
erstere zusätzlich noch den Herrn Blinden-
lehrer Joh, der dem Turnierleiter bei der
Erledigung seiner nicht leichten Aufgabe zur
Seite stand.
Die Heimleitung und das Heimpersonal
taten ihr möglichstes, um den Schachfreun-
den den Aufenthalt so angenehm wie mög-
lich zu machen. Allen, die materiell oder
ideell zum Zustandekommen dieser Schach-
8/9 KREIS- SERIE
( höchke k.txwqfcUpnh,eLi:
^rößt/lrettnßiarß, brillanter UKWlnififana
SEIT 25 JAHREN SPITZENKLASSE
meisterschaft für Blinde 1952 beitrugen, sei
im Namen der Turnierteilnehmer, . die um
ein schönes Erlebnis reicher wurden, auch
an dieser Stelle herzlich Dank gesagt.
Möge es gelingen, die gesamtdeut-
sche Schachmeisterschaft für
Blinde im Herbst 1952 auf westdeutschem
Boden auszutragen.
Daß nur 3 Kriegsblinde an dem gut ge-
lungenen Turnier teilnahmen, ist eigentlich
recht bedauerlich. Es wäre schön, wenn sich
diese Zahl bis zum nächsten Turnier wenig-
stens verdoppelte. Der Unterzeichnete richtet
an die kriegsblinden Schachfreunde nochmals
die dringende Bitte, sich mit ihm in Verbin-
dung zu setzen!
Gabriel Mertens, Köln-Nippes, Escher Straße 63
Kriegsblinde Schwimmer
Bei einem Versehrten-Schwi mm -
fest in Augsburg gingen unter großem
Beifall der Zuschauer auch zwei Kriegsblinde
an den Start, und zwar die Kameraden
B ü h 1 e r (Augsburg) und Bertholdt
(Nürnberg), letzterer als 55jähriger. Da
keine Bahnseile angebracht waren, ergab
sich für beide ein „Verschwimmen". Das
Dirigieren durch Lautsprecher bewährte sich
nicht. Trotzdem schwamm Kam. Bertholdt,
wenn ihn auch der 37jährige Kam. Bühler
schlug, um 3,1 Sek. besser als letzthin bei
einem Schwimmfest in Nürnberg.
J2>.
<yr
asvi
wx/zer
Man dachte an den Kalendermann . . .
»Die Geschichte des Askid Thorgilsson" (NWDR)
Zuweilen kann man sich des Eindrucks
nicht erwehren, das zweite Programm werde
— in bezug auf das Hörspiel — als eine Art
Mülleimer der Mittelwelle betrachtet. Das
mag hart klingen, ungerecht ist es nicht, vor
allem, wenn man an eine Reihe von Krimi-
nal- und Kurzhörspielen denkt, die weit un-
ter dem Mindestanspruch blieben, die man
auch an „leichte" Sendungen stellen muß.
Die Dialoge z. B. in dem als „Funkkomödie"
bezeichneten Hörspiel von Rudolf Oswald
Diehl „Und wehe dem, der nichts geleistet
hat" wirkten über weite Strecken so, als
seien sie einem Groschenroman entnommen.
Sicher ist es nicht leicht, gerade die immer
wieder von den Hörern geäußerten Wünsche
nach heiteren Hörspielen zu erfüllen, aber
wer es unternimmt, das Schicksal zweier
Rußlandheimkehrer zu schildern, von denen
der eine im Zivilleben sehr gut, der andere
sehr schlecht zurechtkommt, der muß mehr
mitbringen als ein bißchen auf aktuell fri-
sierten Rudolf-Herzog- oder Courths-Mahler-
„Humor". Am besten ist es immer noch, sich
an eine einfache und handfeste Fabel zu
halten. Ernst Rottluff tut das in seinem (vor
einiger Zeit schon vom Sender Saarbrücken
gesendeten) Hörspiel „Die Geschichte des
Askid Thorgilsson". Die Vorgänge — der
Mord an einem Viehhändler und die Verur-
teilung des unschuldigen Zimmermannes
Thorgilsson — dienen dem Autor, der sein
Handwerk beherrscht, nur dazu, die Frage
von Schuld und Sühne, von Rache und Über-
windung der Rachegefühle so darzulegen,
daß der Hörer sich zu einer Selbstprüfung
aufgerufen fühlen soll. Zuweilen dachte man
an den Kalendermann Johann Peter Hebel,
doch da sein „Merke!" als ein moralischer
Hinweis an keiner Stelle des Hörspiels auf-^
dringlich ausgesprochen wurde, so konnte
-man, auch wenn der Schluß nicht voll be-
friedigte, zufrieden sein, zumal- da auch die
Regie von Eduard Hermann — trotz der sich;
allzu selbständig gebärdenden Musik von
B. A. Zimmermann — das Hauptgewicht auf
das entscheidende Schlußgespräch zwischen
dem zu Unrecht Verurteilten und dem wirk-:
liehen Mörder legte.
18
Reiz und Gefahr der Realistik
„Der Fuchs" (Hessischer Rundfunk)
Typisch für Inszenierungen in Frankfurt
ist der Realismus, der ■'— mit Sorgfalt und
Eifer gepflegt -—- nicht selten zum Deutlich-
machen des dramatischen Gegenstandes bei-
trägt. Aber birgt er nicht zugleich die Ge-
fahr in sich, daß das Interesse des Hörers
auf das äußere anstatt auf das innere Ge-
schehen hingelenkt wird? Und könnte sich
diese Vermutung nicht gerade bei einem
Gegenstand bewahrheiten, der sich so sehr
und fast ausschließlich, wie dies bei D. H.
Lawrences Novelle vom Fuchs der Fall ist,
auf dem Gebiet des Seelischen bewegt? Ge-
wiß birgt die Geschichte von dem jungen
Mann, der (wie der Fuchs in den Hühnerstall)
in das komplizierte Zusammenleben der zwei
vom Stadtleben enttäuschten Einsiedlerinnen
einbricht, auch ein gutes Stück handfesten
äußeren Geschehens. Aber -es ist nichts als
die Spiegelung eines großen inneren Rin-
gens, das klar und glaubhaft zu machen
Hauptanliegen der Sendung sein mußte. Von
hier aus gesehen, hätte die vonFränze Roloff
mit spürbarer Liebe (teils auf einem Bauern-
hof im Taunus) geleitete Inszenierung von
Erich Kubys Bearbeitung nur gewinnen kön-
nen, wenn man das. Rankenwerk, nicht so
üppig hätte, wuchern lassen und die fast
anderthalb Stunden der Sendung um ein
Drittel gekürzt hätte. Man hätte der ohnehin
quälenden Thematik, die so merkwürdig an
den späten Billinger erinnert, etwas von
ihrer Zähflüssigkeit genommen, wenn auch
die seltsame, ausgerechnet von dem Orts-
pfarrer ausgesprochene Schlußmoral, wonach
man sich „auf die Seite des Lebens schlagen"
müsse, dadurch kaum einleuchtender gewor-
den wäre. Wer Lawrence kennt, weiß, daß
sie die Quintessenz seiner Lebensanschauung
ausmacht. Aber geht sie uns, so wie der
englische Dichter sie meinte, heute so stark
an, daß von ihr aus die Wiederbelebung des
wenig erfreulichen Gegenstandes überhaupt
gerechtfertigt erscheinen müßte?
„ . . . wird sich in Schweden nicht halten
können."
„Gösfa Berling" als Hörspiel (Beromünster-)
Als „Gösta Berling" vor mehr als fünfzig
Jahren erschien, schrieb ein Stockholmer
Kritiker: Das Buch, in dem sich Faune und
andere phantastische Ausgeburten kranker
Gehirne breitmachen, „wird sich in Schwe-
den nicht halten können". — Nun — „Gösta
Berling" hat sich gehalten. Mit der Dramati-
sierung und Verfilmung war die 1940 ver-
storbene Dichterin nicht einverstanden. Die
Hörspielbearbeitung der „Kollegin" Oda
Schaefer würde sie vielleicht gebilligt ha-
ben. Genau genommen war es gar keine
Bearbeitung. „Als Hörspiel zusammenge-
gestellt" . . . hieß es in der Ansage. Was die
Vorlage auszeichnet, die Mischung von Le-
benskraft und einer trotz aller Anfälligkeit
im Grunde unzerstörbaren Ritterlichkeit, wie
sie in der Haltung der „Kavaliere vonEkeby"
zutage tritt, entspricht auf eine merkwür-
dige Art der Schweizer Ethik und Erzähler-
tradition. Vielleicht ist es darum dem Re-
gisseur Arthur Welti und seinen sehr reich
differenzierenden Sprechern so gut gelungen,
das zugleich Harte, Dramatisch-Erregende
und das Zarte, ja verschämt Christliche der
Wärmland-Geschichte von Selma Lagerlöf
dem Hörer nahezubringen. Wenn auch sonst
die Möglichkeit, Personen zu charakterisie-
ren, auf Kosten der Handlung geht — hier
war die Gefahr gemildert, weil der Haupt-
vorgang, wie ein Holzschnitt herausgehoben,
mehr vom Wesen der Saga enthält als von
der Psychologie des modernen Romans. Na-
türlich wird bei jeder Bearbeitung Wesent-
liches wegfallen. Hier mußte das Ranken-
werk der Nebenfiguren und Nebenhandlun-
gen zurechtgestutzt werden — von den wild
wuchernden Zweigen einer begnadeten Er-
zählerphantasie blieben nur ein paar „Knub-
ben" — aus ihnen noch konnte man er-
messen, welch ein gewaltiger Baum das
schwedische Epos „Gösta Berling" in seiner
Urfassung ist!
Schuld — sehr klein geschrieben
„Mr. Gillie", Hörspiel von James Bridie (RIAS)
Verdient es der Dorfschullehrer Gillie
wirklich, als Unsterblicher zwischen Lincoln
und Pestalozzi Platz nehmen zu dürfen? Der
Autor James Bridie, der uns das Wesensbild
seines seltsamen Helden zeichnet, ohne die
Schattenseiten zu unterschlagen, rechtfertigt
diese Ehrung damit, daß Mr. Gillie ein guter
Mensch gewesen sei, ein „Altruist", einer,
der „Käfige öffnete, um Vögel freizulassen".
Daß die Vögel — seine begabteren Schüler
— zu kurze Flügel haben und von der Katze
gefressen werden — „war es seine Schuld?"
Gut, so möchten wir beipflichten, es kommt
mehr auf die Gesinnung an als auf den Er-
folg, und es verdient großen Dank, daß hier
einmal die Redlichkeit im Mittelpunkt steht
und nicht die Bosheit oder die Krankheit —
aber unsterblich? Langt auch nur für dieses
recht humanitäre Idol eine Redlichkeit, die
guten Glaubens andere Menschen auf ge-
fährliche Bahnen bringt? Es ist doch keine
Frage, daß Mr. Gillie große Schuld auf sich
lädt — und er erfährt es sogar mit Schrecken
— , aber daß er keine Konsequenzen daraus
zieht, nicht einmal die, sich als Stümper oder
gar als Irrenden zu erkennen. Es fehlt ihm
also jede Demut, und allein das — nicht
seine Illusionen und nicht seine Schuld —
müßte ihm den Weg in die Ewigkeit —
selbst die der „guten" Menschen — ver-
sperren. Davon hätte in diesem Stück mit
seinen geschickten, aber nicht immer rund-
lunkgemäßen Bühnenauftritten die Rede sein
sollen. So war schon Schluß, als nicht viel
mehr als die Exposition vorbei war. Trotz-
dem: vieles bleibt in sehr sympathischer Er-
innerung, auch die Aufführung unter Her-
mann Schindler.
JDrogrammvorscliau für j^törspiele
NWDR: „Die Liebe der vier Obersten" von Peter Ustinow
Frankfurt: „Leuchtturm 7" von Hansulrich Röhl
Saarbrücken: „Der Fall Mauricius" nach Wassermann v. K. H. Rabe
Beromünster: „Tulpenkomödie" von Paul Schurek
NWDR/UKW-Nord: Hörszene: „Mord oder Selbstmord?" von Bero
Frankfurt: „Das Floß der Medusa" nach Georg Kaiser
NWDR/UKW-West: „Salvatore Giuliano" (Sizilien) von Werner Helwig
Südwestfunk/UKW: „Barbara geteilt durch elf" von Egon Jameson
Stuttgart: „Erpressung" von Patrick Hamilton
Beromünster: „Marignano" von C. Friedr. Wiegand
München: „Die Smaragden-Geschichte" nach E. Ph. Oppenheim
Bremen: „Bar Geld int Huus" von G. v. d. Vring und E. Schiff
Stuttgart: „Die Defraudanten" nach Alfred Polgar von R. A. Stemmle
Frankfurt: „Darfst du die Stunde rufen?" von Erwin Wickert
Frankfurt/UKW: „Das verschlossene Haus" nach M. Harward v. G. Goebel
NWDR/UKW-West: „Kampf gegen den Tod" (I) von P. Lotar
NWDR/UKW-Nord: „Der Prozeß in Rouen" (Johanna v. Are)
Südwestfunk u. Bremen: „Unkraut unter dem Weizen" v. E. Bonett u. E. Wickert
München: „Sintelmann kommt" von Georg Schwarz
NWDR: „Fahr wohl, Benjowsky" von Hans Hömberg
Stuttgart: „Der neue Mantel" nach Gogol von Max Gundermann
RIAS: „Umzug ins Altersheim" von Erna Weißenborn
Saarbrücken: „Verdammt in alle Ewigkeit" nach James Jones
Beromünster: „Die Gestrandeten" von Francis Borghi
München/UKW: „Das Geheimnis" von Vinicio Salati
NWDR/UKW-Nord: „Armer Vater Philipp" von Dieter Rohkohl
NWDR/UKW-West: „Das Wasser steigt" von Alexander Spoerl
Südwestfunk/UKW: „Eine alltägliche Geschichte" von Jochen Huth
München/UKW: „Der Windhund" von Klaus Brill
Stuttgart: „Konferenz in Kristobal" von Walter Erich Schäfer
Frankfurt: „Radium" von Günter Eich
Südwestfunk: „Blick auf Venedig" von Günter Eich
Frankfurt/UKW: „Das war Mama" nach J. van Druten, von Carl Zuckmayer
München: „Die Erau von der Insel Andros" von Thornton Wilder
RIAS: „Asternplatz" von Heinz Oscar Wuttig
NWDR/UKW-West: „Liselotte von der Pfalz" von Emil Strodthoff
Stuttgart: „Fis mit Obertönen" von Günter Eich
Bremen: „Zeichen des Kreuzes" von Gabriel Marcel
NWDR: „Ich habe ein schönes Schloß" von Georges Neveux
Bremen/UKW: „Kleider ohne Leute" von Romain Gary
NWDR/UKW-Nord: „10 kleine Negerlein" von Dorothy L. Sayers
Südwestfunkt/UKW: „Herr Lamberthier" von Louis Verneuil
München: „Das kleine Hofkonzert" von Verhoeven und Impekoven •
Frankfurt: „Der Stoß nach Ssogrebitsche" von Rolf Honold
NWDR/UKW-West: „Wir kennen uns nicht mehr" von Bruno Wellenkamp
Südwestfunk: „Die Geschichte des Askid Thorgilsson" von E, Rottluff
NWDR/UKW-Nord: „Die verschlossene. Tür" von F. v. Hoerschelmann
Bremen: „Das große Messer" von Clifford Odets
NWDR: „Dunkle Wünsche" von Dr. Walther v. Hollander
NWDR/UKW-Nord: „Tumult beim Fußball" (Rechtsfragen) von Bero
Frankfurt: „Die Brücke von Berzcaba" von Heinrich Böll
Frankfurt: „Das Lied in der Steppe" von Barbara Zaehle
Südwestfunk und Bremen; „Der ideale Gatte" von Oscar Wilde
NWDR/UKW-West: „Der Menschenfreund" von Arkady Avertschenko
München: „Der Delphin" von Ernst und Günter Penzold
Frankfurt/UKW: „Darfst du die Stunde rufen?" von Erwin Wickert
NWDR: „Des Menschen Unterhaltsprozeß gegen Gott". Ein Weihespiel.
NWDR: „Vom Sinn des Lebens". Aus Werk und Leben A. Schweitzers
Südwestfunk/UKW: „Sieben Tage" von Paul Hühnerfeld
Frankfurt: „Viel Lärm um nichts" von Shakespeare (ßearbtg.: H. Kettler)
Hat dir ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
. * Denke an den „Hörspiel-Preis der Kriegsblinden"!
15.5.
20.00
20.10
20.20
20.30
16.5.
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17.5.
14.15
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1-7.00
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13.6.
20.00
23.00
14.6.
20.45
16.6.
19
Ein sehr armseliger Blinder
Bemerkungen zu dem Buch „Der Blinde" von Walter Jens
Nachdem wir im Dezemberheft des „Kriegs-
blinden" (Seite 24) eine kurze, kritische Notiz
über die im Rowohltverlag erschienene No-
velle „Der Blinde" von Walter Jens ver-
öffentlicht haben, sind uns immer wieder
ablehnende oder doch skeptische Äußerun-
gen zu diesem Buch zugegangen, nicht nur
von Kriegsblinden, sondern auch von Sehen-
den. Das Buch hat in der literarischen Öffent-
lichkeit ein erstaunliches Aufsehen erregt,
obwohl es erst das zweite Werk eines noch
nicht dreißigjährigen Autors ist, und höch-
stes Lob steht scharfer Kritik gegenüber. Es
ist daher gerechtfertigt, wenn wir auch
unsererseits dem Buch eine Betrachtung wid-
men, denn das innere Schicksal eines
Späterblindeten steht hier im Vor-
dergrund.
Dazu muß allerdings erklärend gesagt
werden, daß der Verfasser Walter Jens —
von dem neuerdings auch Hörspiele im
Funkprogramm zu finden sind — mit seiner
Novelle eben nur im Vordergrund einen
Blinden zeichnet, nicht um das Wesen und
Schicksal eines Blinden zu schildern, sondern
um für tiefere Bezüge, die er meint, ein
Gleichnis zu zeigen. Es wäre also ungerecht,
das Buch nur deshalb abzulehnen, weil es
das Wesen und die inneren Hilfskräfte eines
Blinden verzerrt. Andererseits aber müssen
wir es bedauern, daß Walter Jens die see-
lische Not eines Späterblindeten hier für
seine Zwecke mit einer Einseitigkeit und
einer geradezu niederdrückenden Zielrich-
tung darstellt, die bei allen Lesern ein Miß-
trauen gegen jeden Erblindeten
zurücklassen muß, auch wenn die Leser ver-
stehen, daß Walter Jens etwas anderes
meint, eine Seinsdeutung im existentialisti-
schen, ja, eigentlich nihilistischen Sinn.
Walter Jens meint nicht einen Blinden, son-
dern die gefährdete, „geblendete" Mensch-
heit, der er so etwas wie einen moralischen
Halt mit dem Hinweis auf die Gemeinschaft
von Ich und Du geben will.
Hören wir zunächst einmal, was unser Ka-
merad Hans Schmalfuß (Hof) zu diesem
Buch sagt:
„über den Verfasser weiß die Zeitschrift
„Der Monat" viel Erfreuliches zu sagen:
Walter Jens sei eine Hoffnung, auf die man
setzen dürfe, eine profilierte Erscheinung,
an der niemand vorübergehen könne, der
von der deutschen Literatur der Gegenwart
spreche. Das Erstlingswerk des jungen Dich-
ters sei bereits auch in französischer, hol-
ländischer, spanischer und japanischer Aus-
gabe erschienen. „Der Blinde" sei das zweite
Werk. Schon mit diesen beiden Büchern
müsse Jens mit in die erste Reihe der deut-
schen Schriftsteller gerechnet werden und
die Hoffnung solle nicht trügen, daß hier
einer zu denken und zu schreiben verstehe,
der weiterhin die Beobachtung der Welt ver-
dienen werde.
Dem Autor wird also schon ein überaus
reicher Lorbeerkranz gewunden, bei dem
sich aber erst noch herauszustellen haben
wird, ob er für das zu schmückende Haupt
nicht doch zu reichlich und groß ausge-
fallen ist.
„Der Blinde" schildert die ersten schweren
Tage des durch Scharlach erblindeten, ver-
heirateten Hamburger Volksschullehrers und
Vaters zweier Kinder, Heinrich Mittenhaufen.
Er beginnt sofort, mit einem 24steinigen Bau-
kasten zu spielen, den ihm ein befreundeter
jüdischer Schauspieler geschenkt hat; der
Freund hat den Kasten aus dem Lager
Auschwitz mitgebracht, dem er glücklich
wieder entrann. Hier wurde das Spiel von
einem alten, geburtsblinden Juden ange-
fertigt und betrieben, um der Verzweiflung
zu entgehen, und dieser Jude schenkt dem
Erblindeten zum Schluß einen zweiten Bau-
kasten: erst im Zusammenspiel mit einem
anderen Menschen — hier mit der innerlich
nicht weniger bedrängten Frau des Blinden
— sei die sittliche Forderung des Spiels
erfüllt.
Dieser Schluß hat aber nur ein geringes,
nur ein angedeutetes Gewicht. Im Mittel-
punkt des Buches steht die Spielweise des
Erblindeten, der sich mit den Bausteinen
eine erdachte Welt aufbaut und mit
Hilfe seiner Phantasie — also der Wirklich-
keit immer mehr entfremdet — Straßen,
Häuser und Menschen vor sich aufbaut und
erdachte Vorgänge und Gespräche sich ab-
spielen läßt. So glaubt der Blinde, das Leben
zu beherrschen und eine Brücke vom alten
in das neue Leben zu gewinnen. Ein quä-
lender und nutzloser Vorgang.
Wir Kriegsblinden befanden uns alle ein-
mal in der Lage des Heinrich Mittenhaufen,
dem eine Dimension verlorenging und der
nach einem Ersatz tastet. An die Stelle der
verlorenen optischen Welt schiebt sich die
akustische Welt mit wachsender Genauigkeit
ins Bewußtsein, und wie der Erblindete
dieses Buches reagieren wir dabei alle wie
Seismographen. Auch wir sammelten neue
Erfahrungen, eine Umschichtung der Empfin-
dungen setzte auch bei uns ein, und auch
unsere Gedanken mußten ein anderes Bett
finden, ehe sie wieder mit in der Welt wirk-
sam werden konnten.
Diesen Weg und die Gefühle, mit denen
er von den Betroffenen gegangen werden
muß, beschreibt Jens — das müssen wir ihm
zubilligen — an manchen Stellen mit feiner
Einfühlungskraft in harter, objektiver Prosa,
mit der kalten Magie des Realisten und
kristallener Klarheit, wenn auch bei einer
so kargen und wortarmen, nicht einmal ein-
heitlichen Sprache nicht gleich von Meister-
schaft geredet werden sollte. Ob aber die
Mehrzahl oder auch nur ein einziger unserer
Kameraden nach der Katastrophe mit einem
24steinigen Baukasten mehr anzufangen ge-
wußt hätte als eine ablenkende, vielleicht
das Tastgefühl übende Spielerei? Hätte auch
nur einer von uns mit dem schweren Los der
Kriegserblindung leichter fertig werden kön-
nen? Es muß sehr bezweifelt werden. Hier
mußten schon andere sittliche und geistige
Kräfte wirksam werden, als sie ein Bau-
kästen vermitteln kann, und sie taten es
auch.
Die Mehrzahl der Kriegsblinden kann also
mit dem Buch von Walter Jens herzlich
wenig anfangen. Das wird der Autor auch
nicht erreicht haben wollen, aber trotzdem
spricht das gegen den Wert des Buches. Im
übrigen bedeutet der verhältnismäßig hohe
Preis von 7,80 DM für das 131 Seiten um-
fassende Bändchen auch keine besonders
herzliche Einladung, es auf einen Versuch
ankommen zu lassen."
Soweit die Meinung des Kameraden
Schmalfuß. Ergänzend dazu wäre vor allem
zu sagen, daß allein schon der Widerspruch
zwischen den tatsächlichen Möglichkeiten
einer Schicksalsmeisterung und dieser er-
dachten Darstellung beweist, daß es dem
Buch an der wichtigsten Voraussetzung aller
Greve & Uhl
OSTERODE
*i ^llkij- LEBENS- UND GENUSSMITTEL
echten Dichtung mangelt: der Wahrheit.
Was hier geschildert wird, ist nicht die
Welt eines Blinden und ist nicht sein- Er-
lebenskreis, es sei denn, es handelt sich um
einen innerlich so armseligen Menschen, daß
er unsere Beachtung nur in Gestalt von Mit-
leid verdient. Das aber ist, wie wir alle
wissen, so ungefähr das Schlimmste, was
uns widerfahren kann.
Was ist denn dieser Mittenhaufen für ein
Mensch? Lst er überhaupt ein
Mensch, dieser blutlose, humorlose, liebe-
lose, glaubenslose Verneiner, der nur sich
noch und seine Verzweiflung kennt? Und
will uns Walter Jens glauben machen, daß
aus diesem von Natur aus (nicht durch seine
Blindheit) kläglichen Gerippe von Mensch
ein neues, dem Leben wieder verbundenes
Wesen wird, wenn der Blinde einzig und
allein seine entsetzliche, isolierende Selbst-
bezogenheit damit durchbricht, daß er nun
das Baukastenspiel mit seiner Frau gemein-
sam betreiben wird? Beide Menschen wer-
den nun eben gemeinsam in weltentrückten
Illusionen leben, nur mit einer erdachten
Bezogenheit auf die Gemeinschaft.
Nein, diese Lösung kann niemals genügen.
Dann wären alle Blinden, wie dieser Mitten-
haufen, um es mit der Verlagsankündigung
zu sagen, „der Leere und der Monotonie
ausgeliefert". Solange ein Mensch nicht eine
neue Aufgabe vor sich sieht (und davon
spricht Jens bezeichnenderweise überhaupt
nicht), sei es auch nur die Aufgabe, sein
Leid für sich oder gar für andere fruchtbar
zu machen, kann er nicht überwinden. So-
lange er nicht sein Leid und die Einsamkeit,
die ihn bedroht, als Anruf und Auftrag emp-
findet, kann er nicht weiterkommen. Das
bezieht sich nicht allein auf die Blindheit,
sondern auf alles Leid und auf alle Dunkel-
heit in der Welt. Menschen von der Art
dieses Mittenhaufen, die nur noch Nerven
haben, aber kein Herz mehr, keine sich öff-
nende Erlebensfähigkeit, können allerdings
der Gefahr und der düsteren Zukunft dieser
Welt nicht gewachsen sein.
Wir erwarten nicht ein Bild glanzvoll
heroischer Bewährung — es würde nicht
weniger unwahr sein als dieses Bild des
Verzweifelnden — , aber wir erwarten als
Leser die Begegnung mit einem Menschen,
der sich überhaupt um Bewährung müht
oder wenigstens die Begegnung mit einer
dichterischen Deutung, die einen Weg
zur Bewährung oder zum Bestehen zeigt.
Beides finden wir bei Walter Jens nicht,
und darin liegt das Deprimierende und Ent-
täuschende dieses Buches. F. W. H.
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ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
NR. 10 . 3. JAHRGANG JUNI 1952 VERLAGSORT BIELEFELD
Wieviel Tugend ein jeder hat,
wird am besten durch ein Mißgeschick kund.
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Je reiner das Auge der Gesinnung ist,
um so standhafter wandelt man durch alle Stürme.
THOMAS VON KEMPEN
Aus scheinbar schweren Lasten
schafft Gott neue Möglichkeiten.
BODELSCHWINGH
AUS DEM
Seite
Die Kunst, sich helfen zu lassen. Von F. W. H. . . . 1
Sorgen des Blindenhandwerks.
(Bedeutsame Tagungen in Kassel) 1
Krankenscheine für Kriegsblinde 2
Sensationen 2
Ein Schlesiertreffen 2
Die Kriegsblinden der USA und ihre Ziele. Von Peter
J. McKenna, Präsident des amerikanischen Kriegs-
blindenbundes 3
Gegen die Unsicherheit im Großstadtverkehr!
Tödlicher Unfall eines Kameraden — Große Kund-
gebung in Hamburg 3
Aus den Landesverbänden 6
Handwerkerausstellung und Hauptfürsorgestelle Münster
Albert Gerwann gestorben
Einkehrtage für Blinde
In den Deutschen Schachbund aufgenommen .... 7
Er baut Maschinen — für sich und für andere. — Dr. Meyer-
Auhausen gibt ein Beispiel. Von Erich Büchner ... 8
INHALT
Seite
Für unsere Schachfreunde 8
Kleine Neuigkeiten 9
Lesermeinung 11
Raus durchs Zugfenster
„Hast du keine Aufgabe mehr?"
Beim Postscheckamt Nürnberg
Kriegsblinden-Sportmeisterschaft?
An meine Frau. Gedicht von Kam. Bodo Schütz . . . . 11
Das Bundesversehrtensportfest 12
Ist Selbständigkeit selbstverständlich? Von Hans Lshmann 14
Ein Kriegsblindenroman.
Buchbesprechung von Hans Schmalfuß 14
Der Kritiker am Lautsprecher 15
Rundfunkanstalten finanzieren Hörspielpreis
Eine Südwestfunk-Reportage
Ist Blindsein ein Glück?
Programmvorschau für Hörspiele 16
Unser T i t e 1 I o t o , das einen Kriegsblinden beim Spiel mit seinen Kindern zeigt, stammt von Walter Eh mann (Köln). Das
Foto auf der Umschlagrückseite — „Kriegsblinder im Schalterdienst der Bundespost" — ist von W. Hagemann (Essen).
801 - 883 - 885 - 884 - 887 -
627 - 638 - 570 - 897
890 - 900 - 905 - 904 - 903
„Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V. (1. Vorsitzender: Amtsgeriditsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DSU KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
Nr. 10 . 3. Jahrgang . Juni 1952 . Verlagsort Bielefeld
Die Kunst, sich helfen zu lassen
Es gibt Menschen, die sich auf den eigenen
Beinen nicht recht wohl fühlen und die
ständig nach Abhängigkeit oder Geborgen-
heit streben, um eigener Selbstverantwor-
tung zu entgehen. Sie warten ständig auf
irgendeine Hilfe von außen und sind so
lange unsicher, bis ihnen eine Hilfe zuteil
wird. Von solchen Menschen sei hier weni-
ger die Rede, sondern von jenen, die sich
ungern helfen lassen, ja, die es ihrer Würde
schuldig zu sein glauben, eine Hilfe abzu-
lehnen. Diese Auffassung findet man gerade
unter Kriegsblinden sehr häufig: mit Recht
sind sie stolz darauf, was sie „trotzdem"
zu leisten vermögen, aber überschätzen dann
leicht ihre Möglichkeiten und mißachten die
unabweislichen Grenzen, die ihnen nun ein-
mal gesetzt sind. Hier gilt es also, eine ver-
nünftige Mitte zu finden. Und das ist nicht
leicht. Es ist eine Kunst, sich helfen zu
lassen.
Schön ist es nicht, wenn man Hilfe braucht.
Darüber sind wir uns alle einig. Aber man
kann nun einmal im Leben nicht immer da-
nach fragen, ob etwas schön oder angenehm
ist. Man muß nach Einsichten und Not-
wendigkeiten handeln. Und ist es denn gar
so schlimm oder geht es etwa gegen deine
Würde, dann um Hilfe zu bitten, wenn es
Einsicht und Notwendigkeit verlangen? Wir
denken da vor allem an den Straßenverkehr.
Im Innern dieser Ausgabe berichten wir über
einen Unfall, der einem Kriegsblinden das
Leben kostete. Es ist nicht der erste traurige
Fall dieser Art, und das sollte uns nach-
denklich machen. Es gilt eben, ganz nüchtern
einzusehen und hinzunehmen, daß man als
Kriegsblinder im Straßenverkehr gefährdet
ist und daß man deshalb Hilfe benötigt. Es
braucht dich also keinerlei Überwindung zu
kosten, Hilfe in Anspruch zu nehmen — es
ist das Selbstverständlichste von der Welt.
In Anspruch nehmen? Das Wort ist miß-
verständlich. Es gilt ja nicht, etwas zu for-
dern — mag es in einem höheren Sinne auch
berechtigt sein — , sondern etwas zu er-
bitten. Wer als Mitmensch behandelt wer-
den will, wer also selbst Brücken zum an-
deren sucht, der sehe auch im anderen den
Mitmenschen und distanziere sich nicht durch
Forderungen, sondern verbinde sich durch
eine Bitte. Man wird dadurch nicht zum
Bettler, solange es mit Nüchternheit und
Würde geschieht. Zur Kunst, sich helfen zu
lassen, gehört es eben, diesen Bezirk des
Helfens und Geholfenwerdens innerlich nicht
•schwer zu nehmen, nicht wichtiger als nötig,
sondern als etwas Nebensächliches, Selbst-
verständliches.
Diese leichte Selbstverständlichkeit ist
allerdings für den Helfenden sehr viel
schwerer. Er steht =— im Gegensatz zu dem
Kriegsblinden — vor einer ungewohnten
Situation, jedenfalls dann, wenn es sich um
einen Fremden handelt. Oft will er gern
helfen, weiß aber nicht, wie er es am ge-
schicktesten und taktvollsten anfangen soll.
Deine Bitte bringt ihn vielleicht in Verlegen-
heit. Also: mach es dem anderen leicht, am
besten auf eine heitere und natürliche Weise.
Werde also selbst zum Helfenden, ,der
eine vielleicht fatale Situation überbrückt.
So bleibst du auch in einem guten Sinne
obenauf und brauchst nicht zu befürchten, in
Hilflosigkeit erniedrigt zu sein.
Jeder innerlich gesunde Kriegsblinde strebt
nach einem möglichst hohen Maß an Selb-
ständigkeit. Er soll auch danach streben. Das
steht keineswegs im Widerspruch dazu, daß
er in bestimmten Situationen eine Hilfe er-
bittet, über diese echte und falsche Selb-
ständigkeit ist an anderer Stelle dieses Hef-
tes ein beherzigenswerter Aufsatz enthalten.
Also nichts gegen den Drang nach Selb-
ständigkeit! Aber es gehört dazu, daß man
mit nüchterner Selbstkontrolle die Grenzen
anerkennt, die einem nichtsehenden Men-
schen — und übrigens auch seinem Hund —
nun einmal gesteckt sind. Mag es auch
schmerzen, wenn man schon allzu bald auf
diese Grenzen stößt — das ist immer noch
besser als der leichtfertige Versuch, sich über
diese Grenzen hinwegmogeln zu wollen, um
dann eines guten Tages unter einem Auto-
bus zu liegen.
Gewiß, es ist schwer, sich ständig helfen
zu lassen, ohne dabei an Selbstbewußtsein
einzubüßen. Hier innerlich unangefochten zu
bleiben, sich selbst und die eigene Mitte ge-
lassen zu bewahren, mag man auch von noch
soviel mehr oder minder mitleidigen Händen
geführt, gestoßen oder getragen werden —
hier ein freier, innerlich unabhängiger
Mensch zu bleiben, das ist die eigentliche
Kunst des Sichhelfenlassens. F. W. H.
Sorgen des Blindenhandiverks
In Kassel, dem Sitz der Kriegsblinden-
Arbeitsgemeinschaft Hessen, traten am
26. Mai die Geschäftsführer der Arbeitsfür-
sorgeeinrichtungen aller Landesverbände
unseres Bundes zu einer Sitzung zusammen,
wie sie in den vergangenen Jahren schon oft
stattgefunden hat. An der Sitzung nahmen
auch die meisten Landesverbandsleiter sowie
der Bundesvorstand teil, ein Zeichen dafür,
wie gerade die Probleme der Handwerker
von den verantwortlichen Männern unserer
Schicksalsgemeinschaft ernstgenommen wer-
den. Aktueller Anlaß für die Zusammenkunft
war die für den folgenden Tag ebenfalls nach
Kassel anberaumte Vorstandssitzung der
Deutschen Blindenarbeit e.V. (DBA).
Schon am Abend des 25. Mai, sobald alle
teilnehmenden Kameraden eingetroffen wa-
ren, begannen unter Leitung des Bundesvor-
sitzenden Dr. Plein bis gegen Mitternacht
Besprechungen über aktuelle Bundesfragen,
die neue Aufgaben und schwierige Entschei-
dungen mit sich bringen, ob es sich um die
geplante Schaffung einer Hörbibliothek han-
delt oder um eine Aktivierung unserer Be-
ziehungen zu ausländischen Bruderverbän-
den. Leider hatte die erwartete Abordnung
unserer österreichischen Kameraden plötz-
lich absagen müssen, da der Bundesobmann
des Verbandes der Kriegsblinden Österreichs,
Kam. Hirsch (Wien), wegen einer ernsten
Erkrankung die Reise nicht antreten konnte.
Mit einem umfangreichen, sehr herzlich ge-
haltenen Telegramm übermittelte Kamerad
Hirsch seine Grüße und Wünsche.
Wenn auch die Tagesordnung für die Sit-
zung am folgenden Tage nur wenige Punkte
enthielt, so hatten es diese Punkte doch „in
sich" und führten zu vielstündigen Diskus-
sionen und zu einem höchst ertragreichen
Erfahrungsaustausch unter den Geschäfts-
führern der Arbeitsfürsorgeeinrichtungen,
überzeugend war dabei vor allem der Ein-
druck, daß es allen in der Handwerker-
betreuung tätigen Kameraden einzig und
allein darum geht, dem einzelnen Bürsten-
macher zu helfen, also den Absatz zu stei-
gern, die Unkosten zu senken und das
äußerst mögliche an Lohn zu zahlen. Gerade
bei der Erörterung der Lohnfrage erwies
sich aber, unter welchen Konflikten die ver-
antwortlichen Beauftragten stehen. Denn in
allen Arbeitsgemeinschaften liegen der ge-
samten Geschäftsführung genaueste und
schärfste Kalkulationen zugrunde, um den
Absatz nicht durch hohe Preise mehr zu ge-
fährden, als er bereits durch die scharfe
Konkurrenz gefährdet ist. Es erwies sich bei
den Diskussionen, daß die Möglichkeiten und
Verhältnisse in den einzelnen Landesver-
bänden sehr verschieden sind und daß man
nicht von heute auf morgen zu einer genau
übereinstimmenden Einheit in den Methoden
aller Arbeitsgemeinschaften gelangen kann,
obwohl Kam. Dr. Plein seitens der Bundes-
leitung sehr entschieden eine größere Ein-
heitlichkeit forderte. Immerhin ergab die
Sitzung insofern einen wesentlichen Fort-
schritt, als künftig hinsichtlich der Lohn- und
Preisgestaltung unter den einzelnen Arbeits-
gemeinschaften eine engere Zusammenarbeit
stattfinden wird. Vor allem soll von Nord
bis Süd eine einheitliche Staffelung der
Löhne erstrebt werden, soweit nicht bereits
jetzt diese Einheitlichkeit vorliegt oder auf
Grund der Empfehlung dieser Sitzung in den
meisten Landesverbänden eingeführt werden
kann. Die Anregung, ein günstigeres Wirt-
schaften durch einen gemeinsamen Einkauf
von Rohstoffen, also durch einen selbstän-
digen Import, herbeizuführen, erwies sich
zwar als undurchführbar, zeigte aber doch
das ständige Bemühen, keine Möglichkeit
unversucht zu lassen, um die Lage der kriegs-
blinden Bürstenmacher zu verbessern.
Ein sehr ernstes Kapitel ist bei diesen
.Bemühungen nach wie vor die Konkurrenz
der Schwindelfirmen. Was man an
neuen Beispielen dazu in Kassel hören
konnnte, war höchst beunruhigend, zumal
einzelne Firmen einen Schein des Rechtes
für sich in Anspruch nehmen möchten. Mit
geradezu leidenschaftlicher Entschiedenheit
wurde von den Beauftragten unserer Hand-
werker verlangt, daß das in Aussicht ge-
stellte Gesetz zum Schutze des
Handels mit Blindenwaren schnell-
stens und ohne jede Konzession erlassen
wird. Jeder Paragraph des im Bundeswirt-
schaftsministerium entwickelten Gesetzent-
wurfes wurde von den verantwortlichen
Kameraden genauestens besprochen, um dem
Vorstand der Deutschen Blindenarbeit Hand-
haben für seine Beratungen mit der Bundes-
regierung zu geben. Mit Enttäuschung wurde
vernommen, daß nicht alle zur Beratung des
Gesetzes hinzugezogenen Behördenvertreter
das nötige Verständnis für die lebenswich-
tige Dringlichkeit dieser Schutzmaßnahme
gezeigt haben, und daß noch sehr viel auf-
klärende Arbeit nötig sein wird, ehe wir
endgültig am Ziel sind. Es war bei den Be-
ratungen deutlich zu spüren, daß es kein
kriegsblinder Handwerker verstehen wird,
wenn unter dem Leitwort „Gewerbefreiheit"
den Schwindelfirmen eine Fortsetzung ihres
s
n
ensattoneH
Man kann mit dem Inhalt der Tageszeitun-
gen manchmal wirklich Kummer haben. Wir
meinen hier keine Druckfehler wie etwa
jenen, den sich in diesen Tagen eine der
größten deutschen Zeitungen leistete: In
einem Bericht über unsere Tagung in Kassel
schlich sich gleich beim ersten Satz statt des
Wortes „Kriegsblindenbund" das Wort
„Kreisblindenbund" ein, so daß der Leser
hier eine unwichtige Angelegenheit von
lokaler Bedeutung vermuten mußte. Nein,
wir meinen nicht solche Druckfehler, sondern,
um es deutlich zu sagen: Gesinnungs-
fehler. Streiten kann man vielleicht noch
über jenen Vorgang, der jetzt bei fast allen
großen Zeitungen von Nord bis Süd zu be-
obachten war: überall erschien ein etwas
sentimentaler, um nicht zu sagen schwülstiger
Bericht mit Bildern über einen taubblinden
Kameraden und seine helfende Verlobte, die
ihm Worte und Sätze durch ein System von
Fingerberührungen mitteilte. Überschrift in
einer Illustrierten: „So nimm denn meine
Hände". Immerhin aber mögen diese Ver-
öffentlichungen redlich gemeint sein.
Noch bezeichnender für die Sensationslust,
mit der in der Presse das Kriegsblinden-
schicksal gern angegangen wird, waren die
Berichte von dem tödlichen Unfall eines
Hamburger Kameraden, der von der Hoch-
bahn überfahren worden ist. Sein Führhund
sei, so hieß es, vom Unglücksort weg zu
seinem früheren Herrn gerannt, der den
Hund vor IV2 Jahren dem Kriegsblinden-
bund geschenkt hätte. Instinktsicher habe der
Hund den Weg gefunden und durch sein Be-
nehmen den früheren Herrn alarmiert, der
nun mit dem Hund zur Polizeiwache ging
und dadurch die Identifizierung des Toten
ermöglicht hätte. Andere Zeitungen außer-
halb Hamburgs berichten einen Tag später
bereits, daß der Hund seinen früheren Herrn
zielsicher zu der Unfallstella gezerrt hätte,
Natürlich mit Fotos: der Hund vor der Tür
seines früheren Herrn. Tatsache aber ist, daß
der Hund völlig verstört in irgendein Haus
gelaufen ist. Alles andere ist Erfindung. Aber
— damit hätten sich die Berichte ja kaum
gelohnt, nicht wahr?
gemeinen Treibens erlaubt wird. Wir möch-
ten daher auch an dieser Stelle der dringen-
den Hoffnung von 7Q00 blinden Handwer-
kern, deren Ware kaum verkauft werden
kann, Ausdruck geben, daß man im Bundes-
wirtschaftsministerium Wege findet, um das
Schutzgesetz raschestens und kom-
promißlos durchzusetzen. In den Kreisen
der um die Entwicklung besorgten blinden
Handwerker wird seit langem und mit stei-
gender Erbitterung gefragt, ob es in einem
demokratischen Rechtsstaat keine Wege
gebe, um solche Firmen unschädlich zu
machen, die ohne echte Begründung ihre
Waren als „Blindenarbeit" bezeichnen, also
aus dem schweren Geschick blinder Mitmen-
schen für private geschäftliche Zwecke auf
schmählichste Weise Profit schlagen. Kein
kriegsblinder Handwerker jedoch und keine
unserer Arbeitsfürsorgeeinrichtungen ver-
neint den Konkurrenzkampf an sich. Nur
muß dieser Konkurrenzkampf mit fairen Mit-
teln und bei aller Schärfe in anständiger
Form ausgetragen werden.
Die Sorgen unserer Handwerker sind groß.
Die Absatzschwierigkeiten halten an und
nehmen in einigen Gebieten sogar weiterhin
noch zu. Es ist deshalb von großer Wichtig-
keit, daß die Aktion „Ab vom Blindenhand-
werk", über die wir im vorigen Heft unserer
Zeitschrift berichteten, Erfolg hat, um die
Zahl der Handwerker zu verringern und
damit die Zahl der Aufträge für die verblei-
benden Handwerker zu erhöhen. Auch zu
diesem Punkt tauschten die Geschäftsführer
ihre Erfahrungen aus.
Als Gastgeber und als kriegsblindes Vor-
standsmitglied der Deutschen Blindenarbeit
sprach Kamerad R o s n e r (Kassel) in seinem
Schlußwort den festen Willen aller in der
Arbeitsfürsorge tätigen Kameraden aus, zur
Zufriedenheit der kriegsblinden Handwerker
und allein zu deren Wohl weiterhin tätig zu
sein.
Amtsgerichtsrat Dr. Plein dankte als Bun-
desvorsitzender für die mustergültige Durch-
führung der Tagung und berief für die späten
Abendstunden des 26. Mai eine Bundesvor-
standssitzung ein, an der auch mehrere Lan-
desverbandsleiter als Gäste teilnahmen.
Eine wichtige DBA- Vorstandssitzung
Am 28. Mai, also am Tage nach der Sitzung
der Geschäftsführer der Kriegsblindenarbeits-
fürsorge, trat — ebenfalls in Kassel — der
Vorstand der Deutschen Blindenarbeit e. V.
(DBA) unter Vorsitz von Direktor Meurer
(Witten) zu einer Sitzung zusammen, an der
seitens des Bundes der Kriegsblinden
Deutschlands der Bundesvorsitzende, Amts-
gerichtsrat Dr. Plein, und (als Vorstandsmit-
glied der DBA) Kamerad Rosner, Kassel,
teilnahmen.
Von dem Verlauf der Tagung erfahren wir,
daß zunächst der Geschäftsführer, Herr Rieve,
über die Kassenführung und Finanzlage
einen Bericht erstattete, der gebilligt wurde.
Punkt 2 der Tagesordnung betraf die Mit-
gliederversammlungen in den Ländern —
hier ist die DBA bereit, die Durchführung im
Benehmen mit den Landesvorständen in die
Hand zu nehmen — , sowie die diesjährige Län-
dervertreterversammlung, die Ende Oktober
in Wiesbaden stattfinden soll. Für dieKriegs-
blindenarbeitsfürsorge besonders wichtig war
die Erörterung der Frage des Blindenwaren-
absatzes außerhalb der eigenen jeweiligen
Ländergrenzen. Hier lagen gerade sei-
tens unserer Schicksalsgemeinschaft dring-
liche Beschwerden vor. Nun soll künftig
seitens der DBA mit Nachdruck auf die
Einhaltung der Ländergrenzen
hingewiesen werden, um den entsprechenden
Beschluß der Länderversammlung der DBA
vom Oktober 1951 zu Königswinter zu ver-
wirklichen.
Bei der Erörterung des geplanten Gesetzes
zum Schutz des Blindenwarenhandels wurde
mitgeteilt, daß die bisherigen Verhandlungen
noch nicht zu dem gewünschten Ergebnis ge-
führt haben. Es , sind nicht nur weitere Ver-
handlungen mit verschiedenen Stellen der
Bundesregierung notwendig, sondern vor
allem auch mit den zuständigen Länder-
ministerien, um auch hier mehr Ver-
ständnis für die Nöte und Notwendigkeiten
der blinden Handwerker zu wecken.
Wichtig waren auch — neben dem Be-
schluß, bei Aufnahme neuer Mitglieder
strenge Maßstäbe anzulegen — die Erörte-
rungen zu der Aktion „Ab vom Blinden-
handwerk", die eine Verringerung der An-
zahl der Handwerker zum Ziel hat. Die DBA
will demnächst einen Werbeprospekt her-
ausgeben, der die Möglichkeiten anderer
Blindenberufe zeigt. Mit einer ähnlichen
Maßnahme hat man in England gute Erfolge
gehabt. Die DBA ist im Rahmen dieser Aktion
„Ab vom Blindenhandwerk" nicht für die
Umschulung und neue Berufsunterbringung
zuständig.
Krankenscheine für Kriegsblinde
Immer noch sind verschiedentlich Zweifel
über die Ausstellung von Bundesbehand-
lungsscheinen für Kriegsblinde bei den Kran-
kenkassen vorhanden. Es^ sei deshalb auf
folgendes hingewiesen:
Solche Kriegsblinde, die in einer Ver-
sicherung sind oder eine Angestellten- bzw.
Invalidenrente beziehen und daher als Sozial-
rentenempfänger versichert sind, erhalten
den weißen Behandlungsschein. Für Ver-
sorgungsleiden, also für solche Leiden, die in
direktem Zusammenhang mit der Kriegs-
beschädigung stehen, wird der rote Bundes-
behandlungsschein erteilt. Kriegsblinde, die
nicht durch ihre Zugehörigkeit zur Ange-
stellten- oder Invalidenversicherung ver-
sichert sind, haben für die Behandlung sol-
cher Leiden, die nicht Versorgungsleiden
sind, Anspruch auf den grünen Bundes-
behandlungsschein. Wenn die Krankenkassen
auf Grund der allgemeinen Bestimmungen
zur Erteilung des Bundesbehandlungsscheines
die Ausgabe des grünen Scheines verweigern,
so ist darauf hinzuweisen, daß bei Emp-
fängern einer Pflegezulage Ausnahme-
bestimmungen bestehen. Es wird daher
auf den Erlaß im Bundesverordnungsblatt
Nr. 8/51, Seite 354, vom 24. Juli 1951 hin-
gewiesen, worin es ausdrücklich heißt: „Es
entspricht nicht dem Sinne dieser Vorschrift,
Empfänger einer Pflegezulage . . . von dem
Anspruch auf Heilbehandlung und Kranken-
behandlung auszuschließen, zumal diese Be-
schädigten wegen der Schwere ihrer Beschä-
digung die Heilbehandlung im Wege der
freiwilligen Versicherung in der Regel nicht
sicherstellen können." Es geht aus diesem
Erlaß einwandfrei hervor, daß bei Empfän-
gern einer Pflegezulage, wenn sie nicht als
Versicherte den Anspruch auf den weißen
Behandlungsschein haben (s. o.), stets der
grüne Behandlungsschein bei
Nichtversorgungsleiden zu erteilen ist.
Ein Schlesiertreffen
Anläßlich des Bundestreffens der Schlesrer
in Hannover vom 19. bis 22. Juni ist auch
eine Zusammenkunft unserer schlesischen
kriegsblinden Kameraden vorgesehen. Dieses
gemeinsame Treffen unserer Kame-
raden findet am Sonntag, dem 2 2. Juni,
um 15 Uhr in der Messehalle zu Hanno-
ver statt. Die schlesischen Heimatkreise
und Heimatzeitungen sind bereits unterrich-
tet, so daß jeder interessierte Kamerad bei
seinem Heimatverband Näheres erfahren
kann. In der Messehalle selbst werden ent-
sprechende Hinweise vorhanden sein, so daß,
jeder Kamerad den Weg zu der Veranstal-
tung finden kann. Ob der Bundesvorsitzende,
Kam. Dr. Plein, an der Veranstaltung teil-
nehmen kann, ist wegen seiner geplanten
Reise zu den Braille-Feiern nach Paris noch
ungewiß. ' : : <
Die Kriegsblinden der USA und ihre Ziele
Von Peter J. McKenna, Jr., Präsident des amerikanischen Kriegsblindenbundes
Wir heuen uns, zum ersten Mal einen umfassenden Bericht über den amerikanischen
Krieg sblindenbund veröffentlichen zu können. Der Verfasser ist Präsident des ameri-
kanischen Kriegsblindenbundes,- der die 1800 Kriegsblinden der Nation betreut. Nach
Beendigung der Schulzeit in Washington wurde er im letzten Kriege Soldat. Bei den
Kämpfen in Europa schwer verwandet und erblindet, kehrte er nach den USA zurück,
wo er mit großer Energie seine Studien wieder aufnahm. Er bereitet sich jetzt auf die
Laufbahn eines Berufsberaters vor.
Die Stadt Avon in Connecticut, USA, war
im März 1945 Tagungsort für eine Kon-
ferenz besonderer Art. Amerikanische Kriegs-
blinde aus allen Bundesstaaten waren hier
zusammengekommen, um eine Organi-
sation zu gründen, die sich ihrer Probleme
und Nöte annehmen sollte.
Oberstes Ziel: der Friede
Worauf es diesen Kriegsopfern vor allem
ankam, war weniger finanzielle Hilfe als
eine Betreuung in medizinischer, seelischer
und sozialer Hinsicht. Sie waren fest ent-
schlossen, eine Organisation zu schaffen,
deren Arbeit die Unterstützungsmaßnahmen
des Staates wesentlich ergänzen sollte.
Alle Anwesenden kannten ja aus eigener
Erfahrung die besonderen Schwierigkeiten
von Menschen, die das Augenlicht verloren
haben, und wußten daher am besten, wie
diesen Nöten zu begegnen sei. Sie wollten
„dem Kriegsblinden helfen, den richtig-en
PlatzinderGemeinschaftseiner
Kameraden zu finden, und in gemein-
samer Arbeit mit diesen dem Welt-
frieden zu dienen". Dieser Satz ist zum
Leitmotiv der damals gegründeten „Blinded
Veterans Association — BVA", des ameri-
kanischen Kriegsblindenbundes geworden.
Die Organisation
Der Vorstand des BVA besteht aus
neun gewählten Mitgliedern. Ein geschäfts-
führender Direktor und ein Verbands-
sekretär, beides Kriegsblinde, sind für die
Wahrnehmung der Aufgaben dieser Orga-
nisation verantwortlich. Das Arbeitsgebiet
reicht von der psychologischen Hilfestellung
für den einzelnen Leidensgenossen bis zur
Pflege internationaler Beziehungen; etwa ein
Viertel aller aktiven Mitglieder wird z. Z.
ständig betreut.
Die Organisation sieht ihre unmittelbare
Aufgabe darin, ihren Mitgliedern die Er-
fahrungen jener Kameraden zugute kom-
men zu lassen, die ihren Weg bereits wieder
in die Gemeinschaft zurückgefunden
haben. Der BVA will diese Menschen, die
durch ihre Verletzung plötzlich vor unüber-
windlich scheinende Schwierigkeiten gestellt
wurden, in die Lage versetzen, mit ihren
Problemen selbst fertig zu werden und
sich nicht als Almosenempfänger der Ge-
sellschaft fühlen zu müssen. Jeder wird
über die beruflichen Erfolge von Leidens-
genossen ständig auf dem Laufenden ge-
halten und durch fachmännische Beratung
und Anleitung dazu ermutigt, einem B e -
ruf nach eigener Wahl nachzugehen.
In Fühlung mit Sehenden
Der BVA wird von der US-Veterans Ad-
ministration, der Amerikanischen Bundes-
behörde für Kriegsteilnehmerversorgimg,
als die offizielle Vertretung der amerikani-
schen Kriegsblinden anerkannt. Er gibt
ein Mitteilungsblatt heraus, das an alle
Kriegsblinden verteilt wird, gleichgültig ob
sie Mitglieder sind oder nicht; es wird von
Blinden selbst geschrieben und redigiert.
Die Organisation gliedert sich in 23 regionale
Gruppen, die regelmäßige Zusam-
menkünfte mit B ü r g e r v er e in e n
veranstalten, um durch solche persönliche
Fühlungnahmen die Bande zwischen der
BVA und der Oeffentlichkeit zu festigen.
Es wird damit erstrebt, die Vorurteile der
Allgemeinheit hinsichtlich des Leistungs-
vermögens der Blinden zu korrigieren.
Forschungshilfe
Im Rahmen seiner Tätigkeit unterstützt
der BVA im Interesse der Blinden weit-
gehend die wissenschaftliche For-
schung. Man hofft, daß durch die Bereit-
stellung ausreichender Mittel die Kon-
struktion verbesserter Hilfsgeräte wie radar-
ähnlicher Führungsapparate, Lese-
und Tastgeräte sowie Spezialaufnahme-
apparate unter besonderer Berücksichtigung
fotoelektrischer Effekte ermöglicht wird.
Einer psychiatrischen Behandlung
nach modernsten Gesichtspunkten, Eig-
nungsprüfungen und Gedächt-
nisübungen wird größte Aufmerksam-
keit zugewandt.
Wenn auch der amerikanische Kriegs-
blindenbund in erster Linie den Charakter
einer nationalen Organisation trägt, so sind
seine Mitglieder doch überzeugt, daß die
Verbundenheit mit den Kriegsblinden
anderer Nationen
durch das gemeinsame Leid stärker ist als
nationale Gegensätze. In der Pflege freund-
schaftlicher Beziehungen erblicken sie. ihren
Beitrag zur internationalen Verständigung
und zum Weltfrieden.
Zur Realisierung dieses Gedankens steht
der BVA in engster Zusammenarbeit mit den
Verbänden der Kriegsblinden in Kanada,
Großbritannien, Neuseeland und Australien,
ferner mit dem Landesinvalidenamt für
Oesterreich, auch sind erste Verbindungen
zu einzelnen Stellen und Instituten in
Deutschland hergestellt, ebenso nach Italien
und Frankreich hin.
In dem aufrichtigen und unermüdlichen
Bestreben, sein Programm zu verwirklichen,
hofft der BVA. anderen Mitmenschen ein
ähnliches Schicksal ersparen zu können.
Gegen die Unsicherheit im Großstadtverkehr!
Tödlicher Unfall eines Hamburger Kameraden — Haben die sehenden Mitmenschen versagt?
Die zunehmende Unsicherheit im Groß-
stadtverkehr gefährdet nichtsehende Men-
schen ganz besonders. Eine traurige Nach-
richt aus Hamburg bestätigt das aufs neue.
Nachdem dort schon vor einigen Jahren ein
Kamerad bei einem Autounfall den Tod fand
und erst kürzlich die Gattin eines Kameraden
einen schweren Unfall erlitt, geschah am
12. Mai ein Unglück, dessen Hergang für die
besonderen Schwierigkeiten, unter denen ein
Kriegsblinder in der Großstadt zu leben hat,
besonders bezeichnend ist:
Unser Kamerad Alfred Bardischewski war
bei der Hamburger Hochbahn- AG als Bürsten-
macher beschäftigt — als einer der ersten
fand er schon vor Jahren dort Arbeit — und
verließ nach Feierabend seine Werkstatt, um
in gewohnter Weise nach Hause zu fahren.
Er benutzte dazu in Begleitung seines Führ-
hundes einen Hochbahnzug, stieg jedoch
irrtümlich eine Station zu früh
aus. In der Annahme, daß er am Ziel sei,
begab sich Kam. Bardischewski zum Ende des
Bahnsteigs, dorthin, wo er den Ausgang wie
immer zu erreichen vermutete. Er wußte
nicht, daß er an der falschen Haltestelle aus-
gestiegen war und daß hier der Ausgang in
entgegengesetzter Richtung liegt. So näherte
er sich dem spitz zulaufenden Ende des Bahn-
steigs im Glauben, daß es der Weg sei, den
er seit Jahren täglich machte. Im letzten
Augenblick muß er zwar festgestellt haben,
daß er falsch gegangen ist, denn eben hatte
er kehrtgemacht, als ein neuer Hochbahn-
zug einlief. Der Unglückliche ging jedoch
zu nahe an der Bahnsteigkante entlang und
wurde vom Zuge erfaßt. Obwohl der
Fahrer des Zuges sofort Rückwärtsstrom gab
und nach wenigen Metern stand, war es zu
spät: unser Kamerad wurde zwischen Bahn-
steigkante und Wagen eingeklemmt und so
schwer verletzt, daß er kurz darauf starb.
Der Tote konnte erst geborgen werden, nach-
dem die Feuerwehr ein Stück aus der Bahn-
steigkante herausgestemmt und den Hoch-
bahnwagen angehoben hatte.
Der Führhund, an sich ein zuverlässiges
Tier, war mit den unbekannten Verhältnissen
auf diesem Bahnhof naturgemäß nicht ver-
traut. So wäre es ungerecht, Vorwürfe gegen
den Hund zu erheben. Er riß sich im übrigen
los, stürzte heulend davon und über einen
hohen Drahtzaun in die Stadt hinein, jedoch
nicht zu seinem früheren Herrn, wie manche
Zeitungen berichtet haben, sondern in irgend-
ein Haus, vermutlich, weil ihn eine Straßen-
bahn oder sonst ein schweres Fahrzeug er-
schreckte. Der Hund ist völlig verstört, be-
sonders wenn er solche Fahrzeuggeräusche
hört, und ist für den Dienst als Führhund
nicht mehr zu verwenden — im Grunde ein
Beweis für seine Treue und sein Pflichtgefühl.
Er befindet sich jetzt in der Hamburger Führ-
hundschule.
Die genauen Ursachen für das Unglück
kann niemand ergründen. Es kann kein
Zweifel daran bestehen, daß bei unserem
Kameraden Bardischewski ein Konzentra-
tionsfehler vorlag, der allen anderen Kriegs-
blinden zur Warnung dienen sollte. Ein sol-
cher Konzentrationsfehler ist leider allzu
natürlich, denn die Nervenbeanspruchung
im Großstadtverkehr übersteigt oft die Lei-
stungsfähigkeit eines Kriegsblinden. Viel
bedenklicher aber ist, daß nach vielerlei Be-
richten hier die sehenden Mitmenschen ver-
sagt haben. Sehr plastisch kommt das in
Leserzuschriften an verschiedene Hamburger
Tageszeitungen zum Ausdruck. So schreibt
z. B. die Leiterin der Abteilung Blindenführ-
hunde im Tierschutzverein, Frau Juliane
Fischer: „In dem Bericht Ihrer Zeitung heißt es:
,. . . und irrte auf dem Bahnsteig umher . . .',
an einer anderen Stelle: ,Als andere Fahr- .
gaste endlich dem Fahrdienstleiter Be-
scheid sagten und dieser dem Mann nach-
eilen wollte', usw. — Ist das nicht eine
furchtbare Anklage?! Warum griff keiner der
Fahrgäste tatkräftig selbst ein, warum mußte
erst dem Fahrdienstleiter eine Mitteilung
gemacht werden?! Die Mitmenschen beob-
achten sehr oft interessiert das Verhalten
des Führhundes, statt aktiv dem Erblindeten
beizuspringen. Die Führhunde sind keine
Wundertiere!"
Und die Mutter eines Kriegsblin-
den schreibt: „Ich kann nicht verstehen,
weshalb die Fahrgäste dem Blinden nicht
sofort zu Hilfe geeilt sind. Es war doch
offensichtlich, daß er den Weg verloren
hatte! Die Menschen sind im allgemeinen
eben doch nicht hilfsbereit genug! Mein Sohn
hat diese Erfahrung schon oft machen müs-
sen. Als er einmal beim Aussteigen aus der
Straßenbahn neben sich Stimmen hörte, fragte
er, ob die Straße frei sei — er bekam keine
Antwort! Auch als er hilflos mit seinem
Hund mitten auf der Fahrbahn der Möncke-
bergstraße stehenbleiben mußte, weil ein
Auto nach dem anderen an ihm vorbeifuhr,
konnte es geschehen, daß er von einer
Straßenbahn angefahren wurde, weil sich
niemand um ihn kümmerte."
Mancherlei Zuschriften an Hamburger
Tageszeitungen berichten von ähnlichen
Fällen, in denen die sehenden Mitmenschen
einen Kriegsblinden in Gefahr ohne Hilfe
lassen, obwohl gewiß auch gerade in Ham-
burg viele hilfsbereite Menschen den Kriegs-
blinden beistehen.
Um die Aufmerksamkeit aller Passanten
auf diese Gefährdung durch den Großstadt-
verkehr hinzuweisen und um weitere so
tragische Unglücksfälle zu verhüten, berief
der Vorstand des Landesverbandes Hamburg
für den Abend des 29. Mai im Winterhuder
Fährhaus eine außerordentliche Versamm-
lung ein, über die wir im folgenden berichten.
. . . und die Hamburger Kundgebung
Polizeipräsident Georges und Dr. Heinz Brüll sprachen
Bei der Nachricht von dem tragischen Tod
unseres Kameraden Bardischewski mögen
sich viele Kriegsblinde ihre eigenen Ge-
danken gemacht haben, und mancher von
uns wird sich dessen bewußt gewesen sein,
daß auch er es hätte sein können. Wenn der
Unfall auch durch Verkettung mehrerer un-
glücklicher Umstände eintraf, so sah sich der
Vorstand des Landesverbandes Hamburg
dennoch veranlaßt, auf die Gefahren hinzu-
weisen, mit denen der Kriegsblinde im Groß-
stadtverkehr fertig zu werden hat. Außer
den Kameraden waren auch viele Gäste
sowie Rundfunk und Presse geladen, um
unserer Bitte um Rücksicht und Hilfe im
Großstadtverkehr in der Öffentlichkeit das
nötige Echo zu geben.
Kamerad Arthur Hoffmann, der zweite
Vorsitzende des Landesverbandes, begrüßte
die zahlreichen Gäste: Vertreter des Senats,
der Behörden, der Bundesbahn und der übri-
gen Verkehrsunternehmen, ebenso Vertreter
vom Roten Kreuz, vom Tierschutzverein,
Verkehrswacht und anderen Organisationen.
Dann ergriff der Vorsitzende des Landes-
verbandes Hamburg, Kam. E w a 1 d M e y e r,
das Wort zu einem einführenden Referat. Er
richtete einen ernsten Appell an alle Ver-
kehrsteilnehmer, bei dem steigenden Groß-
stadtverkehr an diejenigen Mitbürger zu
denken, die der Rücksichtnahme und Mit-
hilfe bedürfen. Er gab dabei einen bewegen-
den Einblick in die Anforderungen und Be-
lastungen, denen der Kriegsblinde mit sei-
nem Hund im Großstadtverkehr täglich un-
terworfen ist, besonders auf seinem Wege
zum Arbeitsplatz und zurück. Mit drastischen
Beispielen des grauen Alltags, die jeder von
uns schon einmal erlebt hat, machte Kam.
Meyer seine Dafstellung so lebendig und
deutlich, daß jedermann, zumal die Vertreter
von Presse und Rundfunk, die Dringlichkeit
einer Abhilfe bestätigen mußte.
„Laßt euch helfen!"
Da der Kriegsblinde wie jeder andere
Mensch berufstätig ist, muß er zu den
Hauptverkehrszeiten die Verkehrs-
mittel benutzen. Gerade zu diesen Zeitpunk-
ten werden also an den Kriegsblinden und
vor allem an den Führhund ungewöhnliche
Anforderungen gestellt. Dementsprechend
könne nur, so betonte Kam. Meyer, der beste
Hund geeignet sein, als Führhund ausge-
bildet zu werden. Neben der Auswahl des
Hundes müsse aber auch seiner Ausbildung
und se'iner Unterbringung ein besonderes
Augenmerk geschenkt werden. Das Halten
eines Hundes in der Wohnung wird dem
Hund nicht die Erholung bringen, wie er sie
in einem Zwinger findet. Wenn irgend mög-
lich, sollte also der Kriegsblinde seinen
Hund im Freien, in Zwinger und Hunde-
hütte, unterbringen. Der Hund sei dann aus-
WIR BAUEN
Gaswerke, Kokereien und Anlagen zur Gewinnung aller
Produkte der Steinkohlen- und Braunkohlenveredelung
DIDIER KOGAG-HINSELMANN
KOKSOFENBAU UND GASVERWERTUNG A. G., ESSEN
Was er als Opfer "
zu bringen hat,
ist das Geheimnis
jedes einzelnen.
ALB. SCHWEITZER
N/H. 01478
Neue Rheinbrücke Duisburg
|||m1|Ijj ^j^^^^^^^^^^^
Nichts ist für den
Mensdien etwas wert,
was er nidit mit
Leidensahalt tun kann.
MAX WEBER
V/Sch. 01505
Klöckner & Co., Duisburg
»11
geruhter und auch widerstandsfähiger gegen
Krankheiten.
Einen praktischen Verbesserungsvorschlag
richtete Kam. Meyer zum Schluß an die Ham-
burger Hochbahn mit der Bitte, auf den
Bahnhöfen oder in den Zügen Laut-
sprecheranlagen anzubringen. Alle
Fahrgäste würden dankbar sein, und Ham-
burg würde damit nur dem Beispiel anderer
Städte folgen. Und an seine Kameraden rich-
tete er die Bitte, sich von den sehenden
Mitbürgern bei der Bewältigung des Groß-
stadtverkehrs helfen zu lassen und sich ein
aufmerksames Gefühl dafür zu bewahren,
wo die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines
| Hundes überschritten werden und mensch-
liche Hilfe in Anspruch genommen werden
; muß. Mit starkem Beifall und lebhaftem In-
teresse wurden diese sachkundigen Ausfüh-
rungen aufgenommen.
„Jeder für sich und Gott nur für den
Starken"
Polizeipräsident Georges er-
griff nun das Wort und gab einen er-
schreckenden Überblick über die Entwick-
lung des Verkehrs und der Unfallstatistik.
Die Gefahren haben sich verdoppelt, ja, in
gewisser Hinsicht verdreifacht. Ebenso auf-
schlußreich wie bedrückend waren die Ur-
sachen, die der Polizeipräsident dafür kenn-
zeichnete: das „Sichdurchsetzen" des
einzelnen Menschen in der Kriegszeit und
in den furchtbaren Nachkriegsjahren hat eine
gewisse Verrohung mit sich gebracht, ein
Abstumpfen des Verantwortungsgefühls für
den Mitmenschen und das Fehlen der Fähig-
keit der Güterabwägung bei jungen Men-
schen, die allzu Furchtbares erlebt haben. So
Sri also für die Bekämpfung der Verkehrs-
unsicherheit in erster Linie die Umerzie-
hung der Menschen notwendig. Es müsse
aufs neue die Achtung vor dem Leben und
der Gesundheit des Mitmenschen geweckt
werden, das Gefühl für notwendige Rück-
sichtnahme und Verantwortung, so wie man
das in anderen Ländern beobachten könne,
z. B. in Schweden, vor allem in England.
Polizeipräsident Georges schilderte gute
Beispiele der Verkehrsdisziplin, wie er sie
. in London erlebt hat. Eine solche Erziehung
sei eine vornehme Aufgabe des Rundfunks
und der Presse, aber auch jeder einzelne
Ein Schnappschuß
Unser Reporter beobachtete zufällig,
wie an einem Samstagnachmittag
ein Kriegsblinder, nur unter Zuhilfe-
nahme seines Stockes, durch die
verkehrsreichen Straßen einer Groß-
stadt ging und wie sich immer wie-
der beim überqueren von Straßen
helfende Passanten landen, die un-
seren Kameraden geleiteten. Der
Reporter ging dem Kriegsblinden,
dem sein Weg an sich vertraut
zu sein schien, eine Zeitlang nach.
Der Kriegsblinde überquerte vier
Straßen, und es fanden sich vier
hilfsbereite Menschen. So sollte es
immer sein: daß sich mit unauf-
dringlicher Selbstverständlichkeit
hellende Hände bemühen, und daß
der Kriegsblinde sich mit gleicher
Selbstverständlichkeit helfen läßt.
Foto: Hans-Georg Stoike
könne durch sein Beispiel und sein eigenes
Verhalten zu einer Wandlung beitragen. Ein
besonders krasses Zeichen unverantwort-
lichen geistigen Verhaltens seien die sich
mehrenden Fälle von Fahrerflucht. Gegen
alle notorischen Verkehrssünder müsse mit
Strenge vorgegangen werden. Neben den
üblichen Maßnahmen der Polizei (Verkehrs-
regelung, Fahrzeugkontrollen usw.) sei die
Polizei immer bemüht, den Schwächeren im
Verkehr zu helfen. Daher könne der Herauf-
setzung der Höchstgeschwindig-
keit von 40 auf 60 km im Stadtgebiet unter
gar keinen Umständen zugestimmt werden,
denn der Gefahrenfaktor würde sich damit
verfünffachen. Hauptursache aller
Verkehrsunfälle sei die Unzulänglichkeit des
Menschen und die traurige Einstellung:
„Jeder für sich und Gott nur für den Star-
ken." Solche Auffassungen müßten ver-
schwinden.
Die Überschätzung des Hundes
Zum Thema „Der Führhund im
Großstadtverkehr" sprach sodann
Dr. Heinz Brüll vom Institut für Um-
weltforschung der Universität Hamburg. Er
wies darauf hin, daß die meisten Menschen
die Fähigkeiten eines Hundes überschätzen,
und zwar gerade tierliebende Menschen, die
dem Vierbeiner Fähigkeiten zuschreiben,
wie sie oft bei Menschen vermißt werden.
Man denke nur an die zahlenlesenden
Dackel! Der Hund sei aber ein Meutetier,
das dürfe nicht übersehen werden, und ein
Hetzreißer, der seine Beute hetzt und reißt.
Bei der Ausbildung eines Hundes zum Führ-
hund sei die Ausnutzung dieser Urtriebe
oder deren Abgewöhnung und Einschrän-
kung von größter Wichtigkeit. Aus diesen
Urtrieben und Gewohnheiten erklären sich
auch besondere. Fähigkeiten des Hundes, die
ihn gerade als Blindenbegleiter geeignet
' machen. Die gleichen Veranlagungen er-
geben aber auch Schwierigkeiten — man
denke nur an das „Schnüffeln", das den
Hund beim Führen ablenkt. Auch bedeutet
für einen wesensstarken Hund das Anlegen
des Geschirrs ein Behindern seiner Bewe-
gungsfreiheit, das seine Sicherheit beein-
trächtige und das richtige Reagieren er-
schwere.
Der Hund müsse also umlernen, und das
sei für ihn außerordentlich schwer. Nur die
besten Hunde könnten also, und damit
unterstrich Dr. Brüll die Forderungen von
Kam. Meyer, den an sie zu richtenden An-
forderungen gewachsen sein. Die Sicherheit
des Blinden hänge ja von der immer gleich-
mäßig guten Leistung des Hundes ab, der
mehr können müsse, als nur Bordkanten an-
zuzeigen. Dr. Brüll ging zum Schluß auf das
Verhältnis von Herr und Hund ein und un-
terstrich die Ausführungen des Kam. Meyer.
Jeder Kriegsblinde müsse sich aber darüber
klar sein, daß der Hund nicht einen sehen-
den Begleiter voll, ersetzen könne und daß
man zur Zeit der Verkehrsspitzen der Unter-
stützung durch sehende Personen bedarf. —
Die mit starkem Beifall aufgenommenen Aus-
führungen von Dr. Brüll fanden die beson-
dere Aufmerksamkeit der Polizei und der
Behördenvertreter.
Aktivere Jugenderziehung!
Der Vertreter der „Verkehrswach t",
Staatsanwalt Dr. H e 1 1 g e , der erkennen
ließ, daß ihm die hier aufgezeigten Probleme
noch nicht voll bekannt waren, meinte zu
der Frage einer geistigen Umerziehung, daß
sich bei den verhärteten Menschen der
Kriegsgeneration kaum viel ändern lassen
werde. Um so wichtiger sei die Erziehung
der Jugend in einem anderen Geiste. Die
Verkehrswacht werde sich für eine ent-
sprechende Schulung der jugendlichen Helfer
einsetzen, doch müßten die verantwortlichen
Stellen schon den Schulkindern die Ver-
kehrsprobleme näherbringen. Dr. Hellge
unterstrich ein Wort, das kurz vorher ge-
fallen war: man könne die Kulturstufe eines
Volkes daran erkennen, wie dieses Volk sich
seinen schwerbeschädigten Mitmenschen ge-
genüber verhalte.
Dr. Hellge forderte die Kriegsblinden auf,
durch ihre Vorschläge der Verkehrswacht zu
helfen, die richtigen Maßnahmen zu finden.
Kamerad Ewald Meyer richtete in dem
Schlußwort der Versammlung, die durch die
Anwesenheit so vieler Vertreter der Öffent-
lichkeit den Charakter einer großen Kund-
gebung erhalten hatte, an den Rundfunk und
an die Presse die Bitte, das Anliegen und
die Gedanken dieses Abends in alle
Kreise der Bevölkerung zu tragen.
Er faßte dafür als Ergebnis der Versammlung
die folgenden vier Bitten zusammen:
1. An sämtliche Hundezüchter richtete er
die Aufforderung, dafür zu sorgen, daß
nur die besten Hunde zu Führhunden aus-
gebildet werden. Der beste Hund ist ge-
rade gut genug, Begleiter und Kamerad
eines Kriegsblinden zu sein.
2. An alle Fahrzeughalter richtete er die
Bitte, auf den Erblindeten und seinen
Hund im Verkehr scharf zu achten und
ihn durch zu spätes oder unnötig schrilles
Hupen nicht zu erschrecken und zu ver-
wirren und auch einmal notfalls die Fahrt
zu stoppen, um einem Erblindeten das
überqueren des Fahrdammes zu ermög-
lichen.
3. An die Fußgänger richtete er die Bitte,
dem Erblindeten und seinem Führhund
den geraden Weg freizugeben und nicht
durch stures Verhalten den Hund zu Um-
wegen zu zwingen. Helft dem Erblindeten
durch Rücksichtnahme und Hilfsbereit-
schaft, nicht durch billiges, oft taktloses
Mitleid.
4. An das Fahrpersonal der Verkehrsmittel
wurde die Bitte gerichtet, sorgsam darauf
zu achten, daß die Weiterfahrt erst dann
freigegeben wird, wenn Schwerbeschä-
digte, insbesondere Blinde, die Verkehrs-
mittel ordnungsmäßig verlassen bzw. be-
stiegen haben. Alle Kameraden aber wur-
den aufgefordert, im Großstadtverkehr
stets die gelbe Warnbinde sichtbar zu
tragen, da dies bei einem eventuellen Un-
fall außerordentlich bedeutend sein kann.
Konrad Halm
C^9u* ^^-S^/^^^ß^^/^^^
Handwerker - Ausstellung
Hauptfürsorgestelle Münster aktiv
In der Halle Münsterland läuft zur Zeit
eine große Ausstellung und Verkaufsmesse
„Handwerk hilft allen". Die Hauptfürsorge-
stelle Westfalen beteiligt sich an dieser Aus-
stellung in vorbildlicher Weise mit einer
Sonderschau „Der Schwerbeschädigte
im Handwerk". Auch Kriegsblinde sind .be-
teiligt. So ist unser Kam. Kannenberg aus
Menden, ein ostvertriebener früherer Guts-
besitzer, bei der Arbeit am Webstuhl zu
sehen. Ferner der als Stenotypist bei der
Hauptfürsorgestelle beschäftigte Kam. Neuer,
der in der Blindenschreibstube die Korre-
spondenz der Ausstellungsbesucher erledigt
und außer mit einer Stenomaschine auch mit
dem Dimafon arbeitet. Ein anderer Kriegs-
blinder, Kam. Dickel aus Girkhausen (Kreis
Berleburg), der außer dem Augenlicht auch
den linken Unterarm verloren hat, zeigt in
seinem Verkaufsstand die Produktion seines
Holzverarbeitungsbetriebes, bei dessen Aus-
gestaltung ihm die Hauptfürsorgestelle be-
hilflich war. Kam. Dickel beschäftigt zur Zeit
30 Belegschaftsmitglieder.
Da die Hauptfürsorgestelle Münster, inten-
siver als es in anderen deutschen Ländern
geschah, schon 1940 mit beruflichen Umschu-
lungen auf dem Wege einer Lazarettbetreu-
ung begann, war gegen Ende des Krieges für
die Schwerbeschädigten des Landes schon
viel geschehen. Von 1940 bis 1950 wurden im
Rahmen dieser Schulungsarbeit allein 600
Meisterprüfungen abgelegt! Auch die west-
fälischen Kriegsblinden wissen, daß es keine
schönen Worte sind, wenn die Hauptfürsorge-
stelle Münster als ihre vornehmste Aufgabe
die Arbeits- und Berufsfürsorge bezeichnet.
Interessant sind dazu Ausführungen, die
kürzlich Landesinspektor D ö 1 1 i n g vor den
Bezirksleitern des Landesverbandes West-
falen unserer Schicksalsgemeinschaft machte.
In einem Überblick über die Berufsfürsorge
für Kriegsblinde in den letzten Jahren schil-
derte er, wie schon bald nach Kriegsende die
Ausbildung Kriegsblinder zunächst in den
Sammellazaretten und Schulungsheimen fort-
gesetzt werden konnte.
„Trotzdem wuchs", so berichtete Inspektor
Dölling, „die Zahl der noch nicht ausgebil-
deten Kriegsblinden bereits Ende 1945 auf
100 an. Ein geringer Prozentsatz konnte im
Spätherbst 1945 der nach Nordborchen ver-
lagerten Provinzialblindenschule Paderborn
und den im Betrieb befindlichen Werkstätten
mit Heim der Westfälischen Blindenarbeit in
Detmold zugeführt werden. Aber die Schaf-
fung einer eigenen Ausbildungsstätte in
Westfalen war ein unaufschiebbares Bedürf-
nis geworden. Nachdem sich die Absicht, eine
Ausbildungsstätte im ehem. Reservelazarett
Hellersen bei Lüdenscheid einzurichten, zer-
schlagen hatte, wurde die Schaffung einer
besonderen Abteilung für Kriegsblinde in
der Prov. -Blindenschule Soest in Warstein
erreicht. Seit April 1946 sind in Warstein
sowohl blindentechnische Grundausbildungs-
lehrgänge als auch Umschulungen zum Tele-
fonisten, Stenotypisten, Bürstenmacher, Korb-
macher usw. durchgeführt worden. Bis zum
Abschluß im September 1949 haben 158
Kriegsblinde diese Schule besucht. Weitere
Lehrgänge liefen in Volmarstein, Walsrode
usw., in denen die Kameraden die Ausbil-
dung zum Masseur oder sonst eine Spezial-
ausbildung erhielten. Außerdem wurde vie-
len Kriegsblinden durch Gewährung von
.Studienbeihilfen die Durchführung eines Stu-
diums oder der Abschluß des Abiturs ermög-
licht. Leider ist zu jener Zeit aUzu große Be-
deutung auf die Ausbildung zum Bürsten-
macher gelegt worden."
Wenn man heute sagen könne, daß in
Westfalen 95 v. H. aller arbeitswilligen und
arbeitsfähigen Kameraden beruflich tätig
sind, so sei angesichts des oft mangelnden
Verständnisses bei den Arbeitgebern dieser
Erfolg nur der einzigartigen Zusammenarbeit
zwischen dem Bund der Kriegsblinden und
der Hauptfürsorgestelle zuzuschreiben. Es
bleibe jedoch noch viel zu tun übrig, näm-
lich für besonders schwerverletzte Kriegs-
blinde einen Arbeitsplatz zu finden, und vor
allem Bürstenmacher in andere Berufe zu
überführen.
Albert Gerwann gestorben
In Berlin verstarb, wenige Tage vor Voll-
endung des 71. Lebensjahres, nach fünf-
monatigem Krankenlager am 21. Mai 1952
unser Kamerad Albert Gerwann, ein treuer
Mitarbeiter unseres Bundes, der auf allen
Tagungen als Delegierter anwesend war und
unter dessen besonderer Betreuung die
Kriegsblinden der Provinz Brandenburg
standen.
Im Namen des gesamten Bundes der
Kriegsblinden Deutschlands hat der Bundes-
vorsitzende an die Witwe, Frau Klara Ger-
wann, Berlin-Tempelhof, Manfred-von-Richt-
hofen-Straße 131, ein Schreiben gerichtet, in
dem es u. a. heißt. „Der Verstorbene war ein
rastloser, treuer Mitarbeiter in unserer
Kriegsblindenschicksalsgemeinschaft fast von
seiner Erblindung an. Auf vielen Tagungen
hat er sein reiches Können und seine großen
Erfahrungen gezeigt und in den Dienst der
Kriegsblindensache stellen können. In seiner
stillen, bescheidenen Weise drängte er sich
niemals in den Vordergrund, war aber stets
einer der Vordersten, wenn es galt, sach-
liche Arbeit zu leisten. Innerhalb des Bezirks
bzw. Landesverbandes Groß-Berlin galt seine
besondere Sorge den Kriegsblinden aus der
Provinz Brandenburg, für die der Name
Albert Gerwann ein Begriff geworden war.
V Worte vermögen nicht die Trauer auszu-
drücken, in die uns deutsche Kriegsblinde
ES STARBEN:
LANDESVERBAND BERLIN
Bartkowiak, Martin, Berlin NW 87,
Waldstraße 55, gest. am 17. 5. 52.
LANDESVERBAND HESSEN
Möller, Romanus, Flieden, Kr. Fulda, geb.
am 14. 3. 1882, gest. am 28. 4. 1952.
Gauterin, Robert, Friedrichsdorf i. Tau-
nus, Landgraf-Friedrich-Straße 16, gest. am
25. 5. 1952.
Neider, Maria, Ehefrau unseres Kamera-
den Johannes Neider, Büdingen, Erbsen-
gasse 26, gest. am 11. 5. 1952.
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
R u m o h r , August, Hann.-Linden, Witte-
kindstraße 39, gest. am 20. 4. 1952.
J a n e t z k i , Richard, Vechta, Oldenburger
Straße 72, gest. am 28. 3. 1952.
K r a m e r , Berend, Kirchborgum üb. Leer,
gest. am 4. 4. 1952.
LANDESVERBAND NORDRHEIN
Lengersdorf, Karl, Köln-Rath, Rös-
rather Straße 254, gest. am 3. 5. 1952.
Pfeil, Werner, Stolberg, Amaliastraße 25,
geb. am 2. 4. 1910, gest. am 18. 5. 1952.
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Hummel, Wilhelm, Lübeck, Sedanstr. 24,
geb. am 21. 5. 1877, gest. am 14. 5. 1952.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHEN!
DasBeste
/////Readers Digest
bringt im neuen Juni-Heft:
Chirurgen greifen mitten
ins Herz hinein
Mit einer kühnen Operation begegnen die
Ärzte heute den lebensgefährlichen Folgen
des akuten Gelenkrheumatismus.
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ler Andre Maurois zeigt einen Weg . zur
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Wenn es um Leben und Tod geht
Unter den verschiedenen Methoden der
künstlichen Atmung ist nach ausführlichen
Untersuchungen jetzt die wirkungsvollste
herausgefunden worden. Jeder gesunde
Mensch kann sie ausführen und jeder sollte
sie erlernen — schon morgen kann ein
Menschenleben davon abhängen.
Diese und weitere 25 hochinteressante Ar-
tikel lesen Sie im neuen Juni-Heft der be-
kannten Monatsschrift
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überall im Buch- und Zeitschriftenhandel
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und besonders auch mich persönlich der Tod
dieses wackeren Mitkämpfers in unserer
Schicksalsgemeinschaft versetzt hat."
Einkehrtage für Blinde
Ein kriegsblinder Pfarrer im Lande Rhein-
land-Pfalz bemüht sich um ein regeres reli-
giöses Leben unter den katholischen Blinden.
So fand am Himmelfahrtstag im Franzis-
kanerinnenkloster zu Koblenz ein Einkehr-
tag für die Blinden statt, zu der sich eine
dankbare Gemeinschaft zusammenfand. Der
Tag begann mit einer Festmesse, als Bef-
und Singmesse von allen persönlich mitge-
feiert. Es folgten die Vorträge des Tages,
mit Themen: Von der' Würde des Menschen
— Hat das Leben einen Sinn? — Die Gott-
geborgenheit. Der kriegsblinde Pfarrer sprach
zu den Blinden aus gleicher Not, um den
guten Weg- aus der harten Lage zu zeigen.
Den Schluß bildete eine Maiandacht, Die
Aussprache unter den Blinden war sehr leb:
haft und aufschlußreich und zeigte die Dank-
barkeit für eine religiöse Wegweisung. Mit
Ernst wurde aber auch von der religiösen
Not vieler einsamer und verbitterter Blinder
gesprochen.
So soll diese Arbeit mit erhöhtem Eifer
fortgesetzt werden. Die nächste Tagung
wurde als Exerzitientagung im St.-
Josefstift in Trier, Franz-Ludwig-Straße,
für die Zeit vom 25. bis 29. August angesetzt.
Außerdem soll im Juli eine Wallfahrt der
Blinden des Bezirks Koblenz nach Bornhofen
stattfinden und im September eine Wallfahrt
der Blinden des Bezirks Trier nach Klausen.
Auf der Rauhen Alb
über den interessanten Ausflug einer
Schwarzwaldgruppe unseres Bundes berichtet
uns Kamerad Adolf Luz aus Altensteig
(Württ.) u. a. das folgende:
Unser Obmann, Kam. Everaers, hatte sich
einen wirklich guten Ausflugsplan aus-
gedacht. Mit einem beguemen Omnibus ging
es in Richtung zur Rauhen Alb, unter viel
Lachen und Singen. Hier konnte man nicht
sagen, daß die Schwaben nur den ersten
Vers eines Liedes kennen. Vor allem glänzte
damit der vor mir sitzende Kam. Seeger aus
Haiterbach, der nicht nur alle Lieder, son-
dern auch alle Verse dazu kannte. So war
Tübingen rasch erreicht und bald darauf die
der Alb vorgelagerte Stadt Reutlingen, und
dann unser erstes Reiseziel, die Bären-
höhle. Beim Aussteigen war es uns, als
ob wir vom warmen Zimmer in eine Winter-
landschaft kämen. Man war eben auf der
Rauhen Alb. In der 271 Meter langen Höhle
umgab uns eine lange unberührt gebliebene
Vergangenheit. Interessant für uns waren
vor allem die Tropfsteingebilde, darunter
Säulen mit dem stattlichen Alter von 500 000
Jahren. Von den Bären, die hier früher ihren
Schlupfwinkel hatten, sind allerdings natur-
gemäß nur noch Knochen übriggeblieben.
Weiter gings zur nächsten Sehenswürdig-
keit, nach dem berühmten Schloß Lich-
te n s t e i n , das auf einem steil abfallenden
Felsen gebaut ist. Im Innern wird wieder ein
Stück Heimatgeschichte lebendig. Wir durf-
ten ausnahmsweise die hier aufgestellten
Rüstungen und Kriegswerkzeuge früherer
Jahrhunderte betasten und empfingen da-
durch unvergeßliche Eindrücke. - Zum Schluß
noch ein paar gemütliche Stunden im Reb-
stöckl zu Reutlingen, und dann gings heim
nach Nagold. Alle Kameraden waren für
diesen schönen Tag sehr dankbar.
PERSÖNLICHES
Ehrentage
Seinen 80. Geburtstag beging am 22. Mai
1952 in geistiger Frische unser langjähriges
Mitglied Kam. Ferdinand Sauermilch,
Berlin-Spandau, Aspenweg 17.
Kamerad Paul Koschwitz und Frau
Anna, geb. Kluge, Boffzen (Kr. Holzminden/
Weser), Farbe 1, feierten am 18. Mai 1952
ihr 40jähriges Ehejubiläum.
Am 1. Juni beging unser Kamerad Otto
Holz in Lübeck, Helen-Keller-Weg, mit
seiner Gattin die Silberhochzeit.
Vermählungen
„Ein Hoch dem Brautpaar", so schallt es
unserem Kassierer, Kam. Heinrich Well-
m a n n j r. aus Sonsbeck, und seiner jungen
Frau von den dankbaren Kameraden des
Bezirks Geldern am Hochzeitstage, dem
18. Juni 1952, entgegen.
Kamerad Adam Achtzehnder, Düdels-
heim, Kirchgasse 16, hat sich am 20. März
1952 mit Frau Anna Marta Dorothea, geb.
Knoth, verheiratet.
Geburten
Kam. Karl Jäger (Bezirksleiter Gießen)
und Ehefrau, Oberwetz über Wetzlar, am
6. Mai 1952 ein Töchterchen „Anneliese".
Kam. Paul K 1 o p s c h und Frau Cäcilia,
Stuttgart-N, Knollstraße 15, am 20. Mai 1952
eine Tochter „Maria Elisabeth".
Kam. Wilhelm H i 1 s e und Frau, Warpke
Nr. 15 (Kreis Dannenberg/Elbe), ein Junge.
Kam. Werner Krebs und Frau, Berlin-
Marienfelde, Kirchstraße 12, eine zweite
Tochter, „Cornelia".
Wir alle gratulieren!
Erfolgreiche Stenotypisten
Wiederum sind schöne Wettbewerbserfolge
kriegsblinder Stenotypisten zu
melden. So berichtete der Präsident der
Eisenbahndirektion Trier an die Bundeslei-
tung, daß der 24jährige Eisenbahngehilfe,
Kamerad Adolf Kohn (Trier) anläßlich des
26. Verbandstages der Eisenbahn-
Stenografenschaft einen ersten Preis
in der 200-Silben-Klasse erhalten hat. In der
gleichen Klasse erhielt auch Kam. Gabriel
Mertens (Köln) einen ersten Preis. Was noch
erfreulicher ist: Bei dem Wettschreiben, an
dem außer diesen beiden Kriegsblinden über
100 sehende Stenografen aus dem ganzen
Bundesgebiet teilnahmen, lagen die beiden
Kriegsblinden in der Gesamtwertung an 7.
und 8. Stelle. „Diese beiden Stenografen", so
schreibt die Zeitung Trierischer Volksfreund,
„wurden durch den Vorsitzenden und durch
Vizepräsident Dullien besonders geehrt; da-
bei wurde zum Ausdruck gebracht, daß die
Leistungen dieser beiden noch höher als die
Bestleistung zu bewerten seien." Beide Kame-
raden schrieben übrigens mit einer 6-Punkte-
Maschine, Kam. Kohn mit Deppelhub.
Auch beim hessischen Stenografentag
schnitten unter 600 Wettbewerbsteilnehmern
zwei Kriegsblinde gut ab. Einer von ihnen
erreichte mit der neuen Marburger 8 -
Punkt- Stenomaschine eine Geschwindig-
keit von 240 Silben.
Im Deutschen Schachbund
Der Deutsche Blindenschachbund aufgenommen
Der Schachkongreß des Deutschen Schach-
bundes hat am 11. Mai in Hagen den Antrag
des Deutschen Blindenschachbundes auf Auf-
nahme einstimmig angenommen. Der Blinden-
Aug.Baisch
&S0HN
MANNHEIM
2u/uckt&i£i
schachbund wird sich dementsprechend künf-
tig wahrscheinlich bezeichnen als: Deutscher
Schachbund, Blindenschachverband, Sitz Her-
ford, Johannisstraße 27. Die Pflichten und
Rechte der Mitgliedschaft werden mit dem
Präsidium des Deutschen Schachbundes in
Kürze festgelegt werden. Am Hagener Kon-
greß nahm als Gast auch unser Kamerad
Mertens (Köln) teil.
Kriegsblindenjahrbuch 1953
Nach dem überaus erfolgreichen Erscheinen
der Kriegsblindenjahrbücher für 1951 und
1952 wird auch für das Jahr 1953 ein Jahr-
buch herausgebracht werden. Die Vorberei-
tungen sind nahezu abgeschlossen.
Mädel
25 Jahre, wünscht einen entsch.
christl. ev. Kriegsblinden kennen-
zulernen. Zuschriften (Diskretion
Ehrensache) erbeten unter B. G.
an die Schriftleitung, Bielefeld,
Stapenhorststraße 138.
Alleinstehende Frau
Kriegerwitwe, Anfang 50 (jünger
aussehend), rüstig, möchte geist.
regem Kriegsblinden Kameradin
und Gefährtin sein. Zuschriften
erbeten unt. E. B. an die Schrift-
leitung, Bielefeld, Stapenhorst-
straße 138.
V_/Ius Anlaß meines 65. Geburtstages sind mir aus allen Teilen
Deutschlands so zahlreiche Glückwünsche zugegangen, daß es mir
leider unmöglich ist, allen Gratulanten persönlich zu danken. Ich
bitte daher, meinen herzlichsten Dank auf diesem Wege abstatten
zu dürfen. Ich werde auch in Zukunit bemüht sein, meine ganze Kraft
in den Dienst der Organisation zu stellen und hoffe, genau wie
früher, noch manchem Kameraden ein treuer Berater und Helfer
2u sein. Axel Bischoff
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Er baut Maschinen — für sich und für andere
Der kriegsblinde Holzwarenfabrikant Dr. Otto Meyer-Auhausen gibt ein Beispiel
Wer das behäbig zwischen der Bahnstrecke
Gunzenhausen — Nördlingen und der munter
dahinfließenden Wörnitz ausgebreitete Au-
hausen verläßt und an der massigen
Mühle vorübergeht, stößt auf ein ihr gegen-
überligendes Gebäude, das sich als Stätte
einer rastlosen Arbeit auf den ersten Blick
nicht erkennen läßt. Erst dem Näherkom-
menden wird offenbar, daß sich hier „etwas
tut". Ein tiefes Brummen, mitunter übertönt
vom Kreischen der Sägen und vom rasenden
Lärm schwerer Hobelmaschinen, dringt dem
Besucher entgegen. Wenn man das Haus be-
tritt, umfängt einen dann die Atmosphäre
exaktester Arbeit an zahlreichen Maschinen.
Nichts deutet darauf hin, daß mit ihnen ein
persönliches Schicksal eigener Art verbunden
ist: ein kriegsblinder Philologe, der zum
Konstrukteur vielseitiger Holzbearbeitungs-
maschinen wurde-, ist hier seit nunmehr
30 Jahren mit Zähigkeit und Erfindungsgabe
am Werk.
Als 1915 dem damaligen Fußartilleristen
Otto Meyer das Augenlicht geraubt
wurde, schienen alle Zukunftspläne zusam-
menzubrechen. Die Laufbahn des Technikers
und Ingenieurs, die er einmal ergreifen
wollte, hatte — noch nicht einmal begonnen
— anscheinend schon ihr Ende erreicht. Aber
er nahm sich vor, mit dem schweren Schick-
sal trotzdem fertig zu werden. Er ging daran,
die Blindenschrift und das Maschineschreiben
zu erlernen, und 1919 finden wir Otto Meyer
auf der Universität Erlangen, wo er schließ-
lich 1922 die Doktorwürde erwarb. Seine
Braut und jetzige Frau hatte ihm als Mit-
studentin das Studium mit großer Aufopfe-
rung erleichtert, über „die beiden Hum-
boldts" schrieben sie ihre Doktorarbeiten.
Abermals ohne Zukunft
Als dieses Ziel erreicht war, mußten beide
erkennen, daß die Studienratslaufbahh kaum
noch Aussichten eröffnete. Sie war inzwi-
schen überfüllt. Abermals brachen alle Pläne
zusammen, abermals mußte ein neuer Weg
gesucht werden. In diesen schweren Stunden
erinnerte sich Dr. Meyer daran, daß in sei-
nem Heimatort Auhausen die kleine alte
Mühle stillstand. Würde sie geeignet sein,
das Sprungbrett für eine das Leben ausfül-
lende Tätigkeit zu werden? Sehr klein waren
die ersten Anfänge im Jahr 1923, mit denen
Dr. Meyer begann. Die ersten zunächst nur
behelfsmäßigen Maschinen wurden beschafft.
1924 holte man sich einen tüchtigen Schrei-
nermeister aus München und begann mit
ihm, die damals zusammensteckbaren Bau-
kästen zu bauen. Hauptsächlich in der
bayerischen Landeshauptstadt fanden sie
gute Verbreitung. Aber eines Tages war der
Markt gesättigt. Wieder verlangte das Leben
eine Umstellung.
OTTO SCHMIDT
Gegründet 1925
Altenkirchen (Westerw.)
und Remscheid -Lennep
Werkzeuge für Fernmeldewesen
Feinmechanik — Elektrotechnik
JBBUJKDS HELIOS-
y^"**4^ APPARATE
WETZEL & SCHLOSSHAUER
HEIDELBERG
Vom Spielzeug zum Gebrauchsgegenstand
war kein großer Schritt. (K leiderb ü gel,
Wäscheklammern und Bügel-
eisengriffe wurden in das Produktions-
programm aufgenommen. Heute noch bilden
sie den Hauptbestandteil der Erzeugung. Ehe
sie den jetzigen Umfang erreichte, mußten
viele Klippen umschifft werden. Nicht die
kleinste war die Tatsache, daß Auhausen
ein rein landwirtschaftlich bestimmtes Gebiet
ist. Das zeigte sich, als Dr. Meyer Feder-
Wäscheklammern erzeugen wollte. Sie wären
für Heimarbeiter gie geschaffen gewesen.
Aber es fand sich niemand, diese Arbeit zu
übernehmen.
Die erste Konstruktion
Da brach der Techniker, der Ingenieur, in
Dr. Meyer wieder durch. Wenn der Mensch
die Arbeit nicht zu leisten bereit war, dann
mußte eben die Maschine das Zusammen-
stecken der Klammern in der Feder besor-
gen. So entstand die erste Montiermaschine.
Sie wurde in allen Einzelheiten von dem
Erblindeten selbst konstruiert. Sie ist so ein-
fach und sinnreich gebaut, daß selbst ein
einhändiger und einbeinig amputierter Blin-
der an ihr arbeiten kann. Mit Virtuosität
führt Dr. Meyer dem Besucher diese Ma-
schine vor und man muß bei jeder fertigen
Klammer staunen, wie schnell und sicher
man mit ihr arbeiten kann. 18 solcher Ma-
schinen hat er für Kriegsblinde gebaut. Die
Währungsreform machte zwar vorerst einen
dicken Strich unter diese Arbeit, aber auch
dieser Schock ist überwunden und Dr. Meyer
baut neue Montiermaschinen, die im Grund-
prinzip zwar unverändert, in einigen Fein-
heiten jedoch noch erheblich verbessert wor-
den sind.
Maschine für Ohnhänder
Nicht minder erstaunlich ist die Maschine,
die Dr. Meyer zur Anfertigung von Knopf-
rohlingen baute. Vor der Währungs-
reform waren Holzknöpfe sehr begehrt. Man
trug sie an Anzügen, Mänteln, Trachtenklei-
dern. Nach der Währungsreform aber wollte
niemand diese Knöpfe mehr haben. So sind
nur zwei Maschinen für ihre Herstellung ge-
baut worden, die dritte Maschine blieb un-
vollendet. Auch sie sind so sinnreich kon-
struiert, daß selbst handlose Blinde mit ihnen
arbeiten können. Der Armstumpf und die
Füße genügen, um das Gerät zu betreiben.
Manchem Schicksalsgefährten sollten diese
Maschinen Arbeit und Brot geben. Die Zeit-
verhältnisse ließen es nicht zu.
Die Grundproduktion aber blieb. Sie wurde
den jeweiligen Erfordernissen der Wirt-
schaftslage angepaßt, zumal die engere und
weitere Umgebung gute Absatzmöglichkeiten
boten. Wäschetrockner, Seilhaspeln und
andere Gebrauchsgegenstände für Küche und
Haus wurden in die Erzeugung aufgenom-
men. Das Prinzip der Massenherstellung zur
möglichst niedrigen Preisgestaltung steht
dabei unverrückbar im Vordergrund. Der
Neigung zum Entwerfen neuer Maschinen
und zur Konstruktion der technischen Hilfs-
mittel eröffnete sich ein breiter Raum. So
kommt es, daß Dr. Meyer in seinem Betrieb
bis auf Sägen und Hobelmaschinen nur
Maschinen eigener Konstruk-
tion verwendet, die außerdem fast aus-
nahmslos im eigenen Betrieb gebaut worden
sind.
Rollstäbchen i ür „Kaltwelle"
Wenn man durch den immer mehr erwei-
terten Bau geht, dann kommt man aus dem
ehrlichen Staunen nicht heraus. Rund 20 Be-
legschaftsmitglieder umfaßt jetzt der Betrieb.
Auf fast 400 Quadratmetern Arbeitsfläche
stehen 30 Maschinen. Eine erstaunliche Lei-
stung! Aber jeder Erfolg hat Enttäuschung
und Arbeit gekostet. Nur ein kleines Beispiel
dafür: Als die Weltfirma Schwarzkopf vor
drei Jahren „Rollstäbchen" für die Kaltwelle
benötigte, wandte sie sich an Dr. Meyer und
trug ihm ihre Gedanken vor. In kurzer Zeit
war ein brauchbares Muster entwickelt, vor
allem aber ein neues Herstellungsverfahren.
In Tag- und Nachtschichten wurden in kurzer
Zeit Hunderttausende von „Rollstäbchen"
an in aller Schnelligkeit selbstgebauten Ma-
schinen hergestellt. Die Idee der Weltfirma:
„Wir müssen das Rennen gewinnen" wurde
von Dr. Meyer wahlgemacht. Das Rennen
wurde gewonnen! Da kam die „Konkurrenz
aus Plexiglas". Aber der Holzwickler setzte
sich bei den Figaros trotzdem durch, weil das
Holz handlicher ist. Die Aufträge kamen
wieder in Fluß und eine Maschine rattert den
ganzen Tag nur für die „Rollstäbchen".
Natürlich sind viele Dinge der Mode
unterworfen. Da heißt es, immer wieder auf
der Hut zu sein, dem Geschmack der Käufer
entgegenzukommen und trotzdem Wertarbeit
zu leisten und konkurrenzfähig zu bleiben.
Das aber heißt, sorgfältig zu kalkulieren,
billig einzukaufen, jedes Stückchen Holz aus-
zunutzen, keine unproduktive Arbeit zu lei-
sten. Günstig dafür ist einmal, daß das
%(Vi untete Sjckackpieunde
Zwei Partien aus dem Mescheder Schach-
turnier für Blinde 1952
Englisch
Weiß: F. Steidele, Gelsenkirchen —
Schwarz: F. Diehl Köln.
1. c4 c5 2. Sc3'Sf6 3. g3 e6 4. Lg2 d5
5. c:d5 e:d5 6. e3 Sc6 7. Sge2 Lf5 (Le6 oder
Le7 war zu empfehlen) 8. 0—0 Dd7 9. d4 Sb4
(statt mit dem Springer eine undurchsich-
tige und zeitraubende Attacke zu reiten,
hätte Schwarz den Vorstoß c4 wagen sollen)
10. a3 Sc2 11. Ta2 c:d4 12.- S:d4 S:d4
13. D:d4 Le6 14. Tal b6 15. Tel (auch b4 war
nicht von der Hand zu weisen) 15. Le7
(Lc5 nebst 0-0 dürfte wohl die stärkere Fort-
setzung gewesen sein) 16. b4 Tc8 17. Lb2
Tc4 18. Dd2 d4 19. Se4 S:e4 20. L:e4 d:e3
(jetzt hat Schwarz aus Freude darüber, den
vereinzelten Bauern loszuwerden, die Ge-
legenheit, den schlechten Le7 auf f6 besser
zu postieren, versäumt, wodurch das po-
sitionelle Übergewicht des Weißen noch er-
kennbarer wird) 21. D:e3 0—0 2± Ld3 Tc7
23. Le5 Tc8 24. Tadl Da4 (der Partieverlauf
zeigt, daß die Dame diesen verlassenen Win-
kel besser nicht aufgesucht hätte) 25. Tel
h6 26. T:c8 T:c8 27. Lb2 KE8 28. De4 gS
(Schwarz scheint seinen Le7 ganz vergessen
zu haben. 28. Lf6 versprach noch Wider-
stand) 29. De5 Ke8 30. Lb5+ aufgegeben.
Weiß: F. Diehl, Köln — Schwarz:
G. Mertens, Köln
1. c4 e5 2. g3 Sf6 3. Lg2 d5 4. c:d5 S:d5
5. Sc3 c6? (Sf6 nebst c6 hätte Bauernverlust
verhütet. Der Verlust des Bauern ist zwar
ärgerlich, besagt aber in diesem Stadium der
Partie nicht viel) 6. S:d5 c:d5 7. Db3! Sc6
8. L:d5 Dc7 9. Ff3 Ld6 10. e3 0—0 11. 0—0
Lh3! (ein wichtiger Tempogewinn) 12. Tel
(Tdl wäre dem Vorstoß d4 zugute gekom-
men) 12. Tae8 13. d3 Sb4! 14. Te2 S:d5
15. D:d5 Le6 16. De4 f5 17. Da4 Ld7 18. Ddl
(die Stellung von Weiß kann nicht befrie-
digen, während alle schwarzen Figuren ein-
satzbereit stehen) 18. e4 19. Tc2 Db3
20. d:e4 f:e4 21. Sg5? (in der trügerischen
Hoffnung, nach 22. Dd5+ die Qualität zu •
gewinnen) 21. Te5! 22. S:e4 T:e4 23.,
Dd5+ Te6 24. f4 Kh8 25. e4 Tef6 26. e5 Lc6!
27. Dd4 L:e5! 28. Db4 (28. D:e5?? D:e5! 29.
f:e5 Tfl) 28. Lc7 29. Le3 Dd8 30. Td2
La5 31. aufgegeben. La5 erzwingt den Damen-
abtausch; Weiß versprach sich daher vom
Endspiel nichts mehr. Gabriel Mertens ;
Buchenholz, das fast ausnahmslos verwendet
wird, aus dem nahen Wald kommt .(rund
100 Kubikmeter beträgt der Jahresverbrauch),
und günstig ist ferner, daß die jeweils be-
nötigten Maschinen von Dr. Meyer selbst
für ihren ganz bestimmten speziellen Zweck
gebaut werden. Auch die Verwendung von
Wasserkraftturbinen, denen die am Haus
vorbeifließende Wörnitz Antrieb gibt, senkt
die Kosten. Nach 1945 war der Betrieb oft
ganz allein auf Wasserkraft angewiesen. Jetzt
aber wird auch elektrische Kraft hinzu-
genommen, wenn alles „auf vollen Touren"
laufen muß. Das ist nicht selten. Wenn z. B.
ein großes Konfektionshaus für seine Jahres-
produktion in kürzester Frist 20 000 Klei-
derbügel, lackiert mit Firmenaufdruck, haben
will, dann muß das in der angegebenen Frist
auch geschafft sein. Das ist ein Stück der
eigenen Werbung!
- Ein vielseitiger Mann
Das Bild wäre jedoch keineswegs abgerun-
det, wenn man nicht erwähnen würde, daß
Dr. Meyer sich immer wieder seinen Kame-
raden und Schicksalsgefährten widmet, sei es,
daß er ihnen Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen
sucht, sei es,' daß er Blindenschriftgriffel,
Walzen und Tasten für Blindenschriftmaschi-
nen, Blindenverkehrsstöcke mit Leuchtring,
Rechenkästen für Blindenschulen und andere
Geräte herstellte. Und für seine Kameraden
schrieb Dr. Otto Meyer vor Jahren auch ein
Buch, das damals in dem angesehenen' Ver-
lag von Köhler & Amelang (Leipzig) erschien:
„Wenn auch das Licht erlosch",
ein Buch der Ermutigung und Lebenshilfe
für andere.
So hat ein Kriegsblinder auf eine sehr
ungewöhnliche Art sein Leben angepackt,
und immer stand ihm bei seinen beruflichen
Sorgen und Unternehmungen seine Frau zur
Seite, mit nicht geringerer Aktivität und
Zähigkeit. Ein- Besuch in Auhausen lohnt
sich, weil man zwei Menschen begegnet, die
auf der einen Seite Mut und Tüchtigkeit be-
wiesen, auf der anderen aber auch Liebe und
Kameradschaft. Erich Büchner
Unser Kamerad Dr. Meyer
(Auhausen) hat lür seine
Holzwareniabrik eigene Ma-
schinen entwickelt. Aul dem
oberen Bild ist er an der
selbstkonstruierten Grili-
Fräsmaschine zu sehen, rechts
an der von ihm gebauten
Maschine zum Montieren von
Federwäscheklammern, übri-
gens ist Kamerad Dr. Meyer
nicht der einzige Holzwaren-
iabrikant, geschweige denn
der einzige kriegsblinde Un-
ternehmer. So hat z. B. Kam.
Dickel aus Girkhausen i. W.
eine Holzwareniabrik mit 30
Beschältigten aufgebaut.
^^icttzcJxcusuffcecicfi,
50 belgische Kriegsblinde nahmen in zwei
großen Omnibussen und mehreren Privat-
kraffwagen an einer viertägigen Rundfahrt
durch Westdeutschland teil. Bei ihrem Emp-
fang in Aachen fand zu Ehren der Kriegs-
blinden eine Parade der dortigen bel-
gischen Truppenformationen statt. Ein Re-
dakteur einer Aachener Tageszeitung über-
gab dem Vizepräsidenten des belgischen
Kriegsblindenwerks, Major Delvaux, „eine
wertvolle Ehrengabe als kameradschaftliche
Geste der Ehrerbietung". Aachens Ober-
bürgermeister wird bei einem für Juli erwar-
teten zweiten Besuch belgischer Kriegsver-
sehrter einen Führhund übergeben. — Wir
begrüßen mit großer Freude diese Kenn-
zeichen einer wachsenden Gemeinschaft zwi-
schen ehemaligen Gegnern, zumal der bel-
gische Kommandant von Aachen ein gemein-
sames Treffen von belgischen und deutschen
Kriegsversehrten in Aussicht gestellt hat.
Auch sind wir damit einverstanden, daß
manche deutsche Stelle den ausländischen
Kriegsblinden mehr Aufmerksamkeit zu wid-
men scheint, als je den deutschen Kriegs-
blinden.
Nach Informationen der Polizei ist mit dem
Frühjahr das Heer der berufsmäßigen
Bettler auf 15000 angestiegen. Immer
wieder versuchen diese Gesellen, sich als
„Blinde" zu tarnen, um das Mitleid der Men-
schen auszunutzen. So wurde letzt in Han-
nover ein solcher blinder Bettler aufgegrif-
fen, der täglich mitdemMotorrad nach
Hannover kam, um dort seiner „Arbeit" —
natürlich mit Hilfe einer gelben Armbinde —
nachzugehen. Die Kriegsopferverbände, nicht
zuletzt auch der Kriegsblindenbund, haben
in diesen Tagen das schändliche Bettel-
unwesen erneut verurteilt und haben sich
von jedem Bettler in ihren Reihen auf das
schärfste distanziert. Wünschenswert wäre
es nur, wenn auch die Öffentlichkeit sich
gegen das Bettelunwesen wenden würde,
statt die Polizei zu hindern, zu notwendigen
Festnahmen zu schreiten.
*
Der „Bund hirnverletzter Kriegs-
und Arbeitsopfer e. V." hielt am 17.
und 18. Mai seine diesjährige Bundestagung
in Frankfurt ab, verbunden mit einem Fest-
akt in der Paulskirche. Der Bundesvorstand,
an der Spitze der einstimmig bestätigte F.
H. Götsch (Hannover), wurde wiedergewählt.
Die Zeitschrift des Hirnverletztenbundes
„Kameradengruß" berichtet, daß am Tage
vor dem Delegiertentreffen im Anschluß an
die Kundgebung in der Paulskirche vor dem
Gotteshaus durch den VdKFlugblätter
verteilt wurden „Ein Kameradengruß an
alle Hirnverletzten", die in ihrer Auf-
machung den Druckerzeugnissen des Hirn-
verletztenbundes glichen. Die empörten Dele-
gierten hätten die Flugblätter in einem
Feuer vor der Paulskirche verbrannt.
*
In der Ostzone wird die Ausbildung
von blinden Masseuren nicht mehr in der
bisherigen Weise fortgesetzt. Der Masseur-
beruf soll durch eine Ausbildung zum Heil-
gymnasten erweitert werden, obwohl
behördlicherseits teils Bedenken dagegen be-
stehen. Die Ausbildung sieht vor: je ein Jahr
Grundausbildung und Praktikum mit einer
Prüfung zum Orthopädischen Gymnasten.
Weitere zwei Jahre Ausbildung mit dem
Berufsziel des Krankengymnasten.
*
Die Magdeburger „Volksstimme" berichtet,
daß eine Anzahl von Blinden auf Grund be-
sonderer beruflicher Leistungen als „Akti-
visten" ausgezeichnet wurden und wendet
sich gleichzeitig gegen das Auftreten blin-
der Bettler in den Straßen der Stadt.
Diesen Bettlern ein Almosen zu geben, sei
„ein ungeheures Unrecht denen gegenüber,
die vielleicht noch weniger Unterstützung
erhalten".
*
Die älteste Blindenanstalt Deutschlands,
die vom preußischen König in Berlin 1806
gegründet wurde, feierte im Mai das 75-
jährige Bestehen des Hauses in Steglitz,
dessen Bau 1877 eingeweiht wurde. Eine
Reihe von Festveranstaltungen machten das
trotz aller Kriegszerstörungen hohe Ansehen
und die erneuerte große Leistungsfähigkeit
der Schule deutlich. Der verdienstvolle
Direktor der Anstalt ist unser kriegsblinder
Kamerad Dr. Jurczek.
*
Ein unglaublicher Roheitsakt wird aus
Ottobeuren bekannt: Unbekannte Täter trie-
ben einem Blindenführhund einen eigens
präparierten Nagel mit entfernter Kuppe
viereinhalb Zentimeter tief neben der Wir-
belsäule in der Gegend des Kreuzbeines in
die Muskulatur. Der Hund kam nach Hause
und machte seinen Herrn durch ständiges
Schmeicheln und Winseln auf den Fremd-
körper aufmerksam. Es gelang dem Tierarzt,
den Nagel mit einer Zange herauszulösen
und das wertvolle Tier zu retten.
*
Im Saargebiet gibt es heute etwa 550 Zivil-
blinde (bei einer Bevölkerungszahl von
950 000), von denen die Mehrzahl das Augen-
licht durch Betriebsunfall in Gruben und
Hütten verloren hat und daher rentenmäßig
gesichert ist. Für die nicht versorgten Zivil-
blinden wurde das „Gesetz über die Gewäh-
rung einer Blindheitshilfe" vom Juni
1950 jetzt ergänzt. Danach erhält jeder Zivil-
blinde monatlich (umgerechnet) fast 90, —
DM, und zwar ohne Anrechnung seines son-
stigen Einkommens. Demnach erhält ein
gänzlich mittelloser Zivilblinder außer dieser
Blindheitshilfe auch Wohlfahrtsunterstützung,
also insgesamt 155, — DM,
*
Die Weltvereinigung ehemali-
gerKriegsteilnehmer hielt ihr zwei-
tes Treffen unter Anwesenheit von Dele-
gierten des amerikanischen Kriegsblinden-
bundes in Belgrad ab. 87 Organisationen
aus 19 Ländern waren vertreten. Albert Morel
(Frankreich) wurde zum Präsidenten und
E. H. Newcomb (USA) zum Generalsekretär
gewählt. Die Bezeichnung dieser Vereinigung
lautet jetzt: World Veterans Federation
(WVF). In Zusammenarbeit jnit diesem Ver-
band geht von Amerika eine internationale
Hilfe für Kriegsbeschädigte in 11 Ländern
aus. Kriegsblinde sollen u. a. eine Blinden-
uhr und einen elektrischen Rasierapparat
erhalten können.
Der Generalsekretär der Weltvereinigung
der Veteranen hat nunmehr das internatio-
nale Hilfsprogramm der Vereinigung
bekanntgegeben. Danach soll ein Informa-
tionszentrum entstehen, u. a. zur Vorberei-
tung von Filmen und Wanderausstellungen,
ferner ein technischer Beratungs-
dienst über die letzten Entwicklungen auf
dem Gebiet der Prothesen und der Hilfs-
mittel. Auch soll eine Ausbildung oder ein
Austausch von Fachleuten erfolgen (z. B.
benötigt Jugoslawien Spezialisten für die
Anfertigung orthopädischer Schuhe). Wichtige
Institute, z. B. das Krankenhaus für Kriegs-
beschädigte in Athen, sollen Ausrüstungs-
gegenstände usw. erhalten. Die Entwicklung
von Prothesen und Hilfsmitteln — auch Blin-
denhilfsmitteln! — soll in internationaler
Zusammenarbeit erfolgen.
Von einer interessanten neuen Augen-
operation berichtete Dr. Key Sharp vor
britischen Blindenfachleuten. Es handelt sich
um die Wiederherstellung des Augenlichtes
in gesondert gelagerten Fällen durch Ent-
fernung der beschädigten Linse und Ersatz
durch eine künstliche Linse. Die Er-
fahrungen mit dieser Operation sind aber
noch gering. In England hat man übrigens
nach wie vor Schwierigkeiten bei der
Operation der Hornhautübertragung, da die
Zahl der Hornhautspender viel zu gering
ist. Hochinteressant ist auf diesem Gebiet
eine Schilderung aus der Pariser Presse,
wonach es in der Universitätsklinik in
Nantes mehrfach mit Erfolg gelungen sei,
erblindeten Menschen durch Übertragung
eines neuen Glaskörpers zu helfen.
Fachkreise stehen allerdings diesen Nach-
richten noch sehr skeptisch gegenüber.
Seit einigen Wochen läuft der amerika-
nische Kriegsblindenfilm „Sieg über das
Dunkel" auch in Osterreich. Die erfolg-
reiche Premiere fand im Künstlerhaus-Kino
in Wien statt.
*
Der französische Blindenfilm „Die Nacht
ist mein Reich" („La nuit est mon royaume")
läuft in französischer Originalfassung z. Z.
in der Schweiz. Einer der besten französi-
schen Schauspieler, Jeanne Gabin, spielt die
Hauptrolle, einen Lokomotivführer, der im
Dienst sein Augenlicht verliert. Gabin erhielt
für diese Leistung den ersten Preis als
bester Schauspieler des Jahres
1951. Das Filmgeschehen wickelt sich größ-
tenteils in einem französischen Blinden-
institut ab. Er soll sehr viel besser sein als
der in Deutschland gezeigte französische
Blindenfilm „Die Nacht geht zu Ende", der in
minutenlangen Großaufnahmen eine Horn-
hautoperation zeigt. „Im Gegensatz zu dem
amerikanischen Kriegsblindenfilm, der wahr-
haftig und unsentimental ist, strotzt dieser
französische Streifen von Verlogenheiten
und Knalleffekten", so schrieb kürzlich eine
Frankfurter Zeitung.
*
Die 1928 gegründete und nach dem erblin-
deten englischen Dichter Milton benannte
John -Mil ton -Blindenge Seilschaft
in den USA hat in 66 Ländern und in neun
Sprachen christliche Literatur in Blinden-
schrift für Kinder und Erwachsene kostenlos,
verteilt. Zu den neuesten Veröffentlichungen
gehört eine Kinderzeitschrift in japanischer
Blindenschrift. Die Gesellschaft betreut vor
allem viele Millionen von Blinden auf den
überseeischen Missionsfeldern. Als Präsiden-
tin der Gesellschaft wurde für das neue
Geschäftsjahr Dr. Helen Keller gewählt.
Auch die deutsche Uhrenindustrie bringt
jetzt eine Blindenarmbanduhr auf
den Markt, die ein neues, rein deutsches
Erzeugnis ist. Es handelt sich um ein Fabri-
kat der Uhrenfabrik „Bergisch Haus" (Pforz-
heim und Solingen) mit einem stoßgesicher-
ten Vollankerwerk und 15 Steinen, Chrom;-
klappdeckel und aufgeschraubtem Rückenteil
zu einem Preise von 66, — DM. Näheres ist
aus einer Anzeige an anderer Stelle dieses
Heftes zu ersehen.
*
In einer bayerischen Stadt kam ein alter,
halbgelähmter blinder Korbmacher auf
schreckliche Weise ums Leben, weil er beim
Anzünden der Pfeife erst zu spät be-
merkt hatte, daß seine Kleidung in Brand
geraten war. Seine Frau befand sich in der
Nachbarwohnung. Der Blinde erlag wenige
Stunden später den Brandverletzungen.
Wenn wir hellen können, müssen wir es auch tun,
sonst sind wir nicht wert, daß ein Sonnenstrahl auf uns fällt.
A./Ty. 01476
G/D/M. 01480
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10
Raus durchs Zugfenster
Im Maiheil erschien auf Seite 12 ein Bericht
„Et wollte sich doch bessern!", den die Schrift-
leitung für lehrreich und reizvoll genug hielt,
um ihn abzudrucken. Dazu schreibt ein Kamerad
aus München u. a.:
„Ich persönlich kann Dir zu diesem Artikel
nur sagen: wenn ich eine solche Frau hätte,
dann hätte ich sie bei ihren ersten Ansätzen
zum Zugfenster hinausgeworfen. Ich glaube
kaum, daß bei derartigen Veröffentlichungen
das Ansehen der Kriegsblinden steigt."
Und gleichzeitig schreibt unser Kam. Erich
Giesler aus Feilinghausen:
„Kam. Heinz C. Schwarze hält uns hier
einen Spiegel vor, und wenn wir recht
hineinschauen, erkennen wir uns wieder.
Warum sollen wir nicht hineinsehen?! Man
kann doch ruhig darüber sprechen. Ja, wenn
wir alle Engel wären! Weil wir das aber nun
einmal nicht sind, wollen wir, jeder für sich
selbst, beschließen, gegen unsere kleinen
Fehler und Mängel anzugehen und sie abzu-
stellen. Auf Anhieb wird uns das nicht ge-
lingen, und wir werden daher sehr oft den
Entschluß immer wieder neu fassen müssen.
Aber wir wollen auch keine Musterknaben
werden. Warum auch gar? Wir wollen uns
doch möglichst wenig von unseren lieben
Mitmenschen unterscheiden, und gerade un-
serer Umwelt haftet manches an, was ganz
gewiß nicht als Tugend bezeichnet werden
kann. Was schadet es, wenn wir unserer
lieben Lebenskameradin in der besten Absicht
einmal ein herzhaftes Bussi geben, wenn* —
von uns unbemerkt — Zuschauer dabei sind!
Die kennen uns doch nicht und werden uns
nie wieder sehen.
Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur
Besserung, und ich finde es sehr sympathisch,
wenn unsere Zeitschrift zu dieser Selbst-
erkenntnis unter uns beiträgt. Das braucht
ja nicht gleich zu einem östlichen Selbst-
bezichtigungsdrang zu führen."
- „Hast du keine Aufgabe mehr?"
Der Mut zur kritischen Selbstkontrolle
• Wir sind dem Kameraden Eberth für seinen
Artikel in der Mai-Ausgabe des „Kriegsblin-
den" zum Dank verpflichtet. Endlich einmal
hat ein Kamerad einen Artikel verfaBt, der
nicht einen triumphalen Sieg über das Dun-
kel, nicht einen genialen, einen übermensch-
lichen Erfolg zum Gegenstand hat.
Dieser Artikel ist deshalb wertvoll, weil er
von den „kleinen Dingen des Alltags"
spricht, die, seien sie auch noch so klein,
letztlich die einzige unverfälschte Aus-
sage über die Werterfülltheit eines
Lebens zu geben vermögen. Wir alle wer-
den darin übereinstimmen, daß eine kleine
Geste, ein kleines Wort oft mehr über
menschliche Qualitäten aussagen, als ein
noch so glänzender Schnellschreiberekord.
So sollten wir denn diese kleinen Dinge
nicht zu gering achten! Dies gilt zumindest
für uns Menschen — mag sein, daß
lübermenschen" nach anderen Gesetzen leben,
die wir uns aber grundsätzlich nicht unge-
straft zu eigen machen dürfen, wie das
Schicksal Nietzsches beweist, der das Evan-
gelium vom Übermenschen predigte und als
Paralytiker starb.
: Ergänzend sei erwähnt, daß der Kreis der
Kameraden viel zu eng gezogen ist, an die
sich Kamerad Eberth mit seinem Artikel
wendet. Aus diesem Artikel können nämlich
nicht nur diejenigen Kameraden eine wert-
volle Lehre ziehen, die keinerlei berufliche
Tätigkeit mehr ausüben können, sondern
auch jene, die über den Vermerk „arbeits-
unfähig" hinwegzukommen versuchen. Ich
möchte zwar nicht in die vom Kameraden
SCHLÜSSEL ZUR SICHERHEIT: BOSCH-ERZEUGNISSE
Eberth propagierte Forde-
rung einstimmen: „Jeder
Kriegsblinde ein Freuden-
missionar!", wohl aber
kann dieser Artikel uns
alle daran erinnern, daß
sich das Leben nicht im
Stenografieren, Schreib-
maschinenschreiben, Bür-
stenmachen, Aktenwälzen
usw. erschöpft. Es ist zwar
eine psychologische Bin-
senwahrheit, daß jeder
von uns dies für seine
Person nicht gelten lassen
wird; fragen wir vorsichts-
halber aber doch mal
unsere Frauen, ob
sie so ganz uneinge-
schränkt unserer Meinung
sind. Dies dürfte ein inter-
essantes Experiment sein!
Da wir uns schon auf
den Pfaden der Psycho-
logie bewegen, sei noch
auf eine andere Binsen-
wahrheit hingewiesen, die
verständlich macht, daß
ich den besprochenen Ar-
tikel gerade für die im
Arbeitsprozeß stehenden
Kameraden so wertvoll
halte. Diese Binsenweis-
heit lautet: Der von einem
schweren Schicksalsschlag
getroffene, in seiner Kon- ^
stitution aber gesund ge-
bliebene Mensch ist in der Lage, Lebens-
energien zu mobilisieren, die ihn
schier unlösbar scheinende Aufgaben bewäl-
tigen lassen. Diese an sich gesunde Reaktion
ist aber auch sehr gefährlich; deshalb
nämlich, weil der solchermaßen energie-
geladene und erfolgsstrebige Mensch sich
leicht, allzu leicht in ehrgeizigen Zielen ver-
liert, die ihn völlig gefangen nehmen können.
Wenn der besprochene Artikel dazu Anlaß
gibt, daß wir alle einmal die Sonde der
Selbstkritik ansetzen, dann hat Kamerad
Eberth uns allen einen wahrhaft kamerad-
schaftlichen Dienst erwiesen.
Franz Sonntag (Tübingen)
Beim Postscheckamt Nürnberg
Der Amtsvorsteher des Postscheckamts
Nürnberg schreibt uns am 20. Mai 1952 fol-
gende sehr dankenswerte und bezeichnende
Zeilen:
Die Erfahrungen, die in dem Heft 9/1952
in dem Aufsatz „Ein Kriegsblinder in der
Telefonzentrale" zum Ausdruck kom-
men, sind auch für uns sehr wertvoll. Auch
das Postscheckamt Nürnberg beschäftigt
seit über 10 Jahren einen Kriegsblin-
den in der Telefonvermittlung. Der Fern-
sprechbetrieb in unserem Amt, als Vermitt-
ler des unbaren Geldverkehrs in einem um-
fangreichen Wirtschaftsgebiet, ist naturge-
mäß sehr stark und wir legen größten Wert
darauf, unsere Kunden auch in der Ge-
AN MEINE FRAU
Wie schön die Erde wird in diesen Tagen,
das darf ich dich, darf deine Augen fragen —
so gibst du mir des Sehens hohes Glück,
gibst die. verlorne schöng Welt zurück.
Kann ich auch Welt und Menschen nicht mehr sehen,
ward mein Sein auf engen Kreis beschränkt,
ich hab ja dich! Was kann mir da geschehen!
In dir ist schöner mir die Welt geschenkt.
BODO SCHÜTZ
Regenschauer,
feuchte Nebel oder dichtes Schneegestöber
dürfen Sie nicht behindern! Klare Sicht auf
die Fahrbahn schafft jederzeit der kräftige'
und betriebssichere
B O S C H- Scheibenwischer
Alle BOSCH-Erzeugnissesind beim Fachhandel erhältlich
J
sprächsvermittlung rasch und zuvorkommend
zu bedienen und ihnen zutreffende Aus-
künfte zu erteilen.
Unser kriegsblinder Mitarbeiter versieht
seinen verantwortungsvollen Dienst tagein
tagaus gewissenhaft, freundlich und immer
guten Mutes. Zuvorkommend und verbind-
lich vermittelt er die Gespräche innerhalb
und außerhalb des Amtes und schon mancher
Postscheckkunde hat anerkennend die
Höflichkeit des Vermittlungsbeamten
hervorgehoben. Der Kriegsblinde hat auf
diesem Arbeitsplatz unbedingt das Bewußt-
sein, ein vollwertiger Angehöriger einer
großen Belegschaft zu sein. Welcher
Arbeitgeber wird es nicht als
Glück empfinden, beitragen zu kön-
nen, daß einem vom Schicksal besonders
schwer geprüften Menschen wieder der Weg
zur Lebensfreude und Zufriedenheit eröffnet
werden kann.
KriegsbJinden-Sportmeisterschaft?
Die Frage der Disziplinen
Freudig und mit größtem Interesse nahm
ich den Artikel „Wer wird Sportmeister der
Kriegsblinden?" auf. Die von unserem Kame-
raden Franz Schmitgen (Aprilheft) gemachten
Vorschläge begrüße ich auf das herzlichste.
Schneidet er doch damit ein Kapitel an, das
schon manchen unter uns bewegt hat, jedoch
nie öffentlich zur Sprache kam. Zu den vor-
geschlagenen Disziplinen unseres Kameraden
Schmitgen möchte ich jedoch folgendes er-
wähnen: Es geht mir da um die 1. und
5. Disziplin. Zur Übung Nr. 1 möchte ich be-
tonen, daß es auch heute noch Sportler gibt,
die nicht schwimmen können (ich gehöre
übrigens auch dazu) und nun aus diesem
Grunde an dem vorgeschlagenen Fünfkampf
nicht teilnehmen können. Ich schlage vor,
einen Fünfkampf auf leichtathleti-
scher Basis festzusetzen, der sich vielleicht
wie folgt zusammensetzt:
1. Laufen: 100 m oder 400 m. 2. Kugel-
stoßen oder Steinstoßen (Kugelstoßen wäre
11
Wim S^
■ ■
Auch der Lauf ist dem kriegsblinden Sportler kei-
neswegs verschlossen, am wenigsten auf den
Mittel- oder Langstrecken. Allerdings setzen Lauf-
Übungen eine große Konzentration und aui jeden
Fall einen sehenden Begleiter voraus, wenn auch
manche Langstreckentreunde, dicht an der Innen-
kante der Bar\n laufend, ohne Begleitung ihre
Runden zu ziehen vermögen. Der freie Lauf auf
Rasen oder Bahn bedeutet für den Kriegsblinden,
der am Arm anderer Menschen zu gehen gewohnt
ist, eine große innere Erquickung. Unser Bild zeigt
links den kriegsblinden Studenten W. Giehr,
rechts einen sehenden Sportkameraden.
Foto: Eifert
aber vorzuziehen). 3. Standweitsprung oder
Hochsprung. 4. 1000-m-, 3000-m- oder 5000-m-
Lauf. 5. Ballweitwurf.
Von diesen fünf Disziplinen wäre je eine
Übung für einen stattfindenden Wettkampf
festzusetzen, um jedem teilnehmenden Kame-
raden gleiche Chancen zu bieten.
Ich glaube mit meinen vorgeschlagenen
Disziplinen eine Auswahl getroffen zu haben,
die jedem Kameraden, auch den sogenannten
Gelegenheitssportlern, wenn ich
mich so ausdrücken darf, gerecht zu werden.
Denn wir müssen ja, um eine möglichst zahl-
reiche Beteiligung zu erreichen, die Übungen
so festsetzen, daß jeder Kamerad den Mut
aufbringt, sich an unserem Wettkampf zu be-
teiligen. Es darf keiner von vornherein
sagen: „Ich kann nicht schwimmen; also hat
es auch keinen Wert, daß ich mich daran be-
teilige." Wir wollen dabei auch nicht die
vielen Ein- oder gar Ohnhändern vergessen,
für die besondere Disziplien festzusetzen
sind.
Zur Disziplin Nr. 5, Tandemfahren,
möchte ich erwähnen, daß man diese wohl
nicht recht mit dem Rennbootfahren ver-
gleichen kann, da ja dieses eine Mannschafts-
leistung ist, bei der die Mannschaft aufein-
ander eintrainiert ist. Beim Tandemfahren
liegt es jedoch in der Hand und Geschicklich-
keit unseres Partners, eine gute Leistung zu
erzielen. Und ein großer Teil unserer Kame-
raden hat noch nie auf einem Tandem ge-
sessen.
Benedict & Dannheisser 6. m. b. H.
Leonische Spinnerei und Weberei
Telefonschnüre und Schwachstromleilungen
Nürnberg «N.
Äufjere Bayreuther Strafe 48
Zur Austragung der Wettkämpfe würde
ich den Monat September vorschlagen.
Denn Juli und August sind die Urlaubs-
monate, in denen ja viele unserer Kamera-
den auf Reisen sind. Es ist sicherlich zu
hoffen, daß sich überall Sportvereine finden,
die sich unserer annehmen.
Ich denke, daß ich mit meinen Vorschlägen
die Auffassung vieler Kameraden vertrete
und wünsche, daß allen Interessenten der
Wunsch auf sportliche Betätigung recht bald
in Erfüllung geht.
Alfred Poye (Würzburg)
Und eine Antwort
Dazu antwortet Franz Schmitgen
u. a.:
1. Keineswegs war von mir ein an fünf
Disziplinen gebundener Wettkampf vor-
geschlagen, bei dem unbedingt Schwimmen
als Konkurrenz vorgesehen sein müßte. Ich
war und bin nicht minder ein Befürworter
von sportlichen Wettkämpfen, die sich auf
einzelne Fachgruppen wie Laufen, Wurf-
konkurrenzen und dgl. beschränken.
2. Allerdings bin ich aus gesundheitlichen
Gründen wie auch als Kriegsblinder ein
begeisterter Anhänger des Sehwimmens.
Neben Rudern stählt diese (schon wegen der
infolge des Wassers besonders guten Luft)
am meisten Herz und Lunge, ohne zu Schä-
den von Überanstrengungen zu führen. Hin-
zu kommt, daß wir Blinde infolge der durch
das Hindernis des Wassers bedingten nied-
rigen Geschwindigkeit vor Stürzen und
Hemmungen in dieser Richtung restlos ver-
schont sein können und bei kurzen Bassins
uns jederzeit schnell zurechtfinden. Ich
halte gerade diese Sportart für uns Blinde
wie keine zweite geeignet und würde es
daher begrüßen, wenn unser Bund
Möglichkeiten finden könnte, einem un-
serer Erholungsheime ein kleines
Schwimmbecke n"anzufügen, was auch
bei Nichtschwimmern sicherlich Freude und
Anklang finden würde. Ein guter Schwimm-
lehrer würde sicherlich auch Sie in kurzer
Zeit zu einem begeisterten Anhänger meiner
Auffassung machen.
3. Was Ihre Bedenken bezüglich des
Tandems betrifft, gebe ich Ihnen darin
recht, daß hier die Leistung des Zweiten
eine erhebliche Rolle spielt. Während
jedoch bei einem solchen Kampf die
Hälfte der erzielten Höchstleistung Ihrem
Können zuzuschreiben ist, beträgt sie bei
einem Ruderboot. „Vierer m. St." nur ein
Viertel! Der große Vorzug liegt jedoch
darin, daß man seine Energie nicht auf die
Orientierung einspannen muß, was bei jeder
Laufkonkurrenz stets unsagbar viel Nerven-
kraft beansprucht.
Franz Schmitgen (Speyer)
Macht alle mit!
Es wäre zu wünschen, daß recht viele
Kameraden an diesem Wettbewerb sich be-
teiligen möchten und vor allen Dingen auch
bei den Versehrtenmeisterschaften dabei
sein könnten.
Ich darf gewiß im Namen aller sport-
begeisterten Blinden sprechen, wenn ich
die Kriegsblindenbundesleitung bitte, sich
für den von Kamerad Schmitgen angeregten
Plan voll einzusetzen. Ich denke, daß es
sogar möalich sein könnte, die fünf Besten
der einzelnen Disziplinen auf einer deut-
schen Blindenmeisterschaft an den Start
zu bringen.
Josef Eimermacher, Küdinghoven
Nochmals: Wer sich an einer Sportmeister-
schait der Kriegsblinden beteiligen will —
und er kann dies daheim tun unter Bescheini-
gung der Leistungen — , der schreibe an die
Schriftleitung „Der Kriegsblinde", Bielefeld,
Stapenhorststraße 138.
Das Bundesversehrtensportfest
Die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Ver-
sehrtensport" hat nach einer am 10./11. Mai
in Frankfurt abgehaltenen Tagung Einzel-
heiten über die Durchführung des 2. Bundes-
Versehrtensporttreff ens bekanntgegeben, das
am 7. und 8. September in List auf
Sylt stattfinden soll. 500 Teilnehmer sind
vorgesehen, darunter auch, wie wir hören,
eine Anzahl von Blinden, die in den ver-
schiedenen Versehrtensportgruppen in der
gesamten Bundesrepublik Sport treiben. Die
Zahl der Teilnehmer kann aus Unterbrin-
gungsgründen nicht erhöht werden, so daß
es fraglich ist, ob trotz des späten Melde-
schlusses (1. 7. 1952) noch weitere Kriegs-
blinde teilnehmen können. (Interessenten
mögen sich bei der Schriftleitung melden.)
Die Ausschreibungen sehen Kämpfe in elf
Versehrtenklassen sowie mehreren Alters-
und Leistungsklassen vor. Interessant sind
hier für uns vor allem die Mehrkämpfe
für Blinde. Wir könnten uns denken, daß
die angesetzten Übungen manche Kritik aus
unseren Reihen finden. Es sind vorgesehen:
a) Bodenübung, Pflicht (Rasen oder Matte):
Aus dem Angehen Rolle vorwärts zum
federnden Strecksprung, halbe Drehung über
den Sitz, Rolle rückwärts durch den flüch-
tigen Handstand zum Stand.
b) Medizinballweitstoß (2 kg) beliebig.
c) Weitsprung aus dem Stand vom Sprung-
brett (Sprung nach Anruf durch Kampf-
richter).
d) 20 Meter beliebig Schwimmen aus dem
Stand (im Flachen nach Leinenziel 5 Meter
vor Beckenrand).
Wir stellen hiermit diesen Mehrkampf für
Blinde zur Diskussion und bemerken dazu,
daß bessere Vorschläge schon jetzt für eine
Berücksichtigung im nächsten Jahr gemacht
werden können.
Hochinteressant sind verschiedene Übun-
gen aus anderen Versehrtenklassen. So gibt
es z. B. für sehende Ohnehänder die Übung
„Fußball-Weitschießen aus dem schnellen
Lauf" oder für Doppelschenkelamputierte den
Kugelstoß aus dem Sitzen vom flachen Tisch
beidarmig und das Klettern am Tau, und für
einseitig Oberschenkelamputierte ein „50-m-
Hüpfen". Bei der gleichen Klasse gibt es im
Frauenmehrkampf ein 50-m-Schulgehen mit
Prothese.
Außer den genannten Mehrkämpfen ist
noch eine große Anzahl von Einzelkämpfen
(Leichtathletik und Schwimmen) vorgesehen,
doch durchweg für alle anderen Versehrten-
klassen, nicht für Blinde, obwohl
Übungen wie 1000-m-Lauf, Speerwurf, 100-m-
Brustschwimmen usw. auch für Blinde gut
in Frage kommen.
In Balingen findet am 26. /27. Juli das
diesjährige Württembergische V e r<
sehrtensportfest statt. Wenn auch
die Ausschreibungen (Schwimmen, Leicht-
athletik, Geräteturnen und Fünfkampf) be-
dauerlicherweise keine Übungen für Blinde
vorsehen, so wäre doch vielleicht durch tat-
kräftige württembergische Kameraden zu
erreichen, daß noch nachträglich solche Übun-
gen eingefügt werden. Meldeschluß ist der
1. Juli. Interessierte Kameraden wenden sich
am besten an den verantwortlichen Leiter,
Herrn Reinhold Schlather, Balingen, Ebert-
straße 10. Wenn sich wenigstens drei Kriegs-
blinde aus den umliegenden Bezirken mel-
den, so müßte eine Beteiligung Kriegsblinder
zu erreichen sein.
12
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13
Ist Selbständigkeit selbstverständlich?
Es ist wohl so, daß für uns Nichtsenende
Selbständigkeit selbstverständlich sein muß.
Ich meine nicht die Selbständigkeit, die in
eitler Überheblichkeit und rücksichtslos alle
fremde Hilfe ablehnt und sich somit gerade
auf der Straße in eine Gefahr bringt, die oft
nicht abzusehen ist. Nein, diese bestimmt
nicht, 'sondern eine klare, nicht verkrampfte
Selbständigkeit, die für jede Hilfe dankbar
ist, aber doch immer bestrebt, sich von
fremder Hilfe so weit als möglich loszulösen,
Einem Junggesellen wird das Hinein-
wachsen in eine größere Selbständigkeit
vielleicht dadurch erleichtert, daß er einfach
gezwungen ist, all die kleinen Arbeiten
im Hause und auch Besorgungen meist allein
zu verrichten. Schon frühmorgens beginnt
es mit Kaffeekochen, Brote bestreichen,
Ofen anheizen, Betten bauen und anderen
Arbeiten, die der verheiratete oder im Schoß
der Familie lebende Schicksalsgefährte oft
mehr aus Bequemlichkeit oder wenigstens
aus mangelndem Selbstvertrauen von sich
abschiebt als aus echtem Unvermögen.
In einer Ehe — das sei zugegeben — küm-
mert sich auch der Hausherr in den wenig-
sten Fällen um diese Dinge, da sie der Haus-
frau obliegen; es sei denn, es besteht solch
ein Verhältnis, daß jeder jedem gern hilft.
Es ist aber jedenfalls so, daß in der Ene die
Erreichung der Selbständigkeit bedeutend
erschwert wird. Hier gibt es unter uns Ehe-
männer, die zwar nach außen hin den Herrn
und Gebieter spielen und die Größe ihrer
Frau durch Daumen und Zeigefinger an-
deuten, aber zu Hause nicht ganz diese stolze
Haltung haben. Dort sind sie nämlich hilf-
loser als hilflos. Ja, und sollte dann noch
die Ehehälfte bei schlechter Laune sein, so
irrt er in der Wohnung umher und findet
kein Stück am richtigen Platz, steht überall
im Wege und ist ratlos wie ein kleines Kind.
Hier ist guter Rat zwar teuer, aber nicht
unbezahlbar. Vielleicht wäre es ihm doch
möglich, einmal mit ernster Selbstkontrolle
und ohne Wichtigtuerei seine Männlichkeit
wachzurufen, damit er wenigstens eine ge-
wisse Gleichberechtigung erlangt. Versucht er
es hier, sich von aUer überflüssigen Abhän-
gigkeit loszulösen, so wird sein Selbst-
bewußtsein bestimmt gestärkt werden. Wenn
man nun langsam seine Frau dahinbringt,
daß sie die Schuhe, die unter dem Bett
stehen sollen, nicht unter das Sofa stellt und
die Tabakdose vom Radiotisch nicht auf den
Schreibtisch wirft, sondern dort stehen läßt
— vorausgesetzt, daß dort der ständige Platz
dieser Gegenstände ist — , so ist der erste
Schritt getan.
Ganz anders verhält es sich bei jenen
Ehemännern, die ihre oft gespreizte Männ-
lichkeit damit zu beweisen suchen, daß sie
zu Hause den Ton angeben. Einige davon
glauben, die Welt drehe sich nur um sie.
Um ihre Selbständigkeit sieht es böse aus,
denn sie brauchen immer jemanden, dem sie
irgendeinen Befehl erteilen können. Viel-
leicht umkleiden sie alles mit . einem höf-
lichen Mantel, z. B. „Bitte, bring mir doch
etwas warmes Wasser!" — „Warum ist denn
mein Rasierapparat schon wieder nicht sau-
ber?" — „Schnüre mir doch bitte die Schuhe
zu!" — „Lies mir doch bitte etwas aus der
Zeitung vor!" usw. — „Sie" ist fron, wenn
sie ihn endlich an der Straßenbahn oder im
Büro abgeliefert hat. Ich sage absichtlich
abgeliefert, denn er ist so unselbständig,
daß er es kaum wagt, sich allein zu bewegen.
Es gibt aber — das sei anerkannt — auch
eine andere Art von Ehemännern. Sie sind
sehr selbständig, ordnungsliebend und immer
darauf bedacht, daß jedes Ding seinen be-
stimmten Platz hat. Wehe der Ehefrau, wenn
sie es wagt, beim Aufräumen die Hausschuhe
nicht an den gewohnten Platz zurückzu-
stellen oder die Tabakschachtel achtlos auf
den Tisch zu legen! Da sie aber die Gefahren
eines solchen Platzwechsels kennt, ist sie
sehr darauf bedacht, daß- alles seinen ge-
wohnten Platz behält.
Und der Mann dankt es ihr damit, daß er
sich die Schuhe selber zuschnürt und den
Rasierapparat selber säubert. Solch eine ver-
mehrte Selbständigkeif im Alltag erfordert
außer dem freudigen Entschluß vielleicht
etwas Training und das überwinden anfängt
lieber Ärgerlichkeiten. Aber es macht Spaß,
sich täglich ein wenig mehr eigenen Raum
zu erobern, man wird innerlich freier, und
vielleicht verliert man gar das, was man
einen Minderwertigkeitskomplex nennt, —
falls man überhaupt damit belastet ist.
Wie schön ist es, wenn sich zwei Menschen
so recht von Herzen verstehen! Sie wird
versuchen, seine Wünsche, auch unausge-
sprochene, zu erfüllen, und e r wird ihr
dafür nach Kräften ein Helfer sein, indem
er, ohne viel Worte zu verlieren, ihr die
schweren Arbeiten, wie Kohlen- und Holz-
holen, Teppiche klopfen usw. abnimmt. Was
schadet es in diesem Falle, wenn sie ihm
morgens das warme Rasierwasser bringt
oder andere Handreichungen macht! Er dankt
es ihr bestimmt auf andere Weise.
Sie wird ihn froh zur Arbeit begleiten,
und hat sie einmal keine Zeit, so macht es
ihm auch nichts aus, allein zu gehen, falls
der Weg für ihn nicht zu gefahrvoll ist. Mit
frohem Herzen wird sie ihn von der Arbeits-
stätte abholen oder an der Haustüre be-
grüßen. Hans Lehmann (Maiburg)
Ein Kriegsblindenroman
Blindenfilme und -romane kennzeichnen
sich in der Regel bereits in ihrem Titel. Ent-
weder enthält er das Wort „blind" selbst
oder er spricht von der „Nacht" oder dem
„Dunkel" oder dem „Licht". Der gegenwärtig
unter dem Protektorat unseres Bundes lau-
fende amerikanische Kriegsblindenfilm ist
deshalb auch betitelt: „Sieg über das Dun-
kel". Um es gleich vorweg zu sagen: Der
neue österreichische Kriegsblindenroman
„W e g ins Licht" von Maximilian N a r -
beshuber im Verlage der Stiftsbuchhand-
lung St. Florian, gebunden 414 Seiten, ist
mehr als das, was sein Titel besagt, wenn
dieser nur auf die kriegsblinde Hauptperson
abzielen sollte.
Zwar ist das Schicksal des ältesten Buch-
händlersohnes und Lehrers Vali Travenburg
eingehend dargestellt. Er verliert als Soldat
das Augenlicht und jahrelang auch das Ge-
dächtnis, so daß er als verschollen gilt. Der
Heimkehrer studiert Rechtswissenschaft, nach-
dem sich durch ihn auch wieder die ent-
zweiten Eltern gefunden haben, und eine als
Krankenschwester tätige Arzttochter wählt
das gleiche Studium, um bei dem Kriegs-
blinden als Sekretärin wirken zu können.
Nach der Schilderung dieses Lebensschick-
sals könnte der Dichter des Romanes eigent-
lich selbst einKriegsblinder sein. Er kennt nicht
nur dieBerufsmöglichkeiten der Kriegsblinden
und ihre technischen Hilfsmittel von der
Schreibmaschine bis zur glaslosen Tastuhr,
vom Führerhund bis zum Leihbuch-Paket; er
weiß auch mit einem Einfühlungsvermögen
ohnegleichen die Besonderheiten des Kriegs-
u/aö
Z.B. ZUR ERFRISCHENDEN SCHORLE
DEN FEINEN GEG-WERMUT CAPRINO
ERFRISCHUNGSGETRÄNKE AUS OEM
KONSUM
blindendaseins zu beschreiben und zu begrün-
den und mit geradezu dramatischer Wucht die
Seelenkämpfe zu schildern, durch die nun
einmal jeder Kriegsblinde mehr oder minder
lang, je nach seiner seelischen Beschaffen-
heit, gehen muß. Für Vali Travenburg sind
diese Seelenkämpfe besonders schwer. Wäh-
rend seines sechsjährigen Vermißtseins hei-
ratet seine Braut den jüngeren Bruder.
Aber neben den Helden des Romans stellt
Narbeshuber eine derartige fast verwirrende
Fülle von anderen österreichischen Menschen,
so das Buchhändlerehepaar selbst, seine bei-
den anderen Söhne, ein Apothekerehepaar
und ihre Tochter als der ungetreuen Braut,
ein vertriebenes Obersten-Ehepaar, ein Arzt-
ehepaar, eine Gastwirtswitwe mit ihrem
geschäftstüchtigen Sohn und den beiden so
verschieden veranlagten Töchtern, einen
professoralen Priester, einen raffgierigen
Kunsthändler, einen lebenshungrigen Bau-
meister, einen Fußballtrainer — es ist gar
nicht möglich, all diese mit Meisterschaft
gezeichneten Figuren zu nennen. Sie führen
teilweise sehr geistvolle und tiefschürfende
Gespräche über die Not und den Verfall
unserer Zeit, überaus plastisch veranschau-
licht uns der Dichter das Leben einer öster-
reichischen Kleinstadt, mit dem sich der
Kriegsblinde auseinanderzusetzen hat. Mit
ihm als Mittelpunkt wächst die hervor-
ragende Schilderung Narbeshubers zu einer
tief empfundenen Darstellung des allgemei-
nen Menschentums unserer grausamen Zeit
mit all ihren Nöten und Hoffnungen.
Bei aller Spannung in der Handlung ver-
liert sich diese doch nicht in das kitschig-
sentimentale Getue eines seichten Unterhal-
tungsromanes, und selbst der Humor wurde
in der Fülle der angeschnittenen ernsten
Schicksalsfragen nicht ganz vergessen. Ein
wertvolles Buch aus der Reihe derer, die zu
den wahren Freunden der Menschen zählen!
Dem gelungenen Werke Narbeshubers ist
nur zu wünschen, daß es von möglichst vielen
kriegsblinden Kameraden und ihren vor-
lesenden Frauen als edle Literatur genossen
wird, und daß es als Aufklärung über Kriegs-
blinde und ihr Leben in die breitesten Schich-
ten unseres Volkes getragen werden.
Das Buch ist zu bestellen über den
Verlag Volk und Heimat in München.
Preis 7,50 DM. Hans Schmaliuß
14
&r
Hörspielpreis und Rundfunk
Finanzierung durch Rundfunkanstalten
Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der
westdeutschen Rundfunkanstalten teilte uns
Herr Intendant Geerdes (Radio Bremen) mit,
daß die Rundfunkanstalten auch weiterhin
die Finanzierung des Hörspielpreises der
Kriegsblinden in Anerkennung dieser be-
deutungsvollen Aktion übernehmen werden.
Dieser Beschluß der Rundfunkanstalten
wurde vom Bund der Kriegsblinden Deutsch-
lands mit großer Dankbarkeit begrüßt.
Wir erfahren dazu, daß bei der kürzlich
in Baden-Baden stattgefundenen Tagung
aller Intendanten, Programmdirektoren und
Hörspielleiter das Vorhaben, einen Hörspiel-
' preis der Rundfunkanstalten zu vergeben,
fallengelassen worden ist und daß dem-
entsprechend der , .Hörspielpreis der Kriegs-
blinden" weiterhin der einzige deutsche
Hörsplelpreis bleiben wird.
Wickerts Hörspiel wiederholt
Bei der Wiederholung des mit dem Hör-
spielpreis der Kriegsblinden ausgezeichneten
Werkes „Darfst du die Stunde rufen?" im
Mittelwellenprogramm des Hessischen
".Rundfunks wurde zu Beginn die hohe
Bedeutung unseres Hörspielpreises hervor-
gehoben. Mit einer ausführlichen Dar-
stellung bestätigte damit der Hessische
Rundfunk erneut seine positive und dank-
. bare Einstellung gegenüber der Stiftung
I dieses Hörspielpreises. Besonders erfreulich
war es, daß die Rede des von uns preis-
gekrönten Dichters Erwin Wickert, die er
beim Empfang des Preises vor unserer
Bundesbeiratssitzung in Wiesbaden gehalten
hat, als Einleitung noch einmal zu hören war.
— Auch Stuttgart wiederholt das Werk.
Literaturfähiges Hörspiel
i Eine interessante kleine Betrachtung findet
sich in der gedruckten Hörspielvorschau für
den Sommer 1952 des Hessischen Rundfunks.
In' Rundfunkfachkreisen ist letzthin oft von
der Literaturfähigkeit des Hörspiels, die als
erstrebenswert hingestellt wird, die Rede
gewesen. Im Rahmen dieser Diskussionen
. nimmt hier Erwin Wickert in einer von uns
völlig bejahten Form gegen diese falschen
Ziele Stellung: ,,Es hat auch sein Gutes, daß
das Hörspiel außerhalb des Literaturkollegs
und abseits von den Zeitschriften für ge-
hobene Literatur lebt. Vielleicht liegt darin
sogar seine Chance, daß ihm die Last der
Literaturfähigkeit nicht aufgebürdet wird,
daß die Autoren ihre Hörer naiv ansprechen
und daß ihnen nicht der Ehrgeiz zu
„Höherem" eingeredet wird: nämlich . zur
Nachahmung der literarischen Experimente,
die nur in kleinen Zirkeln von Esoterikern
(in Geheimlehre Eingeweihte. D. Red.) ein
schwaches Leben führen- Es wäre nicht das
erste Mal, daß Kunst außerhalb des Blick-
feldes der Kunstkenner entstand."
ttwi -£z*itjwr&/ier
'Jelikun
Peligom
Tuben 95 - 65 - 35 Pfg. L Paplergeich6fl
Eine Südwesifunk-Reportage
Jeden Sonnabend um 16 Uhr ist vom Süd-
westfunk, dessen Zeitfunkleistungen zweifel-
los an der Spitze im deutschen Rundfunk
stehen, eine große Reportagesendung unter
einem geschlossenen Thema zu hören. Am
10. Mai stand diese Sendung, auf die wir
unsere Leser hingewiesen haben, unter dem
Thema „Arbeit ist das Licht der Blinden".
Die Sendung entstand im Zusammenwirken
mit unserer Bundesleitung und mit dem
Landesverbandsvorsitzenden von Südbaden,
Kam. Schramm, mit dem zusammen der Re-
porter Dr. Toni Maus eine Anzahl
Kriegsblinder in Werkstätten und Büros
besuchte. Die Geschlossenheit und Plastik
der Sendung und der Geist, der darin zum
Ausdruck kam, waren schlechthin vorbildlich
und stachen wohltuend von manchen an-
deren Rundfunksendungen ab, die wir bis-
weilen zur Blindenfrage hören müssen: z. B.
denken wir da an einen nicht sonderlich
interessanten Vortrag von Dr. Eberhard
Kraft, der kürzlich im NWDR — obendrein
geradezu unglaublich miserabel vorgelesen
— zu hören war.
Die Südwestfunksendung — dankens-
werterweise gleichzeitig übertragen vom
UKW Nord des NWDR — ließ uns zu Beginn
und zum Schluß die Stimme unseres Bundes-
vorsitzenden hören. Weder arme Teufel
noch Helden wollen die Kriegsblinden sein,
so sagte er, und so war die ganze Sendung
ein eindrucksvoller Kampf gegen die Vor-
urteile, die ein Kriegsblinder täglich zu er-
fahren hat. Man lernte mancherlei Kame-
raden kennen, ob im Finanzamt — „Der
Mann mit der besten Laune", sagt der Leiter
des Finanzamtes — ob an der Telefon-
vermittlung oder am Arbeitstisch des
Bürstenmachers. Unser Kamerad Ministerial-
rat Dr. Rohde machte genau so mit wie
Schneidermeister Klink oder Rektor Lesse-
nich, daneben aber auch die unbekannten
Kameraden, die nichts Ungewöhnliches
leisten, aber doch durch die Art, wie sie ihr
Schicksal meistern, den größten Respekt
verdienen. Vielleicht waren diese Begeg-
nungen mit den unbekannten Kameraden
aus Südbaden noch die eindrucksvollsten.
Dem Südwestfunk sei für die großartige
Sendung auch an dieser Stelle herzlich
gedankt.
Andere Sender sollten die wertvolle
Sendung wiederholen!
Ist Blindsein ein Glück?
Bemerkungen zu Günter Eichs Hörspiel „Blick auf Venedig"
Die Dichter lockt es oft, die Blindheit als
Quelle eigentlichen Glückes darzustellen.
Wenn das ein Blinder mit einigem Unbe-
hagen vernimmt, so ist das gewiß noch kein
Gegenbeweis, wir geben das zu — denn es
gibt vieles und schreckliches Unglück in der
Welt — , aber die Dichter sollten es sich
auch nicht gar zu leicht machen. Ähnlich wie
es einst der französische Dichter Claudel
dargestellt hat, der einen Blinden, nachdem
er vorübergehend wieder sehen gelernt hat,
erst in erneuter Blindheit das Glück und die
innere Freiheit wiederfinden läßt, hat nun
auch Günter Eich in seinem neuen Hörspiel
„Blick auf Venedig" (aufgeführt vom Süd-
westfunk) das Schicksal eines Blinden auf-
gegriffen, der nach einer kurzen Zeit wieder-
gewonnener Sehkraft erst in erneuter Blind-
heit wieder zu heiterer Harmonie zurück-
findet. Während es sich bei Claudel aber
immerhin um einen Herrscher und Weisen
handelt, ist die Figur Günter Eichs ein Bett-
ler vom Lido Venedigs, ein Mensch also, der
dem Leben im Grunde nicht gewachsen ist,
ob er nun sehend ist oder blind. Es ist auf-
schlußreich, das im einzelnen zu verfolgen,
weil hier manche schiefe Auffassung unter
den Sehenden deutlich wird und vielleicht
auch eine Erfahrung, die mancher Kriegs-
blinde für tröstlich halten mag: Sehenkönnen
bedeutet noch nicht, glücklich zu sein.
Es sei zunächst betont, daß wir auch vor
diesem Hörspiel Günter Eichs mit dem größ-
ten Respekt stehen. Er ist einer der wenigen
Autoren, die den eigenen Gesetzen des
Mikrophons nachspüren, also ohne Anleh-
nung an andere, rundfunkfremde literarische
Gattungen arbeitet, aber auch ohne bloße
Routine, sondern aus echtem gestalterischem
Vermögen. Es war kein Zufall, daß bei der
ersten Verleihung des „Hörspielpreises der
Kriegsblinden" auch Günter Eichs „Träume"
ausgezeichnet wurden. Um so enttäuschter
sind wir aber, gerade bei diesem Hörspiel
„Blick auf Venedig" auch Schwächen in der
dichterischen Konzeption feststellen zu müs-
sen, vor allem bei dem grob angeleimten,
konventionellen Schluß. Wenn wir hier also
kritisch Stellung nehmen, so geschieht das
nicht von einem engherzigen, blindenfach-
lichen Standpunkt aus, so, als ob wir hier
etwa „berechtigte Interessen" eifernd wahr-
nehmen möchten, sondern nur, weil eine
Unwahrhaftigkeit tieferer Art in diesem Hör-
spiel zutage tritt.
Ein blinder Bettler also erblickt zum
ersten Male die Welt, nachdem ein men-
schenfreundlicher Professor eine Staropera-
tion veranlaßt hat. Bis hierher wäre nichts
einzuwenden, wenn auch von der Not des
Blindseins sehr wenig zu spüren ist. Einzu-
wenden wäre auch nichts gegen die Reak-
tion des Sehendgewordenen, wenn auch ein
gewisser Widerspruch darin besteht, daß der
Genesene bereits Lesen und Schreiben, ja,
Schreibmaschineschreiben gelernt hat, aber
auf der anderen Seite kaum einen Kontakt
mit der Welt der Sehenden gewonnen hat.
Es stellt sich nun heraus — und das ist durch-
aus überzeugend — , daß er in dieser Welt
keinen Platz, d. h. keine Arbeit findet. Er ist
mit 40 Jahren auf der einen Seite „zu alt",
auf der anderen ein „Anfänger". Er scheitert
jäk
NATRONAG
15
CONTINENTAL RUNDFUNK GMBH
8/9KREIS-SERJE
( höchjit kJUmajdjpnyjeü:
bejk'Vntfifcu'ixisleÄjtuna
größte Jrennlchärfe, brillanter UKW-tmjtfang
SEIT 25 JAHREN SPITZENKLASSE
also, und zwar in einer Welt der Lieblosig-
keit und ihrer gnadenlosen Ansprüche. Aber
scheitert er nicht eigentlich deshalb, weil er
dem Leben nicht gewachsen ist? Er ist
Bettler gewesen, und nun will er, so scheint
uns, gleich hoch hinaus. Warum macht er
keinen Anfang als Straßenfeger, als Land-
arbeiter?
So verdienter nicht unser Mit-
leid, mag er auch in seiner Lebensunfähig-
keit ein unglückseliger Mensch sein. Aber
dem Hörer soll es so erscheinen, als ob der
weitere Weg unabdingbar und unausweich-
lich sei: der Verzagte tut so, als ob er wieder
blind sei und beginnt sein altes Betteldasein,
hockt an der Straßenecke und kratzt auf
seiner Geige. Er scheitert auch hier, denn
der menschenfreundliche und jetzt bitter ent-
täuschte Professor entdeckt ihn. Und schlim-
mer noch: der Bettler findet die Freundin
aus der Zeit seiner Blindheit wieder. Sie hat
sich vor ihm verborgen, seit er sehen kann,
denn sie ist von fast widerwärtiger Häßlich-
keit. Jetzt weiß er sich keinen anderen Rat
mehr, als sich eine Kugel durch den Kopf zu
schießen. Er schießt sich blind, und nun ist
ja alles wieder gut. Niemand hindert ihm am
vertrauten Betteln, und jetzt flößt ihm auch
die Häßlichkeit seiner Freundin keinen Ab-
scheu mehr ein, zumal sie ihn — und da tut
der Autor des Guten nun wahrhaftig zuviel
— mit einem drei Monate alten, kräftigen
Stammhalter überrascht. Ein wehmütiges,
aber immerhin ein Happy-End.
Diese Flucht in ein merkwürdiges Glück
der Blindheit mag in einem fast krankhaften
Einzelfall vielleicht schon einmal zutreffend
gewesen sein, aber liegt deshalb Wahrheit
darin? Wir wollen hier nicht einmal darauf
hinweisen, daß es wohl kaum einen Blinden
geben wird — es sei denn, er ist stumpf-
sinnig oder verschroben — , der nicht sozu-
sagen täglich unter seiner Blindheit leiden
wird und der im übrigen ja außerdem die
gleichen Ängste und Nöte zu tragen hat, wie
der Sehende. Nein, wir wollen nur fragen:
was war die Absicht des Autors? Günter
Eichs Hörspiele zeichnen sich sonst durch
eine Problemstellung aus, die den Hörer un-
mittelbar trifft und angeht. Hier aber ist es
schwer, solche Bezüge herzustellen. Man hat
vielmehr den Verdacht, daß Eich nichts wei-
ter als einen „interessanten Fall" darstellen
wollte, denn „ergreifend" kann man das Mo-
tiv trotz gewisser sentimentaler Noten nicht
nennen, weil der Held alles andere als ein
Held oder auch nur ein Mensch von innerem
Rang ist.
Die Blindheit erspart ihm den
KampfumsDasein, das ist das „Glück",
das er findet, und hier allein schon liegt eine
Unwahrhaftigkeit des Hörspiels. Denn mag
auch der Kampf ums Dasein unter sehenden
Menschen hart sein, unter Blinden ist er noch
härter. Einzig ein Bettler mag davon ausge-
nommen sein, also ein Mensch, der den
Kampf um ein würdiges Dasein aufgegeben
hat. Jeder unter unseren Lesern könnte es
verstehen, wenn sich jemand eine Kugel
durch den Kopf schießt, weil er Bettler sein
muß — , daß sich aber jemand umbringen
will, weil er nicht Bettler sein darf, das tut
diesem niedrigsten und erniedrigendsten
menschlichen Stand doch wohl zuviel Ehre
an.
Ist Blindsein ein Glück? Doch wohl nur für
einen Verzweifelten, der aus den Nöten die-
ser Welt keinen anderen Ausweg mehr
kennt als die Flucht. Und vielleicht — wenn
auch wohl nur in der Theorie — noch für
den abgeklärten Geist eines greisen Welt-
verächters. Für jeden dem Leben zugewand-
ten Menschen ist Blindsein jedoch ein großes
Unglück, das muß hier ganz nüchtern gesagt
werden, und dazu steht nicht im Wider-
spruch, daß der Mensch mit diesem Unglück
fertigwerden und trotz allem zufrieden wer-
den kann.
Wir wollen nicht ungerecht sein: Günter
Eich findet auch viele echte Töne in seinem
Hörspiel. Er wäre sonst nicht Günter Eich,
und wir würden kaum ein Wort zu diesem
Hörspiel verschwenden. Aber wir fürchten,
daß dieses neue Werk nicht gerade dazu bei-
trägt, in der Öffentlichkeit mehr Verständnis
für die innere Not der Blinden zu wecken.
übrigens und ganz nebenbei: erblindete
Menschen legen durchaus Wert darauf, daß
ihre Lebensgefährtin hübsch ist . . .
F. W. H.
■programtnvorscltau für f4örspiele
Stuttgart: „Der Tod erlebt einen Spaß" von Gerhard Niezoldi
Beromünster: „Spiel im Schloß" von Franz Molnar
NWDR/UKW-Nord: „Sabeth" von Günter Eich
München: „Der ungefaßte Edelstein" nach Karl Lerbs von P. v. d. Hurk
Stuttgart/UKW: „Der Tramp" von Otto Heinrich Kühner
Frankfurt: „Viel Lärm um Nichts" nach Shakespeare von Hans Kettler
RIAS: „Der Mann, der durch die Wand gehen konnte" von Ayme
München/UKW: „Der Delphin" von Ernst und Günter Penzoldt
Südwestfunk: „Der Fall Axel Petersen" von Carl Dietrich Carls
München: „Friederike und die Freunde" von Johannes Tralow
NWDR: „Das Ende kommt nie" von Wolfgang Hildesheimer
Stuttgart: „Der Haifisch soll leben" von Hans Hömberg
Bremen: „Der Hirschkäfer" von Fred von Hoerschelmann
Frankfurt/UKW: „Radium" von Günter Eich
Saarbrücken: „Das Eis brennt" von F. C. Siebeck
NWDR- „La Boiteuse" von El Zati
NWDR/UKW-Nord: „Denn sie sollen getröstet werden" nach A. Paton
Bremen/UKW; „Katharina Knie" von Carl Zuckmayer
Bremen: „Lilofee", plattdeutsche Funkfassung nach M. Hausmann
Südwestfunk/UKW: „Sieben Tage" v. Hühnerfeld („Der Reporter des Satans")
NWDR: „Robinson soll nicht sterben" nach Friedr. Forster
NWDR/UKW-Nord: „Karussell zu verkaufen" von Herbert Dührkop
Stuttgart/UKW. „Um eine Viertelmillion" nach Hemingway von Karl Ebert
Frankfurt; „Unter den Brücken" von Walter Ulbrich und Herbert Timm
Bremen u. München: „Ein idealer Gatte" nach Oscar Wilde von Gerda Corbett
Südwfstfunk: „Vater braucht eine Frau" von Herbert Dührkop
Frankfurt/UKW: „Mademoiselle Mama" nach Verneuil von H. Reinhardt
Stuttgart: „Shakespeares Tod" von Hermann Roßmann
RIA-S: „Herr Blink geht über alle Grenzen" von L. L. Laestadius
Frankfurt/UKW: „Der Stoß nach Ssogrebitsche" vo Rolf Honold
Saarbrücken: „Das Spiel von Liebe und vom Zufall" von P. Mariveaux
Beromünster: „Mittsommernachtstraum im Armenhaus" nach Pär Lagerkvist
NWDR: „Nebeneinander" nach Georg Kaiser von Hans Rothe
München/UKW: „Friederike und die Freunde" von Johannes Tralow
NWDR/UKW-West: „Bube ist Trumpf" von Peter Cheyney
Südwestfunk/UKW: „Katharina Knie" von Carl Zuckmayer
NWDR/UKW-Nord: „Der Delphin" von Ernst Penzoldt
Stuttgart: „Der Apoll von Belac" von Jean Giraudoux
Frankfurt: „Die Bürger von Calais" nach Georg Kaiser von Ulrich Lauterbach
NWDR/UKW-West: „Einer trägt des anderen Last" von Jos. Martin Bauer
Südwc-stfunk: „Es war ein ungewöhnlich langer Tag" von Piontek
München: „Sintelmann kommt" von Georg Schwarz
Stuttgart: „Ein Phönix zuviel" von Chr. Fry
Bremen: „Die Quelle" nach R. Jeffers
NWDR: „Dio große Masche" von Otto-Heinz Jahn
München/UKW: „Ein idealer Gatte" nach Oscar Wilde von Gerda Corbett
Südwestfunk/UKW: „Blick auf Venedig" von Günter Eich
Stuttgart: „Oktoberfrühling" von Kurt Heynicke
NWDR/UKW-Nord: „John Every" von Felix M. Gasbara
Frankfurt: „Charlotte Löwensköld" nach Selma Lagerlöf
Südwestfunk: „Unkraut unter dem Weizen" v. E. Bonett und Erwin Wickert
Müpchen: „Niki und das Paradies in Gelb" von Leopold Ahlsen
Stuttgart: „Vater braucht eine Frau" von H. Dührkop
München/UKW: „Die Geschichte vom Zaren Joann" nach H. v. Heiseler
NWDR: „Jeden Morgen wird es Morgen" von Alfred Erich Sistig
Südwestfunk: „Die Geschichte des Askid Thorgilsson" von Ernst Rottluff
Stuttgart: „Die Leute von Oberwasser" von J. M. Bauer
Frankfurt; „Idyll zu Ludwigslust" von Alfred Happ
Südwestfunk: „Die Puppen von Poshansk" von Robert Neumann
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Auch die Bundespost bemüht sich, Kriegsblinden neue Berufsmöglichkeiten zu erschließen. Neben dem Einsatz bei
der Telegrammauinahme macht man neuerdings auch erfolgreiche Versuche im Schalterdienst. Unser Kamerad
Josef Moll aus Mülheim (Ruhr) hat sich für den Verkauf von Wertzeichen ein eigenes System mit Punktschrift-
markierungen ausgedacht, um das Publikum rasch und sorgfältig bedienen zu können.
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ZEITSCHRIFT FÜR VERSTAND
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E.V.
NR. 11 . 3. JAHRGANG
) U LI 1952
VERLAGSORT BIELEFELD
Leben heißt leiden,
aber der aufrichtige Mensch kämpft darum
doch stets Herr über sich zu bleiben.
*
Zwei Mächte gehen durch die Welt,
Geist und Degen,
aber der Geist ist der mächtigere von ihnen.
NAPOLEON
Mit dem Herzen sieht man gut.
ANTOINE DE EXUPERY
AUS DEM INHALT
Seite
Außergewöhnliche Ehrung für einen Blinden (Die Braille-
Feiern in Paris) 1
Wichtige Konferenzen in Bonn 2
Der Bundeskanzler empfing die Kriegsopferorganisationen
Thema: Schwerbeschädigtengesetz (26er Ausschuß)
Thema: Sozialgerichtsbarkeit und Bauwesen
Telefonistentagung in Kempten 2
Betteln — leicht gemacht 2
Der Weg zum Eigenheim (Die ersten Voraussetzungen)
Von Christian Wilhelm 3
Der verräterische Händedruck. Eine ausdruckspsychologische
Studie von Dr. Ernst Dorner 3
Ein Ohnhänder-Telefon. Von Günter Schirmer .... .5
Interessantes aus dem Bundesgesetzblatt (Errichtung einer
Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung — Die Sparguthaben
Vertriebener — Was sind Vertreibungs- und was sind
Kriegssachschäden?) 6
Seite
Lesermeinung G
Und das Strafgesetzbuch?
Nochmals: Raus aus dem Zugfenster
Aus den Landesverbänden 8
Westfälische Blindenbücherei
Bezirksleitertagung in Frankfurt
Sommerfreuden in Nord und Süd (Berichte aus den
Bezirken)
Kantate — im Dunkel zu singen
Gedicht von Gerhard Prager 11
Kleine Neuigkeiten 12
Für unsere Schachfreunde. Von Gabriel Mertens ... 13
Vom „Sehen" der Kriegsblinden. Von Bodo Schütz . . 13
Der kriegsblinde Stenotypist und das Dimafon ... 14
Der Kritiker am Lautsprecher 15
Programmvorschau für Hörspiele 15
„Haben Sie sich vorher schon gekannt?"
Von Harry Barthel 16
Uhren für die Ostzone! 16
Unser T i t e 1 1 o I o „Birken vor Gewitterhimmel" lotografierte Hans S a e b e n s (Worpswede)
, 907 — 908 — 910 — 912 — 913 — 915 — 916—9:7 — 919 — 920 — 921 — 923 — 924 — 932 —
„Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DBS BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS £. V.
Nr. 11 . 3. Jahrgang . Juli 1952 . Verlagsort Bielefeld
Außergewöhnliche Ehrung für einen Blinden
Die Gebeine des Erfinders der Blindenschrift in das Pantheon überführt. — Deutsche Delegation in Paris
Den 100. Todestag Louis Brailles nahm
Frankreich zum Anlaß, in großen Feierlich-
keiten und Ehrungen, die in der Überfüh-
rung und Beisetzung der Gebeine des großen
Toten ins Pantheon ihren Höhepunkt fan-
den, des Schöpfers der Blindenschrift zu
gedenken. Neben dem Präsidenten der Re-
publik, den Vertretern hoher und höchster
Behörden, der Kirche und der französischen
Kriegs- und Friedensblinden nahmen auf
Einladung der französischen Regierung über
170 ausländische Delegierte aus fast allen
Ländern der Welt, darunter auch sieben
Delegierte aus Deutschland, an den Festlich-
keiten teil.
Auch unser Kriegsblindenbund war zu
diesen Feierlichkeiten eingeladen und hatte
direkte Einladungen für den 1. Bundesvor-
sitzenden Dr. P 1 e i n und für den Kam.
Schramm erhalten. Wir konnten an den
Feierlichkeiten vom 14. bis 18. Juni wegen
anderweitiger Inanspruchnahme noch nicht
teilnehmen, fuhren aber in der Nacht vom
17. zum 18. mit der Eisenbahn nach Paris
und nahmen am 19. an der großen Feierlich-
keit in der Notre-Dame-Kirche teil, wo vom
Erzbischof von Paris, Kardinal Veitin, in
Gegenwart de Präsidenten der französischen
Republik ein Pontifikalamt zelebriert wurde.
Am Nachmittag fand um 14.30 Uhr ein
Empfang im vierstöckigen französischen
Kriegsblindenhaus in der Rue Blanche
49 und eine Besichtigung der dortigen
Räume und Einrichtungen statt. Das Haus
enthält außer den Geschäftsräumen und Aus-
bildungsmöglichkeiten auch Hotelzimmer mit
voller Verpflegung sowie eine Kriegsblin-
denbücherei in Blindenschrift und in Schall-
platten. Französische Kriegsblinde bewirte-
ten ihre Gäste mit Sekt und Sandwiches.
Um 17 Uhr war ein Empfang durch die
Stadt Paris im festlich geschmückten
Rathaus (Hotel de Ville). Die Begrüßungs-
ansprache hielt der Oberbürgermeister von
Paris, de Gaulle, ein Bruder des Generals.
Im Vorsaal zum eigentlichen Festsaal, dem
größten und schönsten von Paris — eine
Längswand ist ganz mit Spiegeln bedeckt —
konzertierte ein großes Orchester. Am
Freitagnachmittag fand ein Empfang der
Gäste durch den Präsidenten der
französischen Republik statt und
abends ein Konzert durch die Vereinigung
der französischen Zivilblinden.
Am Samstag wurden die Delegierten
durch die American Foundation for Overseas
Blind, die die Betreuung der ausländischen
Delegierten durchführte, mit vier Autobus-
sen nach dem Geburtsort von Louis Braille,
C o u p v r a i , gebracht, um dort an den
Feierlichkeiten der Überführung der sterb-
lichen Überreste teilzunehmen. Die Hände
von Louis Braille verblieben auf seinem
Heimatfriedhof, 60 km von Paris entfernt.
170 blinde Delegierte aus aller Welt, darunter
auch Vertreter des Bundes der Kriegsblinden
Deutschlands, nahmen an den Pariser Feierlich-
keiten zu Ehren Brailles teil. Unser Bild zeigt
einige der ausländischen Delegierten, die einen
weißen Stock an Stelle der in Deutschland üblichen
Armbinde tragen, beim Verlassen des Pantheon,
der ehrenvollen neuen Ruhestätte Brailles
Foto: Keystone
In der Dorfkirche las der Ortsgeistliche im
Beisein des Bischofs die feierliche Toten-
messe und hielt eine temperamentvolle An-
sprache. Auf dem Kirchplatz spielte Militär-
musik. Der Präfekt, der Bürgermeister und
ein blinder Arzt gedachten in Ansprachen
des großen Sohnes von Couporai, der dort in
der Sattlerwerkstatt seins Vaters einst die
ersten noch ergebnislosen Versuche zur Ent-
wicklung einer Blindenschrift machte.
Am Samstagnachmittag fand eine feier-
liche Sitzung zu Ehren Louis Brailles in der
Sorbonne statt, bei der vom französi-
schen Arbeitsminister aus Anlaß der Feier-
lichkeiten mehrere Blinde und solche, die
sich um das Blindenwesen verdient gemacht
hatten, darunter auch Helen Keller, hohe
französische Auszeichnungen erhielten. Fünf
wurden zu Offizieren der Ehrenlegion
und mehr als zehn zu Chevaliers der fran-
zösischen Ehrenlegion ernannt. Unter an-
derem hielt auch die taubblinde Helen Keller
eine Ansprache in französischer Sprache.
Am Sonntagfrüh fand dann die feier-
liche Überführung der Gebeine
Louis Brailles von dem Institut der jungen
Blinden in Paris, Boulevard des Invalides,
durch die abgesperrten Straßen von Paris,
die von ungeheuren Menschenmassen um-
säumt waren, nach dem Pantheon statt, wo
Frankreich seine ruhmreichsten Männer
durch die Beisetzung ehrt. Ganz wenigen
wird diese Ehre zuteil. Auf dem Weg zum
Pantheon standen Soldaten in der Uniform
der napoleonischen Kürassiere mit blankem
Messinghelm, rotem Federbusch, Pferde-
schweif und gezogenem Säbel Spalier. Im
Pantheon selbst fand die Feier im Beisein
des Präsidenten der Republik statt, und es
war für uns alle erhebend, wie durch diese
Ehrung eines berühmten Blinden — Louis
Braille verlor als Kind durch einen Unfall
das Augenlicht — die Blindenschaft der gan-
zen Welt Anerkennung und Ach-
tung fand. So erfüllte uns alle froher Stolz,
und jeder einzelne unserer Kameraden und
Schicksalsgefährten in aller Welt hat daran
teil: Not und Kampf und Leistung des blin-
den • Menschen fanden hier eine großartige
und eindrucksvolle Ehrung.
Am Sonntagabend oder auch Montag früh
fand dann die Abreise statt, da der Auf-
enthalt in Paris zwar schön aber auch sehr
teuer für uns alle war, denn sämtliche Preise
in Paris liegen mehr als doppelt so hoch
wie bei uns in Deutschland,
Wir hatten Gelegenheit, mit den Vertre-
tern der verschiedensten Länder, insbeson-
dere der Kriegsblinden aus dem Saargebiet,
aus England, Jugoslawien, Italien usw., zu-
sammenzukommen. Lebhaft bedauerten wir,
daß unsere österreichischen kriegsblinden
Kameraden infolge Visa- und Devisen-
schwierigkeiten nicht an den Feierlichkeiten
teilnehmen konnten und daß auch die Ver-
treter der australischen und kanadischen
Kriegsblinden an der Teilnahme verhindert
waren. Trotzdem konnte mancher wertvolle
Gedankenaustausch stattfinden und Verbin-
dungen geknüpft werden, die sich erst in
der Zukunft auswirken werden.
Wichtige Konferenzen in Bonn
Der Bundeskanzler
empfing die Kriegsopierorganisationen
Am Donnerstag, 26. Juni, 17 Uhr, kam es
endlich zu dem schon seit Monaten vorge-
sehenen und mehrfach verschobenen Emp-
fang der Vertreter der im Beratenden Beirat
für das Versorgungswesen beim Bundes-
arbeitsministerium vertretenen Spitzenorga-
nisationen der Kriegsopfer. Von unserem
Kriegsblindenbund nahm als Vertreter der
1, Bundesvorsitzende, Kam. Dr. Plein, teil.
Die Vertreter der Kriegsopfer nahmen
Gelegenheit, dem Herrn Bundeskanzler die
grundsätzlichen Fragen bezügl. der Kriegs-
opferversorgung und der Kriegsopferfür-
sorge vorzutragen und ihn sowie die an-
wesenden Bundesminister für Arbeit, Storch,
und Bundesminister des Innern, Lehr, sowie
den Vertreter des Bundesfinanzministers
Schäffer mit den schwierigen Fragen, wie
sie durch die Preisentwicklung und
die Handhabung der Gesetze ent-
standen sind, vertraut zu machen.
Im Anschluß an diese Besprechung wurde
für den 17. Juli eine Fachbesprechung mit
den Sachbearbeitern der verschiedenen Mini-
sterien in Gegenwart des Herrn Bundes-
ministers für Arbeit, Storch, und des Herrn
Bundesministers des Innern, Lehr, verein-
bart.
Thema: Schwerbeschädigtengesetz
Inlormationssitzung
des 26er Bundestagsausschusses
Für Freitag, 27. Juni, hatte der 26er Aus-
schuß des Bundestages für Kriegsopfer- und
Kriegsgefangenenfragen zu einer großen
öffentlichen Informationssitzung eingeladen,
um allen beteiligten großen Spitzenverbän-
den innerhalb des Bundesgebietes Gelegen-
Jjetteln — leicht gemacht
Es gibt für einen Kriegsblinden keine pei-
nigendere und beschämendere Vorstellung
als die, von der Umwelt auch nur im ent-
ferntesten mit Bettlern in einen Zusammen-
hang gebracht zu werden. Es ist selbstver-
ständlich, daß ein bettelnder Kriegsblinder,
wenn sich überhaupt einmal einer von uns
derart erniedrigen sollte, in unseren Reihen
keinen Platz mehr hat. Auch alle anderen
Kriegsopferverbände distanzieren sich im-
mer wieder von diesen würdelosen Men-
schen, die an den Straßen hocken und oft
erstaunlich gute Einnahmen dabei erzielen.
Merkwürdigerweise ist es aber oft so, daß
die Passanten empört sind, wenn die Polizei
einschreitet und dem Treiben eines solchen
Bettlers ein Ende macht.
Das kann niemanden verwundern, wenn er
in großen Zeitungen lesen muß, wie für
solche Gestalten noch Reklame gemacht wird.
Schon im letzten Heft glossierten wir an"
dieser Stelle manches instinktlose Verhalten
der Tagespresse. Eine typische Ergänzung
dazu liefert uns eine rührselige Betrachtung,
die kürzlich in einer großen Zeitung des
Ruhrgebietes, der „Westdeutschen Allge-
meinen Zeitung", zu finden war. Unter der
Ueberschrift „Leere Augen" wird ein — an-
geblich kriegsblinder — Bettler geschildert,
der an der Straßenecke Postkarten verkauft.
„In einer Woche ist Pfingsten — bitte, kau-
fen Sie mir eine Karte ab, jede kostet zehn
Pfennig", so spricht der Blinde unentwegt
in den Strom der Passanten. „Viele tun, was
das Herz gebietet", meint der treuherzige
Schreiber.
Ach, das Herz gebietet etwas ganz an-
deres. Wir wissen es alle . . .
heit zu geben, zu den Fragen des Gesetzes
über die Beschäftigung Schwerbeschädigter
in einem kurzen Referat von zehn Minuten
grundsätzlich Stellung zu nehmen. Neben
den vier Spitzenverbänden der Kriegsopfer
(VdK, Reichsbund, Bund der Hirnverletzten
und Bund der Kriegsblinden) waren auch
noch die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen
Hauptfürsorgestellen, der Städtetag, der
Landkreistag, der Deutsche Blindenver-
band, Gehörlosenverband, DGB, Reichsbund
der Arbeitgeber, Deutsche Angestelltenge-
werkschaft und die Vereinigung der Berufs-
genossenschaften eingeladen.
Dem Vertreter unseres Kriegsblinden-
bundes wurde als erstem Gelegenheit ge-
geben, grundsätzliche Ausführungen zu
machen und insbesondere unseren Wunsch
vorzubringen und zu begründen, wonach
alle für Blinde geeigneten Plätze auch mit
Blinden besetzt werden müßten und in Be-
trieben mit 200 Arbeitnehmern und mehr
auf je 200 Arbeitnehmer ein Blinden-
platz eingerichtet werden muß. Kam. Dr.
Plein wies an Hand von Zahlen nach, daß
allein im Bundesgebiet nach oberflächlicher
Feststellung über 8000 geeignete
Telefonistenstellen für Blinde vor-
handen sind und daß, während z. B. in der
bayerischen Stadt Kempten mit rund 40 000
Einwohnern 13 blinde Telefonisten beschäf-
tigt sind, in der Stadt Frankfurt a. M. auf
560 000 Einwohner nur ein blinder Telefonist
beschäftigt wird. Auch bei den Behörden,
insbesondere auch bei den Bundesbehörden
in Bonn, seien noch viel zu wenig Blinde
beschäftigt, obwohl doch erwartet werden
müsse, daß die Behörden mit gutem Beispiel
vorangehen sollten.
Auch die Vertreter der anderen Verbände
brachten ihre Wünsche zum Gesetz zum
Ausdruck. Der Reichsbund, der Deutsche Ge-
werkschaftsbund und die Deutsche Ange-
stelltengewerkschaft sprachen sich für eine
Erweiterung des Peisonenkrei-
s e s aus, während die Mehrzahl aller ande-
ren Verbände sich zum Teil sehr scharf
gegen jede Erweiterung aussprach und
auf das besondere im Bundesversorgungs-
gesetz verankerte Recht der schwerbeschä-
digten Kriegsopfer auf Arbeits- und
Berufsfürsorge hinwies.
Die meisten sprachen sich auch für eine
Erhöhung der Ausgleichsabgabe
aus.
Allen Verbänden wurde anheimgegeben,
weitere Forderungen zum Schwerbeschädig-
tengesetz noch schriftlich einzureichen.
Thema: Sozialgerichtstaarkeit und Bauwesen
Sitzung des
Beratenden Beirates iür Versorgungsrecht
Nach über halbjähriger Pause fand end-
lich wiederum eine Sitzung des Beratenden
Beirates für Versorgungsrecht beim Bun-
desarbeitsministerium statt, und
zwar am 25. 6. 1952. Auf der Tagesordnung
standen die von den Kriegsopfern schon
längst geforderten und sehnlichst erwarteten
Entwürfe einer Sozialgerichtsbar-
keit und des Verfahrensgesetzes in Versor-
gungssachen, ferner auf unsere Veranlas-
sung hin die Fragen der Finanzierung von
Bauvorhaben für Blinde und Hirn-
verletzte in Verbindung mit Kapitalabfin-
dungen.
Der Entwurf des Bundessozialgerichtsbar-
keitsgesetzes wurde eingehend erörtert und
eine Reihe von Änderungsvorschlägen dem
Ministerium unterbreitet Das Verfahrens-
gesetz, zu dessen Erörterung der Beirat nicht
mehr kam, soll in einer baldigst wieder
einzuberufenden Sitzung des Beratenden Bei-
rates eingehend erörtert werden. Mit den
Fragen der Finanzierung von Bauvorhaben
für Blinde und Hirnverletzte beschäftigte
sich ein vom Beratenden Beirat gebildeter
Unterausschuß, dessen Vorschläge vom Be-
ratenden Beirat gebilligt wurden.
Wir hoffen, daß die bei Kriegsblinden
noch vorhandenen menschenunwürdigen
Wohnungsverhältnisse, wie sie teilweise in
krassen Beispielen von uns vorgelegt
wurden, baldigst beseitigt werden können.
Telefonistentagung in Kempten
Zu fruchtbaren Aussprachen über die Be-
rufsfragen blinder Telefonisten zwischen
Vertretern der Behörden und des Blinden-
wesens führte eine Tagung, die am 13. und
14. Juni in Kempten unter Leitung von
Herrn Paul (Bayerischer Blindenhund) statt-
fand. Seitens des Kriegsblindenbundes nah-
men an der Tagung die Kam. Birngruber
und Wendel (München) sowie Wilhelm
(Augsburg) teil, letzterer als Vertreter des
Bundesvorsitzenden Dr. Plein. Vom Bundes-
arbeitsministerium war Herr Oberregie-
rungsrat Dr. Scharmann entsandt worden,
unter dessen Leitung eine Kommission
gebildet wurde, um ein „Berufsbild"
des blinden Telefonisten zu erarbeiten. Das
Ergebnis und die Bemühungen der Tagung
sind gerade in dieser Hinsicht vielverspre-
chend, weil allein auf solche Weise eine
geordnete Ausbildung von Telefonisten und
ihr Arbeitseinsatz überzeugend geregelt
werden können. Es ist zu erwarten, daß
nach Klarstellung aller Probleme dieses
Berufsbild offiziell im Bundesarbeitsblatt
veröffentlicht wird.
Sehr erfreulich war es, daß seitens der
Bundespost durch Herrn Oberpostrat Scherer
(München) und seitens der Industrie durch
Herrn Oberingenieur Gust (Siemenswerke,
Speyer) alle Bedenken gegen die Zukunft
des Telefonistenberufes als unberechtigt zu-
rückgewiesen wurden, und zwar auch jene
Befürchtungen, die Rekordanlage könne die
Existenz der blinden Telefonisten in wenigen
Jahren ernstlich bedrohen.
Die Siemenswerke in Speyer machten aus
Anlaß der Tagung der Stadtverwaltung
Kempten, die sich vorbildlich für blinde
Telefonisten einsetzt, dem Bayrischen Blin-
denhund und dem Bund der Kriegsblinden
Deutschlands je eine komplette Fernsprech-
anlage zum Geschenk. Es sei auch an dieser
Stelle den Siemenswerken für ihre groß-
zügige Hilfsbereitschaft unser aller Dank
gesagt.
In diesem Zusammenhang ein Hinweis: es
wird allen Kameraden, die den Telefonisten-
beruf ergreifen wollen, dringend empfohlen,
sich baldigst zu melden und ihre Ausbildung
ohne unnötige Verzögerung rasch und ener-
gisch in die Hand zu nehmen.
Neue Zeitschriften
Vom Verlag Walter Stutz, München 2,
Weinstraße 4, ist soeben eine Fachzeitschrift
für Versorgungsrecht und Versorgungs-
praxis unter dem Titel „Die Kriegs-
opferversorgung" gegründet worden,
die künftig zu einem Bezugspreis von vier-
teljährlich 1,80 DM allmonatlich erscheinen
wird. Der Verlag beabsichtigt, mit diesem
unabhängigen und nach rein fachlichen Ge-
sichtspunkten geleiteten Organ allen im
Versorgungswesen Tätigen eine zuverläs-
sige Hilfe für die Praxis zu schaffen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund gibt seit
Jahresbeginn eine Monatszeitschrift „So-
ziale Sicherheit" (Zeitschrift für So-
zialpolitik) heraus, die zu einem Bezugspreis
von vierteljährlich 2,25 DM im Bund- Verlag
GmbH., Köln, Pressehaus, erscheint.
Der Weg zum Eigenheim
Was an wichtigsten Voraussetzungen zu bedenken ist
Viele unserer Kameraden haben den drin-
genden Wunsch, in den Besitz eines Eigen-
heimes zu kommen. Diese Bestrebungen sind
fast ausschließlich durch ungenügende oder
ungünstige Wohnverhältnisse bedingt. In
manchen Fällen steckt hinter diesem Plan
ein weiterer ebenso lebenswichtiger Ge-
danke, nämlich der, durch die Wohnsitzver-
legung an einen anderen Ort den unerträg-
lichen Zustand der Untätigkeit gegen eine
geeignete Beschäftigung rascher und sicherer
vertauschen zu können. Darüber hinaus gibt
es noch viele nicht weniger beachtliche
Gründe, die das Begehren nach einem Eigen-
heim vollauf rechtfertigen. Besonders der
Kriegsblinde braucht ja nach der Nervenlast
des Tages und Berufes die Entspannung und
Bewegungsfreiheit, die ihm gerade das eigene
Heim bieten kann.
Um den Kameraden, die sich mit dem Plan
zur Erstellung eines Wohnhauses befassen,
den Weg für die umfangreichen vorbereiten-
den Arbeiten zu zeigen, sollen nachstehende
Aufklärungen gebracht werden:
1. Das Grundstück
Die erste Voraussetzung für den Bau eines
Siedlungshauses ist, sich nach einem als bau-
reif erklärten Baugrundstück umzusehen. Das
Baugrundstück kann von privater oder be-
hördlicher Seite, ferner von Stiftungen oder
sonstigen Grundstückseigentümern käuflich
erworben werden. Ist der Erwerb eines Bau-
grundstückes aus irgendwelchen Gründen
nicht möglich, muß versucht werden, den
Baugrund von der Gemeinde, einer Stadtver-
waltung oder einer Stiftung im Wege des
Erbbaurechtsvertrages zu erlangen. Ein sol-
cher Erbbaurechtsvertrag wird in der Regel
auf 99 Jahre abgeschlossen, vielfach mit der
zusätzlichen Abmachung, daß der Siedler das
Grundstück zu einem späteren Zeitpunkt
käuflich erwerben kann. Der zu entrichtende
Erbbauzins beziffert sich je nach Größe des
Grundstücks durchschnittlich auf 25,— bis
50, — DM jährlich. Die Größe des Grund-
stücks richtet sich nach den besonderen Wün-
schen und der geldlichen Leistungsfähigkeit
des Interessenten. Als Mindestgröße kom-
men 400 gm in Betracht. Bevor ein Kauf-
oder Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen wird,
ist die Ortsbehörde oder der Kreisbaumei-
ster, in deren Bereich sich das Grundstück
befindet, zu hören, ob das in Aussicht ge-
nommene Grundstück als Baugelände in den
örtlichen Bebauungsplan bereits aufgenom-
men wurde und, wenn ja, welcher Bautyp
auf diesem Platz zugelassen wird, ferner,
ob Wasser-, Licht- und die sonstigen An-
schlüsse vorhanden oder in Bälde zu erwar-
ten sind, sowie welche Planungen für den
öffentlichen Straßenbau vorliegen. Befindet
sich das Grundstück innerhalb eines Stadt-
gebietes, so ist beim Stadtbauamt außerdem
festzustellen, in welcher Höhe Entwässe-
rungs- und Straßenherstellungskosten, ferner
Beträge für Licht-, Wasser-, Gas- und Kanal-
anschlußkosten gefordert werden.
2. Der Bauplan
Nach erfolgreicher Lösung dieser Grund-
stücksfragen kommt als zweite Voraussetzung
die Erstellung des Bauplans zur Erörterung.
Hierfür nimmt der Siedlungslustige einen
ihm als zuverlässig empfohlenen Architekten
in Anspruch oder einen bekannten Baumei-
ster, der die Befähigung zur Erstellung von
Bauplänen besitzt. Ihm legt er eine einfache
Skizze über den Lageplan des Grundstückes
vor und äußert ihm gegenüber seine Wünsche
über die Größe des geplanten Siedlungs-
hauses, die Zahl und das Ausmaß der be-
nötigten Räume samt Nebenräumen, die vor-
gesehene Aufteilung des einzelnen Raumes
nach seiner genauen Zweckbestimmung.
Dabei ist auf eine möglichst nützliche und
für die Bedürfnisse des Kameraden und sei-
ner Angeliöiigen zweckdienliche Auswertung
der Raumverhältnisse allergrößtes Gewicht
zu legen. Die vielen, hier aufs genaueste zu
beachtenden Gesichtspunkte können restlos
erfaßt werden, wenn der Kamerad die Gele-
genheit hat, für seine Planung ein bereits
bestehendes Wohnhaus als Ausgangspunkt
zu nehmen. Auf diese Weise wird es ihm
möglich sein, die einzelnen Räume nach
Größe und Lage leichter und anschaulicher
aufzuteilen.
3. Der Kostenvoranschlag
Der in Anspruch genommene Architekt
oder Baumeister kann sodann nach Fertig-
stellung des Bauplanes den erforderlichen
Kostenvoranschlag einschließlich etwa in Be-
tracht kommender Grunderwerbskosten er-
stellen. Hierbei wird er die ortsüblichen
Arbeitslöhne und zur Zeit geltenden Preise
für die benötigten Baumaterialien zugrunde
legen. An Hand der gesamten Baukosten muß
sich dann der Siedlungsinteressent schlüssig
werden, ob das Bauvorhaben nach den plan-
lich formulierten Wünschen verwirklicht
werden kann oder ob da und dort Abände-
rungen oder sogar Abstriche zu machen
sind.
4. Die Finanzierung
Erst nach Klärung dieser vorbezeichneten
drei Voraussetzungen kann die wichtige
Frage der Aufbringung der Baukosten maß-
gebend behandelt werden. Da die Geldguel-
Ien in den einzelnen Bundesländern ganz
unterschiedlich fließen, kann im Rahmen die-
ser knappen Besprechung hierauf nicht ein-
gegangen werden. Bundeseinheitlich steht
dem kriegsblinden Siedler die Kapitalabfin-
dung von 7200,— DM (Näheres im Aprilheft
1952 unserer Zeitschrift) und eine angemes-
sene, nicht rückzahlbare Siedlungsbeihilfe
der zuständigen Hauptfürsorgestelle zur Ver-
fügung. Die Gewährung eines staatlichen
Baudarlehens im Rahmen landesrechtlicher
Vorschriften dürfte wohl in jedem Falle als
sicher anzunehmen sein. Für die weitere
Finanzierung der Baukosten muß versucht
werden, ein Hypothekdarlehen von einem
Geldinstitut oder einer öffentlich-rechtlichen
Körperschaft (beispielsweise der Landesver-
sicherungsanstalt usw.) zu erhalten oder das
Darlehen aus einem etwa abgeschlossenen
Bausparvertrag zu bekommen. Stehen eigene
Ersparnisse oder Leistungen von Verwand-
ten in Geld, Materiallieferungen oder Ar-
beitsleistungen zur Verfügung, so bedeutet
dies eine wesentliche Erleichterung zur Bei-
bringung des Finanzierungsnachweises, ja,
es muß auf Grund vielfacher Erfahrungen
gesagt werden, daß eigene Leistungen oder
ein eigenes kleines Kapital höchst wün-
schenswert erscheinen, nicht zuletzt, um die
Zinsbelastung in tragbaren Grenzen zu halten.
Ein Beispiel aus Bayern
In Bayern ist bezüglich des Verfahrens
folgende Regelung getroffen: Bauplan und
Kostenvoranschlag sind in vierfacher Ausfer-
tigung beim zuständigen Kreisbaumeister
und in kreisunmittelbaren Städten beim
Stadtbauamt einzureichen. Wird ein staat-
liches Baudarlehen erbeten, so ist dieser An-
trag ebenfalls nach dem vorgeschriebenen
Formblatt vierfach mit einzureichen. Der
Antrag auf Kapitalabfindung ist formlos beim
zuständigen Versorgungsamt und der Antrag
auf eine Siedlungsbeihilfe bei der zuständi-
gen Hauptfürsorgestelle einzureichen. Wer-
den darüber hinaus eine erste Hypothek und
weitere Darlehen benötigt, so hat der Kame-
rad die Nachweise hierüber selbst beizubrin-
gen. In letzteren Fällen nimmt er zweck-
mäßigerweise den Rat des beauftragten Ar-
chitekten oder des Kriegsblindenbundes
rechtzeitig in Anspruch. Die Einholung der
baupolizeilichen Genehmigung der Bauzulas-
sung und die vertragliche Vergebung der
Arbeiten an einen Bauunternehmer oder an
einzelne Bauhandwerker ist dann ausschließ-
lich Angelegenheit des Siedlers, sobald die
beantragten Gelder genehmigt sind und dar-
über verfügt werden kann.
Wer den ernsten Willen hat, in den Be-
sitz eines Eigenheimes zu kommen und wer
willens und in der Lage ist, die mit dem
Anwesensbesitz verbundenen Zahlungsver-
pflichtungen zu erfüllen, wird die mit der
Planung und Durchführung eines Neubaues
unausbleiblichen Schwierigkeiten rasch wie-
der vergessen und mit um so größerer Dank-
barkeit die unbeschreiblich vielen Segnun-
gen eines Eigenheimes für einen Kriegsblin-
den hinnehmen. Christian Wilhelm
Der verräterische Händedruck
Eine ausdruckspsychologische Studie von Dr. Ernst Dorn er
Wollen Sehende einen Menschen näher
kennenlernen, so studieren sie in deT Regel
sein Gesicht, weil sie in seinen Zügen be-
stimmte Eigenschaften zu erkennen glauben.
Es wird also versucht, die Physiognomie,
das ist die durch den Knochenbau, Umwelt-
einflüsse und das bisherige seelische Er-
leben geprägte Form des Gesichts, charak-
terologisch zu deuten; auch schließt man aus
dem momentanen Mienenspiel auf seelische
Vorgänge. Der Ausdruck des bewegten Ge-
sichts, seine Mimik, scheint oft mehr zu
verraten als die ruhenden Züge.
Bei einer ausdruckspsychologischen Be-
trachtung der menschlichen Hand können
wir ähnlich vorgehen. Auch hier können
wir Bau und Form von der Ausdrucksbewe-
gung unterscheiden. Genau so wie wir die
in der Handschrift fixierte Ausdrucksbe-
wegung als Spiegel des Charakters aner-
kennen, gibt es noch viele andere psycho-
logisch deutbare Bewegungen der Hand. Ich
erinnere nur an die Geste zur Unterstützung
der Rede, an charakteristische Bewegungen
bei handwerklichen oder künstlerischen
Tätigkeiten.
Eine dieser Ausdrucksbewegungen der
Hand, täglich von uns beobachtet, ist der
Händedruck, wie er sich bei der Begrüßung
vollzieht. Die meisten Menschen lassen ihn
unbeachtet und schenken ihm nur dann ihre
Aufmerksamkeit, wenn ihre Hand in be-
sonders auffallender Weise berührt wird.
Viele Leute sind der Meinung, eine kon-
ventionelle Gebärde besage nichts. Jede
menschliche Gebärde aber, erfolgt sie auch
noch so gewohnheitsmäßig, ist ausdrucks-
geladen und deshalb psychologisch deutbar.
Auch an dem normalen Händedruck läßt
sich manch wertvolle Einsicht gewinnen. Es
ist durchaus möglich, einzelne Vorgänge so
aus dem Bewegungsablauf herauszulösen,
daß wir sie als Merkmale bestimmter
psychischer Eigenschaften ansprechen dürfen.
In einem Händedruck fließen zunächst
die Wahrnehmungen vom Bau der Hand
und ihrer Oberflächenbeschaffenheit mit dem
Eindruck von gewissen Bewegungen zu-
sammen. Wir spüren etwa, ob die Hand
klein oder groß, fleischig oder mager, hart
oder schlaff ist, und wir sind versucht, solche
Beobachtungen ai szuwerten. Wir ver-
knüpfen etwa eine weiche, schlaffe Hand
mit einer beeinflußbaren, vielleicht willens-
schwachen Persönlichkeit. Derartige Wahr-
nehmungen sind immer von Bedeutung; be-
wußt oder gefühlsmäßig wird unser Urteil
durch sie mitbestimmt. Es sei jedoch hier
■auf die Deutung der anatomischen
Gegebenheiten verzichtet. (Die von Gustav
Carus aufgestellten Handtypen der „elemen-
taren, motorischen, sensiblen und seelischen
Hand" sind für eine praktische Menschen-
kenntnis m. E, nicht aufschlußreich genug.
Die mit den Handformen in Beziehung ge-
setzten Charaktereigenschaften scheinen mir
zu allgemein gefaßt.) Für uns bleibe jetzt
der anatomische Bau der Hand nur der
Schauplatz für charakteristische Muskel-
bewegungen, denei allein unsere Aufmerk-
samkeit gilt.
Die Berührungsdauer
Wenden wir uns also den einzelnen Symp-
tomen des Händedrucks zu und schenken
wir unsere Aufmerksamkeit der Berührungs-
dauer! Je länger unsere Hand gedrückt
wird, desto mehr Wohlwollen und Herzlich-
keit soll ausgedrückt werden; je flüchtiger
die Berührung, desto geringer die Sympathie.
Nun wird ein geselliger Mensch, der sich
gerne dem anderen zuwendet, eine längere
Berührung mit dem Du suchen als ein in
sich gekehrter, ungeselliger, der sich in
starkem Gegensatz zur Umwelt erlebt. Diese
Süddeutsche Wollmanufaklur
Julius Kerger & Co., Bissingen a. Enz (Württ.)
vom Charakter bestimmte persönliche Note
des Händedrucks ist aber auch Stimmungs-
schwankungen unterworfen und wird außer-
dem von den Gefühlen für den Partner be-
einflußt. Darum dürfen wir nicht in den
Fehler verfallen, alles, was sich im Hände-
druck verrät, auf unsere Person zu beziehen.
Hat z. B. unser Partner kurz vor der Be-
gegnung einen heftigen Aerger gehabt oder
ist er etwa in großer Eile, so wird er auch
im Händedruck „kurz angebunden" sein,
und es wäre irrig, daraus einen Mangel an
Sympathie für uns ableiten zu wollen.
Anders werten wir den langwährenden
Händedruck eines Partners, wenn er seine
Hand um eine Nuance zu rasch, zu plötzlich
von der unseren löst. Er will uns zwar Wohl-
wollen demonstrieren, der zu rasche Ab-
bruch der Umfassung aber verrät etwas von
Ablehnung oder doch von Reserve. Es kann
auch geschehen, daß unsere Hand zunächst
fest gedrückt wird, daß sich der Griff jedoch
plötzlich lockert; dann wiederholt sich oft der
Druck und wird wieder aufgehoben. Diese
Druckschwankungen folgen sehr rasch auf-
einander und die Begrüßung endigt in der
Regel mit einem plötzlichen Entzug der Hand.
Innere Unsicherheit und Mangel an Selbst-
vertrauen können sich so äußern. Eine zu
flüchtig gereichte Hand kann nicht mehr als
Zeichen des Wohlwollens, ja kaum noch der
Höflichkeit angesehen werden; eine solche
Geste wirkt eher verletzend.
Die Stärke des Händedrucks
Suche ich engen und innigen Kontakt mit
meinem Gegenüber, so werde ich ihm die
Hand nicht nur lange, sondern auch k r ä f -
t i g pressen. Die Stärke eines Händedrucks
kann also ebenfalls als Gradmesser des
Wohlwollens dienen; mehr noch: Aus-
druck einer Gesinnung sein. Wenn ich
jemandem fest die Hand reiche, so will ich
ihm eine Versicherung meines ehrlichen
Willens geben, ihm bestätigen, daß ich das,
was ich sage, auch meine, das, was ich ver-
spreche, auch zu halten gedenke. Man ver-
gleiche hierzu die alte Sitte, einen Kauf-
vertrag mit Handschlag zu besiegeln. Ein
lauer Händedruck hingegen, auch wenn er
lange währt, hinterläßt ein Gefühl der Un-
sicherheit, der Unbestimmtheit, man ver-
mutet Unentschlossenheit, Wankelmut, ja,
auch Unaufrichtigkeit. „Tippt" mir jemand
nur leicht die Hand, so brauche ich nicht
unbedingt anzunehmen, Abneigung hervor-
gerufen zu haben; wahrscheinlicher ist es,
daß mein Partner sich zu nichts verpflichtet
fühlt, daß er sich nicht festzulegen wünscht.
Hier verliert das Reichen der Hand seinen
Sinn, man kommt nur noch oberflächlich der
Konvention nach.
Im extremen Fall unterbleibt jede Greif-
bewegung. Die Passivität geht so weit, daß
die Hand schlaff vom Handgelenk herab-
hängt und der Daumen sich eng an die
übrigen Finger hält: So entsteht in uns der
Eindruck, eine ungestaltete, leblose Fleisch-
masse in Händen zu halten. Diese Geste
verrät äußerste Passivität, gepaart mit Miß-
trauen, Scheu und innerer Unsicherheit. Die
energisch zugreifende Hand dagegen scheint
starke Vitalität, u. U. starken Willen
und Unternehmungsgeist zu verraten. Kraft-
meier pflegen unsere Hand wie in einem
Schraubstock zu quetschen. Auch angriffs-
lustige, streitbare Charaktere pressen die
Hand über Gebühr stark. Daß sich darin
wohl auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit
bekundet, hat jeder von uns schmerzlich
erfahren. Hier bedarf der Händedruck keiner
psychologischen Deutung, er ist nur noch
Ausdruck körperlicher Kräfte, die ihre
eigene unmißverständliche Sprache reden.
Wollen wir einen Partner für uns ge-
winnen, suchen wir Zustimmung oder gar
Halt und Hilfe bei ihm, so klammert sich
unsere Hand gleichsam an die seine. Was
wir hier meinen, können wir deutlich bei
Ausbrüchen großen Schmerzes, etwa bei Be-
erdigungen, beobachten. Löst nun der andere
rasch seine Hand aus solcher Umschließung,
so kann er damit beweisen, daß er nicht
geneigt ist, unserer stillen Bitte nachzu-
geben. Meist aber beschränkt sich die Ab-
wehrbewegung auf ein schwaches Sichwinden
der umfaßten Hand, da man einen offen-
sichtlichen „Rückzug" doch nicht für schick-
lich hält.
Wir ersehen daraus, wie aufschlußreich
das Verhalten der ergriffenen Hand sein
kann. Steif und eng aneinandergelegte Finger,
oft auch vom Handschweiß angefeuchtet,
weisen auf innere Verkrampfungen und
Hemmungen hin. Die ganze Hand wirkt wie
ein Brett; bei der Berührung übt häufig nur
der Daumen einen Druck aus. Solche Hände
gehören meist zu Menschen, deren Auf-
treten meist kühl, zurückhaltend und ver-
schlossen wirkt: sie bekommen wenig Kon-
takt mit ihrer Umwelt. Das Schütteln der
Hand ist gleichsam der wiederholte Hände-
druck, eine immer erneute Versicherung des
Wohlwollens und der freundlichen Ge-
sinnung. In der Ueberbetonung dieser Be-
wegung klopft die linke Hand dem Partner
gleichzeitig auf die Schulter.
Die Berührungsfläche
Neben der Dauer und Intensität des
Händedrucks können wir auch noch die
Größe der Berührungsfläche beachten. Zwei
Seelen, die zueinander streben, schmiegen
ihre Hände ineinander. Die von Daumen und
Zeigefingern gebildeten Gabeln schieben
sich bis zum Anstoß ineinander, während
die Fingerspitzen den Handballen des Part-
ners umklammern. Die beiden Handteller
pressen sich dabei eng zusammen. Dieses
Ineinanderschmiegen der Innenhände hat
oft erotischen Charakter und steht dem Kuß
nahe. Bei Liebenden wird eine so innige
und lange Berührung meist nicht plötzlich
gelöst. Beim Trennen streifen die Finger-
spitzen zögernd und langsam über die Innen-
hand. Eine solche Handtellerberührung ist
sicherstes Kennzeichen der Zuneigung, vor
allem zwischen den Geschlechtern. Fehlt
diese Art des Kontakts, so können sowohl
Dauer wie Intensität des Händedrucks nicht
über Einschränkungen der Sympathie hin-
wegtäuschen, etwa dann, wenn die dar-
gereichte Rechte zwar voll umschlossen wird,
der Partner aber seine Hand etwas nach
oben wölbt, um eine Berührung der Innen-
hand zu vermeiden. Man spürt deutlich die
leichte Verkrampfung im Griff. Diese Hand-
stellung deutet unter Umständen auf erotische
Hemmungen, auf eine Scheu vor zu lebhafter
körperlicher Berührung.
Tatkräftige, zupackende Naturen greifen
zunächst fest zu, die Daumengabeln ver-
zinken sich ineinander, doch üben nur die
Fingerspitzen einen kräftigen Druck
aus. Im Grunde wird also die Hand des
Gegenübers nur von den Fingerspitzen ge-
halten. Hier wird keine zu persönliche An-
näherung gewünscht. Vorsicht, ja Mißtrauen
können sich so äußern. Je weniger ich
schließlich mit jemandem zu tun haben will,
desto weniger von seiner Hand werde ich
ergreifen. Wird die Hand nur bis zu den
Fingerwurzeln umschlossen, so liegt darin
bereits eine betonte Einschränkung der
„Verbindlichkeit". Je weiter der Griff nach
vorne rutscht, um so eindeutiger wird das
Mißfallen offenbar. So erklärt sich im Gegen-
satz zu einem solchen „kalten der „warme"
Händedruck: Langdauernder Druck bei
großer Berührungsfläche läßt die Körper-
wärme deutlich empfinden. So streifen wir
auch bei der Begrüßung den Handschuh ab,
um einen kühlen und unpersönlichen Hand-
schlag zu vermeiden.
Die B e we gun g s r i c ht ung
Nun kann sich unsere Aufmerksamkeit
auch noch auf die Bewegungsrichtung er-
strecken. Beim Darreichen der Hand ist ja
auch der Arm, manchmal der ganze Körper
beteiligt (Verbeugung und Knicks). Wird
unsere Hand bei kräftigem Druck merklich
nach unten gezogen, so besagt das: „Her-
unter mit dir!" Hier möchte uns jemand
überlegen sein. Man ist überrascht, diese
Geste oft bei Menschen zu finden, die sich
sonst durch äußerste Feinfühligkeit, Um-
gänglichkeit und betonte Rücksichtnahme
auszeichnen. Der so klug verborgene „Wille
zur Macht!" entschlüpft hier unbemerkt der
Hand. Die Bewegung der Hand nach oben,
auch wenn sie kaum merklich stattfindet, ist
im Grunde eine Fluchtbewegung. Denkt man
sich nämlich die meist kleine Aufwärtsbe-
wegung fortgesetzt, so endet sie notwendig
mit einer Trennung der Hände. Manche
lassen die Hand in angemessener Höhe, und
nur der Ellbogen steigt unnatürlich
hoch, ein verkapptes „Sichentziehen", das
vor allem etwas ängstlichen und scheuen
Menschen eigen ist.
Werden wir mit einem kleinen Ruck
zurückgeschoben, so besagt das: „Weg von
mir! Ich will mit dir nichts zu tun habenl"
Freilich müssen wir sehr feinfühlig sein, um
diese kleine „Zurückweisung" zu bemerken.
Ich habe es aber auch erlebt, daß mich
Menschen in freundlichster Stimmung, mit
denen ich in bestem Einvernehmen lebte,
von sich wegschoben. In solchen Fällen
scheint mir ein Widerstreit der Gefühle
vorzuliegen oder überhaupt Störungen im
zwischenmenschlichen Erleben. Es kann uns
auch widerfahren, daß unsere H-Vnd seitwärts
nach links weggedrückt wird. Auch diese
Gebärde bedarf keiner tieferen Erklärung;
man wünscbt sich unserer zu „entledigen",
auch wenn man sich dabei der wohlwollend-
sten Stimme und der freundlichsten Worte
bedient. Diese Seitwärtsbewegung kann sich
so verstärken, daß die ergriffene Hand
gleichsam weggeschleudert wird.
Die passive Natur drückt ihr Gegenüber
nicht von sich weg, sondern versucht, die
Hand in Richtung auf den eigenen Körper
zu entziehen. Die ergriffene Hand windet
sich gleichsam aus der Umklammerung oder
sie zieht sich betont rasch zurück, als ob
sie sich an einer Nadel gestochen hätte.
Wieder eine andere spreizt die Finger, um
den Griff zu lockern, und versucht dann,
nach rechts unten zu entschlüpfen. Der Sinn
dieser Gebärde ist nicht schwer zu erraten:
„Laß mich los, ich will mich nicht binden,
ich traue dir nicht, du mißfällst mir!" Es ist
auffallend, daß auch diese Ausdrucks-
bewegung oft im Widerspruch zum übrigen
Verhalten steht.
Doch Vorsicht vor Verstellung!
Wir können also am Händedruck fogende
Merkmale unterscheiden: Berührungsdauer,
Intensität des Drucks, Größe der Berührungs-
fläche, Art der Umschließung, Bewegungs-
richtung des Armes sowie Beschaffenheit
und Verhalten der ergriffenen Hand. Diese
Eigenschaften können wir als Zeichen von
freilich nicht immer eindeutigen seelischen
Zuständen begreifen. Jedes psychische Symp-
tom weist einmal nach innen, auf eine
Wesensart hin, zum anderen nach außen,
auf eine situationsbedingte Haltung gegen-
über einem Du. Aber beide Bezüge ent-
sprechen sich und kennzeichnen eine Einheit.
Es gehört zur rechten Deutung neben
Wissen und Erfahrung natürlich ein gut
Teil Intuition, um die rechte Akzentsetzung
zu finden. Nur zu leicht laufen wir Gefahr,
ausschließlich die Bedeutung einer Aus-
drucksbewegung zu sehen, die sich auf unser
„Ich" bezieht. Ferner: Wir vermeiden Irr-
tümer in der Diagnose, indem wir berück-
sichtigen, daß jeder Ausdruck beherrscht
werden kann und daß die gebräuchlichste
Art der Beherrschung, die Verstellung, am
meisten geübt wird. Um zu einem sicheren
Urteil zu gelangen, sammeln wir möglichst
viele Merkmale aus verschieden-
artigen Ausdrucksgebieten (z. B. Stimme
und Sprechweise, gesprochenes Wort usw.).
Nur in Verbindung mit ,den Erfahrungen
aus allen Gebieten können wir unsere Men-
schenkenntnis zuverlässiger weiden lassen.
Es ist anzunehmen, daß viele Schicksals-
gefährten eigene Erfahrungen über den
Ausdrucks wert der menschlichen Hand be-
sitzen. Es würde mich freuen, wenn sie mir
ihre Beobachtungen zur Verfügung stellen
würden.
(Zuschriften zur Weiterleitung an
den Verfasser erb'ttet die Schriftltg.)
Internationale Erzieherkonferenz
Unter dem Schutz des Weltrates für die
Wohlfahrt der Blinden wird in B u s s u m
(Holland) vom 25. 7. bis 2. 8. 1952 eine
internationale Konferenz der Erzieher der
blinden Jugend stattfinden. Die Vorberei-
tungen traf der Erzieher-Ausschuß des Welt-
rates. Es wird erwartet, daß Delegierte aus
mehr als 25 Ländern zugegen sein werden,
so daß die Konferenz ein bedeutsames Er-
eignis zu werden verspricht.
Aus diesem Anlaß findet ebenfalls in
Bussum ein Treffen des Exekutiv-Komitees
des Weltrates statt.
ein
Qknkänbet-
<rZ,eUfoon
Unser Kamerad Günter Schirmer, der als
Ohnhänder — und dazu in Berlin — nur
sehr schwer in einen beruilichen Einsatz zu
bringen war, ist seit einiger Zeit als Aus-
kunftsangestellter tätig. Er kann seine Ar-
beit zur vollen Zufriedenheit seiner Dienst-
stelle nur deshalb bewältigen, weil ihm ein
Fernsprechgerät zur Verfügung steht, das
in neuartiger Weise für Ohnhänder einge-
richtet ist. Selbst Fachleute waren ver-
blüfft, als sie kürzlich unseren Kameraden
bei der Arbeit beobachten konnten. Günter
Schirmer schrieb dazu für uns den folgen-
den Bericht, übrigens fehlerlos und sauber
auf einer Schreibmaschine selber getippt:
Der Versuch, mich als blinden Ohnhänder
in der Kb.- und Kh. -Fürsorgestelle als Aus-
kunftsangestellten zu beschäftigen, hat sich
in der Praxis als sehr gut erwiesen. Bevor
ich eine solche Stelle antrat, war ich mir
von vornherein darüber im klaren, daß bei
den mündlichen Verhandlungen mit dem
Publikum- Fragen zu beantworten seien, zu
denen ich erst nach telefonischer Rückfrage
bei den zuständigen Stellen Stellung neh-
men könnte. Dazu würde es aber eines
eigens für blinde Ohnhänder konstruierten
Telefonapparates bedürfen. Ende Februar
1952 bemühte ich mich um einen solchen
Apparat beim Fernsprechamt Berlin. Dort
kannte man von keiner Seite ein Gerät,
welches die erforderlichen Möglichkeiten
bot. Man hielt es überhaupt nicht für mög-
lich, ein solches Gerät anzufertigen. Als
letzten Versuch in dieser Angelegenheit
wandte ich mich an die Firma Siemens
& Halske, die in der Spezialkonstruktion
auf dem Gebiete des Telefongerätebaues
führend ist. Auch hier war ein Gerät meiner
Vorstellung nicht bekannt. Trotzdem er-
klärte sich nach einer längeren Unter-
redung Herr Obering. H ö f e r t dazu bereit,
einen solchen Telefonapparat zu entwickeln,
um mir in meiner Berufsausübung zu helfen.
In wenigen Worten erläuterte ich dann den
anwesenden Herren, wie ich mir die Ge-
staltung eines Ohnhändertelefons vorstellte.
Man versprach mir, eine Versuchsstation für
mich herzustellen. Meine inzwischen auf-
genommene Tätigkeit als Auskunftsange-
stellter bestätigt mir täglich, daß ein Tele-
fon zur restlosen Erfüllung meiner Aufgaben
unerläßlich ist.
Am 13. Mai besichtigte ich dann den Ver-
suchsapparat, der wider alles Erwarten von
mir sofort und leicht bedient werden konnte.
Es handelt sich dabei um ein einfaches
Zugtelefon, das mit nur wenigen Zu-
satzteilen ergänzt wurde. Die Funktion der
Hörerauflage wird durch einen Kontakt-
hebel ersetzt. Dieser hat die Länge und
Stärke eines Messerstieles und kann mit
dem Stumpf bequem bedient werden. Wird
er nach hinten geworfen, ist die Verbindung
hergestellt, während er in seiner Ausgangs-
stellung den aufgelegten Hörer ersetzt.
Etwas unterhalb dieser Vorrichtung befin-
den sich zwei nebeneinander liegende He-
bel gleichen Ausmaßes. Der rechte dient
zum Wählen der geraden, der linke zum
Wählen der ungeraden Zahlen. Wird der
rechte Hebel mit dem Stumpf nach vorn
unten gezogen, so ist der erste Widerstand
die 2, zieht man darüber hinaus, so höre
und spüre ich das Einrasten bei 4, 6 usw.
Beim Loslassen des Hebels rollt dieser in
seine Ausgangsstellung zurück. Der linke
Hebel arbeitet nach dem gleichen System
für die ungeraden Zahlen.
Der Hörer ist an einem Stativ befestigt.
Dessen Höhe ermöglicht es, in sitzender
Stellung bequem das Ohr an den Hörer zu
legen. Bei Nichtbenutzung des Telefons
kann auf Grund eines Kugelgelenks am
Fuß des Stativs der Hörer so weit vom Kör-
per zurückgeschoben werden, daß er nicht
stört.
Es verdient besondere Würdigung, daß
sich Herr Höfert und mit ihm die Firma
Siemens von vornherein bemühten, mir in
jeder Art behilflich zu sein. Ich glaube, daß
dieses Telefon nicht nur für uns blinde
Ohnhänder von Bedeutung ist, sondern auch
den Ohnhändern im allgemeinen zugute
kommen wird. Günter Schirmer
Interessantes aus dem Bundesgesetzblatt
Errichtung einer Bundesanstalt
für Arbeitsvermittlung
Im" Bundesgesetzblatt Nr. 9 wurde das
„Gesetz über die Errichtung einer Bundes-
anstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeits-
losenversicherung" veröffentlicht. Es heißt
dort im § 1: „Träger der Arbeitsvermittlung,
der Berufsberatung und der Arbeitslosen-
versicherung ist die Bundesanstalt für Ar-
beitsvermittlung und Arbeitslosenversiche-
rung. Sie führt auch die Arbeitslosenfürsorge
durch." Im § 2 heißt es: „Die Bundesanstalt
ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes.
Sie gliedert sich in die Hauptstelle, die Lan-
desarbeitsämter und die Arbeitsämter."
über die „Organe" heißt es im § 3: „Or-
gane der Bundesanstalt sind: 1. die Verwal-
tungsausschüsse der Arbeitsämter, 2. die
Verwaltungsausschüsse der Landesarbeits-
ämter, 3. der Vorstand der Bundesanstalt,
4. der Verwaltungsrat der Bundesanstalt."
Aus den weiteren Paragraphen geht hervor,
daß di^se Organe der Bundesanstalt sich aus
ehrenamtlichen Vertretern der Arbeitnehmer,
der Arbeitgeber und der öffentlichen Körper-
schaften zusammensetzen. Der Präsident der
Bundesanstalt bzw. der Landesarbeitsämter
sowie ihre ständigen Stellvertreter werden
auf Vorschlag der Bundesregierung vom
Bundespräsidenten ernannt, die Direktoren
der Arbeitsämter vom Vorstand der Bundes-
anstalt.
Nach § 29 beschließt -der Verwaltungsrat
die Satzung der Bundesanstalt. Sie bedarf
der Genehmigung des Bundesministers für
Arbeit. Nach § 34 führt der Bundesminister
für Arbeit die Aufsicht über die Bundes-
anstalt.
Die Arbeitskräfte der Bundesanstalt sind
vornehmlich durch privatrechtlichen Dienst-
vertrag angestellt. Beamte der Bundesanstalt
sind mittelbare Bundesbeamte.
In den Übergangsbestimmungen des Ge-
setzes heißt es, daß (§ 35) das Gesetz über
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche-
rung weiterhin Anwendung findet, wobei
an Stelle der früheren „Reichsanstalt" jetzt
die entsprechenden Organe der Bundesanstalt
treten. Die bei Inkrafttreten des Gesetzes
Lei den Arbeitsämtern beschäftigten Beamten
sind jetzt Beamte der Bundesanstalt.
Nach § 41 geht das Vermögen des „Reichs-
stocks für Arbeitseinsatz" usw. auf die Bun-
desanstalt über.
Nach § 48 bleiben die bestehenden Spruch-
behörden in Tätigkeit. Bei jedem Arbeitsamt
besteht ein Spruchausschuß, ebenso bei den
Oberversicherungsämtern eine Spruchkam-
mer für Arbeitslosenversicherung.
Die Sparguthaben Vertriebener
Wir machen die Ostvertriebenen unter
unseren Kameraden auch an dieser Stelle
darauf aufmerksam, daß im Bundesgesetz-
blatt Nr. 15 ein „Gesetz über einen Wäh-
rungsausgleich für Sparguthaben Vertriebe-
ner" vom 27. März 1952 veröffentlicht wurde.
Danach wird für den Verlust von Spargut-
haben (Reichsmark-Spareinlagen) infolge Ver-
treibungsmaßnahmen eine Entschädigung ge-
währt. Die Spareinlagen müssen im Zeit-
punkt der Vertreibung bei einer in den
deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-
Linie oder in Gebieten außerhalb der Gren-
zen des Deutschen Reichs nach dem Gebiets-
stand vom 31. 12. 1937 bestehenden Nieder-
lassung des Geldinstituts unterhalten worden
sein. Sudetendeutsche können auch Spar-
einlagen, die auf tschechische Kronen lauten,
anmelden.
Die Entschädigung beträgt 6,5 v. H. des
Reichsmarknennbetrags des Sparguthabens.
Maßgebend für die Feststellung des Anspruchs
ist nicht nur das Sparbuch, das ja verloren-
gegangen sein kann. Vielfach existiert ver-
lagertes Kontenmaterial, oder es können
auch Bescheinigungen des Geldinstituts bei-
gebracht werden.
Wir empfehlen allen ostvertriebenen Ka-
meraden dringend, sich baldigst mit der
Kreissparkasse oder Stadtsparkasse ihres
Wohnsitzes in Verbindung zu setzen. Jede
Sparkasse kann nähere Auskünfte geben
und nimmt auch Anmeldungen entgegen.
Berliner Bankkonten
In diesem Zusammenhang ist es für ehe-
malige Berliner wichtig, zu erfahren, daß
ehemalige Reichsmark-Bankkonten bei den
Filialen der Großbanken (Dresdener Bank,
Commerzbank, Deutsche Bank), und zwar
Sparkonten ebenso, wie Girokonten, jetzt
nachträglich der Währungsreform angeschlos-
sen und also mit 10 v. H. aufgewertet wer-
den. Es ist dabei gleichgültig, ob die betr.
Bankfiliale in Ost- oder Westberlin lag. Je-
doch ist Potsdam ausgeschlossen. Der Konto-
inhaber muß zum Zeitpunkt der Währungs-
reform bereits im Bundesgebiet oder West-
berlin gewohnt haben. Nähere Auskünfte
erteilen die Nachfolgebanken und deren
Filialen in Westberlin und der Bundesrepu-
blik. Die Umstellung dieser Berliner Bank-
konten hat nichts mit dem obengenannten
Gesetz für die Sparguthaben Ostvertriebener
zu tun.
Was sind Vertreibungs- und was sind
Kriegssachschäden?
Im Bundesgesetzblatt Nr. 17 ist das „Fest-
stellungsgesetz" vom 21. 4. 1952 veröffent-
licht: „Gesetz über die Feststellung von Ver-
treibungsschäden und Kriegssachschäden".
Nach den Vorschriften dieses Gesetzes wer-
den auf Antrag Schäden festgestellt, doch ist
mit dieser Feststellung noch kein Anspruch
auf Berücksichtigung im Lastenausgleich be-
gründet. Danach gilt als „Vertreibungs-
schaden" (§ 3) ein Schaden, der einem
Vertriebenen entstanden ist 1. an Wirt-
schaftsgütern (Land- und Forstwirtschaft,
Grundvermögen, Betriebsvermögen), 2. an
Gegenständen für die Berufsausübung, an
Hausrat, an privatrechtlichen Ansprüchen
und an Anteilen an Kapitalgesellschaften
sowie Genossenschaften. Das Wirtschaftsgut
muß im Zeitpunkt der Vertreibung in jenem
Gebiet gelegen sein, aus dem der Vertrie-
bene vertrieben worden ist (Vertreibungs-
gebiet). Als Vertreibungsschaden gilt auch
ein Kriegssachschaden, der dort vor der Ver-
treibung entstanden ist.
Als Vertriebener gilt nicht, wer, um Kriegs-
einwirkungen auszuweichen, einen Wohnsitz
im Veitreibungsgebiet begründete.
Als „Kriegssachschäden'" gelten
nach § 4 solche Schäden, die in der Zeit
vom 26. 8. 1939 bis zum 31. 7. 1945 unmittel-
bar durch Kriegshandlungen entstanden sind,
also durch Einwirkung von Waffen, aber
auch durch Wegnahme oder Plünderung im
unmittelbar angegriffenen Gebiet.
Ein „Ostschaden" ist nach § 5 ein
Schaden, der einer Person, die nicht Ver-
triebener ist, durch Vermögensentziehung
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Und das Strafgesetzbuch?
Nachtrag zu dem tödlichen Unglücksfall
in Hamburg
Mit tiefer Bestürzung haben wir von dem
tragischen Tode unseres Kameraden Bardi-
schewski Kenntnis genommen. Viele — nicht
nur unter unseren Freunden — fragen sich,
ob es nicht irgendeine Möglichkeit gibt,
unserem in vielen Dingen wurzellos gewor-
denen Volke auch in der heutigen Zeit ein
höheres, sittliches Empfinden für ihr Ver-
halten gegenüber dem Mitmenschen zu ver-
mitteln. Schöne Worte werden da nicht viel
helfen. Aber: Fühlen und Denken finden in
jedem Staate ihren Niederschlag in den
Gesetzen, die eindeutig und klar das
Mindestmaß von sittlichem Anstand festlegen.
Im Strafgesetzbuch des deutschen Volkes
lautet wörtlich der § 330c:
„Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner
Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet,
obwohl dies nach gesundem Volksempfinden
seine Pflicht ist, wird mit Gefängnis bis zu
2 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Wissenschaft und Rechtsprechung stehen
einstimmig auf dem Standpunkt, daß unter
„N ot" jede hilflose Lage zu verstehen ist,
aus der ein Mensch sich nicht ohne fremde
Hilfe befreien kann. Es ist bitter und be-
schämend, daß wir Kriegsblinden auf diese
straf gesetzliche Bestimmung hinwei-
sen müssen, um im Interesse unserer Fa-
milie uns den Schutz unseres Lebens und
unserer Arbeitskraft zu sichern, auf den wir
einen berechtigten Anspruch zu haben glau-
ben. Die hilflose Lage, in der sich ein jeder
unserer_ Kameraden selbst bei der Betreuung
durch einen Führ-Hund befindet, ist durch
unseren Einsatz im Kriege bedingt, bei dem
wir unsere Gesundheit in bestem Wollen
oder als Kriegssachschaden in den Ostgebie-
ten entstanden ist, also ostwärts der Oder-
Neiße-Linie.
Nicht feststellbare Vermögens-
verluste sind nach § 7 insbesondere Verluste
an barem Geld, Edelmetallen, Schmuck, Samm-
lungen und Kunstgegenständen. Von der
Feststellung ausgenommen sind u. a.
Vermögensverluste an Hausrat, wenn nicht
mehr als 50 v. H. des Haushalts verloren-
gegangen sind.
Bei Verlusten an Hausrat ist zur Berech-
nung des Schadens von dem Einkommen
auszugehen, das der Geschädigte in den
letzten Jahren vor Kriegsausbruch bezogen
hat (§ 16). (Man rechnet bei einem Jahres-
einkommen von 3000 bis 5000 RM als Pau-
schalwert für den verlorenen Hausrat mit
einer Summe von 4500 RM). Hat der Ge-
schädigte vor der Schädigung eine Ver-
mögenserklärung abgegeben, so sind deren
Feststellungen zugrunde zu legen.
Die Feststellung der Schäden wird von den
Ländern durchgeführt (§ 23). Bis zur Errich-
tung der nach dem Lastenausgleichsgesetz
zuständigen Behörden und Ausschüsse sind
die Soforthilfebehörden für die Feststellung
nach diesem Gesetz zuständig.
Es ist also interessierten Ostvertriebenen
zu empfehlen, sich mit der zuständigen Sofort-
hilfestelle oder der Gemeindebehörde in Ver-
bindung zu setzen, wenn eine Schadensfest-
stellung erstrebt wird. Auf Grund der Kriegs-
sachschäden-Verordnung vom 30. 11. 1940
oder sonstiger früherer Rechtsvorschriften
bereits getroffene Feststellungen sind für
dieses Feststellungsverfahren nicht ver-
bindlich (§ 42).
SCHLÜSSEL ZUR SICHERHEIT: BOSCH -ERZEUGNISSE
für das Glück und die Zu:
kunft unserer Heimat hin-
gegeben haben.
Allerdings, es ist we-
der unsere Aufgabe noch
entspricht es unserer Art,
unsere Mitmenschen un-
ter der Androhung von
Strafen zu einer ver-
ständnisvollen Einstel-
lung zu bringen. Erstaun-
lich ist es nur, daß in
jener Versammlung in
Hamburg, die durch den
Tod unseres Kameraden
veranlaßt wurde, der Ver-
treter der Staatsanwalt-
schaft auf das Vorhanden-
sein einer solchen straf-
gesetzlichen Bestimmung
nicht hingewiesen hat.
Ich bin dessen sicher,
daß bei einem besonders
schweren Verstoß gegen
die genannte Bestimmung
zum Schaden eines Kriegs-
blinden und bei einer ent-
sprechenden Bestrafung
(und deren Bekanntgabe
in Presse und Rundfunk)
dieses verantwortungs-^
lose Unterlassen vieler
Zeitgenossen sich viel-
leicht doch ändern
würde. Traurig ist nur,
daß erst einer unserer V.
Kameraden das Leben
lassen mußte, ehe die Öffentlichkeit gegen
diese Mißstände vorgeht. Gehört dazu nicht
auch das Strafgesetzbuch?
Franz Schmitgen (Speyer)
Nochmals: Raus durchs Zugfenster!
Die Schriitleilung erhielt mehrere Zuschriften,
die den im Juniheil (S. 11) angegriffenen Aufsatz
„Er wollte sich doch bessern!" in Schutz nehmen.
So schreibt eine Kameradenfrau:
Lieber Herr Heinz C. Schwarze! Wir hatten
uns so über Ihren im Maiheft veröffentlich-
ten Bericht gefreut und sind nun ganz be-
stürzt darüber, was für eine böse Kritik Sie
finden! Was im übrigen den „öffentlichen"
Kuß betrifft: Ich wäre daraufhin auch mit
meinem Mann in ein anderes Abteil ge-
flüchtet. . Erika Thorweihe
*
Die Zeitschrift „Der Kriegsblinde" ist ja
jetzt sehr reichhaltig und löst bei ihrem Er-
scheinen bei uns große Freude aus. Nament-
lich die Hörspielkritiken werden mit Eifer
gelesen. Ebenso die Buchbesprechungen un-
seres altbekannten H. Schmalfuß. Aber auch
die sachlichen Ausführungen über Versor-
gung und Blindenhandwerk sind sehr wich-
tig. Ab und an ein humoristischer Beitrag,
das ist sehr zu loben.
Leider sind manche Kameraden von einem
tierischen Ernst, und ich fand bei ihnen nicht
immer Beifall, wenn ich meine Freude über
die witzigen Artikel ausdrückte. Trotzdem
lasse ich mich nicht davon abbringen, daß
die letzten Sachen von Schwarze einen echten
Humor zeigten! Dr. H. Hartwig (Altena)
Wer wird denn gleich!
Und das meint der Autor:
Wer wird denn gleich — mit dem Kopf
durch die Wand, oder wie der Bavaria-
Kamerad schreibt: raus aus dem Abteil-
fenster? Mit solcher Vernichtungswut ist es
nicht getan. Warum eigentlich diese Auf-
regung? Meint er, wenn es nun seine Ehe-
frau gewesen wäre, die ihn ein wenig zur
Ordnung bringen wollte, daß sie Unrecht
hätte? Wie viele Kriegsblinde sind der Mei-
nung, daß alle anderen Menschen auf sie, die
Regenschauer,
feuchte Nebel oder dichtes Schneegestöber
dürfen Sie nicht behindern! Klare Sicht auf
die Fahrbahn schafft jederzeit der kräftige
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Blinden, volle Rücksicht nehmen müßten,
weil sie ja blind sind. Selbst aber denken
sie gar nicht daran, Rücksichtnahme zu üben.
Wenn man ein vollwertiges Mitglied der
menschlichen Gesellschaft bleiben will, um
nicht immer nur als „der Blinde" angesehen
zu werden, ist es zuerst einmal angebracht,
Selbstkritik und Selbsterziehung zu üben
und vor allem: Rücksicht auch gegenüber
den gesunden Mitmenschen zu nehmen. Lei-
der gibt es Kameraden, die sagen: hier bin
ich, der König Blinde, es hat mir alles zu
Füßen zu liegen und mich zu bemitleiden
oder zu bemuttern und zu dienen, — und
darum: wer nicht will, raus mit ihm aus dem
Fenster! Aus dieser Lethargie der Selbstver-
herrlichung müssen noch viele von uns her-
auskommen, wollen sie nicht von den Mit-
menschen gemieden werden wie ein bissiges
Tier. H- C. S.
„Weh ums Herz"
Immer und immer wieder erhält unsere
Bundesleitung in Bonn Briefe von Kriegs-
blinden aus der Ostzone, und zwar
nicht, wie in der Ostzone gern behauptet
wird, um durch solchen Briefwechsel an
Pakete zu gelangen, sondern nur aus einer
auch über den Eisernen Vorhang hinweg
lebendigen Schicksalsverbundenheit. In all
diesen Briefen steht im Grunde dasselbe.
Ein 1942 erblindeter Kamerad aus der Ost-
zone drückt es folgendermaßen aus:
„Wenn man etwas von der Tätigkeit des
Kriegsblindenbundes im Westen hört, so
kann einem weh ums Herz werden, weil
Menschen gleichen Schicksals, gleicher Nöte
und Sorgen auf unbestimmte Zeit nicht die
große Kameradschaft gemeinsam erleben
können. Jede Zeile und jeder Gruß ist uns
willkommen und soll eine Brücke schlagen,
über die wir dann gemeinsam gehen können,
um uns für immer die Hände zu reichen.
Was uns hier am meisten belastet, ist die
Trennung und sind die seelischen Sorgen,
dis sich aus dem täglichen Alltag ergeben.
Wollen wir nur hoffen, daß diesem Zustand
recht bald ein Ende bereitet wird!"
C^fu* d&n Sa*zd^Tsc/'pa*ui&n/
Westfälische Blindenbücherei
Hauptbestand:
6000 Bände der Kriegsblindenbücherei
Am 27. Juni wurde im ehrwürdigen Kramer-
amtshaus zu Münster die Westfälische Blin-
denbücherei feierlich eröffnet. Besonderen
Dank für die Errichtung der Bücherei, die der
Stadtbibliothek angegliedert ist, verdient die
Initiative des Direktors der Stadtbücherei,
Bibliotheksrat Dr. Thiekötter, dessen An-
regung von der Stadtverwaltung freudig auf-
gegriffen und vom Kulturausschuß der Stadt
einstimmig bejaht worden war. Auch die
Provinz hatte ihre Unterstützung zugesagt.
So fand Dr. Thiekötter auch bei den Blinden-
verbänden die dankbarste Zustimmung für
sein Vorhaben. In besonders glücklicher
Weise wurde der Plan dadurch gefördert,
daß bei der letzten Beiratssitzung unseres
Bundes in Wiesbaden der Vorsitzende des
Landesverbandes Westfalen, Kamerad Hein-
rich Schütz, die Ermächtigung erhielt, die in
Braunlage lagernden Buchbestände der frü-
heren Kriegsblindenbücherei diesem neuen
Unternehmen als Geschenk anzubieten.
Zur Eröffnungsfeier, die im Lesesaal des
Krameramtshauses stattfand, waren viele
Gäste von Rang und Namen erschienen,
darunter Landeshauptmann Dr. h. c. Salz-
mann, Ministerialrat Dr. Thonke vom Bun-
desinnenministerium, Oberstadtdirektor Dr.
Zuhorn und der Leiter des Landesversor-
gungsamtes, Oberreg. -Rat Dr. Winter, sowie
für die Blindenverbände Direktor Meurer
und Kamerad Heinrich Schütz. Das münste-
rische Streichquartett bot eine würdige Um-
rahmung der Feier. Nach einer herzlichen
Begrüßung durch Ratsherrn Dr. Wagner
sprach Landeshauptmann Dr. S a 1 z m a n n,
der das Unternehmen in jeder Hinsicht zu
unterstützen und zu fördern versprach und
der gleichzeitig die Bücherei und die dies-
jährige Blindensammlung eröffnete. Nach-
dem Min. -Rat Dr. Thonke die Glückwün-
sche des Bundesinnenministeriums ausge-
sprochen hatte und Blindenoberlehrer Ger-
ling den Dank und das besondere Anliegen
der Blinden zum Ausdruck gebracht hatte,
gab Kamerad Schütz offiziell die Über-
gabe der Bücherbestände der früheren Ber-
liner Kriegsblindenbücherei bekannt. '5000
Bände, die übrigens, wie Dr. Thiekötter be-
stätigte, sich überwiegend noch in einem
tadellosen Zustand befinden, lagern bereits
in Münster. Weitere 1200 Bände sollen in
Kürze nachfolgen. Damit wird nach Hamburg
und Marburg die münsterische Bibliothek
die größte in Westdeutschland sein.
Vorerst sind 500 Bände aufgestellt und
katalogisiert, die Bibliotheksrat Dr. Thie-
kötter mit Unterstützung der zuständigen
Stellen bereits als ersten Grundstock erwer-
ben konnte. Für. die Aufstellung der frühe-
ren Kriegsblindenbücherei, die wegen des
Umfangs der Bände ja sehr viel Platz
braucht, muß noch ein weiterer Raum ge-
schaffen werden. — Im Anschluß an die
Feier fand ein gemeinsames Mittagessen im
Blindenheim Münster statt. Der NWDR be-
richtete übrigens noch am gleichen Tage in
einer Zeitfunksendung über die Feierlich-
keiten.
Bemerkenswert ist das Vorhaben, der
Bücherei späterhin eine Hörbibliothek
anzugliedern. Man hofft, u. a. vielleicht mit
Mitteln aus den Erträgen der jetzt laufenden
Blindensammlung, eine Aktion anlaufen las-
sen zu können, die Blinden Westfalens mit
verbilligten Wiedergabegeräten zu versor-
gen, an erster Stelle alle Ohnhänder.
Bezirksleitertagung in Frankfurt
Am Samstag, dem 7. 6. 52, hielt der LV
Hessen im Hotel „Deutsches Haus" in
Frankfurt seine erste diesjährige Bezirks-
leitertagung ab. Mit großer Freude wurde
die Teilnahme des 1. Bundesvorsitzenden
Kam. Dr. Plein begrüßt, der trotz vorheriger
Absage doch noch erschienen war;
Nach kurzer Begrüßung des LV-Vorsitzen-
den Ludwig Eckert, der die aus allen Teilen
Hessens kommenden Funktionäre in der
Mainmetropole -willkommen hieß, wurde die
arbeitsreiche Tagung eröffnet. Zu Beginn der
Tagesordnung stand das immer noch nicht
verabschiedete Schwerbeschädigtengesetz im
Mittelpunkt der Beratungen. Dabei wurden
die seitens des Bundesbeirates in der be-
kannten Resolution des Bundes erhobenen
Abänderungsanträge nochmals erörtert und
von den anwesenden Bezirksleitern gut-
geheißen. Lebhaftes Interesse fanden die
ausführlichen Erklärungen des Kameraden
Dr. Plein, der erschöpfende Auskünfte über
,. Foto: J. Neven - du Mont
Ollensichtlich fühlte man sich beim Münchenei Sommerfest sehr wohl. Was unseren Kameraden
hier so vergnügt schmunzeln läßt, ist aber nicht allein das, was er im Glase hat.
Einst waren es Kaiser und Könige, die
aus dem großen Ehrenpokal tranken. Hier
macht er, gelullt mit bestem Frankenwein,
die Runde zum Willkommenstrunk unter
den Kriegsblinden. Berühmt wurde der Po-
kal durch den Feldherrn Tilly, der dem Rat
und der Stadt Gnade versprach, wenn einer
den Pokal aui einen Zug austrinke. Der Alt-
bürgermeister schallte es. Alljährlich ge-
denkt Rothenburg seiner mit dem Festspiel
„Der Meister trunk" . Von unseren Kamera-
den tat keiner einen Meistertrunk. Immer-
hin laßt der Pokal ja auch 3,25 Liter.
das Zustandekommen des Gesetzentwurfes
und die Besprechungen im Beratenden Bei-
rat gab. Von den Bezirksleitern wurde
berechtigte Klage darüber geführt, daß sei-
tens der amtlichen Hauptfürsorgestellen die
berufliche Fürsorge für Kriegsblinde nicht
immer mit dem von uns erwarteten Elan
betrieben wurde. Man gab der Hoffnung
Ausdruck, daß nach Verabschiedung des
Schwerbeschädigtengesetzes diese unerfreu-
liche Tatsache durch die Mitwirkung der bei
den Hauptfürsorgestellen zu bildenden Bei-
räte und durch eigene Initiative der Funk-
tionäre unserer Schicksalsgemeinschaft ge-
ändert wird.
Nach Erörterung und Klärung verschie-
dener Angelegenheiten auf dem Gebiete des
Versorgungsrechtes, des Blindenhilfswerkes
in Hessen usw. fand ein Referat des Sach-
bearbeiters für Berufsfürsorge, Kamerad
Dr. Ludwig, Marburg (Lahn), das Interesse
aller Anwesenden. Kamerad Dr. Ludwig wies
in seinen Ausführungen darauf hin, daß
berufliche Tätigkeit dem Kriegsblinden erst
den rechten Lebensinhalt gebe. Es sei selbst-
verständlich, wie wenig Interesse im all-
gemeinen der Arbeit eines Kriegsblinden
entgegengebracht würde und daß jeder Ka-
merad, der auf einen Arbeitsplatz vermit-
telt wird, sich diesen erst erkämpfen
müsse. Dabei wurde klar zum Ausdruck
gebracht, daß der weitaus größte Teil der
berufstätigen Kriegsblinden sich gegenüber
den Sehenden durchgesetzt hat und ihre
8
Arbeit zur vollsten Zufriedenheit ihrer Ar-
beitgeber tun. Nach der von Dr. Ludwig
erstellten Berufsstatistik sind 71 von den
rund 600 Kameraden des . LV Hessen noch
ohne eine zufriedenstellende Tätigkeit.
Kamerad Eckert forderte die Bezirksleiter
auf, geeignete Arbeitsmöglichkeiten für die
noch nicht eingesetzten Kameraden in den
Bezirken zu suchen, damit seitens des Lan-
desverbandes geeignete Maßnahmen für die
Unterbringung getroffen werden könnten.
Nachdem verschiedene Organisations-
fragen behandelt worden waren, gab der
Geschäftsführer der hessischen Handwer-
kerfürsorgeeinrichtung einen all-
gemein gehaltenen Überblick über die Auf-
wärtsentwicklung der Arbeitsgemeinschaft
im Jahre 1951. Die Ausführungen des Ge-
schäftsführers, Kamerad Rosner, wurden
durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates,
Kam. Hch. Rapp, bestätigt. Zur weiteren
Steigerung der Arbeitsaüfträge an die
kriegsblinden Handwerker wurde der Kriegs-
blinden-Arbeitsgemeinschaft ein größeres
Darlehen aus zweckgebundenen Mitteln
des Landesverbandes zugesprochen.
Es wäre müßig, alle auf dieser Tagung
besprochenen Fragen an dieser Stelle ver-
öffentlichen zu wollen. Dazu würden mehrere
Spalten in dieser, allen Kameraden des Bun-
desgebietes dienenden Zeitschrift notwendig.
Dessen können die Kameraden des LV Hes-
sen jedoch gewiß sein, daß abends gegen
22 Uhr jeder Teilnehmer das Gefühl in sich
trug, eine umfangreiche Arbeitstagung zum
Wohle der kriegsblinden Kameraden hinter
sich zu haben und neue Anregungen und
Erkenntnisse zur Führung einer Unterglie-
derung der großen Schicksalsgemeinschaft
gefunden zu haben.
Um den Bezirksleitern und vor allem den
stets in der Arbeit für die Bezirke stehenden
Frauen eine kleine Entspannung und Er-
holung zu gönnen, wurde am Sonntag, dem
8. 6., ein gemeinsamer Ausflug mit einem
Omnibus unternommen. Bei strahlendem
Sonnenschein ging es aus den Straßen
Frankfurts hinaus nach den blauen Bergen
des Taunus, über Bad Homburg v. d. H.
führte der Weg zuerst zum Römerkastell
Saalburg, wo die alten Anlagen am Limes
besichtigt wurden. Ein Rundgang
durch das Innere des Kastells
und das Museum gab den Ka-
meraden einen Einblick in das
Zeitalter römisch-germanischer
Grenznachbarschaft. Weiter ging
die Fahrt in den hinteren Tau-
nus, über kurvenreiche Gebirgs-
straßen, über Städchen und Dör-
fer, grüne Wiesen und Wälder
in das obere Weiltal, das einen
besonderen landschaftlichen Reiz
besitzt. Dann gab es eine zwei-
stündige Mittagspause im klei-
nen Höhenluftkurörtchen Schmit-
ten. Die Fahrt führte sodann
nach Hessens höchstem Berge,
dem Feldberg (881 m).
Von dort ging es gegen 16 Uhr
weiter nach dem sonnigen Vor-
dertaunus über Oberursel, Kron-
berg, Königstein, vorbei an
trotzigen und ruhmreichen Bur-
gen ehemaliger Rittergeschlech-
ter wieder nach Frankfurt.
Und die Rothenburger hatten es ver-
standen!
Der Vormittag galt dem Empfang der Teil-
nehmer durch die Stadtverwaltung im histo-
rischen Kaisersaal des Rathauses.
Nach einer überaus herzlichen Begrüßung
durch Herrn Oberbürgermeister Dr. Lauter-
bach kredenzte der Kellermeister den großen
Ehrenpokal zum Willkommtrunk! Sein Trink-
spruch und die Erwiderung des Kameraden
Schott lösten viel Heiterkeit aus. Dann wie-
der gespannte Stille im Saal: Frau Friedel
Winter — im Rundfunk keine Unbekannte —
Beim Tauziehen siegten in München die Frauen, mochte sich,
wie unser Bild zeigt, der Bezirksvorsitzende Karl Wendel
auch noch so sehr ins Zeug legen. Allerdings: die Frauen
schauten es mit der Masse (ihrer Überzahl natürlich).
Die Kinder übten sich im Sackhüplen, auch die größeren. Vielerlei Spaß hat es in München
gegeben. (Zu unserem Bericht aul der folgenden Seite.) Foto (2): J. Neven - du Mont
Sommerfreuden in Nord und Süd
' „Rothenburgs dankbarste Gäste"
Als die Bezirksgruppe Mittelfranken am
8. Juni in der alten Tauberstadt Rothen-
burg ein Kameradschaftstreffen durchzu-
führen beschloß, sollte das Gute mit dem
Nützlichen verbunden werden. Sinn der Ver-
anstaltung war, die Schönheit der Landschaft
und die Kulturwerte unserer Heimat dem
einzelnen näherzubringen, die Kamerad-
schaft zu pflegen und Erfahrungen auszu-
tauschen, nicht zuletzt aber: den Mitmen-
schen zu sagen, daß auch das schwerste
Schicksal die Lebensinteressen nicht auszu-
löschen vermag! Wichtig ist nur, wie sich
die Umwelt dazu verhält! Blindsein heißt ja
nicht, geistig tot und gesellschaftlich aus-
geschlossen zu sein! — Darum richteten wir
mit unserem Gruß auch die Bitte an unsere
Mitmenschen: Nicht mitleidiges Bedauern
bringt uns entgegen, sondern habt Verständ-
nis für unsere Berufe und unsere Arbeit!
Laßt die Bedenken und schenkt uns Ver-
trauen im Alltag und wo immer es sei!
Denkt daran: Uns traf das Schicksal für
euch!
So und ähnlich waren die Hinweise in
Presse und Rundfunk, um auch die Bevölke-
rung für unser Treffen zu interessieren.
sang für uns. Den Abschluß bildete sodann
ein kurzer Vortrag über die Geschichte und
Entwicklung der Stadt.
Die Stunden nach dem gemeinsamen Mit-
tagessen waren einer Stadtführung gewid-
met. Die alten Häuser, Gassen und Winkel
haben ja auch uns etwas zu sagen! Die
Türme, Mauern und Basteien, als Sinnbild
einer wehrhaften Stadt, sie erzählen von
dem Wehrwillen der einstigen Bewohner.
Jene hohen Patrizierhäuser aber mit ihren
Giebelfassaden und viele andere Bauwerks
zeugen von der Zeit des Minnegesanges, de'
Zeit der Gotik und der Renaissance, siä
lenken unsere Gedanken in das Jahrhundert
Barbarossas oder in die Zeit eines Albrechl
Dürer, dann wieder in die Zeit des Bauern-
krieges oder der Drangsale eines Dreißig-
jährigen Krieges. Und die Bauwerke wissen
darum, wie ohnmächtig ein zerrissenes Vater-
land ist!
Ein gemeinsamer Nachmittagskaffee ver-
einigte dann die Teilnehmer und Gäste in
dem großen Festsaal des Wildbades im Tau-
bertal. Der große Kurpark mit seinen Ter-
rassen und Pavillons, die Ausstattung des
Saales und der mit Liebe gedeckte Kaffee-
tisch, das alles trug zu einer glücklichen
Atmosphäre .bei. Vom Direktor der Polizei-
schule war uns der Saal in freundlicher
Weise kostenlos überlassen worden. Ebenso
freudig und uneigennützig hatte sich der ge-
samte Musikzug der Bereitschaftspolizei zur
Verfügung gestellt, kurz, für die Stunden
des Beisammenseins waren die besten Vor-
aussetzungen gegeben. Heitere Lieder, Ge-
dichte und Prosa in Rothenburger Mundart
sorgten für eine Abwechslung im Programm.
Die Pausen boten dann Gelegenheit, alte
Bekanntschaften neu zu beleben und Erfah-
rungen auszutauschen, mit den Gästen und
Zeitungsreportern über die Alltagssorgen
und Berufsnöte zu plaudern, Wünsche vor-
zutragen und neue Anregungen zu erhalten.
So verstrichen Stunden wie Minuten, und
als am Abend der Sonderzug die Teilnehmer
in ihre Wohnorte zurückbrachte, da sagte
ein Reporter: „Es waren Rothenburgs dank-
barste Gäste."
9
Es tut sich was in Oberbayern
Ja, was denn wohl? werden alle fragen,
die diese Überschrift lesen. Das wollen wir
Ihnen nun in den nachfolgenden Zeilen ein
bissei beschreiben.
Schon lange war, vor allem bei unseren
jungen Kameraden, der Wunsch laut gewor-
den, man möge doch Zusammenkünfte und
Treffen so gestalten, daß es den Kameraden
auch möglich sei, durch persönliches Sich-
näher-Kennenlernen einen engeren Kontakt
zu bekommen. Bei den bisherigen Versamm-
lungen waren immer so viele beieinander,
daß die Masse oft verwirrend wirkte. Außer-
dem war die meiste Zeit damit ausgefüllt,
Berichte entgegenzunehmen, sich in Form
von Diskussionen Nöte und Sorgen einzelner
anzuhören, und zum Entwickeln eines Kon-
taktes von Mensch zu Mensch blieb dann
kaum noch — oder oft auch gar keine —
Zeit mehr.
Unser Bezirksobmann, Kamerad Wendel,
hat nun einen Versuch unternommen, die-
sem Wunsch nach einem geselligen Beisam-
mensein gerecht zu werden. Er rief die
Kameraden von München und Umgegend
zu einem Sommerfest zusammen, und dieses
wirklich fröhliche Beisammensein war ein
voller Erfolg.
Sonntag, 8. Juni, 13 Uhr, waren die Kame-
raden zu einem fröhlichen Beisammensein in
der Laimer Turnhalle eingeladen worden.
Ab 13 Uhr kamen sie, erst etwas vereinzel-
ter, denn die meisten ließen sich das wohl-
verdiente Sonntagsmittagsschläfchen doch
nicht kürzen. Aber gegen 15 Uhr waren
alle da. Mit ihren Kindern, denn auch die
kleine Gesellschaft war ausdrücklich einge-
laden worden.
Die Turnhalle bot ein festlich geschmück-
tes Bild. Auf dem Podium saß eine sechs-
köpfige, schmissig spielende Tanzkapelle und
empfing die Kommenden mit leichtem, be-
schwingtem Rhythmus. Die Tische prangten
in lustigem Blumenschmuck, und eine große
Tanzfläche, inmitten des Saales, gab die Ge-
währ dafür, daß man sich nach Herzenslust
im Walzertakt drehen konnte, ohne dem
Kameraden auf die Füße zu steigen.
Von drei jungen Kindergärtnerinnen, die
das Münchener Fröbelseminar zu diesem
Zweck abgeordnet hatte, wurden die Kleinen
zu lustigem Spiel auf die große Turnwiese
geholt und mit Eierlaufen, Sackhüpfen und
sonstigen Spielen beschäftigt. Selbstverständ-
lich waren auch Preise da, und gute Lei-
stungen der Kleinen wurden auch gebührend
belohnt. Aber auch mit einem Schwimmtier-
chen als Trostpreis liefen sie selig zu Mutti
und Vati, um ihnen die gewonnene Trophäe
zu präsentieren, und glücklich zogen sie
dann immer wieder hinaus zu den anderen.
Und die Eltern? Sie waren im Saal und
konnten sich ungestört unterhalten, sie wuß-
ten ja ihre kleine Aufzucht gut versorgt.
Man ging von Tisch zu Tisch, in ernsten und
heiteren Gesprächen konnte man die Grüpp-
chen beobachten, es wurde getanzt, und die
Zuschauenden und Zuhörenden hatten an
dem froh bewegten Treiben genau so ihren
Spaß wie die, welche ungehemmt das Tanz-
bein schwingen konnten.
Und dann waren die Vatis mal eine Zeit
draußen bei ihren Kindern, sie wollten
eigentlich nur in würdiger Autorität das
Spiel der Kinder belächeln. Aber plötzlich
wurden sie jung, so herzerfrischend jung,
daß sie sich selber in Säcke stecken ließen
und ein Sackhüpfen veranstalteten, das bei
Frauen und Kindern den hellsten Jubel aus-
löste.
So mußte schließlich auch noch Tau ge-
zogen werden, Männer gegen Frauen! Erst
zogen die Männer fest an, und gegen die
gleiche Zahl Frauen waren sie natürlich
kräftemäßig überlegen, aber da blieben die
zuschauenden Frauen nicht untätig! Was war
es für ein Jubel, als mit vereinten Kräften
die holde Männlichkeit über den Platz ge-
zogen wurde!
Die Kleinen wurden nach dem Spiel mit
Apfelsaft und Keks gefüttert. Sie hatten da-
für einen eigenen Raum zur Verfügung be-
kommen. Nachdem ihnen dann noch durch
Märchenerzählen und Gesellschaftsspiele die
Zeit verkürzt wurde, durften sie ein Som-
merliedchen lernen. Für Eltern und Kinder
war es ein wunderschöner Abschluß dieses
frohen Tages, als sich die Kinder in den
Saal begaben, sich auf der Tanzfläche zu-
sammenstellten und aus voller Kehle ihren
Eltern vorsangen: Geh aus, mein Herz, und
suche Freud!
Ja, viele waren an dem Nachmittag ge-
kommen, uni ein bissei Freude zu suchen,
und als sie am Abend nach Hause gingen,
die Großen und die Kleinen, da hatte man
den Eindruck, daß auch viele Freude ge-
funden hatten.
Nächste Woche veranstaltet nun unser
Kamerad Wendel so ein fröhliches Treffen
in Rosenheim, in Ingolstadt soll es auch bald
sein, denn: Sich-Kennenlernen und den per-
sönlichen Kontakt von Mensch zu Mensch zu
finden, das ist ja der schönste Sinn und
Zweck unserer Schicksalsgemeinschaft.
Und fröhlich wollen wir die Stunden mit-
einander verbringen, denn wir glauben, Froh-
sinn ist noch keinem Menschen schlecht be-
kommen. A. H.
Im Nebel beim „Hermann"
Für die Kriegsblinden des Bezirks West-
hannover startete der ADAC Hameln zum
erstenmal eine Ausfahrt. Bei Kaffee, Kuchen
und fröhlichen Akkordeon-Klängen ver-
liefen die Stunden viel zu schnell. Begrii-
ßungs- und Dankesworte wechselten zwi-
schen dem Vertreter des ADAC und dem
Bezirksleiter, Kam. Buchholz. In angeregter
Stimmung fuhren wir zu unserem Ver-
sammlungslokal zurück, wo dann noch die
angesetzte Mitgliederversammlung stattfin-
den konnte. Im Vordergrund der Tagung
stand der bevorstehende Sommeraus-
flug zum Hermannsdenkmal, der am 15. 6.
stattfand.
Der Wettergott war uns nicht gerade gün-
stig gesonnen, doch verlief die Fahrt recht
gemütlich. Das erste Reiseziel war Detmold,
wo uns Kam. Karl Schleheck erwartete und
eine kleine Führung veranstaltete. Nach
einem gemeinsamen Mittagessen in Hidde-
sen ging die Fahrt weiter zum Hermanns-
denkmal. Hier war uns Petrus sehr un-
gnädig gesonnen. Dichter Regennebel ver-
hinderte jede Sicht, so daß die Begleitungen
nur ein unvollständiges Bild vermitteln
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seinen Kenntnissen über die Instandsetzung
des Denkmals aus. Nach einem kurzen Auf-
enthalt auf dem Denkmalsberg ging es dann
durch die Lippische Schweiz zu den Extern-
steinen und von dort zur Kaffeetafel nach
Bad Meinberg.
Solch kameradschaftliches, frohes Erleben
in der Gemeinschaft gibt dem einzelnen,
der vielleicht allein und isoliert in seinem
Dorfe sitzt, wieder Mut zum Schaffen.
Frohsinn bei den Frankfurtern
überaus gut besucht war das Kameraden-
Treffen, zu dem der Bezirk Frankfurt a. M.
seine Mitglieder am Sonnabend, 14. Juni,
nach dem nahegelegenen Neu-Isenburg ein-
geladen hatte. Rund 100 Kameraden mit
ihren Frauen und Begleitern fanden sich zu
einem fröhlichen Umtrunk ein. Kamerad
Cyrus begrüßte die Anwesenden und be-
tonte, daß die Kameradschaft nicht nur in
den Mitgliederversammlungen, sondern auch
bei zwanglosen Zusammenkünften dieser
Art gepflegt werden müsse. Freudig zur
Kenntnis genommen wurde die Mitteilung,
daß die Brauerei Binding ein Faß Bier ge-
stiftet habe. DeT Bezirk trug die Kosten für
■- ein Abendessen und weitere Getränke.
In anerkennenswerter Weise hatten sich
für die Ausgestaltung des Unterhaltungs-
Programmes zur Verfügung gestellt: Herr
Carl Luley von den Stadt. Bühnen Frank-
furt a. M., Herr Wolf Schmidt vom Hessi-
schen Rundfunk, der Männergesangverein
1867 Neu-Isenburg, die Unterhaltungskapelle
Hans Delie, die Melodien-Boys und der
Mandolinenklub Spessartfreunde Neu-Isen-
burg.
Orkanartiger Beifall der Zuhörer dankte
den Künstlern und Vortragenden für die
heryorragenden Darbietungen, die sich in
rascher Folge aneinanderreihten. Heiterkeit
und Frohsinn ließen nicht nach, bis am spä-
ten Abend die letzten Kameraden den Heim,
weg antraten. Fr. C.
Mit dem ADAC nach Nideggen
Schon immer war der ADAC von M. -Glad-
bach den Kriegsblinden unserer Heimat gut
gesinnt, und so wurden auch in diesem Jahr,
und zwar am 28. Juni, unsere Kriegsblinden
mit Begleitung durch eine schöne Fahrt er-
freut. Ein Autobus und eine Kolonne von
Personenkraftwagen setzte sich in Richtung
Rheydt in Bewegung, von Verkehrspolizei
auf Motorrädern begleitet. Die Fahrt ging
über Jülich, Düren bis zum Fuße der Eifel
nach Nideggen, wo im Hotel Ratskeller
Kaffee und Kuchen die frohe Gesellschalt
erwarteten. Nach dem Kaffee sprach der Vor-
sitzende der Kriegsblinden, Kamerad Lam-
bert H ü 1 1 e n , und wies auf den eigent-
lichen Sinn dieser Fahrt hin: die Kamerad-
schaft innerhalb des Bezirks zu pflegen.
. | Ferner dankte er den Herren vom ADAC
für die schöne Fahrt. Danach ergriff der
Geschäftsführer des ADAC, Dr. W i e d , das
Wort: es sei eine angenehme Aufgabe, in
jedem Jahr eine solche Fahrt für die Kriegs-
blinden zu organisieren. Wenig später
spielte die Musik zum Tanz auf, und es ging
lustig zu. Jedoch das herrliche Sommer-
wetter lockte die ganze Gesellschaft immer
mehr nach draußen, um die alte Burg zu
besichtigen. Nach dem Abendessen wurde
das Tanzbein um so lebhafter geschwungen.
Gegen 21 Uhr setzte sich die Kolonne wieder
in Bewegung, um jeden einzelnen wieder
nach Hause zu bringen.
Neuer Bezirksleiter in Düsseldorf
In der Mitgliederversammlung des Bezirks
1 Düsseldorf vom 28. 3. 1952 wurde an Stelle
des bisherigen Vorsitzenden Kam. Heine-
mann zum neuen Vorsitzenden der Kamerad
Jakob L o h m a n n , Düsseldorf, Heinrich-
' Straße 32, gewählt.
Andreas Klapdor 70 Jahre alt
Unser Kamerad Andreas Klapdor, Duis-
burg, Felsenstr. 79, vollendet am 11. August
sein 70. Lebensjahr. Beinahe dreißig Jahre
ist er als Mitarbeiter in unserer Schicksals-
gemeinschaft tätig und führt auch heute noch
sein Amt als Bezirksleiter mit besonderer
Energie und Tatkraft. Die Kameraden des
Bezirks Duisburg verehren ihn sehr; im
Landesverband wird er als ehrlicher und
aufrichtiger Kamerad sehr geschätzt. Die
Landesverbandsleitung und mit ihr der ge-
samte Landesverband Nordrhein bringt dem
Kameraden Klapdor an seinem Ehrentage
herzliche Glück- und Segenswünsche für den
Lebensabend zum Ausdruck.
PERSÖNLICHES
Ehrentage
Unser Kamerad StudienratDr. Lud-
wig, Marburg, feierte am 1. 7. seinen
60. Geburtstag. Dr. Ludwig hat sich in vieler
Hinsicht um die Sache der Kriegsblinden
sehr verdient gemacht. Der Bezirksvorstand
ehrte ihn u. a. dadurch, daß er ihm am
Geburtstagsmorgen durch eine kleine Ka-
pelle ein Ständchen darbringen ließ. Viele
Glückwünsche aus nah und fern gelten dem
verdienten und beliebten Kameraden.
Vermählungen
Unser Kamerad Gottfried Schabert
und Frau Sophie, geb. Tenzer, Woltersdorf,
Kr. Dannenberg (Elbe), Nr. 128, geben ihre
Vermählung bekannt.
Unser Kamerad Walter C z o c k und Frl.
Irmgard Jänig, Bad Homburg v. d. H.,
haben Pfingsten 1952 geheiratet.
Unser Kamerad Paul W o 1 g a s t und Frl.
Hildegard Lange, Kiel, Bielenbergstraße 1,
haben am 3. Mai 1952 die Ehe geschlossen.
Geburten
Kam. Harry B a r t h e 1 und Frau Paula,
Bremerhaven-G., Weißenburger Straße 1,
ein Mädchen, Brigitte Maria, am 29. 4. 1952.
ES STARBEN:
LANDESVERBAND HAMBURG
Bardischewski, Alfred, gest. am* 12. 5.
1952 durch Unglücksfall.
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
Röbe-Oltmanns, Fritz, Ekern bei Bad
Zwischenahn i. O., gest. am 22. 6. infolge
Unglücksfalls.
LANDESVERBAND NORDRHEIN
O 1 1 n a d , Karl, Bonn, Mechenstraße 29,
geb. 27. 7. 1875, gest. am 18. 6. 1952.
LANDESVERBAND RHEINLAND-PFALZ
Armbrust, Wilhelm, Alsenz/Pfalz, Bahn-
hofstraße 29, gest. am 31. 5. 1952 im Alter
von 64 Jahren.
LANDESVERBAND SCHLESWIG-HOLSTEIN
Chrestin, Paul, Flensburg, Glücksburger
Straße 82, gest. am 5. 6. 1952.
LANDESVERBAND WESTFALEN
Blankenburg, Willy, Lengerich, Berg-
straße 13, geb. am 18. 5. 1890, gest. am
13. 5. 1952.
WÜRTTEMBERG-NORDBADEN
Beck, Wilhelm, Bietigheim/Württ., Kirch-
platz 9, geb. 4. 9. 1886, gest. 1. 6. 1952.
Kameraden- Witwe Frau Maria N e u t -
h a r d , Hemsbach a. d. B., Baden, gest.
am 28. 5. 1952.
Keck, Arthur, Pforzheim, Oranierstraße 22,
geb. 21. 6. 1891, gest. am 26. 6. 1952.
R u e s s , Athanasius, Erbach, Kr. Ulm, geb.
18. 6. 1878, gest. am 3. 7. 1952.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHEN1
KANTATE
Im Dünkel zu singen
Herrgott, wir sind wie Spreu im Wind
Vor Deinem großen Angesicht,
Bedenke, daß wir Bettler sind
Und also, Mann und Weib und Kind,
Ein Jammer, der die Nacht durchbricht.
Herrgott, die Nächte machen blind,
Durch die wir nackten Fußes gehn,
Erkenne, daß wir Pilger sind
Und also, Mann und Weib und Kind,
In Deinem Schatten stehn.
Herrgott, Dein Schatten ist so lind —
Doch unsre Angst ist riesengroß!
Vergib uns, wenn wir schuldig sind,
Und nimm uns, Mann undWeib und Kind,
Am Ende aut in Deinen Schoß.
GERHARD PRAGER
Ein Töchterchen, das Ursel heißen
soll, wurde unserem Kameraden Georg
Schlömer in Oldenburg am 22. Mai
geboren.
Unser Kamerad Otto Hoppe und Frau
Mia, geb. Terhorst, Krefeld, zeigen die
Geburt ihres ersten Kindes an , .Monika".
Aus dem Landesverband Hamburg sind
die folgenden Geburtsanzeigen nachzuholen:
Dem Kameraden Erich E i s n e r wurde am
26. 4. eine Tochter Irmgard geboren,
dem Kam. Erich Fischereith gleich
deren zwei, nämlich Angelika und Rose-
marie, geb. am 3. 3.,
dem Kam. Rolf Peters am 2. 2. ein
Sohn namens Rolf-Dieter,
dem Kam. Karlheinz Sandberg am
14. 4. der Sohn Klaus,
und dem Kameraden Bernh. Schröder
am 12. 6. eine Tochter namens Monika.
Wir gratulieren!
Der Stand der Umanerkennung
Nach Mitteilung der zuständigen Abteilung
im Bundsarbeitsministerium soll die Uman-
erkennung nach dem BVG nach den Mit-
teilungen der Länder im gesamten Bundes-
gebiet zur Zeit mit durchschnittlich 83,8 Pro-
zent durchgeführt sein. Rückständig sollen in
der Hauptsache nur noch Elternrenten sein.
Einzelne Länder haben schon eine fast rest-
lose Durchführung der Umanerkennung ge-
meldet, so z. B. Rheinland-Pfalz mit über
99 Prozent und andere Länder mit über
97 Prozent.
Die im Haushaltsplan des Bundes im
vorigen Jahr vorgesehenen Mittel für Ver-
sorgungszwecke in Höhe von rund 3,1 Milli-
arden ohne die Ausgaben für Berlin wurden
auch fast restlos aufgebraucht. Im Etatjahr
1952/53 sollen im Haushalt für Kriegsopfer-
versorgung mit den Ausgaben für Berlin
rund 3,4 Milliarden DM vorgesehen
Angebot für Einhänder
Unser Kamerad Hans Tilly bietet als Ge-
schenk eine Umschaltvorrichtung für eine
Büro-Schreibmaschine für Kniebedienung an.
Es handelt sich um einen Metallhebel, den
durch eine Seitwärtsbewegung auf den Um-
schalter drückt, — eine große Erleichterung
für einhändige Maschinenschreiber. Die Vor-
richtung paßt auf jede Maschine und ist
leicht anzubringen. Anfragen erbittet die
Schriftleitung.
II
<^\ici^tc JxcwufKcctcfi,
Im Maiheft berichteten wir an dieser Stelle,
wie ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes von
Einbeck durch seine aufmerksame Initiative
einer blinden Frau einen Arbeitsplatz als
Speicheneinzieherin vermittelte.
Wir erfahren nun, daß im Landesverband
Nordrhein, und zwar bei den Bismarck- Wer-
ken in Radevormwald, seit etwa drei Jahren
zwei Kriegsblinde ebenfalls als Speichenein-
zieher tätig sind. Die Leitung der Firma ist
mit den Arbeitsleistungen der Kameraden
sehr zufrieden.
*
Nach dem Beispiel von Bayern, Hessen
und Nordrhein-Westfalen werden jetzt auch
in Rheinland-Pfalz Vorbereitungen
getroffen, um den Zivilblinden ein monat-
liches Pflegegeld von 100 Mark zu ge-
währen.
*
Beim Arbeitsamt Kassel wurde ein 27jäh-
riger Kriegsblinder als Telefonist eingestellt,
der als Panzerfahrer im Osten sein Augen-
licht verloren hat und dessen beide Hände
schwer verstümmelt sind. Es ist der
Kamerad Josef Gredecki. Bis auf die Glieder
über dem Grundgelenk verlor er sämtliche
Finger, bis auf den Daumen, der allein noch
genügend Tastgefühl hat, um Blindenschrift
wahrzunehmen. Trotz dieser überaus schwe-
ren Verletzungen bedient der ehemalige
Elektriker nach neunmonatiger Ausbildung
eine Rekordzentrale mit 8 Amts- und 85
Hausanschlüssen zur vollsten Zufriedenheit
seiner Dienststelle. Schon nach Ablauf von
vier Wochen seiner dreimonatigen Probezeit
wurde er fest angestellt.
In einer Halle der Mainfranken-Messe in
Würz bürg zeigten Kriegsblinde in ein-
drucksvoller Weise, zu welchen handwerk-
lichen und beruflichen Leistungen sie fähig
sind.
*
Auf einer Londoner Industrie-Ausstellung
wurde zum erstenmal ein Elektro-Koch-
h e r d mit besonderen Einrichtungen für
Blinde gezeigt. Durch ein eingebautes Kon-
trollgerät werden die jeweiligen Tempera-
turen des Herdes durch Klingelzeichen an-
gezeigt. Weitere Klingelzeichen ertönen beim
Ein- und Ausschalten sowie nach Ablauf der
Kochzeit.
*
In Hagen wurde ein junger, blinder Bür-
stenmacher von zwei Unbekannten, mit
denen er zuvor in einem Lokal gesessen
hatte, niedergeschlagen und beraubt. Der
Blinde konnte allein auf Grund seiner Hör-
und Tasteindrücke die Täter so geschickt
beschreiben, daß sie bald darauf gefaßt wer-
den konnteri,
*
18 britische Parlamentsabgeordnete haben
einen Antrag zur Unterstützung des Feld-
zuges gegen die Blindheit in Afrika
eingebracht, den der erblindete Dr. King
jetzt im großen Stil begonnen hat. Im Zuge
dieser Hilfsaktion für die blinden Ein-
geborenen Afrikas werden im November
Arbeitsgruppen britischer Augenärzte, Che-
miker und anderer Wissenschaftler zur Gold-
küste, nach Kamerun und Nigeria ausreisen.
Hauptursache der zahlreichen Erblindungen
in diesen Gebieten — man rechnet mit
500 000 Blinden dort — ist ein von
Insekten übertragener Krankheitskeim, der
den Sehnerv zerstört. Die Wissenschaftler
rechnen zunächst mit einer dreijährigen
Dauer ihrer Forschungs- und Hilfsarbeit.
*
Nach der neuesten Statistik leben in
England und Wales insgesamt 83 464
Blinde. Davon sind 9858 berufstätig, und
zwar 4573 in oder für Blindenwerkstätten.
Hier werden die Blinden meistens als Korb-
macher beschäftigt (1350) — der verbrei-
tetste Blindenberuf — und als Bürstenmacher
(660). Kriegsblinde sind als Bürstenmacher
nicht tätig. An Fabrikarbeitern wurden 952
gezählt, an Geistlichen 46, Maschinenstricker
742, Angestellte und Stenotypisten 305, Leh-
rer 39, Beamte nur 34.
*
Einem Blinden in der Nähe von Koblenz
war der Wandergewerbeschein versagt wor-
den, nicht zuletzt, weil in diesem Fall bei
der Ausübung des Gewerbes eine ver-
steckte Bettelei an den Tag trete. Der
Blinde erhob Einspruch, und zwar mit Er-
folg, doch darf er künftig nicht mehr wie
bisher das Schild verwenden „Bin blind,
beziehe keine Rente", und er darf auch nicht
mehr Druckerzeugnisse anbieten, die das Los
eines Erblindeten schildern.
*
Auch so etwas gibt es: Ein achtmal vor-
bestrafter 25jähriger Häftling in Lübeck zer-
störte sich mit Kopierstiftsplittern
die Augen, um nicht wieder ins Gefängnis,
sondern in ein Blindenheim zu kommen.
*
In dritter Auflage erschien nunmehr der
Gedichtband unseres Kameraden Heinz
B e r n e r, „Lied der Gefangenen". Wir haben
schon mehrfach auf die tiefen und schönen
Verse und die besondere Eigenart dieses
Buches hingewiesen. (Preis: 2,40 DM, bei
r
^
Konstruktive Sozialordnung des Bergbaus
Auf einer der großen technischen Tagungen des westdeut-
schen Steinkohlenbergbaus hat der Generaldirektor der
Deutschen Kohlenbergbau-Leitung eine klare Antwort auf
die Frage gefordert, wie die Menschen in den modernen
Großbetrieben unserer Zeit zusammen arbeiten und zu-
sammen leben sollen. Er sprach von dem Ringen um die
notwendige Reform un s e res wirtschaftlichen
undsozialenLebens, das in vollem Gange sei, und
betonte „die Notwendigkeit, die Prinzipien der Wirtschaft
im Scheinwerferlicht der menschlichen Sehnsucht nach
gegenseitiger Achtung, gegenseitigem Verständnis und
gegenseitiger Hilfe zu betrachten. Dazu ist aber vor allem
notwendig, die geistigen Grundlagen der Wirtschaft neu
zu durchdenken, denn Gegenwart und Zukunft legen uns
allen eine schwere Verantwortung auf. Kein Mensch lebt
in dieser Welt allein, und niemand kann von sich sagen,
daß er ohne Rücksicht auf seine Umwelt und seine Mit-
menschen sein Dasein gestalten kann."
Im Steinkohlenbergbau ist zu allen Zeiten das Wort
„Kameradschaft" groß geschrieben worden. Die besondere
persönliche Verantwortung, die jeder Berg-
mann auf Grund der Eigenart seines Berufes in seinem
Arbeitsbereich trägt, unterstreicht den Wert der Persön-
lichkeit und der menschlichen Würde. Es ist das Bestreben
des Bergbaus, diese Werte nachdrücklich zu fördern und
auf ihrer Grundlage das Problem des Menschen
im Großbetrieb zu lösen. Bereits vor den Verhand-
lungen über die Mitbestimmung ist vom Bergbau eine grund-
legende Sozialordnung entwickelt worden. Ihr Kern-
gedanke liegt darin, daß eine echte Neuordnung der sozial-
politischen Verhältnisse nicht über das Organisatorische er-
reicht werden kann, sondern nur über die geistige Haltung.
Der Menschenwürde und dem Menschenrecht soll in den
Großbetrieben des Bergbaus wieder Geltung verschafft
werden, alle darin tätigen Menschen sollen einen echten
Lebensraum erhalten, jeder Arbeiter soll seine Fähig-
keiten frei entfalten können und sich seelisch mit seiner
Arbeitsstätte verbunden fühlen. Es genügt nicht, daß Ver-
treter der Gewerkschaften oder der Belegschaften be-
stimmte Posten innerhalb der betrieblichen Organisation
einnehmen, vielmehr sollen alle Arbeitnehmer eine neue
Stellung im Betriebsleben erhalten. Jeder Arbeiter soll
sich als Mitarbeiter und nicht als bloße Nummer fühlen.
Ganz besonderer Nachdruck wird auf die Pflege der
menschlichen Beziehungen gelegt. Vorgesetzte
und Untergebene sollen sich gegenseitig mit Achtung be-
gegnen.
In seiner Broschüre „Der Mensch in der Wirtschaft" be-
spricht Superintendent Erich H e s sin g die Sozialordnung
für den Kohlenbergbau. Er stellt fest, daß die Grundsätze
einer Sozialordnung im Kohlenbergbau für die Schaffung
einer echten verantwortungsbewußten sozialen Partner-
schaft eine wichtige Grundlage darstellen und daß sie die
unerläßliche Ergänzung zu der gesetzlichen Regelung des
Mitbestimmungsrechts bilden. Diese Sozialordnung, so be-
tont der Verfasser, gründet sich auf eine christliche
Haltung, an der es in der Wirtschaft seit dem Auf-
kommen des Kapitalismus weitgehend gefehlt hat.
12
Mengenbezug Rabatt. Verlag: Arbeitskreis
Kirche der Heimat, Husum).
*
Ein sehr amerikanisches Anekdötchen sei
unseren Lesern nicht vorenthalten: Der 36-
jährige blinde Kaufmann Bob Triplett in
Tulsa (Oklahoma) habe, so wird berichtet,
bei einer Bank ein Konto für seinen Führ-
hund angelegt. Der Hund bekommt monat-
lich ein Gehalt, damit sein Besitzer das Geld
von der Steuer abziehen kann. Der Hund
„unterschreibt" Schecks durch Pfoten-
abdruck. „Ich kenne kein Bankgesetz,
das so etwas verbietet", meinte der Bank-
-direktor.
*
Die „Königin der Straßen" und erste Heer-
straße des römischen Weltreiches, die Via
Appia, ist um das Jahr 312 v. Chr. von
dem Blinden Appius Claudius angelegt wor-
den. Sie führte zuerst von Rom bis Capua
und dann später über Benevent bis Brindisi.
Dieses interessante Beispiel einer zur Welt-
geschichte gehörenden Leistung eines
Blinden fanden wir in dem Buch „Rom,
Geschichte und Geschichten" von Philipp
Hiltebrandt.
*
In Ergänzung zu unserer kurzrn Notiz im
vorigen Heft über internationale Liebhaber
für Deutsche Schäferhunde erfah-
ren wir, daß zur Zeit die Hauptabnehmer für
den Export von Rassetieren neben Amerika-
nern, Engländern und Franzosen nicht zuletzt
die Japaner sind. Kaiser Hirohito ist
nämlich ein großer Liebhaber des Schäfer-
hundes, und manche Japaner machen es ihm
nach. Auch Marschall Tito von Jugoslawien
ist fast nie ohne seinen Schäferhund zu sehen.
*
Der kanadische Kriegsblinde David Fer-
guson und seine 28jährige Frau wollen in
diesem Sommer auf dem Tandem eine
Radtour durch ganz Europa unternehmen.
Das unternehmungslustige Ehepaar traf be-
reits an Bord der „He de France" in Europa
ein.
1&M juntete SjekackpLeuncLe
Die drei Mescheder Sieger aus Köln
(Würtz, Mertens und Diehl) tragen zur Zeit
einen Wettkampf (jeder gegen jeden, 6 Par-
tien, 36 Züge in IV2 Stunden) aus. Die erste
Partie stammt aus diesem Wettkampf, die
nachfolgende aus dem Mescheder Turnier.
Unregelmäßig
W e iß : W. Würtz
Schwarz: G. Mertens
1. f4 f5 2. Sf3 Sf6 3. b3 g6 4. Lb2 Lg7
(Gegenfianchetto ist meist eine dankbare
Sache) 5. c4 d6 6. e3 c5 7. Ld3 b6 8. Lc2 Lb7
9. Sg5 (das bringt nichts ein und fördert nur
die Entwicklung von Schwarz) 9. Dd7
10. De2 Sc6 11. a3 h6 12. Sf3 e5 (Schwarz
opfert nun einen Bauern und erhält dadurch
Stellungs- und Raumvorteil) 13. f:e5 d:e5 14.
S:e5 S:e5 15. L:e5 Sg4 16. L:g7 (erzwungen)
16. — — D:g7 17. Sc3 0—0—0 18. 0—0—0
The8 19. h3 Se5 20. Thfl Dd7 21. d4 (Weiß
wollte 21. Sd3+ unterbinden, hätte je-
doch besser den Bauern nur einen Schritt
vorgebracht) 21. — — c:d4 22. e:d4 Sf3
(nach Sg4 nebst Se3 hätte SchwaTZ die
Qualität gewonnen) 23. Df2 S:d4 24. Sb5
Se2+ 25. KM De6 26. T:d8 T:d8 27. S:a7+
(besser war Tel) 27. Kb8 28. Sb5 Td2
29. Del De3 30. Ldl (das ist das Ende) 30.
Le4+ 31. Kai Sc3— und Weiß gab auf.
französisch
Weiß: A. Grürmann
Schwarz: F. Eckert
1. e4 e6 2. d4 dS 3. Sc3 Lb4 4. Ld3 (4. e5 c5
5. Ld2 c:d4 6. Sb5 oder 4. e:d5 e:d5 5. Ld3
sind bessere. Fortsetzungen) 4. — — d:e4
5. L:e4 Sf6 6. Lg5 h6 7. L:f6 D:f6 8. a3 L:c3+
9. b:c3 0—0 10. Sf3 Sd7 11. 0—0 c6 (c5)
Vor dem „Nationalinstitut iür junge Blinde" in Paris stand der Katalalk mit den Gebeinen von
Louis Braillle, bevor die leierliche Bestattung im Pantheon, dem Ruhmestempel Frankreichs, er-
folgte. Im Hintergrund: das Denkmal von Valentin Haüy, dem ersten schöplerischen und echten
Blindenei zieher der Welt. Auch die deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold waren unter dem
Flaggenschmuck vertreten. (Zu unserem Bericht au! Seite 1.) Foto: Keystone
12. Tfel Dd8 13. Ld3 Sf6 14. Se5 Da5 15. Te3
Tfd8 16. h4 (die bessere Stellung verleiht
Weiß das Recht, einen Angriff einzuleiten)
16. c5 17. g4 c:d4 18. c:d4 Dd5 19. c3
b6 20. Tg3 (nach Le2 nebst Lf3 mußte kom-
men) 20. — — Lb7 21. Hh2 Se4 22. L:e4
D:e4 23. Kh3 (Dd3 war zu empfehlen. Falls
Schwarz dann dem Damenabtausch aus dem
Wege ging, könnte der Angriff mit f4 fort-
gesetzt werden) 23. — — f6 24. Sd3 Tac8
25. Dd2 e'5 26. Tel Dd5 27. g5 f:g5 28. h:g5
e:d4 29. g:h6 (ein grober Fehler, wie er
Grürmann, dem Senior des Mescheder Tur-
niers, des öfteren unterlief, wenn seine
Partien dieses Stadium erreichten. Nach
29. Sf4 hätte Schwarz sich noch schwer vor-
sehen müssen) 29. Dh5+ + .
Gabriel Mertens.
Vom „Sehen" der Kriegsblinden
Wir drucken hier eine interessante Ergänzung ab zu dem vielbeachteten Aulsatz im Aprilhelt
„Wir dürfen nicht blind sein" von Franz Feistner. Weitere Zuschriften zu diesen oder ähnlichen
Themen sind uns sehr willkommen. Die Schriftleitung.
Vom Sehen wird die Rede sein, und zwar
vom Sehen derer, die ihre gesunden Augen
haben, und vom „Sehen" der Kriegsblinden.
Der freundliche Vorleser wird gebeten, der
Klarheit wegen die „Gänsefüßchen" mitzu-
lesen.
Daß wir Kriegsblinden einmal haben sehen
können, ist unser Schmerz und zugleich
unser Glück, auf das wir nicht um alles ver-
zichten möchten. Schmerz deshalb, weil wir
wissen, was wir verloren haben, Glück, weil
uns das Gegenständliche der Welt, wenn wir
es nennen hören, zum Bilde wird, weil wir
es „sehen". Freilich ist der Vorgang unseres
„Sehens" anders als bei den Sehenden. Wäh-
rend diesen das Bild unmittelbar durch das
Auge bewußt wird, müssen wir es aus dem
Schatz unserer Erinnerungen in uns erst her-
vorsuchen und „sehen" es innerlich. Daß
dieses Bild von Wald, Wiese, Berg, Straße,
Haus und Heim nicht der Wirklichkeit ent-
spricht, selbst wenn man es uns noch so
genau beschreibt, versteht sich von selbst.
Doch kommt es darauf auch nicht so sehr an
wie darauf, daß uns die Welt außer uns
nicht überhaupt verödet und daß wir fort-
fahren, sie zu „sehen".
Zu diesen Gedanken regt mich eine Beob-
achtung an, die ich an mir selbst gemacht
habe. In den ersten Monaten nach meiner
Verwundung „sah" ich, wenn ich draußen
war und durch die Straßen ging, so lebendig,
daß ich die Straßen, durch die ich ging und
die ich nicht kannte, mit buntem Leben
füllte. Ich „sah" Straßen, Verkehrsmittel;
Bäume, Menschen, „sah" z. B. eine Straßen-
baustelle mit Warnungsschild, aufgerissenem
Straßenpflaster, freiliegenden Straßenbahn-
schienen, den dampfenden Teerwagen, die
hantierenden Männer — alles Dinge, die
wohl zu irgendwelchen Straßenbildern ge-
hören mochten, aber hier und in dieser Art
gar nicht vorhanden waren. Das ging so
weit, daß ich plötzlich den Schritt verhielt,
weil ich spielende Kinder nicht umlaufen
wollte, die ich vor mir auf dem Weg mit
Puppenwagen und einem Holzpferd am Bind-
faden stehen „sah"; oder: daß ich auf einmal
den Kopf einzog, weil ich mich auf einen
Mauervorsprung zugehen „sah". Auch diese
Hindernisse waren in Wirklichkeit gar nicht
da. Sie gehörten aber zu dem Bild in mir,
daß ich mir von der Umwelt machte. Nach
und nach verlor sich dieses „Sehen", die
Umwelt, die ich durchging, wurde mehr und
mehr zum wesenlosen, gestaltlosen Raum.
Ich denke mir nun, daß es so oder ähnlich
auch anderen kriegsblinden Kameraden ge-
13
gangen sein mag. Und hierin liegt die Ge-
fahr, daß wir die gegenständliche Verbin-
dung zu unserer Umwelt verlieren, daß wir
zu „sehen" verlernen. Freilich soll an Stelle
des von mir eben geschilderten „Phantasie-
Sehens" ein der Wirklichkeit möglichst
angenähertes „Sehen" treten. Das aber
will geübt und ständig gepflegt sein. Hier
liegt eine wichtige Aufgabe unserer Beglei-
tung, vor allem unserer Frauen. Sie sollen
uns helfen, unsere Umwelt zu „sehen". Sie
sollen, ohne daß wir fragen, uns
unsere Umgebung so genau wie möglich
beschreiben, sollen viel Farbe ins Bild tun
— wissen wir doch, was Farbe, was Licht
ist — , sollen uns von Gebäuden die Größe,
Form und Bauart beschreiben, sollen, wenn
wir in freier Natur sind, uns die Landschaft
„sehen" lassen, und zwar systematisch, wie
wir es als Soldaten bei der Geländebeschrei-
bung taten, Vordergrund, Mittelgrund, Hin-
tergrund, immer von links nach rechts, sollen
uns auf Besonderheiten, einen schönen Baum
.etwa, „aufmerksam machen", kurz, uns alles
mit „sehen" lassen, was sie selbst
sehen.
Das ist nicht immer leicht und will gelernt
sein; aber es lohnt sich, daß sich unsere
Begleiter ernsthaft darum bemühen; denn
sie machen uns die graue, leere Welt bunt
und gegenständlich lebendig. Daneben fällt
für sie selbst noch ein Gewinn dabei ab: sie
selbst lernen bewußt sehen, genau sehen.
Aus diesem Grund empfiehlt man selbst sol-
chen, die nicht zeichnen können, sich auf
Wanderungen etwa einen Skizzenblock mit-
zunehmen und eifrig zu zeichnen, was sie
sehen — ganz gleich, was zeichnerisch dabei
herauskommt — , weil sie so überhaupt erst
richtig sehen lernen. Ein solches Zeichnen,
nur mit Worten und aus Worten geformten
Bildern, ist die Beschreibung der Umwelt
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wellen und der Didifringe für die
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durch unsere Begleitung. Uns aber ist es eine
große Hilfe und Bereicherung.
Ein weiterer Weg, unser Inneres mit Bil-
dern zu füllen, ist das Lesen guter
Naturbeschreibungen oder für den,
der Freude daran hat, von Reisebeschrei-
bungen. Wir haben wohl früher, wenn wir
ein Buch lasen, solche Beschreibungen von
Orten oder Naturbildern gern als langweilig
überschlagen. Heute sollten wir sie recht
aufmerksam lesen und das, was uns da
erzählt wird, recht eindringlich in uns auf-
bauen.
Daß wir uns die Räume, in denen wir
leben und arbeiten, die nähere Umgebung
unserer Wohnung, den Weg zur Arbeits-
stelle und auch die Menschen, mit denen
wir umgehen, ganz genau beschreiben lassen,
ist eigentlich selbstverständlich und Vor-
bedingung dafür, daß wir in unserer näheten
Umwelt heimisch werden. Es wird hier auch
nur mehr der Vollständigkeit halber ange-
führt.
Ich kann mir denken, daß manche Kame-
raden eigene Erfahrungen und Anregungen
zum „Sehen" der Kriegsblinden beibringen
können. Sie mögen es tun; denn solche
Erfahrungen können uns allen nützen, immer
mehr von der Welt zu „sehen".
Bodo Schütz (Hamburg)
Der kriegsblinde Stenotypist
und das Dimafon
Die neuen Tonbandgeräte (Klein-Magneto-
phone), die in steigendem Maße bei Kriegs-
blinden Eingang finden und vor allem als
Wiedergabegerät für die Tonbänder der
künftigen Hörbücherei dienen werden, haben
zu vielerlei Mißverständnissen und Fragen
Anlaß gegeben. Es sei an dieser Stelle be-
tont, daß der Bund der Kriegsblinden Deutsch-
lands es nicht als seine Aufgabe ansehen
kann, ein einzelnes Fabrikat besonders zu
empfehlen oder gar als allein brauchbar zu
bezeichnen.
Mißverständnisse hat es vor allem unter
kriegsblinden Stenotypisten gegeben, denen
als Diktiergerät bisher im wesentlichen nur
das Dimafon bekannt war. Es sei hier be-
tont, daß man auch weiterhin nicht davon
wird sprechen können, daß das Dimafon für
den blinden Stenotypisten „überholt" sei,
wenn auch nach den ersten Erfahrungen die
Bandgeräte von Grundig oder AEG sich für
den beruflichen Einsatz durchaus zu eignen
scheinen. Wir möchten unsere Leser bitten,
einen möglichst lebhaften Erfah-
rungsaustausch über die verschieden-
sten Tongeräte in unserer Zeitschrift vor-
zunehmen und bitten dringend um
Zuschriften, nicht nur von Stenoty-
pisten, sondern auch von anderen Kame-
raden, die mit solchen Geräten umgehen.
Das Dimafon, über das wir ausführlich im
Novemberheft 1950 unserer Zeitschrift be-
richtet haben, ist ein Diktiergerät, das nicht
mit Band, sondern mit Platten arbeitet, je-
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zinische und technische Zwecke
doch ebenfalls mit dem Magnetophonprinzip,
so daß die Platten, die übrigens in Sekun-
denschnelle wechselbar sind, gelöscht und
sogleich wieder neu besprochen werden kön-
nen. Für die Berufsarbeit der Stenotypisten
besonders glücklich ist die Möglichkeit eines
raschen Stoppens der Platte und eines sofor-
tigen Wiederanlaufens mit voller Geschwin-
digkeit, und nicht zuletzt, daß durch Bedie-
nung eines Fußschalters der Tonarm auto-
matisch um 1 oder 2 Rillen auf der Platte
zurückgesetzt wird, so daß der gesprochene
Text beliebig oft und mühelos wiederholt
werden kann. Wenn auch das Dimafon nicht
für die Tonbänder einer Hörbücherei einzu-
richten ist, so hat es sich im beruflichen
Einsatz gerade für blinde Stenotypisten in
den letzten Jahren in Hunderten von Fällen
doch sehr bewährt.
Ein eifriger Verfechter des Dimafons ist
unser Kamerad Wenzel Weiser, der als
Stenotypist beim Landratsamt in Sonthofen
tätig ist. Er schreibt uns u. a. folgendes:
„Es kommt bei dem kriegsblinden Steno-
typisten darauf an, daß er zum Diktat schnell
einsatzbereit und zur Übertragung mit der
Schreibmaschine die einzelnen Diktate schnell
zur Hand hat und sie in beliebiger Reihen-
folge, d. h. je nach Dringlichkeit, ohne Schwie-
rigkeit schnell übertragen kann. Die unzer-
brechliche Dimafonplatte (die Astromag-
Platte hat sich bestens bewährt) hat eine
Laufzeit von insgesamt 20 Minuten. Ihre
Handhabung ist — wie beim Plattenspieler
— denkbar einfach. Durch Druck auf einen
Knopf kann von Aufnahme auf Wiedergabe
rasch umgeschaltet werden, ein Vorgang, der
beim Bandgerät viel längere Zeit bean-
sprucht. Auch ist das Wechseln der Platte
sehr leicht . und ohne Zeitverlust möglich,
während das Auswechseln eines Bandes um-
ständlicher ist. Beim Stoppen entfällt die
Aus- und Anlaufzeit, weil nur die Platte
und nicht der Plattenteller gestoppt wird.
Das halte ich für besonders wichtig, da der
Diktierende und auch der Stenotypist da-
durch weniger Geduld brauchen. So kann man
bei der Wiedergabe auch mitten im Wort
stoppen und hört beim Loslassen die zweite
Hälfte des Wortes sogleich in klarer Deut-
lichkeit.
Zum Schluß noch ein Hinweis für stel-
lungslose Stenotypisten, den ich zur Nach-
ahmung empfehle: Mir verhalf die Telefon-
aufnahmevorrichtung des Dimafons zu meiner
Stelle. Ich rief den Herrn Landrat vom Post-
amt einer 8 km entfernten Ortschaft aus an
und bat um ein rasches Diktat, nachdem ich
mich vorgestellt hatte. Während des Diktats
bat ich um schnelleres Tempo. Das schien
dem Landrat unbegreiflich, aber am darauf-
folgenden Tage stellte ich mich persönlich
vor und zeigte dem Herrn Landrat ein
Schreiben, auf dem nicht nur das Diktat,
sondern das ganze Gespräch niedergeschrie-
ben war. Dazu führte ich ihm das Dimafon
vor, damit er das Schreiben auf die Richtig-
keit hin vergleichen könne. Das Ergebnis:
Anstellung ab nächsten Monatsersten."
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14
er
tuvi
rec/t^r
, Vergnügliche Träumerei
„Der. Tod erlebt einen Spaß" (Stuttgart)
Endlich einmal hat ein Preisausschreiben
ein Ergebnis gehabt, das nicht enttäuscht:
die Stuttgarter entdeckten bei ihrer Suche
nach heiteren Hörspielen einen begabten
Autor — Gerhard Niezoldi — und ein
originelles Werk mit einem bezaubernden
Einfall. Der Tod erlaubt dem Spitzbuben
Lange Rübe eine kurze Rückkehr ins Leben,
und das wird ein prächtiger Spaß, weil die
Menschen, die den Gauner doch gestorben
wissen, zu träumen meinen und im Traum
sich aller moralischen Grundsätze einmal
entledigen. Das wird höchst vergnüglich
durchexerziert, wenn auch im Grunde —
trotz feiner sprachlichen Kultur — sehr viel
näher dem Sketch als der Komödie. Mag es
auch fragwürdig sein, den Tod zu bagatelli-
sieren (in diesem Punkt stand Paul Ernst,
dem Figuren und Atmosphäre entliehen
wurden, nicht Pate), und mag mit der Rolle
des Todes auch das ganze Geschehen so weit
ins Märchenhafte entrückt sein, daß keine
unmittelbare Brücke mehr hineinführt, so
kommt man doch aus dem Schmunzeln nicht
heraus. Auch die Inszenierung (Paul Land)
war diesmal voll geglückt: locker, glitzernd,
dabei doch mit ruhigem Grundton, ohne
Affekte oder Pointen dick aufzutragen. —
Sehr bezeichnend ist es übrigens, daß man
als bestes Werk des Preisausschreibens ein
Hörspiel bezeichnen mußte, das ins Märchen
flüchtet. Bietet unsere Gegenwart tatsächlich
keine heiteren Stoffe?
Schock und Schicksal
„Die Chaconne" von H. v. Heister (NWDR Berlin)
Was in den letzten Monaten des Krieges
im deutschen Osten geschehen ist, konnte
von vielen Menschen, die es miterlebt haben,
bis heute seelisch nicht überwunden werden.
Der Zusammenbruch kam vielfach so schnell
und in so furchtbarer Form, daß ein Schock
einige der Betroffenen lähmte und durch
diese Lähmung vor dem physischen Tode
bewahrte. In diese tiefenpsychologischen
Zusammenhänge führt uns das Hörspiel von
Hans von Heister „Die Chaconne". Es
gehört zu den bedeutsamen Rundfunk-
schöpfungen der letzten Zeit, wenngleich es
. trotz oder vielleicht wegen der virtuosen
Beherrschung aller Möglichkeiten des Mikro-
phons nicht ganz frei ist von einer gelegent-
lich das Rührstück streifenden Sentimenta-
lität. Dieser Eindruck stellt sich kaum schon
im Augenblick des Hörens ein. Er ergibt
sich erst, wenn man darüber nachdenkt, ob
denn in den an sich erschütternden Erleb-
nissen der jungen Königsbergerin, die nach
dem Angriff der Russen unter Verwundeten
und auf der Flucht Schlimmstes erleben
mußte, ob denn in dem, was sich als Schock
oder Trauma lähmend und schützend zu-
gleich über ihr Bewußtsein legt, wirklich
ein Konfliktstoff enthalten ist, der eine
Lösung von innen her erfordert. Was hier
geschieht, kommt von außen, es trifft den
Menschen wie ein Keulenschlag, und wenn
auch durch die menschlich sympathische
Bemühung des Arztes die seelische Ver-
krampfung des Mädchens schließlich qelöst
wird, so geschieht doch auch das letztlich so.
daß zwischen Schock und Schicksal kein
tieferer Zusammenhang aufgedeckt wird.
Durch das schuldlos Zufällige, das den sehr
spannungsstark entwickelten Vorgang als
Einzelfall charakterisiert, wird dem Ganzen
jene Verbindlichkeit genommen, auf die es
doch ankommt, wenn ein Hörspiel mehr als
eine Nervenerregung vermitteln soll. Trotz
dieses grundsätzlichen Einwandes muß be-
tont werden: es ist dem Autor und dem Re-
gisseur Rolf von Goth gelungen, durch die
ungewöhnlich rundfunkgerechte Ausschöp-
fung der psychologischen und musikdrama-
turgischen Möglichkeiten — Bachs Chaconne
treibt und trägt die Handlung — ein un-
gemein wirksames Hörspiel zu schaffen.
Ein konsequenter Mann
„Friederike und die Freunde"
von J. Tralow (Bayer. Rundfunk)
„Mein Fehler begann damit, daß ich jeden
zum Schurken erklärte, der nicht meine
Meinung hatte", — das ist die bei aller
politischen Fragwürdigkeit doch sympathische
Gesinnung von Johannes Tralow, wie sie
auch in seinem Hörspiel „Friederike und
die Freunde" zum Ausdruck kommt. Und die
gleiche Konsequenz, mit der er diese Ge-
sinnung trotz der Gefahr einer politischen
Verfemung wahrmacht, stellt er auch in den
Mittelpunkt seines Hörspiels, das der Ver-
söhnung zwischen Menschen und Völkern-
dienen will: ein „Mann des Gesetzes" — ein
Staatsanwalt im Frankreich von 1793 — be-
wahrt seine edle Unerbittlichkeit gegen sich
und andere, auch wenn ihn der Weg in den
Untergang führt. Er hat den Freund zu ver-
urteilen, verschafft ihm aber dann, um sich
zu einigen, die Freiheit, — eine Gesetzes-
verletzung, für die er nur den Tod als Sühne
kennt. Diese klassische, strenge Konsequenz
weist den Autor als Mann von bedeutenden
Maßstäben aus. Auch kennzeichnen Plastik
und Klarheit der Darstellung — trotz der
Vielschichtigkeit des figurenreichen Stoffs —
einen Könner von Format. Aber trotz allem
kann man zu dem Werk schwerlich Ja sagen.
Denn ist die tragische Formel — Wiederher-
stellung des verletzten Gesetzes durch
Selbstrichten — für uns noch verbindlich?
Zumal dann, wenn das Gesetz Robespierre
JDrogratmnvorscltau für -prörspiele
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Hat dir
München: „Die Kurve" von Leonhard Frank
N WDR/UKW- West: „Das kleine Lied" von Fritz Schneider
Südwestfunk: „Die Puppen von Poshansk" von Robert Neumann
Stuttgart: „Erpressung" von Patrick Hamilton
Bremen: „Der Teufel fährt in der 3. Klasse" von Dührkop
Frankfurt/UKW: „Unter den Brücken" von Walter Ulbrich
NWDR: „Alle Menschen leben in Kirchborn" von W. J. Lüddecke
Saarbrücken: „Der Liebesschwur" von Anton Betzner
Beromünster: „Mittsommernachtstraum im Armenhaus" von Pär Lagerkvist
München/UKW: „Niki und das Paradies in Gelb" von Leopold Ahlsen
Südwestfunk/UKW: „Der Träumer und die Puppen" von Jonquille
N WDR/UKW-Nord: „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück" (V)
Stuttgart/UKW: „Der Tod erlebt einen Spaß" von Gerhard Niezoldi
Frankfurt: „St. Louis Blues" von H. O. Wuttig
N WDR/UKW-Nord: „Blick auf Venedig" von Günter Eich
Südwestfunk: „Amtmann Enders" von Fred von Hoerschelmann
München: „Der Teufel" nach Alfred Neumann (I.Teil)
Bremen: „Seine Majestät Gustav Krause" von E. Foerster
Stuttgart: „Intermezzo" von Jean Giraudoux
Frankfurt/UKW: „Die Bürger von Calais" von Georg Kaiser
München/UKW: „Die Kurve" von Leonhard Frank v
München: „Der Teufel" nach Alfred Neumann (II. Teil)
NWDR/UKW-West: „Spiel im Spiele" von W. Franke-Ruta (1. Folge)
RIAS: „Der Blinde" von Walter Jens (s. Maiheft S. 20)
Südwestfunk/ÜKW: „Der Fall Axel Petersen" von Carl Dietrich Carls
Stuttgart: „Der Teufel hole die Philosophie" von Gundlach
NWDR/UKW-Nord: „Der König von Albanien", eine Köpenickiade von
J. M. Bauer
München/UKW: „Nächtliches Gespräch" von Friedrich Dürenmatt
Frankfurt: „Stern der Unsterblichen" von Rudolf Krämer-Badoni
NWDR/UKW-West: „Ljuba Marcovic" von Per Schwenzen
München: „Colombe" von Jean Anouilh
Südwestfunk: „Die kühne Operation" von Erwin Wickert
Stuttgart: „Konferenz in Cristobal" von W. E. Schäfer
RIAS: „Besondere Kennzeichen" von H. W. Unna
NWDR: „Die verschlossene Tür" von Fred von Hoerschelmann
NWDR/UKW-West: .Spiel im Spiele" von W. Franke-Ruta (2. Folge)
Südwestfunk/UKW: „Der neue Mantel" von Max Gundermann
NWDR/UKW-Nord: „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück" (VI)
Stuttgart: „Achtung, Selbstschuß!" von Lutz Neuhaus
München/UKW: „Der Teufel" nach Alfred Neumann (l.Teil)
Frankfurt: „Stella" nach J. W. von Goethe
Südwestfunk: „Der arme Mann von Gorgonzola" von W. Kolbenhoff
München: „Nächtliches Gespräch" von Friedrich Dürrenmatt
München/UKW: „Der Teufel" nach Alfred Neumann (2. Teil)
Stuttgart: „Karussells sind im Himmel gemacht" von Herbert Dührkop
NWDR: „Das Spiel geht weiter" von H. Nowak und G. Zivier
Südwestfunk/UKW: ,Es war ein ungewöhnlich langer Tag" von Piontek
Stuttgart: „Alle Menschen leben in Kirchborn" von W.-.J. Lüddecke
Frankfurt: „Die kleinen Sünden" von Kurt Heynicke
Südwestfunk: „Das sonderbare Telefon" von Christian Bock
NWDR: „Der Tiger Jussuff " von Günter Eich.
Stuttgart: „Der Tiger Jussuff" von Günter Eich
ein Hörspiel besonders gut gefallen, so schreibe es der Schriftleitung!
Denke an den „Hörspiel-Preis der Kriegsblinden"!
15
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heißt und nur eine Formel, also Unrecht ist?
Gewiß ist es gerade für den so maßstab-
losen Menschen der Gegenwart heilsam,
dieser unvernünftig erscheinenden Kon-
sequenz des Staatsanwalts gegenübergestellt
zu werden, aber der Hörer vermag sie nicht
nachzuerleben. Hemmend war dafür auch
der historische Rahmen. Es erwies sich aufs
neu- — mochte sich Walter Ohms Regie
auch noch so sorgsam um lebendige Durch-
blutung bemühen — , daß Kostümstücke und
geschichtliche Kulissen eine schwer über-
windbare Kluft im Lautsprecher mit sich
bringen.
„Haben Sie sich vorher schon
gekannt?"
Wer von den verheirateten Kriegsblinden
wäre dieser nicht nur taktlosen, sondern auch
auf Grund des Motives, das den Fragesteller
bewegt, reichlich naiven Frage nicht schon
einmal begegnet! Heißt diese Frage stellen
nicht schon eingestehen, daß man sich von
der Beantwortung — bezeichnenderweise
fragen fast immer Frauen — die Befriedigung
bloßer Neugier und gar neuen Stoff für den
Hausflurklatsch erhofft? Ja, man kann meist
sogar noch weitergehen und behaupten,
daß die Fragenden von vornherein eine
Verneinung erwarten: „Wir haben uns vor-
her nicht gekannt." Aber wie die Antwort
auch ausfällt, immer kann sie vom Fragenden
mit wichtigtuerischer Überlegenheit kommen-
tiert werden. Viele von uns wissen, daß der
in einer solchen Frage verborgene Giftpfeil
nur oder doch in erster Linie auf die Frauen
der Kriegsblinden abgeschossen werden soll.
Unter dem Mikroskop betrachtet, heißt doch:
„Haben Sie sich vorher schon gekannt?"
nichts anderes als: „Ja, meine Liebe, wenn
Sie schon vor der Erblindung mit ihm ver-
heiratet waren! Eine Ehe ist schließlich eine
Ehe, und jetzt müssen Sie sich aufopfern.
Das hätten Sie sich doch sicher nicht träumen
lassen! Nein, nein, so ein Schicksal, Sie
können mir leid tun!"
Ist aber die Ehe erst nach der Erblindung
des Mannes geschlossen worden, so klingt
der mehr oder minder geheime Kommentar
zu der Frage: „Haben Sie sich vorher schon
gekannt?" nicht anders als: „Ich begreife
Sie nicht, Sie hätten doch einen ganz anderen
kriegen können, ein Mädel wie Sie!?"
In zweiter Linie erst richtet sich der Pfeil
gegen den Kriegsblinden selbst. Auf ihn
abgewandelt, könnte man die Frage etwa so
auslegen: „Ein Leben lang neben einem
Menschen, den man nie zuvor gesehen hat?
Ein Leben lang mit einem gestaltlosen
Schemen, mit einer bloßen Stimme ver-
heiratet sein, wie kann
man das nur ertragen?"
Ohne daß ich hier Dar-
legungen wiederholen
will, die in der Zeitschrift
und im Kameradenkreis
schon eingehender erör-
tert worden sind, kann
ich denen, die es angeht,
ein paar grundsätzliche
Worte nicht ersparen. Ich
meine, daß es keines be-
sonderen Scharfsinnes be-
darf, das folgende, kurz
und bündig Gesagte, ein-
deutig zu verstehen: Wo
es vorgekommen sein sollte, daß eine Frau
sich nach der Erblindung ihres Mannes von
ihm gelöst hat, da können wir, ohne zu
übertreiben, diesem Manne dazu nur gratu-
lieren! Er entging einem Leben voll seelischer
Qualen und Depressionen. Seine Frau hätte
ihn nur als unbequeme, überdrüssige Last
empfunden und dementsprechend behandelt.
Er wird eine andere finden, die ihn nicht
mehr als lästiges Anhängsel betrachtet.
Was aber diese tapferen Frauen betrifft,
denen das Schicksal nicht einen erblindeten
Mann aus dem Kriege zurückbrachte, sondern
die sich den Kriegsblinden und ihr Los als
seine Ehefrau freiwillig erwählten, so sollten
sie für derartig törichte urid unbedachte
Fragen unempfänglich sein. Die Überlegen-
heit ihrer geistigen Einstellung läßt" ver-
letzende Neugier an ihnen abgleiten wie
Wasser von einer Ölhaut. Wir Kriegsblinden
selbst aber können nur lächeln über den
Unsinn und den Wust an falschen Vorstel-
lungen, die sich uns immer wieder hinter
den Stirnen neugieriger Frager eröffnen.
Lächeln auf jene Weise, wie es nur uns und
der uns allein eigenen Welt entspringen
kann.
Als kürzlich jemand die Rede auf das bei
uns Blinden besonders ausgeprägte Tast-
gefühl brachte und ich im Begriffe war, ihm
zu erklären, daß der Blinde, um auf seine
Weise sehen zu können, in erster Linie auf
seine Hände angewiesen sei, tauchte auch
hier (wie hätte es wohl anders sein können?)
die Frage auf, welche Vorstellung ich denn
von meiner Frau hätte, die ich doch noch nie
gesehen habe. Ich lächelte und antwortete:
„Wenn Sie ein Hexenmeister wären, würde
ich Sie jetzt ersuchen, mir für fünf Minuten
mein Augenlicht wiederzugeben. Sodann
würde ich Sie um ein Blatt Papier bitten und
darauf mit dem Stift in aller Eile zwei kleine
Porträts anfertigen und, nehmen Sie's mir
nicht übel, nicht ich, sondern Sie wären der
mit Blindheit Geschlagene, wenn es Ihnen
nicht gelänge, in diesen Zeichnungen meine
Hoher Blutdruck
Arterienverkalkung
mit ihren quälenden Begleiterscheinungen wie Herzunruhe
Schwindelgefühl, Nervosität, Reizbarkeit, Ohrensausen,
Zirkulationsstörungen, allgemeiner geistiger und körper-
licher Leistungsrückgang werden seit vielen Jahren durch
Antisklerosin-Dragees bekämpft. Antisklerosin
enthält heilkräftige, blutdrucksenkende, herzregulierende
Kräuterdrogen und -extrakte, eine seit vierzig Jahren be-
währte Blutsalz -Komposition sowie Medorutin, das die
Adernwände elastischer macht. Antisklerosin greift die Be-
schwerden gleichzeitig von mehreren Seiten her wirkungs-
voll an. Hunderttausende gebrauchen es. 6o Dragees M 2.4 5,
Kurpackung 360 Dragees DM 11.80. In allen Apotheken.
ABER AUCH G EG-SCHOKOLADE UND
GEG-DROPS ERHALTEN DIE LIEBE-
WEIL SIE SO KOSTLICH SIND!
AUS DEM
KONSUM
Frau und meinen Sohn zu erkennen! Im
übrigen: das Wesensbild eines Menschen ist
nicht das Bild der Oberfläche, wie es das
Auge sieht. Wollen Sie behaupten, daß Sie
jemanden kennen, nur wenn Sie ihn
ansehen? Vielleicht gar hindert Sie das
Sehen daran, einen Menschen wirklich'
kennenzulernen — wer weiß! Ich jedenfalls
bin sicher, daß ich die Meinen kenne, besser
als vielleicht mancher Sehende die Seinen
kennt."
De* Mann brauchte lange, bis er das Ge-
hörte verarbeitet hatte. Dann aber legte er
mir die Hand auf den Arm und sagte: „Ihr
Blinden lebt doch in einer erstaunlichen
Welt, einer Welt, in der man im Dunkel
sehen kann!" Und in seiner Stimme war
nichts mehr von jenem leisen Grauen, das
uns sooft bei der Begegnung mit Sehenden
anspringt und das aus den Vergleichen ent-
steht, die der Sehende zwischen seinem und
unserem Schicksal zieht. Deutlich verspürte,
ich den Einbruch, der mir hier in die Vor-
stellungswelt eines Sehenden über das Innen-
leben der Blinden gelungen war. Möge den
hier gemachten Aufzeichnungen gleichfalls
gelingen, solche Wirkung hier oder da zu
erzielen. Harry Barthel
Uhren für die Ostzone!
Immer wieder erreichen uns Bittenvon
kriegsblinden Kameraden aus
der Ostzone, denen eine Blindenuhr
fehlt. Jeder von uns weiß, wie notwendig
und wie hilfreich der Besitz einer Blinden-
uhr ist. Wir möchten deshalb noch einmal
auf das herzlichste darum bitten, Blinden-
uhren zur Verfügung zu stellen. Es gibt in
der Ostzone sogar eine ganze Anzahl von
Telefonisten, die keine Uhr besitzen und die
deshalb ständig in Verlegenheiten sind.
Wer von unseren Lesern eine Blinden-
uhr zu stiften bereit ist, schreibe kurz eine
Postkarte an die Schriftleitung „Der Kriegs-
blinde", Bielefeld, Stapenhorststraße 138.
Der Spender erhält dann Bescheid, wohin
die Uhr zu senden ist.
Eigentumsverhältnisse „Der Kriegsblinde"
Gemäß einem Gesetz des Landes Nordrhein-
Weslfalen, in dessen Bereich unsere Zeitschritt
erscheint, hat jede Zeitung oder Zeitschrift die
„Offenlegungspflicht" ihrer Eigentumsverhältnisse,
die wir ordnungsgemäß hier bekanntgeben:
Die Zeitschriil „Der Kriegsblinde" ist allei-
niges Eigentum des „Bundes der Kriegs-
blinden Deutschlands e. V." (Sitz Bonn). Die
Gründung erfolgte allein mit Mitteln der ge-
nannten Organisation. Keinerlei fremdes Kapital
wurde investiert. Eventuelle Gewinne der Zeit-
schrift Hießen allein dem Bund der Kriegsblinden
und seiner Betreuungsarbeit zu.
16
■
Es bauen
in Stadt und Land:
DIE ÄBiT RÄ\ÄNNE R
Die Abermänner
Stätte
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4äi den
täqltchen
ÖZedLoßil
Kaufhaus KARL KERBER, Gießen
Kreuzplatz — Fernruf 3909
ü
Künstliche Augen
nach Natur sowie Muster
Gustav Pehl
(13a) Nürnbeig, Roonstiaße 5
Niederrheinische
Bergwerks-
Aktien-Gesellschaft
Neukirchen
(Kreis Moers)
Metall« u. Schrotthandel Adolf Frankfurter
Mannheim F 7, 1
Fernsprecher 31435
Teppiche
Vortagen
Bettumrandungen
Läuferstoffe
Auslegeware
Otto Kuhlmann & Co.
T E P P I C H W E R K G. m. b. H.
Hameln /Weser
Erhältlich nur beim einschlägigen Fachhandel
Scholz & Jung
Gießen
Aulweg 1, Fernruf 3429
Zentralheizungen
und sanitäre Anlagen
Arbeitsgebiete:
Zentralheizungs- u. Warm-
wasser bereitungsanlagen
Sanitäre Einrichtungen und
Bäder jeder Alt
Wasserversorgungen und
Pumpenanlagen
Lüftungsanlagen
ELSKAMP& CO.
Holzhandlung . Bretten Baden
Karlsruher
Eisen- u. Stahlhandel
G.m.b.H.
Karlsruhe, Fautenbruchstr.49
RHEIN-MAIN BANK
früher
DRESDNER BANK
Hauptverwaltung: Frankfurt a. M., Gallus- Anlage 7
Fernsprecher: Ortsverkehr 30061, 30221 . Fernverkehr 30231
Fernschreiber:
Allgemein 041186, Börsenhandel 04 1651, Deviscnhandel 041526
Telegrammadresse: rheinmainbank
Jlussenbandelsbank
Niederlassungen in Hessen:
Darmstadt, Fulda, Gelnhausen, Giessen,
Hanau a. M., Bad Homburg v. d H., Kassel,
Bad Nauheim, Offenbadi (Main), Wiesbaden
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II Simml aus dem Bayerischen
la, die Körner sind lest und
Foto: Fruhstorfer
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ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E.V.
NR. 12 . 3. JAHRGANG
AUGUST 1952
VERLAGSORT BIELEFELD
Es ist auf Erden nichts zu geben,
was des Nehmens wert ist,
als das innerste Vertrauen.
BRENTANO
Die Menschen werden durch Gesinnungen geeinigt,
durch Meinungen getrennt.
GOETHE
AUS DEM INHALT
Wir gehören zusammen. Von F. W. H.
Die saarländisch-deutsche Kameradschaft
Seltsame Visite
Seite
1
2
2
Vor einer Umwälzung des Blindendruckverfahrens?
Von Otto H. Allen
Menschenbeurteilung durch Nichtsehende. Von Dr. Otto
Meyer-Auhausen
überlege einmal .... Von Hans Lehmann ....
Für unsere Schachfreunde. Von Gabriel Mertens .
Als selbständiger Kaufmann. Von Fritz Benske .
Neue Lehrgänge in Tegernsee
Lesermeinung
Unsere Heime brauchen Bücher!
Ein frohes Herze
Privater Austausch von Tonbändern?
Aus den Landesverbänden
Aus Schleswig-Holstein
Seite
Paul Tramm gestorben
Kriegsblindensiedlung in Nürnberg
Kriegsblindentreffen mit Dichterlesung
Franz Buchholz gestorben
Unsere Sportmeisterschaft (Ausschreibung u. Bedingungen) 11
Versehrtensport als Heilmaßnahme 11
Akten früherer Versorgungsämter 12
Wichtig für Vertriebene (Heimatortskarteien) . ,. _. . 12
Kleine Neuigkeiten 12
Ein Gruß aus Osterreich (Die Kriegsblinden Vorarlbergs) . 13
Der Kritiker am Lautsprecher 14
Programmvorschau für Hörspiele 14
Neuer Industrieberuf (Demontage von Stromzählern).
Von Heyko Martens 15
Mit Tandem und Zelt an die Ostsee. Von Berthold Schulze 15
Interessantes aus Kanada (Brief eines Kameraden aus
Winnipeg) 16
Unser Titeltoto verdanken wir dem Fotografen J. Neven-du Moni
„Der Kriegsblinde", Zeitschrift für Verständnis und Verständigung. Organ des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e.V. (1. Vorsitzender: Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein,
Mürlenbach-Eifel.) Verantwortlicher Schriftleiter: Friedr. Wilh. Hymmen, Bielefeld, Stapenhorststraße 138. „Der Kriegsblinde" erscheint monatlich. Anzeigenverwaltung:
Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V., Selbstverlag, Wiesbaden, Rheinstraße 73. Die Zeitschrift ist der IVW angeschlossen. — Druck: Presse-Druck GmbH., Bielefeld.
ZEITSCHRIFT FÜR VERSTÄNDNIS UND VERSTÄNDIGUNG
ORGAN DES BUNDES DER KRIEGSBLINDEN DEUTSCHLANDS E. V.
Nr. 12.. 3. Jahrgang . August 1952 . Verlagsort Bielefeld
Wir gehören zusammen
Auf der Titelseite dieses Heftes ist ein
Foto zu sehen, das zwei Kriegsblinde zeigt,
einen älteren und einen jüngeren, die in
fröhlicher Gemeinsamkeit zusammensitzen.
Es sind zwei Münchener. Es könnten genau
so gut zwei Bremer oder zwei Ber-
liner sein, oder zutreffender gesagt:
ein Bremer und ein Münchener,
oder einer aus der Eifel und einer
vom Bodensee. Denn alle Kriegs-
blinden sind so etwas wie Ver-
wandte, durch ihr gleiches Schicksal
verwandt Gewordene. Ein Außen-
stehender, der dieses Bild betrach-
tet, wird vielleicht zunächst ver-
blüfft darüber sein, daß Kriegs-
blinde überhaupt vergnügt und
heiter seih können, und er wird
dann sehr bald spüren, daß dieses
„Auftauen", dieses befreiende, frohe
Sichaufschließen vor allem dem
Beieinandersein, der Gemeinsam-
keit mit dem Kameraden entspringt.
Es ist eine alte Erfahrung, daß
der Kriegsblinde in jedem seiner
Schicksalsgefährten mehr findet als
einen Menschen, zu dem man aus
Konvention oder Gewohnheit „Ka-
merad" sagt, wenn er ihm begegnet,
und den er dann bald wieder
vergißt. Nein, jeder Kriegsblinde
— und man kann das wörtlich
nehmen, es ist zweifellos jeder —
hat immer wieder innerlich davon
gezehrt, daß er Kameraden hat, ob
nun im Lazarett ans Bett des seit
kurzem Erblindeten ein erfahrener
älterer Kamerad trat, der ihn dazu
ermutigte, ein neues Leben anzu-
fangen, oder ob Stunden des Ver-
zagens auch in. späteren Jahren
dadurch überwunden wurden, daß
man sich des Beispiels anderer er-
innerte oder nur der Gemeinsam-
keit mit Hunderten und Tausenden,
etwa mit dem Gedanken: „Sie alle
müssen einmal durch ein solches
Tief hindurch, sie alle würden mich
verstehen, wenn mich niemand
sonst mehr verstehen würde, und
sie alle wissen und handeln danach:
Wir gehören zusammen."
Daß sich alle deutschen Kriegs-
bHnden zu einer Gemeinschaft zu-
sammengeschlossen haben, hat also
nichts mit einer üblichen Ver-
einsgründunq zu tun oder doch nur in einem
ganz nebensächlichen, äußeren Sinne. Dieser
Zusammenschluß, so wichtiq er für die ge-
meinsame Verfechtung sachlicher Anliegen
bei Behörden oder in der Wirtschaft auch ist,
findet ja seinen tiefsten Sinn eben in einer
inneren Gemeinsamkeit, die den Kame-
raden aus München und Bremen, aus Berlin
und Frankfurt mit einer Selbstverständlich-
keit ohnegleichen zueinanderführt.
Darin liegt die eigentümliche Kraft des
Kriegsblindenbundes, die zu seiner Geschlos-
senheit und damit, ganz von innen her, zu
Zum Gedenken an Frau Erna Plein
Vor einem Jahr, am 18. August 1951, starb unsere verehrte und
geliebte „Bundesmutter" , Frau Erna Plein, geb. von Rosen. Was die
deutschen Kriegsblinden an ihr verloren haben, ist immer wieder
auis neue zu spüren. Der Kralt ihrer Persönlichkeit und ihrer Hin-
gabelähigkeil ist es mit zu verdanken, daß sich alle deutschen
Kriegsblinden zu einer Schicksalsgemeinschalt zusammenschlössen,
in der alle Einzelinteressen dem Wohle des Ganzen untergeordnet
wurden. In Geist und Gesinnung dieser hervorragenden Frau wer-
den auch weiterhin die Kriegsblinden aus Nord und Süd in Kamerad-
schaft zusammenstehen und gemeinsam ihre Ziele verfechten.
Foto nach einem Gemälde von Heinz Hamm, das einen Ehrenplatz in
unserem Bonner Bundesgeschäftshaus fand.
bar kann daher jeder Kriegsblinde sein, daß
er sich in einer Gemeinschaft geborgen wis-
sen darf, die — wenigstens bisher — von
allen eigensüchtigen, allen sprengenden Ten-
denzen freigehalten werden konnte. Wer ein-
mal an einer Sitzung der zwölf
Landesverbandsleiter unseres Bun-
des teilgenommen hat, der ist im-
mer wieder beeindruckt gewesen
von der kameradschaftlichen Ein-
mütigkeit, die alle auch dann ver-
band, wenn man über diese oder
jene Einzelfrage verschiedener Mei-
nung war. Bei den Beratungen die-
ser Einzelfragen — es handelt sich
dabei ja meist um schwierige und
für jeden Kriegsblinden bedeut-
same Fragen — ging es aber im-
mer um die Sache, und der Ver-
treter Westfalens oder Württem-
bergs oder welchen Landes auch
immer, er gab sein Urteil ab im
Interesse aller 7000 Kriegsblinden.
Diese Geschlossenheit hat natür-
lich Opfer gekostet. Alle Ein-
heit kostet Opfer, alle Kamerad-
schaft setzt irgendwann einmal
einen Akt der Selbstüberwindung
voraus, ein Geben, eine Mitver-
antwortung für den anderen und
die Gemeinschaft. Das beginnt,
wenn der Soldat, der irgendwo in
einem Dreckloch am MG hockt, mit
seinem Kameraden die letzte Ziga-
rette teilt; das setzt sich fort, wenn
der Kriegsblinde an einen unbe-
kannten Kameraden in der Ostzone
eine Biindenuhr schickt, auch wenn
sie ihm als Erinnerungs- oder alä
Reservestück wertvoll war; und das
veranlaßt uns — um ein beliebiges
anderes Beispiel zu nennen — beim
Besuch eines Erholungsheimes, uns
der Ordnung des Heimes zu
fügen, auch wenn wir gern ganz
etwas anderes möchten. Wir wis-
sen, daß solche Ordnungen uns
zwar etwas von unserer Freiheit
und von unserer Selbständigkeit
wegnehmen, daß aber andererseits
das Ganze an Freiheit und Sicher-
heit gewinnt, und an diesem Ge-
winn haben wir teil, da wir Teile
dieses Ganzen sind.
Seiner Stoßkraft geführt bat, wenn es galt,
unsere Wünsche und Sorgen bei höchsten
Regierungsstellen zu vertreten. Keine einzige
Kriegsopferorganisation hat auch nur an-
nähernd ein Gleiches aufzuweisen, im Gegen-
teil, wir finden eine unselige Zerissenheit,
.eine Vielzahl sich oft geradezu haßerfüllt be^
f endender Gruppen und Interessen. Wie dank-
Opfer und Selbstüberwindung
kostet die Kameradschaft auch im
Verbandsleben. Man erinnere sich einmal
daran, daß die Gründung des Bundes der
Kriegsblinden Deutschlands im September
des Jahres 1949 keineswegs eine so
selbstverständliche Sache war, denn die
Gründung widersprach den „Interessen" der
einzelnen Krieqsblindenverbände, die sich in
den ersten Nachkriegsjahren für die ver-
schiedenen deutschen Länder hatten gründen
können. Diese Einzelverbärde mußten ihre
Selbständigkeit opfern, wie es sechs Wochen
später "z. B. der größte von ihnen, der Bund
„St. Georg" tat, der die Kriegsblinden der
damaligen britischen Besatzungszone ver-
einigte. Die anderen Einzel verbände taten
ein gleiches, sie lösten sich auf, und als
selbst die Delegierten Bayerns auf dem ersten
Bundestag des Bundes der Kriegsblinden
Deutschlands die Auflösung ihrer Organisa-
tion zusagten und ankündigten, obwohl die
Bayern sehr zäh an Eigenständigkeiten und
Sonderrechten zu hängen pflegen, da war
jene Einheit und Geschlossenheit entstanden,
die in den letzten Jahren jedem einzelnen
Kriegsblinden zugute gekommen ist.
Diese Opfer zugunsten der Geschlossenheit
und Stoßkraft unserer Schicksalsgemeinschaft
waren also nicht zuletzt auch Handlungen
der Klugheit. Denn was in diesen Jahren
bei höchsten Regierungsstellen und in der
Öffentlichkeit erreicht werden konnte, war
ja nur möglich, weil der einzelne Kriegs-
blinde, ob er im Allgäu oder in der Lüne-
burger Heide wohnt, Sprecher hat, die von
allen Kriegsblinden Deutschlands ohne jede
Einschränkung bevollmächtiat sind. Wie hätte
sonst erreicht werden können, was erreicht
worden ist! Wie könnten wir auch weiterhin
unsere Stimme erheben, ob bei wichtigen
Gesetzesvorlagen oder ob bei der Schaffung
der Hörbücherei oder bei hundert anderen
wichtigen Aktionen, wenn die Kriegsblinden
nicht in dieser Geschlossenheit zusammen-
stünden!
Als am -27. September 1949, dem Grün-
dungstage unseres Bundes, unser Kamerad
ISirngruber (München) die Aktion dadurch
vorantrieb, daß er umständlich arbeitende
Seil
satne
Üisii
stte
Im Kriegsblindenlazarett war es üblich,
daß jeder Sehende beim Betreten eines Zim-
mers seinen Namen und Rang sagte, damit
die Blinden orientiert waren. Das geschah
natürlich auch, wenn ein Arzt das Zimmer
betrat. Das machten wir uns für einen Spaß
zunutze, der — ich gebe es zu — recht derb
war:
Eines Tages trifft ein neuer Kamerad ein.
Er wird auf sein Zimmer geführt und erhält
sein Bett angewiesen. Einige Zeit später
öffnet sich seine Zimmertür, und eine Stimme
meldet sich: „Ich bin der Stabsarzt. Für das
Krankenjournal muß ich noch einige Fragen
an Sie richten." Eine markante Stimme. Der
Kriegsblinde nimmt einigermaßen Haltung
an und gibt gehorsam alle gewünschten Aus-
künfte.
Er ahnt nicht, daß sich nur ein paar „alte"
Kameraden einen Jux mit dem „Neuen"
machen. Hinter dem Fragenden stehen die
anderen Bösewichter und verbeißen sich das
Lachen. Zunächst ganz harmlose und über-
zeugende Fragen: Name? Geburtstag? Rang?
Wo verwundet? Verheiratet?
Dann aber werden die Fragen fataler:
Dienststrafen? Freundin? Uneheliche Kinder?
Krankheiten? Der letztere Punkt wird höchst
genau vorgenommen. Schulleistungen? Be-
sondere Wünsche? Kurz, der Kamerad wird
buchstäblich bis unters Hemd ausgefragt. Der
Fragende, der ja selber nichts sehen kann,
tut so, als ob er alles in eine dicke Akte
einträgt. Als man aber draußen den richtigen
Stabsarzt herannahen hört, wird die selt-
same Visite rasch abgebrochen.
Am anderen Morgen ließ dann der Stabs-
arzt, der diesen Streich bald herausgekriegt
hatte, doch einige warnende Worte von sich,
in die eine Richtung strenger, in die andere
Richtung versöhnlicher. Es ist dann auch nicht
wieder vorgekommen. Lux
vorbereitende Ausschüsse ablehnte und die
entschlossene Gründung einer einheitlichen
Schicksalsgemeinschaft empfahl, da handelte
er im Sinne aller Kameraden, die über jedes
gewiß berechtigte Sonderinteresse hinweg
vor allem dieses eine wissen: Wir gehören-
zusammen! An der Festigkeit dieser Gesin-
nung, die alle Kameraden von Nordbis Süd
verbindet und die ein beglückendes, tragen-
des Element im Lebenskampf jedes einzelnen
von uns ist, mußten alle Bestrebungen, einen
Einbruch in diese Gemeinschaft zu erzielen,
scheitern. Wie die beiden Kameraden,
die man auf unserem Titelbild sieht, nicht
nach irgendwelchen „Rechten" fragen, die sie
gegenseitig für sich reservieren möchten, und
wie diese beiden Kameraden nicht durch
irgendwelche Lockungen oder Versprechun-
gen zu bewegen- wären, ihre Kameradschaft
zu verraten und den anderen im Stich zu
lassen, so stehen auch all die Tausenden von
Kriegsblinden und ihre größeren Gemein-
schaften, ob es Bezirke oder Landesverbände
sind, aufrichtigen Sinnes zueinander. Das
macht die Stärke unseres Bundes und die
Stärke jedes einzelnen Kameraden aus. Diese
Gemeinschaft mitzutragen, auch wenn es
einmal Überwindung kostet, wird für den
einzelnen und für alle zum Gewinn.
F. W. H.
Die saarländisch-deutsche Kameradschaft
Am Sonntag, dem 20. Juli 1952, fand in
Saarbrücken im Johannishof eine Ta-
gung der rund 120 saarländischen Kriegs-
blinden statt, an der auch auf Einladung des
„Kriegsblindenbundes Saarland" der 1. Bun-
desvorsitzende, Kam. Dr. Plein, teilnahm.
Zur Tagung waren zahlreiche Vertreter der
saarländischen Behörden, an ihrer Spitze der
ebenfalls erblindete Schicksalsgefährte Re-
gierungsdirektor Dr. Blum erschienen.
Mit Stolz konnte Kam. Eisbusch, nachdem
er die Gäste begrüßt hatte, darauf hinweisen,
daß der saarländische Kriegsblindenbund
schon in der kurzen Zeit des Bestehens alle
kriegsblinden Kameraden des Saarlandes zu
seinen Mitgliedern gewonnen hat, daß er
eine einheitliche Schicksalsgemeinschaft bil-
det und beachtliche Erfolge in organisatori-
scher und versorgungs- und fürsorgerecht-
licher Hinsicht erwirken konnte. Dies sei um
so erfreulicher, als durch die vorangegangene
Mißwirtschaft und 'Untergrabung des Ver-
trauens der Kriegsblinden infolge des nach
vielen Schwierigkeiten klar nachgewiesenen
Vertrauensmißbrauchs des damaligen Leiters
der Abt. für Kriegsblinde im Verband der
Kriegsopfer des Saarlandes, eines gewissen
Franz, der sich jahrelang fälschlich als Kriegs-
blinder ausgegeben habe, große Beunruhi-
gung in die Reihen der. saarländischen
Kriegsblinden getragen worden sei. Es
sei aber noch eine ganze Reihe von drin-
genden versorgungsrechtlichen Forderungen,
insbesondere solche aus der Eingabe des
saarländischen Kriegsblindenbundes vom
Mai 1951, unerfüllt geblieben, obwohl deren
Erfüllung von den zuständigen Stellen zu-
gesagt war.
Kam. Eisbusch wies auf das gute Verhält-
nis der saarländischen Kriegsblinden zu dem
Bund der Kriegsblinden Deutschlands hin,
mit dem er in bester Zusammenarbeit stehe.
Viele kameradschaftlichen Bande verknüpf-
ten die saarländischen Kriegsblinden mit den
deutschen Kriegsblinden und obgleich das
Saarland wirtschaftlich angegliedert sei,
richte sich die saarländische Kriegsblinden-
versorgung und -Fürsorge ganz nach den
deutschen Verhältnissen. Die saarländischen
kriegsblinden Kameraden begrüßen daher
jeden Erfolg, den die deutschen Kriegsblin-
den erreichen.
Kam. Dr. Plein überbrachte die Grüße der
gesamten deutschen Kriegsblinden und gab
der Freude Ausdruck, daß endlich die Bande
kameradschaftlicher Schicksalsverbundenheit
mit den saarländischen Kriegsblinden wieder
hergestellt und der persönliche Kontakt ge-
funden sei. Er gab einen umfassenden Über-
blick über die organisatorische Gestaltung
unserer Kriegsblinden-Schicksalsgemeinschaft
in Deutschland und über deren Versorgung
und Fürsorge. Hierbei konnte er auf manches
hinweisen, was nach den deutschen Gesetzen
günstiger geregelt sei, mußte aber auch
manches feststellen, was auf Grund der
saarländischen Verhältnisse gegen-
über Deutschland zweckmäßiger geregelt
war. Dr. Plein wies darauf hin, daß allen
saarländischen kriegsblinden Kameraden die
Kriegsblindenkur- und Erholungsheime des
Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V.
mit ihren mannigfaltigen Kur- und Erholungs-
möglichkeiten weitgehendst zur Verfügung
stehen und daß wir uns freuen, wenn viele
saarländische Kameraden davon Gebrauch
machen.
Besonders für die Arbeitsfürsorge, die Woh-
nungs- und Siedlungsfürsorge der deutschen
Kriegsblinden zeigten die saarländischen
kriegsblinden Kameraden allergrößtes Inter-
esse. Regierungsdirektor Dr. Blum gab
einen Überblick über die neueren Maß-
nahmen, die die saarländische Regierung auf
dem Gebiete der Kriegsblindenversorgung
und -Fürsorge schon in den letzten lVa Jahren
durchgeführt hat und die noch für die nächste
Zeit gesetzgeberisch und auch noch durch
Verwaltungsmaßnahmeh vorgesehen sind. Er
wies darauf hin, daß die saarländische Ver-
waltung bemüht sei, den saarländischen
Kriegsblinden alle die Vorteile zugute kom-
men zu lassen, die in Deutschland auch von
den Kriegsblinden erreicht worden seien.
Sodann wurden noch Fragen des Führhund-
wesens besprochen und in der sehr lebhaften
Aussprache nahmen die Kameraden zu sehr
vielen Einzelfragen Stellung und brachten
insbesondere auch ihre Sorgen auf dem Ge-
biete der Wohnungsbeschaffung zum Aus- '
druck. Allzu schnell waren die Stunden, für
die der Johannishof seinen schönen Ver-
sammlungsraum zur Verfügung gestellt hatte,
vorbei, und die kriegsblinden Kameraden
mußten ihren Heimweg wieder antreten, j
Kam. Dr. Plein wurden von allen Seiten
Grüße für die deutschen Kriegsblinden mit-
gegeben und der Wunsch zum Ausdruck ge-
bracht, daß bald wieder eine Zusammenkunft
mit den deutschen Kriegsblinden durch-
geführt werde.
Am Abend hatte Kam. Dr. Plein noch
Gelegenheit, bis in die späten Nachtstunden
mit den kriegsblinden Kameraden des saar-
ländischen Bundesvorstandes Einzelfragen zu
besprechen und in einem regen Gedanken-
austausch die weitere kameradschaftliche
Zusammenarbeit zu regeln. Er schied von
den saarländischen Kameraden mit dem
Wunsche, den Vorsitzenden des saarländi-
schen Kriegsblindenbundes, Kam. Eisbusch,
der im August eine Versorgungskur im
Erna - Plein - Kriegsblindenkurheim in Bad
Münster durchführt, bei der nächsten Tagung
unseres Kriegsblindenbundes zu begrüßen.
OTTO SCHMIDT
Gegründet 1925
Alienkirchen (Wesferw.)
und Remscheid - Lennep
Werkzeuge für Fernmeldewesen
Feinmechanik — Elektrotechnik
Vor einer Umwälzung des Blinden druck Verfahrens?
Blindenschrift auf gewöhnlichem Papier mit Kunststofftinte. — Eine englische Erfindung:
der „Festpunktdrucker"
Als erste deutsche Redaktion veröffent-
lichen wir im folgenden einen Bericht über
eine sensationelle neue Erfindung:
Die Erfindung des Blindenschrift-Duplika-
tors, der vom Britischen Blindeninstitut ent-
wickelt wurde, ist eine würdige Ehrung für
Louis Braille, dessen 100. Todestags in diesem
Jahre in allen Kulturnationen gedacht wird.
Die erhabenen Punkte der Braille-Schrift
haben vielen Tausenden von Blinden wieder
neue Zuversicht gegeben und sie am gei-
stigen und sozialen Leben ihrer Zeit teil-
nehmen lassen. Aber so groß auch die
Vorteile der Braille-Schrift sind — sie hat
auch Nachteile. Da die Wörter in Form von
erhabenen Punkten erscheinen sollen, muß
starkes Papier benutzt werden. Das
aber ist sehr teuer. Obwohl es jetzt möglich
ist, das Papier beidseitig zu pressen, ist die
Herstellung der Blindenschriften immer noch
sehr kostspielig, vor allem schon deswegen,
weil, abgesehen von der komplizierten
Anfertigung, viele Blindenschrift-Bände — •
schon wegen des dicken Papiers — nötig
sind, um einen größeren Roman darbieten
zu können. Daher ist die Zalil der verfüg-
baren Elindenschriftbücher trotz erstaun-
licher Leistungen sehr beschränkt. Glück-
licherweise ist das geistige Erbe Guten-
bergs unter uns immer noch lebendig, so
daß wir hoffen dürfen, daß diese Schwierig-
keiten mit Hilfe des neuen Verviel-
fältigungsapparates für Blinden-
schriften bald der Vergangenheit angehören
werden;
Dieser Apparat wurde nach langen Jahren
angestrengter Forschungsarbeit gemeinsam
von einem führenden Angestellten des Bri-
tischen Blindeninstitutes und einem politi-
schen Flüchtling aus der Tschechoslowakei
entwickelt, der vor dem zweiten Weltkrieg
in England eine neue Heimat fand. Ver-
schiedene britische Firmen arbeiteten bei der
Herstellung des Apparates zusammen, der
kürzlich in London der Öffentlichkeit vor-
geführt wurde. Jede gute Erfindung ist ein-
fach: Der Braille-„Festpunktdrucker" stellt im
wesentlichen eine Weiterentwicklung des
handelsüblichen Vervielfältigungsapparates
dar, wie wir ihn in Büros benutzen.
Theoretisch arbeitet der Braille-Festpunkt-
drucker auf die gleiche Weise, obwohl er
eine ganze Reihe besonderer Merkmale hat.
Zuerst muß der Blindenschrifttext in üblicher
Weise geschrieben werden. Ein besonders
konstruiertes Elektronengerät tastet dann
mit. drei metallenen „Fingern" das Punkt-
muster auf dem Original ab und schickt
entsprechende Stromstöße an eine Stanze,
die eine Spezialmatrize in genau dem glei-
chen Muster perforiert (durchlocht), wie
es dem Original entspricht. Die Dicke der
Matrize bestimmt übrigens die' Höhe der
Punkte, die der Vervielfältigungsapparat
später auf dem Papier hinterläßt.
Nach Fertigstellung wird die Matrize auf
dem Vervielfältiger befestigt und das Ab-
ziehen kann beginnen. Statt Druckerschwärze
benutzt der Apparat jedoch eine neu-
artige Kunststofftinte, die durch
die kleinen Löcher der Matrize gepreßt wird.
Wie bei den üblichen Apparaten kann auch
hier gewöhnliches Papier beidseitig
beschrieben werden. Die Kunststofftinte er-
härtet schnell zu kleinen erhabenen Punk-
ten, die fest auf dem Papier haften und yiel
leichter abzutasten sind als die erhöhten
Punkte des jetzt gebräuchlichen Braille-
Systems. Durch einfaches Drehen der Hand-
kurbel können beliebig viele Exemplare des
Textes hergestellt werden. Da die Matrize
stets mit Hilfe eines Elektronentasters her-
gestellt wird, kann man bereits existierende
Blindenschriftbücher ohne große Mühe ver-
vielfältigen.
Von dieser Erfindung ist es nicht mehr
weit bis zur Konstruktion von neuen Blin-
denschriftrotationspressen. Es .ist eigent-
lich nur eine Frage der Organisation. Wenn
sich die Nationen gleicher Sprache zusam-
mentun, wäre es sogar möglich, in einem
Arbeitsgang jede gewünschte Anzahl eines
bestimmten Buches in Blindenschrift zu
drucken, ohne daß jeder Staat die Druck-
kosten einzeln zu tragen hat. Auf jeden
Fall ist nicht zu leugnen, daß die neue
Erfindung des Blindeninstituts in London zu
den segensreichsten unserer Zeit gehört.
So offenkundig der unmittelbare Wert der
neuen Maschine für die Blinden in aller
Welt ist, dürfen wir doch nicht unsere
Augen vor der Tatsache verschließen, daß
der „Festpunktdrucker" wahrscheinlich auf
einem ganz anderen Gebiet eine noch grö-
ßere Zukunft hat. Man kann sich nämlich
sehr wohl vorstellen, daß der Apparat sich
besonders vorteilhaft mit den sogenannten
„Elektronengehirnen", den Elektronenrechen-
maschinen, kombinieren läßt und eines Tages
zu einer Revolution der industriellen Her-
stellungsprozesse führt. Das Elektronenge-
hirn kann nämlich nicht nur komplizierte
mathematische Probleme lösen, sondern auch
als „Zentralgehirn" die verschiedensten
Produktionsvorgänge in der vollautomati-
schen Fabrik der Zukunft kontrollieren. Ge-
rade hierfür könnte der „Festpunktdrucker"
von größtem Wert sein.
Wenn wir heute dem Elektronengehirn
eine komplizierte Aufgabe stellen, geschieht
das in Form von Instruktionen, die aus klei-
nen Löchern bestehen, die in bestimmter
Anordnung in eine Karte gestanzt werden.
Wenn die perforierte Karte in den Taster
des Apparates eingeführt wird, stellen Draht-
bürsten, die die Karte abtasten, elektrische
Kontakte her, sobald sie über die Löcher
hinwegstreichen. Die Art der Kontakte wird
also von der Anordnung der Kartenlöcher
bestimmt. Künftig könnten wir bei Verwen-
dung des leicht modifizierten „Festpunkt-
druckers" fünfzig oder mehr naturgetreue
Reproduktionen eines Fabrikationsprogramms
in kürzester Frist liefern. Und auch die Zu-
sammenarbeit der Wissenschaftler aller Län-
der könnte dadurch gewaltig gefördert wer-
den. Man braucht nämlich die Lösung eines
wissenschaftlichen Problems nur noch in ihrer
ausgearbeiteten endgültigen Form zu ver-
vielfältigen und den Wissenschaftlern der
ganzen Welt zuzuschicken. Diese brauchten
den „Text" nur in ihr standardisiertes Elek-
tronenrechengerät zu stecken, um die ge-
wünschte Lösung sofort zu erhalten, ohne sie
erst mühselig selbst erarbeiten zu müssen.
Otto H. Allen
Copyright by BF/OW
Menschenbeurteilung durch Nichtsehende
Beim Lesen der Aufsätze über die mensch-
liche Stimme und Sprechweise in den Heften
des Winterhalbjahres hatte ich oft das Emp-
finden, daß die Ausführungen etwas zu theo-
retisch seien, um von Laien richtig ange-
wandt werden zu können. Mit ihrer Hilfe
wird kaum ein Nichtsehender zu einem be-
friedigenden Ergebnis gelangen; d. h. es
wird schwerlich einen geben, der sich bei
der Bildung seines Urteils über einen frem-
den, ihm vor allen Dingen auf lautlicher
Grundlage begegnenden Menschen aus-
schließlich oder doch überwiegend auf sie
verließe. Wenn hier auch Merkmale genannt
wurden, die am raschesten und unmittelbar-
sten in Erscheinung treten, so wird man doch
bewußt oder unbewußt auch all die an-
deren mit zu Rate ziehen,' die sich im Zu-
sammenhange damit darbieten.
Die Sprache
Nicht nur „wie", sondern was sagt der
andere?
Da wäre als erstes zu nennen die Sprache,
die zwar nicht ganz so individuell ist wie
die Stimme, da sie Bindeglied und Ausdruck
des Gemeinsamen ist, das zwischen den
Menschen schwebt. Sprache ist ja nach den
Von Dr. Otto Meyer-Au hausen
Ausführungen J. Burckhardts in den Welt-
geschichtlichen Betrachtungen" nur dadurch
denkbar Und möglich, daß in dem Gegen-
über, welches angesprochen werden «soll,
eine Gleichheit oder doch eine Verwandt-
schaft mit dem Redenden angenommen wer-
den kann. Andererseits aber sagt derselbe
Wissenschaftler in dem gleichen Werke, daß
die Sprache die Dinge verschleiere. Und
warum? Nur deshalb, weil die Worte ledig-
lich Gleichnisse für die Dinge darstellen, die
mit ihnen gemeint sind, und weil diese
Gleichnisse zu einer Art von Scheidemünzen
geworden sind, um ein Bild W. v. Hum-
boldts zu gebrauchen, die etwas Konventio-
nelles und Unechtes haben und die anderer-
seits durch den sehr häufigen Gebrauch ab-
gegriffen sind.
Aber trotz aller dieser Ver- und Entstel-
lungsmöglichkeiten, die jede Sprache in sich
birgt, ist und bleibt sie doch der lebendige
Ausdruck dessen, was im menschlichen Ge-
müt und Geist vor sich geht und nach
Mitteilung verlangt. Das wird aber immer
ein Stück Wesen des Sprechenden sein.
Ich möchte sagen: Sprache verhält sich zur
Stimme wie der Inhalt, also die Sinndeu-
tung eines geschriebenen Textes zur Hand-
schrift, also zu seiner graphologischen Er-
schließung. Wer würde sich z. B., wenn ihm
ein Schriftstück von einem Menschen vor-
liegt, dessen Wesen es zu ergründen gilt,
darauf beschränken, nur die Handschrift be-
urteilen zu lassen, und würde nicht die Fin-
gerzeige benutzen, die ihm der Inhalt des
Geschriebenen, der Sinn, der aus den Wor-
ten spricht, bietet? Und es ist nicht nur der
Inhalt, es sind nicht bloß die Gedanken,
denen der Schreiber Ausdruck verleiht, was
ihn verrät, sondern oft weit mehr die Art,
wie er es sagt, wie er sich ausdrückt,
welche Redewendungen, welche Satzstellun-
gen, welche Worte er mit Vorliebe ge-
braucht, kurz sein „Stil".
Der Stil ist vom Menschen selber
Das bekannte Wort des Franzosen Buffon:
„le style c'est l'homme", der Stil ist gleich-
bedeutend mit dem Menschen, mag im ersten
Augenblick verblüffen und dennoch hat er
seine Berechtigung. Er hat zwar eine Vari-
ierung in der Weise erfahren, daß er lautet:
„Der Stil ist vom Menschen selber", d. h. er
kommt unmittelbar von ihm, ist unverstell-
ter Ausdruck seines Wesens, Wenn wir ihn
so nehmen und verstehen, dann wird uns
klar, was für ein untrügliches Mittel die
Sprache darstellt, wenn es sich um die Cha-
raktererschließung eines Menschen handelt.
Das mag nun an einigen Beispielen
erläutert werden. Wir könnten zu diesem
Zweck am einfachsten die seit langem ge-
bräuchliche und bereits von Hippokrates
stammenden Einteilung in die vier Tempe-
ramente hernehmen. Doch vielleicht ist es
noch richtiger, die Typen zu verwenden, die
in dieser Zeitschrift bei den Versuchen einer
Stimmendeutung von Dr. Simoneit und Kam.
Feistner angewandt wurden.
Da wäre der „Gemütsmensch". Zu
seinem Wesen gehört es, daß er in einem
ausgeglichenen, reibungslosen Verhältnis zu
seinen Mitmenschen stehen möchte. Und wie
drückt sich das im Stil seiner Sprache aus?
Er wird alle Schärfen vermeiden, wird keine
schroffen Behauptungen aufstellen und wo
er gewollt oder ungewollt doch dazu kommt,
es zu tun, da wird er in einem mildernden
Begleitwort, in einem einschränkenden Nach-
satz, in einer abgeschwächten Wiederholung
des Gesagten eine versöhnliche Note zu ge-
winnen suchen. Seine Sätze zeichnen sich
durch eine gewisse Fülle der Begriffe, durch
ein enges Verschlungensein positiver und
negativer Werte, durch ein ständiges Ein-
beziehen der mutmaßlichen Meinung des
Gegenübers in das eigene Urteil aus. Es ist,
als ob er mit jedem Satz seine Verbunden-
heit bekunden wollte. Harmonie ist das
immer wieder angestrebte Ziel, das im ein-
zelnen Wort, im einzelnen Satz und schließ-
lich im ganzen Satzgefüge deutlich zu er-
kennen ist.
Der Schüchterne
In erhöhtem Maße ist das angedeutete
Bestreben beim ängstlichen, schüchternen
Menschen mit labilem Charakter vorhanden.
Er wird vor jeder Äußerung zögern, er wird
Angst zeigen, seine Gefühle und Gedanken
in Worte zu fassen, und wenn er es tut,
wird er am liebsten gleich mit einer Ein-
schränkung beginnen, mit einem „ich meine",
„ich denke", „ist es nicht so?", „könnte man
nicht sagen?" oder er wird mit einem bloßen
„Hm" die innere Hemmung erkennen lassen."
Er wird Worte bevorzugen, die mehrdeutig
sind, die Auslegungen nach der einen oder
anderen Seite zulassen, die den Sinn eher
verschleiern als enthüllen. Sein grammati-
kalischer Sprachgebrauch wird der gleichen
Art sein: es werden die vageren unbe-
stimmten Formen des „hätte", „würde" oder
„könnte" eine übergroße Rolle spielen. Ein
solcher Mensch nimmt häufig im Nachsatz
zurück, was er im Hauptsatz geäußert hat,
und bevorzugt unpersönliche Redewendun-
gen, sagt „man" und „es", wo ein bestimm-
tes Personalpronomen zu stehen hätte.
Der Sachliche
Ganz anders ist die Sprechweise des sach-
lichen Menschen. Klarheit, Schlichtheit,
Durchsichtigkeit zeichnen sie aus. Er ver-
meidet lange, umständliche Sätze, schillernde,
vieldeutige Worte und Begriffe. Wie wohl-
behauene Bausteine werden die einzelnen
Wörter zu Sätzen und diese wieder wie grö-
ßere Bauelemente zu einem ganzen Bau
zusammengefügt. Seine Grammatik bevor-
zugt den Indikativ und die Gegenwarts-
formen, denn ihm ist das, was jetzt und
hier ist, wichtiger als das, was irgendwo
und in der Zukunft sein kann, mag auch
manches sehr kühl klingen.
Eine Steigerung der für den sachlichen
Menschen angegebenen Eigenschaften finden
wir beim selbstsicheren, selbstbe-
wußten Menschen, der immer im Mittelpunkt
seiner Welt steht und gewohnt ist, daß man
auf ihn sieht, ihn und seine Weisungen
ernst nimmt. Seine Art zu reden gleicht der
eines Rundfunksenders, der nur aussendet,
ohne etwas vom Hörer entgegenzunehmen
oder auch nur zu erwarten. Bestimmt, allzu
bestimmt kommen seine Äußerungen, gehen
4
gerade aufs Ziel los, machen keine Um-
schweife und lassen nicht die geringste Scheu
oder Befangenheit erkennen. Die Befürch-
tung, andere Menschen zu übergehen, zu
verletzen und zu mißachten, ist solchen Na-
turen fremd, ebenso wie das Bewußtsein
einet eigenen Unzulänglichkeit. In ihrer
Grammatik herrscht der Imperativ vor und
allenfalls noch der Infinitiv, der schon eine
sehr starke Verwandtschaft mit Polizeianwei-
sungen hat, wie: „keine Umstände machen!,
ruhig bleiben!, vernünftig reden!" oder noch
kürzer: „weg damit!, Schluß mit der Re-
derei!" und ähnlich. Selbstverständlich kann
gerade hier Verstellung und „Angabe", also
der Wunsch, mehr zu scheinen als zu sein,
einiges vortäuschen. Aber man hört das bald
heraus.
Diese wenigen Beispiele schon werden ge-
nügen, um erkennen zu lassen, was mit dem
Satze „der Stil bedeutet den Menschen" ge-
meint ist. Es ist gewiß sehr aufschlußreich,
seine Mitmenschen nach diesen Gesichts-
punkten etwas näher zu prüfen und die
Möglichkeit dazu ist jedem Nichtsehenden
gegeben, ja, ihm in besonderem Maße, weil
er weit mehr als der Sehende gewohnt ist,
Beobachtungen dieser Art anzustellen. Er
bringt auch das feinere Organ mit, das alle
Nebentöne registriert, und auf diese
kommt es oft weit mehr an als auf die ver-
standesmäßig erfaßbaren Gegebenheiten.
Was die Umwelt prägt
Das, was sich in Regeln fassen, in Formeln
ausdrücken, mit Begriffen bestimmen, kurz,
was sich logisch ergreifen läßt, das ist aller-
dings noch nicht das „Wesen" des Men-
schen, nicht seine Persönlichkeit, sondern
höchstens die Kategorie, in der man ihn
allenfalls unterbringen kann, so wie man
Pflanzen und Tiere in gewisse Klassen und
Familien einteilt, um mit der Vielfalt der
Natur nur einigermaßen fertig zu werden.
Wir können kein Schema aufstellen, dem
sich die Eigenart der Menschen fügen würde.
Systeme, Schemata, Kategorien sind Hilfs-
mittel, aber nicht mehr, und wir tun gut,
uns des Goethewortes zu erinnern: „Gefühl
ist alles, Name Schall und Rauch", wenn wir
daran gehen, unsere Mitmenschen nach
Typen zu ordnen. Es ist auch nicht meine
Absicht, hier ein solches Schema oder System
aufzustellen, mir genügt es, Anregungen zu
geben, die erst in der Praxis durch andere
eine Vervielfältigung erfahren und etwas
Lebensnahes erhalten sollen.
Wenn wir hier aber lebensnah bleiben
wollen, dann müssen wir bedenken, daß die
Gemeinschaft der Menschen doch wieder
Schichtungen, Gruppierungen, Gliederungen
aufweist, die von entscheidendem Einfluß
auf die Bildung ihres Charakters sind. So
ist die Sprache des Einzelmenschen nicht
lediglich etwas Ureigenes, ihm mit all seinen
sonstigen Qualitäten von Natur M i t g e -
Überlege einmal .
Kleine Tips, die leider keine
Selbstverständlichkeiten
betreffen
Die folgenden Bemerkungen, die ich aus
eigener Erfahrung niedergeschrieben habe,
sollen keineswegs als etwas Feststehendes
(ingesehen werden. Nein, ich möchte nur
damit anregen, daß sich der eine oder der
andere einmal über dieses oder jenes seine
Gedanken macht:
Bist du allein im Stadtverkehr — also
ohne Begleitperson oder nur mit Hund — so
trage stets die Armbinde! Du findest
leichter Hilfe und vermeidest Unfälle.
Gehst du über die Straße, so gehe 1 ang -
s am hinüber! Durch zu schnelles Ueber-
schreiten machst du den Kraftfahrer nur
unsicher. -
Will man dir im Stadtverkehr helfen, so
bleibe stets höflich, auch wenn du die
Hilfe ablehnst. Es ist ja der gute Wille, der
dir helfen will.
Steige niemals ein oder aus, bevor du nicht
genau weißt, daß die Straßenbahn, der Omni-
bus, der Zug stillsteht.
Kommst du in eine fremde Gegend,
so versuche möglichst bald, dich mit ihr ver-
traut zu machen. Es macht dich freier und
selbständiger.
Zur Erholung meide möglichst den
Lärm der Stadt, sondern suche neue Kraft
in der Stille des Waldes oder in der Weite
der Felder.
Schwirren dir viele Gedanken durch den
Kopf und kommst du zu keinem Entschluß,
so gehe einmal in den späten Abendstunden
oder frühen Morgenstunden ganz allein
einen gewohnten Weg, atme tief die Irische
Luft ein, und versuche jetzt, deinen Entschluß
zu lassen.
Beobachte deine Umgebung gut! Es
schult deinen Geist und schützt dich vor
Ueberraschungen.
Vergiß auch nie, dich selbst stets zu
beobachten, denn gar zu leicht läßt man sich
gehen, ohne daß es einem zum Bewußtsein
kommt!
Habe Geduld, bemühe dich um Ge-
lassenheit und schicke dich ins Unvermeid-
liche! Deine doppelt beanspruchten Nerven
danken es dir.
Trauere nicht ständig dem nach, was du
als Sehender getan oder noch hättest tun
können. Denke daran, daß es auch noch
jetzt tausenderlei Dinge gibt, die dir
Freude und Zufriedenheit bringen, wenn du
sie dir zu eigen machst.
Erhalte dir auch als Nichtsehender deine
frühere Elastizität durch Frühsport, Rad-
und Wassersport, Wanderungen usw. Viel-
leicht kannst du sie dir dadurch noch ver-
stärken.
Unsere größten Feinde sind Untätig-
keit und Langeweile. Sie zermürben
uns und schaffen Unzufriedenheit und Ner-
vosität. Sie zu bekämpfen sollte unser erstes
Gebot sein.
Wirst du durch deine Arbeit stark ange-
spannt, so schaffe dir unbedingt einen Aus-
gleich, ein Steckenpferd. Es entspannt
und gibt dir neue Kraft und neue Lebens-
freude.
Kurbele an deinem Rundfunkempfänger
nicht unaufhörlich herum, und sei nicht
darauf erpicht, unbedingt alles hören zu
wollen. Ist es nicht besser, du pickst dir aus
dem Programm die besten Rosinen heraus
und durchdenkst alles noch einmal? Später
hat man dann in der Unterhaltung alles noch
viel besser in der Erinnerung, und es er-
geben sich dabei oft Diskussionen, die dein
Wissen bereichern.
Halte stets auf Ordnung in allen Dingen
bis in den Geldbeutel hinein. Du vermeidest ;
Aerger und Zeitverlust.
Achte nicht auf diejenigen, die in deiner :|
Gegenwarf mit „Armer Mensch ..." oder ;
„Wie furchtbar..." beginnen, oder nimm es I
mit Humor. Diese armen Tröpfe sind es f
nicht wert, daß man sie ernst nimmt. Ginge
es darum, ihre Barmherzigkeit nicht durch
die Zunge, sondern gurch die Tat zu be-
weisen, sie würden sich bescheiden zurück-
ziehen. Hans Lehmann
g e b e n e s, sondern sie ist auch mit das
.Produkt der Umwelt, des Standes und des
Berufes. Wir haben daher bei unserer Un-
tersuchung darauf zu achten, was ursprüng-
lich und was umweltbedingt ist.
Ich sagte oben schon, daß die Sprache
etwas Konventionelles an sich hat, etwas,
das dem „Gebrauch" seine Entstehung ver-
dankt. Wir werden bei näherem Zusehen
finden, daß die Art zu sprechen bedingt ist
durch die Art, mit Menschen und Dingen
umzugehen und da ergibt sich als be-
sonders markante Gruppierung die der Be-
ruf szusammenschlüsse.
Der Beruf verrät sich
Jeden Beruf kennzeichnen bestimmte
Tätigkeiten, die entweder mehr körperlicher
oder mehr geistiger Art sind. Dadurch bilden
sich gewisse beruflich bedingte Bewegungen
heraus und die ihnen zu Grunde liegende
Dynamik und Rhythmik tritt auch bei Be-
tätigungen in Erscheinung, die nicht mehr
streng beruflich bedingt sind. Eine derselben
ist das Sprechen, und zwar wiederum nicht
nur die Art zu sprechen, sondern auch der
Gebrauch der Worte.
Einige Beispiele werden das Gesagte an-
schaulich machen: Denken wir uns einen
schwer arbeitenden Mann, der seine ganze
Kraft zur Ausübung gewisser, gleichmäßig
wiederkehrender Verrichtungen nötig hat,
etwa einen Erdarbeiter, der mit einer Schau-
fel mühsam Erdballen um Erdballen ab-
sticht, langsam vom Boden frei macht, be-
dächtig hochhebt und dann mit einem ge-
wissen Schwung auf dem Bestimmungsplatz
landen läßt. Die Art und Weise, in der er
diese Arbeit ausführt, wird seinem Wesen
den Stempel aufdrücken und in der gleichen
Weise, in der er schaufelt, wird er auch
sprechen, langsam, bedächtig, mit dem nöti-
gen Kraftaufwand, der aber genau bemessen
ist und jede Kraftvergeudung ausschließt,
bis es zum Schlußeffekt kommt, bei dem
dann ein gewisses Sichgehenlassen statthaft
ist. Die Motorik, welche die Arbeit erfordert,
wird bei vielerlei zu erkennen sein, was ein
solcher Mensch tut. Aber nicht die Motorik
allein ist es, was ihn charakterisiert, oder
richtiger gesagt, nicht bloß die lebendige
Bewegung, nicht nur die Sprache als Aus-
drucksbewegung, sondern die zu Worten und
Begriffen erstarrte Sprache, die stereotypen
Ausdrücke und Redewendungen, in denen
sich ebenso wie in der Sprechweise das Ver-
halten des Menschen seiner Um- und Mit-
welt gegenüber spiegelt. Die Wahl der
Worte, also seine „Terminologie", wird der
Erde, mit der er umgeht, verwandt sein.
Zäh und klobig werden die Ausdrücke sein,
aber nicht gemein und anstößig, denn die
Güte der Erde bleibt nicht ohne Einfluß
auf sie.
Oder denken wir an einen Handwer-
ker, einen von der subtilen Art, einen
Feinmechaniker oder Uhrmacher. Wie ganz
anders sind seine Verrichtungen und der
Kraftaufwand, den sie erfordern! Auch bei
ihm ist ein beachtlicher Energieeinsatz nötig,
wenngleich er nicht sichtbar wird, weil er
innerlicher Natur ist und in erster Linie
Konzentration bedeutet. Wie bedächtig und
vorsichtig geht er zu Werke, wie knapp be-
messen und bis ins kleinste, berechnet sind
seine Bewegungen! Dieser Art zu arbeiten
wird zweifellos seine Art zu sprechen ange-
messen sein. Eine gewisse Vorsicht, ja ein
überbedachtes und mitunter geradezu ängst-
lich wirkendes Wesen wird sich darin be-
kunden. Vergleichen wir damit einen An-
gehörigen eines geistigen Berufes, einen.
Lehrer. . ,
Der Lehrer
Auch bei ihm wird eine mit Bedacht auf
ein bestimmtes, genau abgegrenztes Ziel
ausgerichtete Energie zu erkennen sein, die
stetige Konzentration erfordert. Es kann aber
%ÜA untete Sdiaokpieande
2 Partien aus dem Mescheder
Schachturnier für Blinde 1952
Damenbauer nspiel
Weiß: F. Rauer, Freiburg i. Brs.
Schwarz: G. Mertens, Köln
1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. Dc2 c6
5. e3 d5 6. Sf3 Sbd7 7. a3 L:c3+ 8. b:c3 0—0
9. Ld3 Te8 10. 0—0 e5 11. d:e5 S:e5 12. S:e5
T:e5 13. Tdl Dc7 14. Lb2 Th5 15. g3 Lg4
16. Td2 Lf3 17. c:d5 Sg4 18. d6 T:h2 auf-
gegeben.
Damenindisch
Weiß: F. Uekermann, Lieme
Schwarz: F. Steidele, Gelsenkirchen
1. d4 Sf6 2. Sf3 e6 3. e3 b6 4. Sbd2 (zu
empfehlen wäre hier g3 nebst Lg2) 4. —
Lb7 5. Ld3 g6 6. 0—0 Lg7 (Steidele wählt
diese Läuferaufstellung mit Vorliebe; sie ist
von Nutzen, wenn es gelingt, den Läufern
die Diagonalen zu öffnen bzw. offenzuhalten)
7. c4 0—0 8. Dc2 d6 9. Se4 (b3 nebst Lb2
verdiente den Vorzug) 9. — Sbd7 10. Sfg5
S:e4 11. S:e4 d5 12. c:d5 L:d5 13. b3 (unbe-
dingt notwendig war Sc3, um den Ld5 abzu-
tauschen, was nach dessen Abzug auch mit
14. Le4 — erzwungen werden konnte)
13. — c5 14. La3 (Lb2 war der Mühe wert)
14. — Tc8 15. Sd6 Tc6 16. Sc4 Te8 17. Lb2
c:d4 18. De2 Sc5 (d:e3) 19. Se5 S:d3 (Schwarz
hätte ruhig L:e5 spielen und dadurch leich-
ter gewinnen können, anstatt noch die Quali-
tät zu opfern, die er allerdings zwangsläufig
zurückgewinnt) 20. S:c6 L:c6 21. D:d3 Dg5
22. f3 Lb5 23. De4 L:fl 24. K:fl d:e3 25. L:g7
K:g7 26. Tel Td8 27. T:e3 Td2 28. Te2 Tdl +
29. Kf2 Dc5+ 30. De3 D:e3-t- 31. K:e3 Td5
32. g3 Te5+ 33. Kf2 T:e2+ 34. K:e2 Kf6
Bei einem Schachturnier unter Blinden hat jeder
Spieler ein Brett für sich, daß er abiasten kann,
ohne den Partner zu stören. Schachuhr und Schreib-
taiel sind selbstverständlich. Unser Bild zeigt einen
Wiener Kriegsblinden beim Schachturnier der
besten blinden Schachspieler Österreichs.
Foto: Keys tone
35. Kd2 Ke"5 36. Ke3 g5 37. a3 f5 38. h3 Kd5
39.Kd3 h5 40. Ke3 e5 41. Kd3 b5 42. a4 a6
43. a:b5 a:b5 44. Ke3 f4+ 45. g:f4 g:f4+
46. Kd3 b4 47. h4 e4+ 48. Ke2 e:f3 +
49. K:f3 Ke5 50. Ke2 Ke4 51. Kf2 f3 52. Kfl
Kd3 53. aufgegeben. G. Mertens, Köln
dabei festgestellt werden, daß der Gegen-
stand, dem dieser Kraftaufwand gilt, kein
toter ist und daß von ihm eine ganz be-
stimmte Reaktion, ein lebendiges Echo er-
wartet wird. So liegt in der Art des Leh-
rers, zu sprechen, immer etwas Abwarten-
des, gewissermaßen ein Horchen auf den
Widerhall, den seine Worte beim Schüler
auslösen sollen. Demgemäß ist der Rhyth-
mus seines Sprechens ein anderer als beim
Feinmechaniker und Uhrmacher. Letzterer
bringt etwas in Gang, in Fluß, das dann
ohne sein Zutun in ausgewogenem Rhyth-
mus weiterläuft. Beim Lehrer hingegen und
seinem Objekt, dem Schüler, gleicht das Ver-
hältnis zwischen beiden einem Mechanismus,
der im Staccato läuft und der immer neue
Impulse von Seiten des Unterrichtenden
nötig hat. Und im Gemüt des Lehrers wird
sich die Vorstellung des Lehrers entwickeln,
daß er es immer mit Objekten zu tun hat.
Dieser Stellung und Haltung wird ganz seine
Art zu reden entsprechen. Und daß seine
Terminologie den Stempel seines Berufes
trägt, brauche ich kaum zu sagen, ist sie
doch fast sprichwörtlich.
Zum Schluß dieser Beispiele noch den
Vertreter eines Berufes, der mit dem letzt-
genannten etwas gemein hat, den Offizier.
Auch er hat Menschen als Objekte seiner
Tätigkeit vor sich und erwartet von ihnen
ein ähnliches Reagieren wie der Lehrer von
seinen Schülern. Aber das Verhältnis ist das
der Autorität, des unbedingten Gehorchens.
Er ist nicht gewohnt abzuwarten, ob seinen
Anweisungen Gehör geschenkt wird. Das ist
eine Selbstverständlichkeit und fast ebenso
selbstverständlich ist es, daß er verstanden
wird. Daher hat seine Art, zu sprechen, den
Charakter des Absoluten und Apodiktischen,
das jeden Widerspruch ausschließt. Scharf,
kurz, prägnant kommen die Worte von sei-
nen Lippen und ihr Rhythmus ist der des
Marschschrittes. Die Ausdrucksweise wird in
ihren Bildern und Begriffen dem Gegen-
stand, dem Militär, angepaßt sein. Ihre An-
lehnung an das Exerzierreglement ist oft un-
verkennbar.
Der Geruch
So hätten wir schon eine ganze Reihe von
Merkmalen festgestellt, die auch einem
Nichtsehenden verraten können, mit wem
er es in seinem Gegenüber zu tun hat. Und
da ich gerade von Charakteristiken spreche,
die berufsbedingt sind, so möchte ich noch
auf gleichfalls berufsbedingte Kennzeichen
aus einem anderen Sinnesgebiet hinweisen,
auf solche geruchlicher Art. Sie werden im
allgemeinen viel zu wenig beachtet und
sind doch so aufschlußreich. Die Ergebnisse
aus ihrer richtigen Anwendung aber haben
oft etwas geradezu Verblüffendes, und zwar
deshalb, weil die meisten Menschen nicht
gewohnt sind, in diesen Erscheinungen Ver-
räter ihres Standes zu erblicken. Ich persön-
lich mache sie mir ausgiebig zunutze und
erziele dabei oft erstaunliche Resultate.
Einen Bauern, einen Müller, einen Maler,
einen Gastwirt, einen Melker, einen Lak-
kierer, einen Arzt, einen Friseur usw. nach
dem ihrer Kleidung, ja, ihrer Haut anhaf-
tenden Geruch treffsicher in die entsprechen-
den Berufe einzugliedern, ist kein Kunst-
stück. Man könnte vielleicht auch sagen,
diese Beurteilung habe nichts mit dem zu
tun, was im vorliegenden Falle zur Debatte
steht. Und doch ist dem nicht ganz so. Wenn
ich einen Menschen auf Grund der oben
ausgeführten Bestimmungsmittel eingeglie-
dert zu haben glaube und erhalte nun noch
Merkmale der letztgenannten Art dazu, dann
können sie mir behilflich sein, mein Urteil
zu unterstreichen oder anzufechten.
Der Schritt
Ein weiteres Erkennungsmerkmal akusti-
scher Art darf hier nicht übergangen wer-
5
den, der Schritt des Menschen. Er drückt
mehr aus, als man für gewöhnlich glaubt;
dafür spricht schon die Tatsache, daß es eine
sehr große Zahl von Wortprägungen für das
„Sichvomplatzbewegen" des Menschen gibt:
schreiten, trippeln, wandeln, laufen, tänzeln
sind nur einige wenige davon. Das Stamp-
fen und Poltern der Kraftnatur steht im
starken Gegensatz zum behutsamen, vorsich-
tigen Schritt des Leisetreters. Das Trippeln
von Kinderfüßen, das Huschen und Schlei-
chen eines Ängstlichen oder Schuldbelade-
nen, das Dahinstürmen und -brausen einer
Horde, das Schreiten einer gewichtigen Per-
sönlichkeit, das Tänzeln eines Gecken und
das müde, kraftlose Schlürfen eines Greises
— was für lebendige Bilder lassen diese
knappen Bewegungsausdrücke vor unserem
Geiste entstehen!
An dieser Stelle seien noch die Schlüsse
erwähnt, die man aus der Art des An-
klopfens ziehen kann. Es offenbart sich
selbst in diesem so unscheinbaren Vorgang
das Temperament und noch mancher andere
Wesenszug, ja sogar das Geschlecht dessen,
der Einlaß begehrt.
Der Händedruck
Ein von den meisten Menschen nicht oder
doch kaum beachtetes Mittel für das Erken-
nen unserer Mitmenschen bildet der Hände-
druck. Dr. E. Dorner hat ihm in einer ein-
gehenden Untersuchung im letzten Heft un-
serer Zeitschrift besondere Aufmerksamkeit
geschenkt. Er kommt dabei zu folgenden
grundlegenden Gesichtspunkten: Berührungs-
dauer, Intensität des Drucks, Größe der Be-
rührungsfläche, Art der Umschließung, Be-
wegungsrichtung des Armes sowie Beschaf-
fenheit und Verhalten der dargebotenen
Hand erlauben Schlüsse auf Wesen und Ge-
sinnung des Gegenübers. Der Verfasser geht
von der Überlegung aus, daß jede mensch-
liche Gebärde — und zu ihr gehört ja auch
der Händedruck — „ausdrucksgeladen" und
daher psychologisch deutbar ist.
Er sieht von dem Eindruck, den Bau und
Oberflächenbeschaffenheit der Hand, also so-
zusagen ihre Physiognomie, hervorrufen,
weitgehend ab und hält sich vor allem an
den Bewegungsvorgang, den er in
die oben genannten Bestandteile auflöst.
Ausgehend von der Überlegung, daß der
Händedruck die Bekundung des Wohlwol-
lens und der Hochachtung sei, was m. E. viel
zu eng gegriffen- sein dürfte, folgert er, "daß
ein langdauernder Händedruck diese Ge-
fühle in besonderem Maße bekunden soll.
Das gleiche gilt für ihn natürlich von der
Intensität desselben. Diese Merkmale be-
ziehen, sich jedoch einseitig auf die mehr
oder minder freundschaftliche Gesinnung
des Begrüßenden und sagen noch nichts
über seine Eigenschaften. Auf sie kommt es
uns aber besonders an. Freilich ist es für
die Beurteilung meines Gegenüber auch
schon von Bedeutung, zu wissen, welche Ge-
fühle er mir entgegenbringt, um unter deren
Einbeziehung oder Ausschaltung zu einem
Schluß über sein Wesen zu kommen.
So kann nach Auffassung Dr. Dorners das
plötzliche Lösen eines zuerst kräftigen
Händedrucks nicht nur als Ablehnung, son-
dern als Zeichen innerer Unsicherheit, Un-
schlüssigkeit und mangelnden Selbstver-
trauens gedeutet werden. Ebenso folgert er
aus einem lauen Händedruck nicht nur Kühle
gegenüber dem Partner, sondern Unent-
schlossenheit, Wankelmut, ja Unaufrichtig-
keit. Viele der in dieser Weise von Dr. Dor-
ner mitgeteilten Beobachtungen sind für
Nichtsehende schon aufschlußreich und wich-
tig. Eine Unterstreichung verdient auch seine
Schlußbemerkung, in der er betont, daß ein
einseitiges Deuten oder Werten einer Hand-
geste allzu leicht zu falschen Urteilen führt.
Er vertritt — ebenso wie ich im Eingang
meiner Ausführungen — den'' Standpunkt,
daß man nur mit Hilfe möglichst vieler
Beobachtungen aus den verschiedensten
Ausdrucksgebieten zu sicheren Ergebnissen
gelangen kann.
Der körperliche Kontakt
Aus diesem Grunde möchte ich an einigen
weiteren Beobachtungsmöglichkeiten nicht
ganz vorübergehen, da sie gerade uns Nicht-
sehenden in weit höherem Maße und weit
unauffälliger zur Verfügung stehen als den
Sehenden. Ich meine die Art wie andere
Menschen uns ergreifen oder mit uns in
engeren oder lockeren Kontakt körperlicher
Art kommen, wenn sie uns behilflich sein,
uns etwas verständlich machen, uns füh-
ren oder dirigieren wollen. Die Lage
des Nichtsehenden erlaubt es ja mehr oder
weniger jedem Hilfsbereiten, ihn anzufas-
sen oder auch nur durch einen leichten
Druck mit der Hand, dem Ellbogen usw. in
die erforderliche Richtung zu bringen. Hier-
bei wird sich leicht feststellen lassen, ob
der bzw. die betreffende Helferin — mei-
stens wird es sich ja um eine Frau handeln
— mit Takt, Feingefühl, Rücksicht oder mit
plumper Vertraulichkeit, überlegen wirken-
dem Besserkönnen oder sogar mit lästiger
Aufdringlichkeit zu Werke geht.
Hantierungsgeräusche
Ja, es bedarf nicht einmal dieser körper-
lichen Fühlungnahme, um das Wesen eines
Menschen in Erscheinung treten zu lassen.
Wieviel enthüllen die Geräusche, die
von einem in unserer Nähe befindlichen
Menschen hervorgerufen werden, sei es bei
Verrichtungen, die mit einem gewissen
Kraftaufwand vorgenommen werden, sei es
bei scheinbar belanglosen Hantierungen. Im
ersten Fall wird Heftigkeit, Unbeherrscht-
heit, Rücksichtslosigkeit aus dem über-
betonen der Leistung sprechen, während die
gleiche Arbeit, mit weniger Getue und
Wichtigkeit verrichtet, für Selbstbeherr-
schung und Rücksicht spricht. Man denke nur
an das Rütteln eines Ofenrostes, das Ab-
streifen der Schuhe, ja, das bloße Türschlie-
ßen. Oft wird es feineren Gehörs und Emp-
findens bedürfen, um doch noch zu erkennen,
in welcher Weise etwas geschieht; aber ge-
rade dieses Wenige, das dem blinden Be-
obachter noch zugänglich ist, spricht doppelt
deutlich bzw. ist doppelt wichtig, weil es
sich der Kontrolle des Verursachenden für
gewöhnlich entzieht, d. h. ihm als Verräter
seines Tuns nicht mehr zum Bewußtsein
kommt. Ich denke daran, wie jemand uns
etwa ein Glas, einen Teller hinstellt, den
Stuhl heranrückt oder auch nur einen Ge-
genstand zureicht. Gerade in dieser letzteren
Bewegung wird sich viel offenbaren. Es kann
mit Herzenstakt oder auch mit geringschät-
ziger Herablassung geschehen, wie es auch
einen Schluß auf Vorstellungs- und Einfüh-
lungsvermögen des Gegenüber zuläßt.
Freilich dürfen wir bei allen diesen Be-
obachtungen eines nicht vergessen, wenn
wir nicht zu einer Fehlbewertung gelangen
wollen. Vieles, was nach Nachlässigkeit,
Taktlosigkeit oder Rücksichtslosigkeit aus-
sieht, kann der Ausfluß und die Folge einer
gewissen Ungeschicklichkeit und einer hem-
menden Befangenheit und Hilflosigkeit ge-
genüber der Lage des Nichtsehenden sein.
Daher ist es wichtig, den mehrfach be-
tonten Faktor, die Notwendigkeit einer dau^
ernden und raschen Kombination von Fest-
stellungen aus den verschiedensten Aus-
drucksgebieten nicht aus dem Auge zu
lassen.
Alles in allem gilt es, -die unendlich vielen
stärkeren oder schwächeren Äußerungen, die
den sich zerstreuenden Ausstrahlungen eines
Lichtspenders gleichen, durch ein rasches
Kombinationsvermögen wie in einem Brenn-
spiegel zusammenzufassen und zu einem
klaren Bild werden zu lassen. Reizvoll wäre
es vielleicht auch noch, auszuführen, welche
„Vorstellung" sich der Nichtsehende auf
Grund der geschilderten Erkennungsmerkr
male von der rein äußeren Erschei-
nung seines Gegenüber macht. Doch das
würde hier zu weit führen und könnte Ge-
genstand einer eigenen Untersuchung wer-
den.
Als selbständiger Kaufmann
Dem .früheren Beruf treu geblieben
Man bemüht sich immer mehr, neben den
bisher bekannten Berufen, die der Kriegs-
blinde ausüben kann, neue Berufe zu er-
schließen. Da mag es für den einen oder an-
deren Kameraden vielleicht interessant sein,
kurz über meine eigene Entwicklung zu hö-
ren. Ich habe dabei den Wunsch, daß man-
cher einen Fingerzeig findet, wie er sich auch
in meiner Branche betätigen kanri. Das kann
man, und das sei vorweq gesagt, sowohl als
Feinmechaniker wie auch als Kaufmann,
wenn man in der Branche Füllhalter
und Schreibwaren tätig war oder tätig
sein will.
Nachdem ich 1926 in den Pelikan-Werken
meine Ausbildung als Vertreter erhalten
hatte, war ich von 1930 bis zur Beendigung
des Krieges Generalvertreter der Montblanc-
Füllhalterfabrik Hamburg im In- und Aus-
land. Ich bereiste bereits vor dem Kriege die
europäischen Länder im Osten und im
Westen. Einige Jahre hatte ich meinen
Wohnsitz in Brüssel und Den Haag. Diese
selbständige Tätiqkeit als Generalvertreter
brachte es mit sich, daß ich auch als Kauf-
mann schon im Jahre 1932 im Hamburqer
Stammhaus in die Geheimnisse der Füll-
halterreparatur von fachkundigen Meistern
eingeweiht wurde; sie sollten mir später ein-
mal zugute kommen.
1943 traf mich dann der harte Schicksal-
schlag, mit dem ich nie gerechnet hatte, ich
wurde durch Kriegseinwirkung blind. Nach
den vielen Monaten Krankenlagern und La-
zaretten, die ich genau so durchgemacht
habe, wie die meisten meiner Kameraden,
war ich Ende 1945 soweit, daß ich mir in den
langen Nächten im Krankenzimmer immer
wieder die Frage stellte: „Kann ich auch als
Kriegsblinder meinen bisherigen Beruf aus-
üben?" Ich habe mich zu dem „Ja" durchge-
rungen und startete zunächst mit der An-
nahme von Füll halt e rrepar atu-
ren , denn zu der Zeit stellten die Fabriken
so gut wie gar nicht Füllhalter her oder
hauptsächlich für die Besatzungsmächte. Die--
seil Füllhalterreparatur-Vertrieb nahm ich
zur Basis, aus dem dann später die eigene
Füllhalterreparatur-Werkstatt entstand, in
der Füllhalter, Kugelschreiber und Drehstifte
aller Marken und Svsteme heute in wenigen
Stunden repariert werden. Die Reparaturen
erhalte ich nicht nur aus Hamburg, sondern
aus allen Ländern der Bundesrepublik. Ich
bin genügend Füllhalterfachmann, um mir die
Kräfte so einzuarbeiten, daß sie den Anfor-
derungen der Kunden qerecht werden.
Darauf baute ich weiter auf, indem ich die
Vertretung einer führenden süddeutschen
Füllhalterfabrik hinzunahm. Bei der außer-
ordentlich schwierigen Wirtschaftslage reichte
das aber nicht aus, so daß ich mich um wei-
tere Vertretungen bemühte. Ich habe u. a.
die Vertretung einer Nürnberqer Farbkästen-
fabrik und die Vertretung eines Stuttgarter
Verlages, der Kinderbilderbücher, Romane
und Fachbücher liefert, hinzugenommen.
Meine Erblindunq bei meiner selbständigen
Position zwingt mich natürlich, mit v e r -
tiauenswüidigenHilfskräftenzu
arbeiten, die alle ihren Lohn und ihr Gehalt
haben wollen. Ich werde jetzt deshalb einen
Buchversand unter meinem Namen und eine
unter dem Namen „Versandhaus Eichler"
laufende neue Versandabteilung aufziehen,
bei der Artikel wie Füllhalter und Tusch-
kästen usw. vertrieben werden. Nebenbei:
es ist selbstverständlich, daß -ich meinen
krieqsblinden Kameraden dabei Sonderpreise
einräume, wenn sie mich durch Bestellungen
unterstützen.
So habe ich in zielbewußter, zäher und
sehr mühevoller Arbeit es dahin gebracht,
daß ich auch als Kriegsblinder meinem frühe-
ren Beruf wieder voll nachgehen kann. Ich
besuche in Norddeutschland meine Kunden
mit einer Begleitperson alle persönlich, habe
eine Menge Schreibtischarbeit zu erledigen,
wenn ich ins, Büro komme und überwache
außerdem meine Füllhalterreparatur-Werk-
statt.
Es maq unter den kriegsblinden Kameraden
den einen oder anderen aeben, der Fein-
mechaniker oder Kaufmann in der Schreib-
warenbranche War, und dieser hat die glei-
chen Möglichkeiten, wie ich sie qehabt habe.
Ich stehe solchen Kameraden qern auf An-
fragen mit meinem Rat zur Verfügung.
Kurt Benske (Hamburg)
Unsere Heime brauchen Bücher!
Der folgende Brief eines kriegsblinden
Kameraden scheint uns größter Beachtung
wert zu sein. Alle Kameraden, die mit Dank-
barkeit an einen Heimaufenthalt zurück-
denken, sollten den folgenden Vorschlag be-
herzigen, und nicht weniger jene Kameraden,
die einen Kuraufenthalt antreten.
Wenn in einem Heim, welches das ganze
Jahr hindurch geöffnet ist, an langen Winter-
abenden sich die Dunkelheit auf die Land-
schaft herabsenkt, oder wenn schlechtes Wet-
ter den Kameraden im Heiin festhält, dann
möchte der eine oder andere nach einem
schönen Buch qreifen und es sich von seiner
Frau vorlesen lassen, oder die Kameraden-
frau selber möchte sich durch gute Lektüre
entspannen, während ihr Mann mit anderen
Kameraden seine Gedanken austauscht. Wohl
sind in den Heimen geringe Bestände an Bü-
chern vorhanden. Auch waren die Heim-
leiterinnen freundlicherweise bereit, aus ihren
persönlichen Beständen ein Buch leihweise
Neue Lehrgänge in Tegernsee
Neue Lehrgänge zur Berufsausbildung
beginnen im Oktober d. J. im staatlichen
Versehrten-Umschulungsheim Tegernsee, und
zwar für:
1.' Blindentechnische Grundausbildung,
Dauer 6 Monate.
2. Telefonisten, Dauer 6 Monate.
3. Stenotypisten/Telefonisten,
Dauer 12 Monate,
4. ^Bürstenmacher, Dauer 6 Monate.
Anmeldungen sind über die zustän-
dige Hauptfürsorgestelle an" die Bayerische
Hauptfürsorgestelle in München 2, Brienner
Straße 55, zu richten.
zur Verfügung zu stellen. Aber es dürfte zu
empfehlen sein, eine richtige Bücherei in den
Heimen einzurichten. Den Anfang dazu könn-
ten Kameraden selbst machen, soweit sie aus
der Kriegszeit einen Bücherschatz gerettet
haben. Jeder möge seine Bestände einer
Musterunq unterziehen. Manches Buch ist
vor Jahren oder gar Jahrzehnten gelesen
worden und könnte dem genannten Zweck
zugeführt werden. Darüber hinaus könnten
sich Bezirke und Landesverbände an diesem
Werk durch einen Appell an örtliche Buch-
handlungen bzw. Verlage beteiligen und um
freiwilliqe Spenden bitten. Eine solche Bitte
würde wohl kaum ungehört verhallen.
Wenn diese Anregunq auf fruchtbaren Bo-
den fiele, würde das von manchem Kamerad
dankbar begrüßt werden.
Kuno Hötken, Wuppertal-Elberfeld.
Die Schriltleitung und die Bandesleitung,
vor allem der Leiter der Erholungsfürsorge,
Kamerad Bierwerth, schließen sich diesem
Vorschlag des Kameraden Höfken gern an.
Jeder Kamerad, der an eine schöne Er-
holungszeit zurückdenkt, sende als kleine
Dankesgabe an das Heim ein Buch. Das
ist nicht nur ein Akt der Dankbarkeit,
sondern auch ein Akt der Kameradschalt
gegenüber den vielen Lesern, die noch jahre-
lang an dem Buch Freude finden können. Und
wer einen Erholungsurlaub antritt, der sollte
es sich zum Grundsatz machen, ein schönes
Buch mit in den Kolter zu packen und der
Heimleiterin zu übergeben. Also gleich ans
Werk! Manches Buch in deinem Regal steht
da unnütz, weil es kaum noch einmal ge-
lesen wird! Pack es kurzentschlossen ein und
schick es ab! Gleichzeitig schreibe eine Post-
karte an unseren Kameraden Bierwerth,
Göttingen, Hainholzweg 17, damit der Leiter
der Erholungsfürsorge Bescheid weiß und
damit er in Einzelfällen, wenn etwa das
gleiche Buch einem Heim doppelt zugedacht
sein sollte, einen Ausgleich vornehmen kann.
Ein fröhliches Herze
Hiermit übersende ich Ihnen einen Zei-
tungsausschnitt vom kriegsblinden Tenor,
Herrn Andreas Espey aus Herten, mit
der Bitte, diesen doch einmal in Ihrer Zeit-
schrift für Kriegsblinde zu veröffentlichen.
Ich selbst war unter den Zuhörern und habe
alles mit großer Freude aufgenommen. Ich
finde es darum auch sehr angebracht, durch
Ihre Zeitschrift alle davon wissen zu lassen,
wie selbst Kriegsblinde so vorbildlich ver-
stehen, anderen ein fröhliches Herze zu
machen. Aloys Poch, Gelsenkirchen
In dem beigelügten Zeitungsausschnitt werden unter
der großen Überschrift ,, Andreas Espey sang sich in
das Herz der Kranken" Liederabende besprochen, die
unser Kamerad Espey in lippischen Erholungsheimen
und Sanatorien des Landkreises Recklinghausen
gegeben hat. Neben Stimme und Gestaltung wird
,.vor allem die Herzenswärme der Darstellung"
hervorgehoben, und „wahre Begeisterungsstürme"
habe Espey geweckt. Der Landrat und der Oberkreis-
direktor von Recklinghausen nahmen an einigen dieser
Veranstaltungen teil.
Privater Austausch von Tonbändern?
Interessanter Vorschlag einer Kameradenfrau
Mindestens 130 Kriegsblinde verfügen be-
reits über ein Kleinmagnetophon-Tonband-
gerät, sei es von Grundig oder AEG. Viel-
fach wird es zur Erleichterung geistiger Ar-
beit von Studenten, Schriftstellern oder Mu-
sikern benutzt oder in anderen Berufen, die
viel auf das Vorlesen angewiesen sind. Aber
über die berufliche Anwendung 1 inaus stre-
ben die Kameraden mehr und mehr danach,
das Tonbandgerät auch zur Gestaltung des
Feierabends einzusetzen. Oft ist es so, daß
die Frau des Kameraden tagsüber zum Vor-
lesen eher dann Zeit findet, wenn der Mann
an seiner Arbeitsstätte ist, und sie liest dann
das Interessanteste aus der Zeitung oder
auch anderes, was der Kriegsblinde Stunden
später am Lautsprecher abhört.
Aber damit sind die ergiebigsten Möglich-
keiten des Bandgerätes noch lange nicht er-
faßt, Möglichkeiten, die erst durch eine Hör-
bücherei und durch einen offiziellen, reich-
haltigen Leihverkehr erfüllt werden können
Bedauerlicherweise sind die vielfältigen Pro-
bleme um die Errichtung einer solchen Hör-
bücherei über ein Diskussionsstadium noch
nicht weit hinausgekommen, obwohl der
Bund der Kriegsblinden Deutschlands prä-
zise Vorschläge und Angebote gemacht hat.
Die Entscheidung des Ausschusses für Fra-
gen der Blindenhilfsmittel, dem auch Ver-
treter des Bundesinnenministeriums, der
Zivilbiinden und der Blindenlehranstalten
angehören, steht zur Stunde noch aus, und
auch wenn diese Entscheidung gefallen ist,
wird es noch Monate dauern müssen, bis
die erste Liste versandfertiger Bände vor-
gelegt werden kann.'
Bis dahin wollen aber die Besitzer von
Tonbandgeräten, deren Zahl täglich steigt,
nicht warten, und so scheint uns ein Vor-
schlag einer Kameradenfrau aus Duisburg,
Frau Ursula Sesink, sehr bemerkenswert.
Sie schreibt u. a.:
„Wir sind glückliche Besitzer eines Grun-
dig-Magnetophons (mein Mann findet die
Bedienung durch Tastatur sehr praktisch)
und suchen ein paar ebenso .wohlhabende'
Leute, die an einem Bandaustausch interes-
siert sind. Es kann sich dabei um Hörspiele
handeln, die wir hier nicht hören können
(also von den Sendern München, Frankfurt,
Stuttgart usw.), ganz besonders aber um
Bücher. Wenn eine Kameradenfrau ihrem
Mann etwas vorliest, so kann sie das doch
ohne viel Aufhebens oder Schwierigkeiten
gleich vor dem Mikrofon tun, um dem Mann
auf diese Weise eine eigene kleine Hör-
bibliothek zu schaffen. Wir lesen u. a. Ste-
fan Zweig, Romain Rolland, Andre Gide,
John Galsworthy, Hermann Hesse — jeden-
falls diese Ebene — , außerdem ebenso gern
Irmgard Keun, Sigrid Boo, Spoerl und Lud-
wig Thoma. Vielleicht haben andere Kame-
raden ähnliche Interessen, und wir könnten
Bände miteinander austauschen. Warum sol-
len die Bücher nur für einen einzigen ge-
lesen werden, wenn auch andere daran
Freude hätten?"
Ein solcher privater Austausch von Bän-
dern scheint uns als Notlösung, bevor die
Hörbücherei eingerichtet ist, recht günstig zu
sein, und die Schriftleitung ist gern bereit,
in der Zeitschrift Anschriften von
Kameraden anzugeben, die einen pri-
vaten Bandaustausch wünschen. Auch ist ein
gesprochener Briefwechsel
äußerst reizvoll, da ja ein Kamerad zum
andern fast so persönlich und nahe spricht,
als ob er ihm gegenüber am Tisch säße.
Da lassen sich menschliche und berufliche
Erfahrungen austauschen, und es läßt sich
ein Band der Kameradschaft auch zwischen
entlegensten Städten oder Landschaften
innig schließen. Vielleicht macht es manchem
Kameraden Freude, mit einem anderen glei-
chen Alters und gleicher Interessen in Ver-
bindung zu kommen. Die Schriftleitung ist
bereit, jeweils in einer bestimmten Rubrik
kurz die Namen und Anschriften solcher
Kameraden bekanntzugeben, die einen Aus-
tausch von Bändern, seien es Briefe oder
seien es gesprochene Bücher, wünschen. Das
Interessengebiet oder Beruf und Alter könn-
ten dabei angegeben werden.
Wer mitmachen will, schreibe kurz eine
Postkarte an die Schriftleitung „Der Kriegs-
blinde", Bielefeld, Stapenhorststraße 138.
Um es Frau Ursula Sesink zu ersparen,
daß sie 50 Zuschriften von Kameraden zu
beantworten hat, geben wir diese einzige
Anschrift heute noch nicht bekannt, sondern
empfehlen, an die Schriftleitung zu schreiben,
damit der Austauschwunsch von hoffentlich
sehr zahlreichen Kameraden im September-
heft bekanntgegeben werden kann. Zu-
schriften an Frau Sesink können aber an die
Schriftleitung eingesandt werden.
C^tuJ d&n -2Uz*z*^^rW'6u/4j£&n/
Aus Schleswig-Holstein
Landesverbandstag 1952
Es ist nun schon eine Selbstverständlich-
keit geworden, daß sich die Kameraden des
Landesverbandes Schleswig-Holstein in den
ersten Julitagen eines jeden Jahres zu einer
Jahreshauptversammlung zusammenfinden.
Es ist für die Kameraden immer ein großes
Erlebnis, wenn sie von der geleisteten Ar-
beit hören und dann im gegenseitigen Ge-
dankenaustausch die Sorgen des grauen All-
tags einmal abwerfen können.
Am Sonnabend, dem 5. Juli, hatten sich
wieder viele Kameraden mit ihren Frauen
in den Eichhof-Betrieben in Kiel eingefun-
den. Kurz nach 14 Uhr eröffnete der Landes-
verbandsleiter, Kamerad E g g e r s , die
Versammlung. Sein besonderer Gruß galt
unserem Bundesvorsitzenden, dem Kame-
raden Dr. P 1 e i n. In seiner Begrüßungs-
ansprache wies Kamerad Eggers besonders
auf den inneren Wert unserer Landesver-
bandstage hin und bat die Kameraden, nach
den Geschäfts- und Kassenberichten ihre
Wünsche und Anregungen vorzutragen. So-
dann erteilte er dem Kameraden Koebcke
zur Erstattung des Geschäftsberichtes das
Wort.
Zunächst gedachte Kamerad Koebcke un-
serer hochverehrten Bundesmutter, die nach
einem segensreichen Leben am 18. August
1951 für immer von uns gehen mußte. Wei-
ter wurde der verstorbenen Kameraden
Wegner, Hummel, Chrestin, Froh und Tramm
sowie der heimgerufenen Kameradenfrauen
und Kameradenwitwen gedacht.
Der Landesverband Schleswig-Holstein
hat 309 ordentliche Mitglieder, darunter 8
Kameradinnen. Ferner gehören ihm 11 Wit-
wen und 2 Vollwaisen an.
Zwei Hauptmomente, die die Verbands-
arbeit im vergangenen Berichtsjahre be-
herrscht haben, waren die Neugliederung
des Landesverbandes und die Entflechtung
der Firma „St. Georg", Gemeinnützige
Kriegsblinden-Arbeitsgemeinschaft für die
Länder Schleswig-Holstein und Hansestadt
Hamburg. Wie bereits in einem Artikel in
der Mai-Nummer unserer Bundeszeitschrift
näher dargelegt wurde, gliedert sich der
Landesverband nunmehr in die Bezirke Nord
(mit dem Sitz in Schleswig), Mitte (mit dem
Sitz in Kiel) und Süd (mit dem Sitz in
Lübeck). Die bisherigen Kreisgruppen sind
als Unterbezirke bestehen geblieben.
Nach der Entflechtung der St.-Georg-
Kriegsblinden-Arbeitsgemeinschaft ist nun-
mehr der Bund der Kriegsblinden Deutsch-
lands e. V. der alleinige Gesellschafter. Ge-
tragen wird die Gesellschaft von den Lan-
desverbänden Schleswig-Holstein zu vier
Fünfteln und Hamburg zu einem Fünftel.
Als Bevollmächtigte der Landesverbände
fungieren die Kameraden .Woscheck in
Krempe (Holstein), Klamann in Bad Oldes-
loe (Holstein) und Collasius in Hamburg.
8
Der Aufsichtsrat der Gesellschaft, der am
3. Juli 1952 in Hamburg seine konstituierende
Versammlung abgehalten hat, besteht aus
sieben Mitgliedern. Es sind dies drei sehende
Wirtschaftler, ein Vertreter des Landesver-
bandes Schleswig-Holstein und drei der Ge-
sellschaft angeschlossene kriegsblinde Hand-
werker. Den Vorsitz hat Herr Dr. Hempfing
aus Kiel übernommen. Sein Vertreter ist
Herr Regierungsrat Dipl.-Ing. Bartel vom
Landesministerium für Wirtschaft und Ver-
kehr, Abt. Handwerk, in Kiel. Ferner wird
Herr von Dietlein, der Besitzer und Direktor
einer größeren Werft in Hamburg, die In-
teressen der Gesellschaft in den Hamburger
Wirtschaftskreisen vertreten. Vertreter des
Landesverbandes Schleswig-Holstein und
Sprecher der kriegsblinden Mitglieder des
Aufsichtsrates ist der Kamerad Koebcke.
Schließlich gehören die Kameraden Hans
Christiansen aus Timmendorfer Strand und
Fritz Schüler aus Lübeck dem Aufsichtsrat
an. Ein dritter Kamerad aus dem Kreise der
Handwerker wird noch nominiert werden.
Kamerad Voigt bleibt auch weiterhin Ge-
schäftsführer der Gesellschaft. Durch geeig-
nete Maßnahmen soll und muß erreicht wer-
den, die beteiligten Kameraden voll be-
schäftigen zu können.
Im abgelaufenen Berichtsjahr war es wie-
derum möglich, mehreren Kameraden einen
geeigneten Arbeitsplatz zu verschaffen. Der
Kreis der Kameraden, die arbeiten wollen,
aber nicht können, hat sich dadurch erheb-
lich verkleinert. Auch in der Siedlungs- und
Wohnungsfürsorge konnte vielen Kame-
raden geholfen werden. 35 Kameraden heben
im vergangenen Jahre ihr Eigenheim
beziehen können. Dennoch müssen sich im-
mer noch etwa 30 Kameraden mit Notunter-
künften begnügen.
In unermüdlicher Kleinarbeit und im eng-
sten Einvernehmen mit der Hauptfürsorge-
stelle, den Dienststellen und der Industrie
konnte viel erreicht werden. Aber allen
Kameraden, die der Betreuung bedürfen, zu
helfen, ist und bleibt stets die vornehmste
Aufgabe der führenden Kameraden unseres
Bundes, die sich mit Lust und Liebe und
ihrem ganzen Sein in den Dienst der Kame-
radschaft gestellt haben.
In Abwesenheit des Schatzmeisters wurde
der Kassenbericht und anschließend ein Be-
richt über Verwaltung und Stand des Sozial-
fonds der Sammlungen für das Blindenwesen
verlesen. Die Berichte wurden angenommen,
und es wurde dem Vorstand Entlastung er-
teilt.
Nachdem aus dem Kreise der Kameraden
verschiedene Fragen gestellt und Anregun-
gen vorgetragen worden waren, ergriff der
Bundesvorsitzende, Kamerad Dr. Plein,
das Wort. Er nahm zu vielen interessieren-
den Problemen Stellung und erörterte Fra-
gen der Versorgung, des Ausweiswesens
und der Arbeitsbeschaffung. Sodann umriß
er in sehr eindringlicher Weise den Begriff
der Kameradschaft und' forderte die Kame-
raden auf, nicht durch unsachliche Kritik,
sondern durch Aktivität ihre Verbundenheit
zu beweisen.
Um 18 Uhr konnte Kamerad Eggers als
Gäste den Vorsitzenden des 26. Ausschusses,
Minister a. D. Pohle (MdB), den Lei-
ter des Landesversorgungsamtes, den Präsi-
denten Dr. Hoevermann sowie Vertre-
ter der Landesregierung, des Landesarbeits-
amtes, der Hauptfürsorgestelle usw. begrü-
ßen. Kamerad Plein dankte den Gästen für
ihr Erscheinen und umriß mit eindrucksvol-
len Worten die Belange der Kriegsblinden.
Sodann überbrachten die Gäste ihre Grüße
und guten Wünsche und legten in kurzen
Referaten, die starken Beifall fanden, die
Verbundenheit der Dienststellen mit den
Kriegsopfern dar.
Nach dem gemeinsamen Essen trat der
gesellige Teil in seine Rechte und hielt die
Kameraden bei Musik, Tanz und Plaudereien
bis zu den frühen Morgenstunden beisammen.
H. K.
Paul Tramm gestorben
Kamerad Paul Tramm aus Friedrichsstadt
(Eider), Gründer des jetzigen Landesver-
bandes Schleswig-Holstein und
Ehrenmitglied unseres Bundes, ist am 1. Juli
1952 in seinem Heim einem Herzschlage er-
legen. Wir bedauern den Verlust eines Ka-
meraden, der sich einmal die Aufgabe ge-
stellt hatte, zum Wohle seiner kriegsblinden
Kameraden zu schaffen und zu wirken.
Als auf einer Kriegsblindentagung in Gü-
strow (Mecklenburg) im August 1919 der
Bezirk Mecklenburg-Holstein im „Bund er-
blindeter Krieger" ins Leben gerufen wor-
den war, wurde unser Kamerad Paul Tramm
zum Vertrauensmann für die Provinz Schles-
wig-Holstein bestellt. Seiner unermüdlichen
Werbetätigkeit war es zu verdanken, daß
die Zahl der in Schleswig-Holstein wohnen-
den Mitglieder in wenigen Monaten von 2
auf 58 gestiegen war. Bereits am 2. März 1920
konnte im Hause der Inneren Mission in
Neumünster die Gründung eines selbstän-
digen Bezirkes Schleswig-Holstein erfolgen.
Kamerad Tramm wurde zum ersten Bezirks-
leiter gewählt. Aber damit war seine Auf-
gabe nicht erfüllt; jetzt galt es, eine inten-
sive Betreuung der Kameraden zu organisie-
ren und zu gewährleisten. Im Jahre 1926
zwang ihn sein angegriffener Gesundheits-
zustand, sich von jeder weiteren Tätigkeit
zurückzuziehen. Dennoch hatte er sich noch
mehrere Jahre als Schriftführer der Bezirks-
gruppe zur Verfügung gestellt.
In Würdigung seiner großen Verdienste
zum Wohle unserer Kameraden wurde der
nunmehr Verstorbene auf dem Landesver-
bandstag in Kiel am 1. Juli 1950 zum Ehren-
mitglied unseres Bundes ernannt.
Sein Wunsch, den Lebensabend in einem
eigenen Häuschen verbringen zu'können, ist
zwar in Erfüllung gegangen, doch war ihm
diese Freude nur wenige Tage vergönnt.
In unseren Reihen wird er unvergessen
bleiben!
Die ungewöhnlich große Beteiligung bei
den Bestattungsfeierlichkeiten hat auf alle
Teilnehmer einen tiefen, unvergeßlichen Ein-
druck gemacht. Es war ein Zeichen dafür,
wieviel Achtung, Verehrung, Dankbarkeit
und Liebe sich der Verstorbene in den weni-
gen Jahren seines Aufenthalts in Friedrich-
stadt nach seinem Fortzug von Kiel erwor-
ben hat. In dem von Kränzen überreich ge-
schmückten Gotteshause hatten Fahnenabord-
nungen neben dem Sarge Aufstellung ge-
nommen. In mehreren Verbänden hatte Paul
Tramm zum Vorstand gehört. So sagte der
,
Geistliche mit Recht: „Es trauert eine ganze
Stadt."
Auf dem Friedhof wurden dann von den
Organisationen, denen der Verstorbene an-
gehört hatte und in denen er so segensreich
gewirkt hatte, Kränze niedergelegt mit Wor-
ten des Dankes und der Verehrung für den
Toten. Der Landesverband Schleswig-Hol-
stein hatte unseren Kameraden Jungjohann
beauftragt, in seinem Namen den toten
Kameraden zu ehren. Er sagte u. a.:
„Du hast nicht kapituliert, nicht resigniert.
Du hast alle Beschwerden und Vorurteile
überwunden und dein Ziel erreicht. Du wur-
dest Lehrer, zuletzt auch mein Mitarbeiter
an der Landesblindenschule in Kiel. Hier
hast du mit großer Treue den Blinden ge-
dient. Du hast die kriegsblinden Kameraden
zusammengerufen, Du hast eine Familie ge-
gründet und dir ein Eigenheim gebaut. Du
hast mitgeholfen an der Verbesserung der
Blindenstenografie. Dem Turnverein deines
Ortsteils hast du als Schriftwart gedient und
während des Krieges den etwa 250 Turnern,
die im Felde standen, die Feldpostbriefe be-
antwortet und die Päckchen an die Front ge-
sandt. Und wir sind Zeugen, wie du auch
hier in der neuen Heimat, wo du ein neues
Heim soeben vollendet, da das in Kiel von
Bomben zerstört worden war, wieder im
Dienst für andere gelebt bis dein krankes
Herz stillstand.
So sollst du vor uns und vor allen stehen
als leuchtendes Vorbild, namentlich für die
Kleinmütigen und Verzagenden. Du hast be-
wiesen, daß du ein schweres Schicksal ge-
meistert hast."
Kriegsblinden-Siedlung in Nürnberg
In Nürnberg finden 14 Kriegsblinde eine
schöne Wohnung und mehr als das, ein
wirkliches Heim mit einem Gartenland von
jeweils etwa 500 Quadratmetern. Fünf zwei-
geschossige Häuser sind entstanden, die
außer den 14 Familien der Kriegsblinden
weitere 14 Familien, meist Flüchtlinge und
Ausgebombte, in Einliegerwohnungen auf-
nehmen werden. Eigentümer werden die 14
kriegsblinden Siedler.
Der Bezirk Mittelfranken im Bund der
Kriegsblinden Deutschlands hat mit dem
Aufbau dieser Siedlung eine bemerkenswerte
und außerordentliche Leistung vollbracht. Er
ging gemeinsam mit der Landeswohnungs-
fürsorge Bayern GmbH, vor, die während
des Aufbaues der Bauträger ist. In diesen
Wochen, nach Fertigstellung der Häuser und
nach erfolgter Abrechnung, gehen die Häuser
in das Eigentum der Kriegsblinden über. Die
Kriegsblinden selbst haben durchweg von
der Möglichkeit einer Kapitalisierung ihrer
Rente Gebrauch gemacht.
Die Wohnungen enthalten zwei geräumige
Zimmer zu rund 16 qm sowie Küche, Bad,
Speisekammer und kleine Garderobe. Dazu
kommen noch Kellerräume und Bodenraum,
der jedoch nicht zum Ausbau vorgesehen
ist. Es besteht die berechtigte Aussicht, daß
es dem Bezirk Mittelfranken gelingt, dieses
Siedlungsunternehmen mit dem Erwerb wei-
terer Bauplätze noch zu erweitern. Die Sied-
lung entstand übrigens auf dem Gelände der
ehemaligen „KdF" - Stadt der Nürnberger
Reichsparteitage.
Kriegsblindentreffen mit
Dichterlesung
Vorbildliche Tagungen in Rheinland-Pfalz
In den letzten Wochen fanden in den Be-
zirken des Landesverbandes Rheinland-Pfalz
verschiedene bemerkenswerte Tagungen statt,
so in Mainz (hier konnte neben dem Lan-
desverbandsleiter durch Zufall auch der
Schriftleiter unserer Zeitschrift teilnehmen),
in Neustadt an der Weinstraße, wo sich die
Kameraden des Bezirks Pfalz trafen, zu
denen auch der Bundesvorsitzende Dr. Plein
sprach, und im Bezirk Trier, wo die
Kameraden zu einem besonders festlichen
Tag im Dorfe Mehring zusammenkamen.
Freundliche Winzermädchen empfingen die
Kriegsblinden bereits am Bahnhof und ge-
leiteten sie zur Kaffeetafel. Auch hier war
Dr. Plein zugegen, ebenso der Landesver-
bandsvorsitzende Kam. Neil. Kam. Rzegotta
konnte bei der offiziellen Abendveranstal-
tung viele hervorragende Gäste als Vertre-
ter der Behörden begrüßen. Außer vielerlei
ernsten Ansprachen beeindruckte auch das
künstlerische Programm mit Vorträgen,
Volkstänzen, Musik und Gesang die Teil-
nehmer ungewöhnlich. Der wirklich festliche
Abend wurde durch einen Tanz beschlossen.
Besonders vorbildlich war die Gestaltung
einer Tagung in Koblenz. Der Bezirks-
leiter, Kam. Pung, konnte als Gäste die Ver-
treter der Hauptfürsorgestelle, des Landes-
versorgungsamtes, des Regierungspräsiden-
ten, der orth. Versorgungsstelle, des Ober-
bürgermeisters und der Oberpostdirektion
begrüßen. Der Bundesvorsitzende, Kam. Dr.
Plein, widmete sich in seiner Ansprache ins-
besondere den Fragen des Arbeitseinsatzes
und des Schwerbeschädigtengesetzes. Am
Nachmittag sprach der kriegsblinde Pfarrer
Kreutz aus Mayen zu seinen Kameraden.
Was dieser schönen Veranstaltung aber
die ganz besondere Note gab und was sie
so vorbildlich macht für ähnliche Veranstal-
tungen in Nord und Süd, das war eine
Dichterlesung. Jakob Kneip, einer der
angesehensten und bedeutendsten deutschen
Dichter, ein Heimatdichter, der weit über
seine Heimat hinaus verehrt und angesehen
ist, las aus seinen Werken vor. Trotz glü-
hendster Hitze war der Festsaal bis auf den
letzten Platz gefüllt, und selten wird ein
Dichter eine aufmerksamere und dankbarere
Hörerschaft gefunden haben. Der kleine,
kernige Mann am Rednerpult mit dem güti-
gen Lächeln hatte aber auch den rechten Ton,
der gerade Kriegsblinden gegenüber not-
Die Nürnberger Kriegsblinden-Siedlung
Dank an die Deutsche Hilfsgemeinschaft
Dieses Foto schickien uns Hamburger Kame-
raden, die zur Zeit in unserem Kur- und Er-
holungsheim Braunlage weilen. Es zeigt ihre
Kinder bei begeistertem Spiel auf der neuen
Wippe, die seit kurzem zu den neuesten Errungen-
schalten des Heimes gehört. Unsere Kameraden
aber ruhen sich aul neuen Liegestühlen aus und
genießen die reine Harzluit. Diese Wippe und
drei Liegestühle sowie viele schöne Bücher und
Spiele wurden von der Deutschen Hilisgemein-
schait Hamburg unserem Heim gestiitet. Dafür sei
dem Geschäftsführer, Herrn Dove, an dieser Stelle
besonders gedankt. Landesverband Hamburg
wendig ist: eine unpathetische Einfachheit,
'die tiefe Weisheit mit einem ursprünglichen
Humor verbindet. So war die Hitze bald
vergessen und dankbares Beifallslachen
unterbrach oft den Dichter, besonders bei der
Lesung aus seinem berühmten Hunsrück-
Roman „Hampit, der Jäger". Aber auch die
besinnlichen Gedichte und die ernste, in
Sprache und Gestaltung visionäre Skizze
aus seinem Roman „Licht in der Finsternis"
wurden von den Kriegsblinden verstanden
und zutiefst nacherlebt. Dr. Plein dankte dem
Dichter in bewegten Worten.
Ob nicht manche Bezirke diesem Beispiel
des Bezirks Koblenz/Montabaur folgen kön-
nen? Die Kameraden würden für solche Be-
reicherungen eines Tagungsprogramms be-
stimmt sehr dankbar sein.
Warum immer mit Omnibus?
In Ulm macht man's besser
Mehrere wohlgelungene Veranstaltungen
vereinigten unsere Ulmer Kameraden. So
ging es am 10. Mai mit Frauen und Kindern
nach dem herrlich im Walde gelegenen
Obertalfingen, und zwar zu Fuß! Dieser ge-
meinsame Nachmittagsspaziergang durch
Wiesen und Wald — eine Stunde Weges
war zurückzulegen — war für alle Teil-
nehmer eine große Freude. Nur jene Kame-
raden, die nicht so gut zu Fuß sind, erreich-
ten das gesteckte Ziel mit dem Omnibus.
Diese kleine Wanderung hatte alle Teilneh-
mer rasch in die früheste Stimmung gebracht,
und als der Wirt, Herr Strobel, noch mit
einer Weinspende aufwartete, da wurde es
so gemütlich, daß man sich erst in später
Stunde zum Aufbruch entschloß — und dies-
mal allgemein im Omnibus. Es waren heitere,
unbeschwerte Stunden.
Etwas Besonderes kennzeichnete auch eine
Veranstaltung am 12. Juli. Hier trafen sich
die Ulmer Kameraden mit denen aus Hei-
denheim, und zwar in Heidenheim. Vom
Landesverbandsvorstand hatte sich auch Kam.
Kurt Krauß aus Stuttgart mit Frau und Kind
eingefunden. Solche kameradschaftlichen Zu-
sammenkünfte haben den Vorzug, daß man
sich über Dinge unterhalten kann, zu denen
9
die offiziellen Versammlungen keine Zeit
lassen. Hier lernen sich die Kameraden und
ihre Angehörigen wirklich kennen und ver-
stehen, und alles, was den einzelnen bewegt,
kann zur Sprache kommen. Deshalb ist es
überaus bedauerlich, daß an diesen weniger
offiziellen Zusammenkünften mitunter die
Teilnehmerzahl enttäuscht. Kameraden und
Kameradenfrauen, die nicht teilnehmen, las-
sen sich wirklich etwas entgehen. K. N.
Viel Spaß trotz großer Hitze
Sommerfest des Bezirks Düsseldorf
Die sommerliche Temperatur war auf un-
geahnte Grade geklettert, als sich am 2. Juli
in dem schönen Gartenlokal Kolvenbach am
Stoffeler Kapellenweg schon recht früh eine
Schar frohgestimmter Menschen mit vielen
Kindern zusammenfand, um das traditionelle
Sommerfest zu begehen. Der Vorsitzende,
Kam. Jakob Lohmann, konnte bei seinen
Begrüßungsworten mit Befriedigung fest-
stellen, daß weitaus der größte Teil der
Mitglieder der Einladung gefolgt war. Nach
dem gemeinschaftlichen Kaffeetrinken ent-
führten vier Helferinnen des Kindergartens
Gerresheim unter Leitung von Frau Wald-
schmidt, die sich unentgeltlich zur Verfügung
gestellt hatten, die anwesenden Kinder in
den Garten, wo fröhliche Spiele mit Preis-
verteilungen sie bis in die späten Abend-
stunden festhielten. Für die Frauen war. ein
Berliner-Ballen-Essen vorgesehen, an dem
sich alle gerne beteiligten, denn es hatte sich
rundgesprochen, daß man eine Bohnen-
k ö n i g i n ermitteln wollte. Die Ehrung, die
Kam. Lohmann mit launigen Worten vor-
nahm, wurde einer Witwe zuteil, der man
den Preis — einen großen Karton Pralinen —
gerne gönnte. Für die weitere Unterhaltung
sorgte ein Preiskegeln der Männer sowie ein
Preisschießen der Frauen. Die Hauskapelle
sorgte unermüdlich für stimmungsvolle Mu-
sik. Als der Abend nahte, kündigte ein Tusch
eine Überraschung an. Herr Kurt Großkurth,
allen Düsseldorfern bestens bekannt, hatte
sich eingefunden, um mit seinem Witz und
seiner sprühenden Vortragskunst die An-
wesenden für eine halbe Stunde ins Reich
des Lachens zu entführen. Nach nicht enden-
wollendem Beifall dankte der Vorsitzende
Herrn Großkurth für seine uneigennützige
Mitwirkung auf das herzlichste. Er wünschte
dem von Düsseldorf Scheidenden für seine
weitere Künstlerlaufbahn in München besten
Erfolg. Der Abend, der endlich ein wenig
Kühlung brachte, sah noch für einige Stun-
den frohe Paare sich im Tanze drehen. Es
war schön an diesem Nachmittag und Abend,
wenn auch der Himmel zuviel seines som-
merlichen Segens gespendet hatte.
Franz Buchholz gestorben
Kameraden der alten und der neuen Heimat
trauern
Am 26. Juli 1952 erhielten die Kameraden
des Bezirks West-Hannover die erschütternde
Nachricht vom plötzlichen Tode unseres lie-
ben Kameraden, des Bezirksleiters
Franz Buchholz (Hameln). Wir alle
wissen, was wir an ihm verloren haben.
PERSÖNLICHES
Ehrentage
Unser Kamerad Martin Gerber, Frank-
furt-Griesheim, Bayerstraße 9, wurde am
8. 6. 1952 80 Jahre alt.
Unser Kamerad Dr. Hubert Knapp und
seine Frau Maria, geb. Weyland, Wuppertal-
Elberfeld, Katernberger Straße 235, begingen
am 8. Juli 1952 das Fest der Silberhochzeit.
Vermählungen
Kam. Franz Wittkowski, Dissen (TW),
Stievenstraße 11, hat am 3. Juli Frl. There-
sia Garthoff geheiratet.
Kam. Oskar Teichert, Wuppertal-Lan-
gerfeld, Dieckerhofstr. 13, und Frl. Johanna
Charlotte Biskupek, haben am 13. 6. die Ehe
geschlossen.
Unser Kamerad Erwin Schulmeister
und Frau Edith, geb. Abraham, geben ihre
Vermählung bekannt (5. 7. 1952).
Geburten
Unserem Kameraden Karl Nagy, Dies-
sen/A., Neudiessen, Siedlungsbau, wurde am
12. 4. 1952 eine Tochter Angelika Viktoria
geboren.
Unserem Kameraden Heinrich M e n t z e l
und seiner Ehefrau, Köln-Weidenpesch,
Oldenburger Straße 19, wurde am 6. 7. 1952
das zweite Kind, Monika Birgit, geboren.
Unserem Kameraden Willy S t ä n g 1 e und
seiner Frau Irene, Mähringen bei Ulm, wurde
am 13. 6. 1952 als erstes Kind ein Töchterchen
„Korneli" geschenkt.
Seine umfangreiche Erfahrung in der Betreu-
ungsarbeit der kriegsblinden Kameraden des
ersten und zweiten Weltkrieges ist uns allen
zugute gekommen.
Mit 19 Jahren verlor Kamerad Buchholz
im Jahre 1916 sein Augenlicht. Seit der
Gründung des Bundes erblindeter Krieger
war er dessen Mitglied. Als Schriftführer
stellte er bereits 1919 seine ganze Kraft den
ostpreußischen Kameraden zur
Verfügung. Schon damals stand ihm seine
treue Lebenskameradin, die er 1920 heiratete,
hilfreich zur Seite. Trotz seines Antritts als
Beamtenanwärter beim Oberlandesgericht
Königsberg und der späteren Beförderung
zum Justizsekretär führte er als Leiter des
Bezirks Ostpreußen die Betreuung aller dort
ansässigen Kameraden durch. Er und seine
treue Frau Helene gewannen bald die Her-
zen aller.
Bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges''
führte er neben seinen beruflichen Ver-
pflichtungen und der bisherigen Betreuungs-'
arbeit noch zusätzlich die Lazarettbetreuung
durch. Franz Buchholz hat seinen jungen
Kameraden in den Wochen und Monaten der
Verzweiflung zur Seite gestanden und ihnen
eine innere Stütze gegeben.
Der Zusammenbruch im Jahre 1945 führte
auch ihn an der Seite seiner treuen Frau auf
die Straße des Schreckens. Sein Fluchtweg
führte ihn von Königsberg über Stettin,
Rathenow, Neue Schleuse zunächst nach
Halle an der Saale. In Neue Schleuse ver-
lebte das zusammengeschmiedete Ehepaar
seine Silberhochzeit. In Halle nahm er an
einem Stenografenlehrgang teil. Bei 25 Grad
Kälte im Zimmer war ein Lernen unmöglich.
So packten die Eheleute Buchholz ihre Hab-
seligkeiten zusammen und kamen im Sep-
tember 1948 nach Hameln, wo sie im Ge-
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10
melnsdiaftslager Aufnahme fanden. Hier
nahm er sofort Verbindung mit dem da-
maligen „St. Georg" auf und stellte bei
Gründung des Bezirks West-Hannover seine
Kraft und Erfahrungen, als zweiter Vor-
sitzender zur Verfügung. Kurze Zeit später
übernahm er die Leitung des Bezirks, nach-
dem der damalige Vorsitzende versagt hatte.
Sein Können und sein tatkräftiger Einsatz
verhalfen dem Bezirk nach ganz kurzer Zeit
wieder auf die Beine. Aus einem Nichts ent-
stand wirklich ein blühendes Etwas. Seine
Pläne waren auch für die nächsten Jahre
geschmiedet, aber Franz Buchholz kann sie
selbst nicht mehr ausführen.
Noch einmal scharten sich um ihn die
Kameraden seines Bezirks am 30. Juli, um
ihm das letzte Geleit zu geben. Neben dem
Leiter des Landesverbandes Niedersachsen,
Kamerad Bierwerth, erschienen zahlreiche
Kameraden aus anderen Bezirken, die ihn
von früher her kannten. Nach der Trauer-
feier wurde Franz Buchholz unter dem Geleit
seiner tief trauernden Gattin und seiner
Kameraden zur letzten Ruhestätte überführt.
Die außergewöhnlich große Zahl von Krän-
zen und Blumen ließ erkennen, wie beliebt
unser Franz bei allen war. Neben anderen
Kameraden würdigte Kamerad Bierwerth an
seinem Grabe noch einmal die Verdienste,
die er sich bei seiner fürsorgerischen Tätig-
keit erwarb. Er sprach der Gattin des Ent-
schlafenen Trost und versicherte ihr, daß sie
nicht verlassen sei. Vertreter des Deutschen
Beamtenbundes und des Reichsbundes nah-
men ebenfalls Abschied. Mit dem Liede vom
guten Kameraden verabschiedeten sich alle
Kameraden zum letzten Male von Franz
Buchholz. H. A.
ES STARBEN:
LANDESVERBAND BAYERN
Bonnetsmüller, Johann, Egmating bei
Ebersberg vor München, geb. am 17. 2.
1880, gest. am 8. 4. 1952.
Tremmel, Matthias, Rosenheim/Obb.,
! Schöhfeldstr. 10, geb. am 20. 12. 1883, gest.
j am 5. 6. 1952.
Lang, Philipp, München 42, Flotowsfr. 30/2,
j geb. am 23. 12. 1891, gest. am 23. 7. 1952.
LANDESVERBAND HESSEN
Gauterin, Robert, Friedrichsdorf/Ts.,
Landgraf-Friedrich-Straße 16, gest. am
25. 5. 1952.
Schmerbach, Christoph, Eschwege, Beet-
. hovenstraße 19, gest. am 25. 5. 1952.
Die Ehefrau unseres Kameraden Karl M o s -
ser, Oifenbach-Bieber, Frankfurter Grund
\ Nr. 18, gest. am 14. 3. 1952.
LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN
Buchholz, Franz, Hameln/ Weser, Goethe-
straße 14, geb. am 19. 12. 1897, gest. am
26. 7. 1952.
LANDESVERBAND SCHLESWIG-HOLSTEIN
Froh, Ludwig, Delingsdorf, gest. am 29. 6.
1952.
T r a m m , Pauli Friedrichstadt, gest. am
1. 7. 1952.
LANDESVERBAND WESTFALEN
Gerlach, Josef, Dortmund-Hörde, Am
Marksbach 12, gest. am 8. 7. 1952 im Alter
von 66 Jahren.
WÜRTTEMBERG-NORDBADEN
P e t r e c k , Hermann, Calw/Württ, Frauen-
waldstraße 24, geb. am 7. 1. 1888, gest.
am 23. 7. 1952.
MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUHEN!
Unsere Sportmeisterschaft
Die besten kriegsblinden Sportler gesucht! Wer macht mit?
Im Einvernehmen mit unserer Bundes-
leitung will die Zeitschrift „Der Kriegs-
blinde" die besten kriegsblinden Sportler
ermitteln. Für jeden der unten genannten
Einzelkämpfe werden die drei besten
Leistungen ermittelt und in der Zeitschrift
bekanntgegeben. Wir Kriegsblinden wollen
damit der Öffentlichkeit zeigen, daß wir
nicht Trübsal blasend hinterm Ofen hocken,
und wir wollen möglichst viele Kameraden
dazu ermutigen, Sport zu treiben. Es geht
dabei keineswegs um Höchstleistungen, so
daß auch ungeübtere Sportler getrost mit-
machen können. Da sich leider bisher nicht
viel Kameraden gemeldet haben, dürften
auch die ungeübteren eine Chance haben.
Folgende Wettkämpfe werden
ausgeschrieben:
1. Schwimmen: a) 50 m beliebig;
b) 300 m Brust.
2. Laufen: a) 100 m; b) 400m,- c) 3000 m;
d) 5000 m.
3. Springen: a) Weitsprung aus dem
Stand; b) Hochsprung aus dem Stand (seit-
lich gilt nur ein Absprungschritt).
4. W e r f e n : a) Kugelstoßen bestarmig;
b) Steinstoßen beidarmig.
Die Wertung erfolgt in drei Klassen:
Klasse 1: bis 32 Jahren; Klasse 2: bis
40 Jahren; Klasse 3: über 40 Jahre.
Die Leistungen sind am Heimatort (oder
am Ferienort) eines jeden Teilnehmers vor
prüfungsberechtigten Abnehmern für das
Bundessportabzeicheh (zwei Unterschriften)
abzulegen. Die Bescheinigung über die
Leistung ist so abzusenden, daß sie
spätestens am 30. September 1952 in den
Händen der Schriftleitung ist. Die Einsen-
dung hat zu erfolgen an: Schriftleitung „Der
Kriegsblinde", Bielefeld, Stapenhorststr. 138.
Die Bundesleitung behält sich vor, auf
Grund der üblichen Punktbewertung von
jenen Kameraden, die sich an mindestens
drei Übungen beteiligen, den besten kriegs-
blinden Sportler überhaupt, und zwar für
jede Altersklasse, festzustellen. Bei Kriegs-
blinden, die in Blindenanstalten oder Um-
schulungsheimen zur Ausbildung sind,
genügt die Bescheinigung der Leistung durch
zwei sehende Lehrkräfte, soweit ihnen offi-
ziell die Befähigung zur Erteilung von Sport-
unterricht zugesprochen worden ist.
In besonders gelagerten Fällen können
nach Rückfrage bei der Schriftleitung Aus-
nahmen gemacht werden, wenn die Sicher-
heit für eine fachgerechte und zuverlässige
Bescheinigung der Leistung besteht.
Es wird bei genügender Beteiligung eine
vierte Leistungsklasse für Jugendliche
unter 16 Jahren eingerichtet.
Bei Einsendung der Leistungsbescheini-
gungen bitte das Geburtsdatum
angeben!
Versehrtensport als Heilmaßnahme
Vom Bundesminister für Arbeit anerkannt
Im Bundesarbeitsblatt (Nr. 6/52) ist ein
Erlaß von Bundesarbeitsminister Anton
Storch, gerichtet an die obersten Arbeits-
behörden der Länder, zu finden, mit dem der
Versehrtensport als Heilmaßnahme aner-
kannt wird. Es heißt dort u. a.:
„Auf die Bedeutung, die dem Versehrten-
sport im Rahmen der Heilbehandlung nach
dem Bundesversorgungsgesetz zukommt, habe
ich bereits wiederholt hingewiesen. Ver-
sehrtensport und Krankengymnastik sind als
funktionelle Nachbehandlungsmaßnahmen im
Sinne der §§ 11, 14 und 26 des BVG anzu-
sehen. .Der Versehrtensport ist geeignet,
durch zweckmäßige, auf. Versehrte abge-
stimmte Übungen einen Ausgleich für Glied-
verlust oder Körperbehinderung zu geben,
die Standfestigkeit, körperliche Gewandtheit
und die Kreislauftätigkeit zu fördern sowie
einem unerwünschten Übergewicht entgegen-
zuwirken. Versehrtensport ist demnach Aus-
gleichssport; als Leistungssport ist er abzu-
lehnen, da unzweckmäßige Überlastung zu
späteren Körperschäden führen kann. Ver-
sehrtensport ist als .ergänzende Heilbehand-
lungsmaßnahme' dann anzusehen, wenn er
im Rahmen eines Kur- oder sonstigen Kran-
kenaufenthaltes nach Verordnung des be-
handelnden Arztes unter ärztlicher Aufsicht
ausgeübt wird und zu anderen Behandlungs-
maßnahmen zutritt. Mit zunehmendem Ge-
schick und wachsender Kraft sollen die Be-
schädigten außerdem über Hemmungen und
Minderwertigkeitsgefühle hinwegkommen;
insofern ist die Auswirkung des Versehrten-
sportes von besonderem Wert für die Psyche
und damit für die Einstellung zum Leben.
Dieser Auffassung stimmte auch' der Beirat
für Versorgungsrecht am 28. 4. 1951 zu."
Der Bundesarbeitsminister weist sodann
auf die Leitsätze des 5. Weltkongresses für
Nachruf
Nach kurzer schwerer Krankheit entschlief am 26. 7. 1952 in Hameln a. d. Weser
unser lieber Kamerad
Franz Buchholz
Leiter des Bezirks West-Hannover, im Alter von 55 Jahren.
Mit anderen Kameraden baute er nach dem ersten Weltkrieg in seiner Heimat
Ostpreußen den Bezirk Ostpreußen des Bundes erblindeter Krieger auf- Bis 1945
gehörte er als Schriftführer dieser Organisation an. Der Wille, den Kameraden zu
helfen, führte ihn auch in seiner neuen Heimat Niedersachsen gar bald'wieder der
Schicksalsgemeinschaft zu. Das Vertrauen seiner Kameraden berief ihn zum 2. Vor-
sitzenden und vor 2 Jahren übernahm er die Führung des Bezirks West-Hannover.
Mit Franz Buchholz wurde uns ein Kamerad genommen, der die Treue für die
Kameraden und zur Schicksalsgemeinschaft über alles stellte. Mit der Witwe
trauern um ihn die Kameraden der alten und neuen Heimat. Mit der gleichen Treue
standen auch die Mitglieder seines Bezirks zu ihm. Der Landesverband Nieder-
sachsen dankt dem Entschlafenen für die Treue und versichert, daß sein Leben
und Wirken Vorbild und Verpflichtung zugleich sein wird.
Bezirk W e s t - H a n n o v e r
Horst Adomat
2. Vorsitzender
Landesverband Ni e d e r s ac hs e n
Albert Bierwerth
1. Vorsitzender
11
internationale Krüppelwohlfahrt in Stock-
holm (September 1951) hin:
„1. Nicht was der Beschädigte verloren hat,
ist wichtig, sondern was ihm erhalten
blieb.
2. Nicht auf den Körperschaden, sondern
auf die verbliebene Leistungsfähig-
keit muß geblickt werden.
3. Es gibt mehr Dinge, in denen sich der
Beschädigte und der Nichtbeschädigte
ähneln, als unterscheiden."
Es wird in dem Erlaß als notwendig be-
zeichnet, den Versehrtensport mit allem
Nachdruck auch innerhalb der Versorgungs-
dienststellen, insbesondere bei den ortho-
pädischen Versorgungsstellen, in den Ver-
sorgungskrankenhäusern und Gehschulen in
verstärktem Maße zu fördern.
Akten früherer Versorgungsämter
Dem Bundesarbeitsblatt (Nr. 6/1952) ist zu
entnehmen, daß vom Versorgungsamt I Ber-
lin in einem besonderen Versorgungsarchiv
in Berlin-Schöneberg, General-Pape-Straße,
Haus 15, u. a. folgende Versorgungsunter-
lagen aufbewahrt werden: Neben 100 000
Rentenakten der ehemaligen Versorgungs-
ämter I — IV Berlin rund 56 000 Karteikarten
der ehemaligen Versorgungsämter B r e s -
1 a u I und L i e g n i t z, über 10 000 Pensions-
akten der ehem. Offiziere und Beamten sowie
deren Hinterbliebenen, die ihren Wohnsitz
in Berlin oder in der Provinz Branden-
burg hatten, über 6000 Akten ehem. Führer
des Reichsarbeitsdienstes und deren Hinter-
bliebenen, die ihre Bezüge vom Versorgungs-
amt IV erhielten, und 2500 Personalakten
der Beamten, Angestellten und Arbeiter im
Bereich des ehemaligen Hauptversorgungs-
amtes Brandenburg-Pommern.
Vielleicht kann dieser Hinweis einigen
unserer Kameraden von Nutzen sein.
Wichtig für Vertriebene
Heimatortskarteien
Die Zentralstelle der Heimatortskarteien
in München, in der sämtliche Heimatorts-
karteien im Bundesgebiet zusammengefaßt
sind, hat jetzt die neuen Anschriften der
Heimatortskarteien bekanntgegeben, ' bei
denen die Adressen der Heimatvertriebenen
gesammelt werden.
Für Oberschlesien: Passau, Innbrückgasse 9;
für Niederschlesien: Bamberg, Obere Kö-
nigstraße 4;
für Groß-Breslau: Cham, Steinmarkt 10-,
für Sudetendeutsche: Regensburg, Von-der-
Tann-Straße 7;
für Südostdeutsche: Stuttgart, Neckarstraße
Nr. 222;
für Danzig- Westpreußen: Lübeck, Moislin-
ger Allee 96;
für Pommern: Lübeck, Wickedestraße 8a;
für Ostpreußen: Neumünster, Nachtredder
Nr. 31;
für Deutsche aus dem Wartheland und
Polen: Hannover, Alte Celler Heerstraße 5;
für Baltendeutsche: Hamburg 36, Terrassen-
straße 7;
für die Gebiete westlich der Oder-Neiße-
Linie: Augsburg, Volkhartstraße 9.
<Lsv(ci4^Jxci4sirfKe£ic*z>
Ein Kriegsblinder aus dem Bezirk Olden-
burg fand auf besonders tragische Weise den
Tod. Vor seinem kleinen Bauernhaus hatte
er sich ein Einfamilienhaus errichtet. Beide
Häuser waren durch einen Quergang ver-
bunden. Schon öfter hatte der Kamerad,
durch das Fenster seiner Werkstatt auf das
Flachdach steigend, Arbeiten und Repara-
turen auf dem Dach ausgeführt. Als er nun
wieder einmal auf das Dach stieg, um dort
die Teerpappe zu untersuchen, stürzte er
a b , zum Entsetzen des in der Nähe befind-
lichen Sohnes. Ob ein Schwächeanfall die
Ursache war, oder ob unser Kamerad .aus-
gerutscht ist, weiß man nicht. Er stürzte
jedenfalls so unglücklich, daß er wenige
Stunden später starb.
Dieser Vorgang möge allen Kriegsblinden
zur Warnung dienen, nämlich nicht die
eigenen Kräfte und Möglichkeiten zu über-
schätzen und sich ständig, so bitter es manch-
mal auch sein mag, der Grenzen bewußt zu
bleiben, die uns gesetzt sind.
Der neue Marschall von Frankreich,
Alphonse Juin, hat den Mut gehabt, eine
Ehrenerklärung für Petain abzugeben. Diese
Tatsache wird von der Zeitung „Westdeut-
sche Rundschau" (Wuppertal) in Zusammen-
hang gebracht mit einer sich anbahnenden
Wandlung der politischen Nachkriegsjustiz
in Frankreich und vor allem mit dem „Fall
Scapini". Ohne daß wir unsererseits zu
diesem Vorgang Stellung nehmen wollen,
sei hier die „Westdeutsche Rundschau"
zitiert:
„Ein Blinder des ersten Weltkrieges,
Gründer des Verbandes der französischen
Kriegsblinden, vollendet mit unerhörter
Energie das Studium der Rechte, wird An-
walt, Abgeordneter, nimmt an Theater- und
Filmvorführungen teil und schreibt über
seine Erfahrungen ein Buch „Dia" Lehre der
Nacht", die eine Lehre unerhörter Selbst-
disziplin ist. Dieser Mensch, der seine Dun-
kelheit einer deutschen Kugel zu verdanken
hat, tritt für eine Verständigung der beiden
Völker ein. Als nach der Niederlage die
französische Regierung bemüht ist, die Ent-
lassung der Kriegsgefangenen in die Heimat
zu erreichen, entsendet Petain Georges
Scapini als Botschafter nach Berlin. Seine
Erfolge sind beträchtlich. Mehr als zwei
Drittel der Gefangenen können nach Frank-
reich zurückkehren."
„1949 wird dem Blinden", so heißt es in
der Zeitung weiter, „der Prozeß gemacht.
Die Anklage lautet auf Einvernehmen mit
dem Feinde, Demoralisierung der Armee und
des Volkes und Beeinträchtigung der Sicher-
heit des Staates. Vor der Eröffnung der Ver-
handlung entweicht Scapini in die Schweiz.
Er schreibt dem Präsidenten des Gerichts,
daß er sich nicht dem parteipolitischen Fana-
tismus ausliefern wolle. In Abwesenheit
wird er zu fünf Jahren Zwangsarbeit, Ver-
mögenseinziehung und nationaler Degrada-
tion verurteilt.
Dieser Tage ist Scapini nach Frankreich
zurückgekehrt und hat sich den Behörden
gestellt."
Soweit dieser Bericht aus der deutschen
Tagespresse. Auch die französische Presse
schenkte der Rückkehr Scapinis große Be-
achtung. So berichtet „Aurore", daß Scapini
in den Tagen der Pariser Braille-Feiern nach
Paris zurückgekehrt sei, begleitet von seinen
zwei Rechtsanwälten. Der Gerichtshof nabe
Scapini wissen lassen, daß er sich an das
Kriegsgericht zu wenden habe. Der Präsident
des Kriegsgerichtes habe sodann die An-
weisung gegeben, Scapini vorläufig in Frei-
heit zu lassen.
Wir deutschen Kriegsblinden haben nicht
das Recht, zu diesen Vorgängen eine Mei-
nung zu äußern, doch wollen wir die Leser
unserer Zeitschrift über diesen interessanten
Vorgang nicht ununterrichtet lassen.
In der Ostzone wurden- interessante Ver-
suche mit einem neuen Industrie-
be r u f für Blinde gemacht, und zwar wurde
in einer Margarinefabrik ein Blinder als
„Wieger" eingestellt, d. h., er hat mit stän-
digen Stichproben ' das fabrikmäßige Pak-
kungsgewicht der Margarine zu kontrollie-
ren. Zu diesem Zweck wurde eine Tafel-
neigungswaage von der optischen Anzeige
auf akustische Signale umgebaut. Ein von
dem Physiker Dr. Hensel gebautes Zusatz-
gerät, das mit der Waage durch ein Spezial-
kabel verbunden wird, enthält einen Laut-
sprecher, der je nach der Waagenstellung
höhere oder tiefere Töne abgibt. Das Nor-
malgewicht, also die Nullstellung der Waage,
ist dadurch erkennbar, daß die Töne im Laut-
sprecher die gleiche Tonhöhe haben. Ge-
wichtsabweichungen werden durch Tondiffe-
renzen angezeigt, die nach kurzer Übung des
Ohrs in Gramm anzugeben sind. Jetzt hat
man die Idee, eine solche Waage mit einem
Tonband auszustatten, das im Lautsprecher
das genaue Gewicht jeweils „ansagen"
würde.
Die Physiklehrer der Blindenschulen
im Bundesgebiet kamen in der hessischen
Blindenschule in Friedberg zusammen, um
u. a. ein von Blindenoberlehrer Mendte kon-
struiertes Lehrmodell eines Rundfunkgerätes
kennenzulernen, das blinden Schülern den
Vorgang des Sendens und Empfangens be-
greifen läßt.
Die schwedische Malerin Gerda Hoeglund
aus Stockholm stiftete einem Flüchtlings-
lager bei Hamburg eines ihrer besten Werke,
ein zwei Meter hohes Altarbild. Die
Künstlerin ist nach Fertigstellung dieses Ge-
mäldes völlig erblindet,
*
In der staatlichen Blindenanstalt „Niko-
lauspflege" in Stuttgart, vor fast hun-
dert Jahren aus einer Stiftung der württem-
bergischen Königin Olga entstanden und
nach ihrem Vater, dem russischen Zaren
Nikolaus, genannt, leben zur Zeit zehn Taub-
stummblinde, ferner 57 Schüler, 35 Berufs-
tier Plantagenirank.
das gEsundhEitsförderndE
Getränk, nicht stespfand
schüler, 20 erwachsene Blinde, zwei Lehr-
linge und 61 Heimarbeiter.
*
Drei hannoversche Jungen im Alter von
zehn bis zwölf Jahren gingen mit einer
selbstgefertigten Liste von Haus
zu Haus. „Bitte, eine kleine Spende für das
Blindenheim", sagten sie, und ohne Arg-
wohn zeichneten die Leute ihre Spenden in
die Liste der Jungen ein. Die teilten alles,
gingen in den nächsten Laden und kauften
sich für das „Blindengeld" Süßigkeiten.
*
In Mexiko liegt „die unheimlichste Staclt
der Welt". Es ist Tiltepec, 1400 Meter hoch
über dem Meeresspiegel, nicht mehr als
44 Häuser umfassend. Hier sind alle Be-
wohner blind. Nicht nur die Kinder
und die Erwachsenen, sondern auch die
Hunde und die Ochsen. Die indianischen Be-
wohner der fensterlosen Häuser tasten sich
mit langen Stöcken über die Straße. Vor
den Haustoren liegen große Steine mit Ein-
kerbungen, die ein Orientieren ermöglichen.
Amerikanische Wissenschaftler haben fest-
gestellt, daß der Stich einer winzigen Mücke
eine gefährliche Augenkrankheit überträgt,
12
die auf gleiche Weise auch Inri'aTier"t?mrae
Südamerikas heimsucht.
•*
Das Hilfswerk für kriegsversehrte Kinder,
das der Däne Stig Guldberg ins Leben
gerufen hat, wird in Europa immer mehr zu
einem Begriff. Guldberg hat vor Jahren
als Pionieroffizier bei einer Sprengung beide
Hände verloren und hat es sich nun zur
Aufgabe gemacht, allen Kindern in Europa
zu helfen, die gleich ihm durch den Krieg
schwere Verletzungen davongetragen haben.
Er gründete ein Lager in Dänemark, in das
er auch in diesem Jahr wieder kriegsver-
sehrte Kinder aus Deutschland, Holland,
Frankreich, Italien und Dänemark einlud.
Das erste dieser Lager fand vor zwei Jahren
statt. Der Nordwestdeutsche Rundfunk hat
jetzt den Guldberg-Plan unterstützt, indem
er die Kinder in Omnibussen nach Däne-
mark brachte, vor allem aber durch Aufrufe,
ein solches „G u 1 db e r g - L a g er" in
Deutschland einzurichten, als Ferienlager für
kriegsbeschädigte Kinder. Generaldirektor
Grimme rief die Hörer zur Mithilfe auf.
Inzwischen sind kriegsversehrte Kinder aus
Deutschland, Italien, Dänemark und Holland
in das Lager „Sunderhof" bei Hittfeld in der
Lüneburger Heide für 54 glückliche Ferien-
tage eingezogen. Auch die in Hamburg er-
scheinenden Rundfunk- Programmzeitschriften
unterstützen die Aktion,
*
Der Braunschweiger Tierschutzverein wird
dem Führhund „Hella" anläßlich des „Tags
der Tiere" die offizielle Bezeichnung „H e 1 -
denhund" verleihen. Vor acht Jahren, im
Oktober 1944, hat Hella ihren blinden Herrn
aus dem brennenden Haus gerettet. Da der
Ausgang bereits versperrt war, führte der
Hund den Blinden zu einem ihm unbe-
kannten Nebenausgang auf einen Hof und
an Mülleimer heran, die ihm das überklet-
tern einer rettenden Mauer ermöglichten.
*
Die 1938- gegründete spanische Blinden-
organisation, die dem Innenministerium
unterstellt ist, unterhält eigene Fabriken, in
denen nicht nur Besen sondern vor allem
Bonbons hergestellt werden.
* -
Vor anderthalb Jahren (Aprilheft 1951)
berichteten wir über die erste Tonband-
bücherei für Blinde, die von einem
Masseur in Zürich ins Leben gerufen worden
ist. Heute umfaßt diese Bücherei, die nur
mit eigenen Aufnahmen arbeitet, bereits
127 verschiedene Titel. Wegen der hohen
Kosten für die Abhörgeräte haben sich viel-
fach kleine Hörergruppen zusammenge-
schlossen, die gemeinsam die Bänder ab-
hören.
-k
Da sich auch in der Schweiz die in den
Blindenanstalten erzogenen Schüler nach
ihrem Schulabgang immer mehr von den
typischen Blindenberufen abwenden, ist
0ie in der Blindenanstalt Spiez bisher be-
triebene Korbmacherei und Feinflechterei
aufgegeben worden.
*
Neuerdings erhalten in Belgien alle
Blinden auch dann die allgemeine Schwer-
beschädigtenrente, wenn sie das 65. Lebens-
jahr überschritten haben. Bisher mußten sie
dann in die allgemeine Altersrente ein-
treten, die wesentlich ungünstiger ist. Eine
besondere Blindenrente gibt es in Belgien
nicht, doch wird die allgemeine Schwer-
beschädigtenrente (jährlich 15 000 Fr.) auch
den Blinden ausgezahlt.
*
In den Vereinigten Staaten gibt es aine
Landwirtschaftsschule für Blinde
in Masori (Ohio), die besonders Kenntnisse
über die Hühner- und Milchviehzucht ver-
mittelt. In Omaha wurde vor sechs Jahren
ein „Elektrotechnisches Institut für Blinde"
gegründet, das zunehmende Bedeutung er-
langt hat. Aufgabengebiete sind u. a. der
Bau von Rundfunkempfängern, Elekt.ro-
installation in Neubauten, die Reparatur von
Motoren und das Ankerwickeln.
Das berühmte neue Medikament
„Cortiso n" bewirkt nach Darlegungen
des englischen Chirurgen Dr. Morgan ein
unmittelbares Zurückgehen von Schwellun-
gen und Entzündungen in verletzten Augen.
Es scheint auch zu verhindern, daß eine Ent-
zündung auf dem Wege der Nervenbahn
sich auf das andere Auge, ausdehnt. So ist
es möglich, ein Auge, das bisher als Krank-
heitserreger entfernt werden mußte, zu
retten. In einigen Fällen hat Cortison auch
zur Verhütung eines Glaukoms geholfen.
Wenn auch Cortison keine Augenkrank-
heiten heilt, so stellt es doch ein neues
Mittel im Kampf gegen die Erblindung dar.
*
Ein Londoner Meister, der künstliche
Augen herstellt, erzählte kürzlich, daß er
nicht nur einem Chow-Chow-Hund ein
G.l a s a u g e einsetzte, da der Hund auf
einer Ausstellung gezeigt werden sollte,
sondern daß auch ein Zirkuslöwe zu
seinen Kunden zählte. Der Löwe hatte ein
Betäubungsmittel bekommen, so daß der
Augenkünstler zu ihm in den Käfig gehen
konnte. *
Die Vereinigung kriegsblinder Soldaten in
Sidney (Australien) pflegt als einen in
Deutschland unbekannten Blindensport
das Kricket. Die blinden Spieler spielen
paarweise mit sehenden Partnern. Die Ent-
fernung von der Kricket-Kugel, dem „Jack",
wird durch einen Pfeifenton angegeben. Mit
einem Schläger wird diese apfelgroße FIolz-
kugel auf einem Rasen durch verschiedene
kleine Torbogen geschlagen und muß am
Ende des Spiels den sogenannten Kricket-
Pfosten treffen Die Position der Kugel wird
den Kriegsblinden mit Hilfe des Uhrzeiger-
systems verdeutlicht, also etwa durch den
Zuruf: in zwei Fuß Entfernung von 3 Uhr.
Kricket, auch Bowling genannt, ist in Eng-
land und Australien ein ungemein, beliebter
Sport geworden.
In Berlin wurde durch den Senator für das
Sozialwesen das Blindenpflegegeld
für hilfsbedürftige Zivilblinde von 50 DM
auf 90 DM monatlich erhöht.
(Fortsetzung S. 14)
Ein Gruß aus Österreich
Die Kriegsblinden Vorarlbergs
Interessant ist der folgende Einblick in Auibau
und Gesinnung der österreichischen Kriegsblinden-
arbeit, den uns die Kameraden aus Vorarlberg
geben:
Seit Jahrzehnten stellen die Kriegsblinden
Deutschlands und Österreichs eine innige
Schicksalsgemeinschaft dar; sie sind Männer,
die einstens an der Front im selben Graben
lagen, als Verwundete im gleichen Lazarett
gepflegt und so in Not, Freud und Leid bis
auf den heutigen Tag unzertrennbare Freunde
wurden. Wohl hatten mit dem Ende des
2. Weltkrieges durch die staatliche 'Trennung
die Kriegsblinden Deutschlands und die
Kriegsblinden Österreichs in der Organisa-
tion ihren eigenen Weg zu beschreiten, aber
die Freundschaft zwischen ihnen ginq nicht
verloren. Es zeigten dies besonders jene
Tage des 21. und 22. März 1952, an welchen-
die Kriegsblinden Vorarlbergs die Ehre hat-
ten, Amtsgerichtsrat Kamerad Dr. Plein mit
Kamerad Ing. Schramm aus Freiburg i. B. an-
läßlich ihrer Begegnung mit dem Präsidenten
des Verbandes der Kriegsblinden Österreichs,
Kamerad Hirsch aus Wien, in Bregenz am
Bodensee, der Landeshauptstadt von Vorarl-
berg, am westlichen Tore Österreichs, be-
grüßen zu dürfen.
Die damaliqen Besprechungen dienten da-
zu, die in der verschiedenen Verbandstätig-
keit von Deutschland und Österreich gemach-
ten Erfahrungen auszutauschen, einander zu
raten, zu helfen, neue Wege in der Organi-
sation zu bahnen und, nicht zuletzt, die
Freundschaftsbande zwischen den Kameraden
in Deutschland und denen in Österreich aufs
neue zu festigen. Seit diesem Tage steht auch
die Landesgruppe Vorarlberg des Verbandes
der Kriegsblinden Österreichs mit der Lei-
tung des deutschen Krieqsbiindenbundes in
engem Kontakt und will nun den Kameraden
von Deutschland durch diesen Beitrag
Näheres von sich mitteilen:
Der Verband der Kriegsblinden Österreichs
gliedert sich in Landesqruppen auf die be-
stehenden Bundesländer auf und mußte nach
dem 2. Weltkriege völlig neu aufgebaut wer-
den. Im Jahre 1946 wurde auch in den west-
lichen Zonen Österreichs, in St. Florian bei
Linz, eine Umschulungsstätte errichtet, denn
oberstes Ziel des Verbandes war die Berufs-
fürsorge.
In Vorarlberg, dem kleinsten und west-
lichsten Lande Österreichs, mit ca. 190 000
Einwohnern, umgrenzt von der Schweiz, von
Bayern und Tirol, befinden sich 19 Kriegs-
blinde, davon drei aus dem 1. Weltkriege.
Drei Kameraden sind doppelamputiert (ohne
Hände), andere erlitten auch sonstige Schä-
den, wie Verminderung des Gehörs, Verlust
des Geruchs, Splitterverletzungen usw. Trotz
all dieser Schwierigkeiten ist es in gutem Zu-
sammenwirken mit dem Landesinvalidenamt
Bregenz gelungen, die meisten Kameraden
einem Beruf zuzuführen.
Unter den genannten 19 Kriegsblinden be-
finden sich 7 Trafikanten*), 3 Bürstenmacher,
2 Packer in einer Fabrik, 1 Telefonist, 1 Land-
wirt und 1 Tätiger im Fremdenverkehr.
4 Kameraden sind ohne eigentliche Betäti-
gung. Einige erlernten zusätzlich einen zwei-
ten Beruf, wie Stenotypie, Korbflechten oder
Bürstenmachen. Einnahmen der Landesgruppe
bestehen aus Spenden und aus den Rein-
erlösen der Kriegsblinden-Wertlotterie und
werden als Unterstützungsgelder, besonders
bei Existenzgründung, Familiengiündung, Ge-
burt eines Kindes, Todesfall in der Familie
usw., in großen Beträgen als Darlehen an
die Kameraden ausgefolgt. Erfreulich ist zu
sagen, daß bereits 16 Kameraden den Bund
der Ehe schlössen, 12 davon nach ihrer Er-
blindung. Aus diesen glücklichen Ehen ent-
sprossen bis heute insgesamt 34 Kinder.
Unter den Kriegsblinden Vorarlbergs und
deren Frauen wird auch stets die Kamerad-
schaft gepflegt, u. a. finden sie sich dann und
wann zu einem gemütlichen Beisammensein
oder zu einem netten Ausflug zusammen.
Wiesen und Wälder, Berge und Felsen, hin-
auf bis zu den Gletschern der Silvrettagruppe,
sowie Bregenz zwischen hohem Berge und
blauleuchtendem See, von goldroter Abend-
sonne in ein unvergeßliches Farbenspiel ge-
. taucht, bleiben den Kriegsblinden in diesem
Lande in lebhafter Erinnerung.
Diesmal aber blicken sie in ihrer Vor-
stellung über das Schwäbische Meer hinüber
nach Deutschland, freuen sich der edlen und
aufrichtigen Kameradschaft mit den Kame-
raden in Deutschland und grüßen sie in steter
Gemeinschaftsliebe von ganzem Herzen.
*) Tabakwarenhändler, der Hauptberuf für die
Kriegsblinden Österreichs. Wir hoffen, bald Nähe-
res darüber berichten zu können. Die Schrullig.
13
Der Sommer, in den Zeitungsredaktionen
als „Saure-Gurken-Zeit" bekannt, bringt
mancherlei kuriose Meldungen an den Tag.
Da soll z. B. in Guatemala ein Führhund
seinen Herrn so lange auf ein weggeworfe-
nes Los einer Straßenlotterie aufmerksam
gemacht haben, bis dieser das Los aufhob
und damit rund 5000 Mark gewann. Noch
reizvoller muß es in Mexiko zugehen. Dort
sollen sich zwei Blinde auf offener Straße
mit Pistolen gegenseitig beschossen haben.
Als die Polizei eintraf, verbaten sie sich
jegliche Einmischung, denn — so erklärten
sie gekränkt — hier werde ein Duell aus-
getragen. Die Nachbarschaft hatte sich aus
dem Feuerbereich vorsorglich zurückgezogen,
da die Streuung aus verständlichen Gründen
sehr groß war. Getroffen wurde niemand.
In England erhielt der kriegsblinde
Ohnh ander David Bell bereits nach
zweijährigem Studium — normalerweise
sind drei Jahre erforderlich — den Grad
eines „Masters of Art" der Universität
Edinburgh. Wir erinnern uns an ähnliche
Leistungen in Deutschland, z. B. an unseren
Kameraden Herbert Fromann aus Hamburg,
der als kriegsblinder Ohnhänd'er sein juristi-
sches Referendarexamen ablegte.
*
Die Firma „Fegumak", Inhaber Ing. Red-
meier, Gelsenkirchen, stellt außer kleinen
Handbürsten auch Nagelfeilen für Einhänder
her. Die Feile ist an einem länglichen Holz-
stück befestigt, das mittels Saugnäpfchen aus
Gummi fest an allen glatten Flächen haftet.
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Nächstenliebe ohne Sympathie
„Die verschlossene Tür" (NWDR Hamburg)
Was Nächstenliebe bedeutet, die das Letzte
hergibt, ohne nach „Sympathie" zu fragen,
wurde dem Hörer an dieser Neuinszenierung
des NWDR Hamburg deutlich, die im Be-
reich des Hörspiels als ein Ereignis von be-
sonderer Bedeutung bezeichnet werden muß.
Dreierlei wirkte zusammen, um eine lange
über die Sendung hinaus nachwirkende Er-
schütterung -hervorzurufen. Da sind zuerst
der Stoff und sein Autor: Fred von Hoerschel-
mann, ein junger Balte, greift in die Begeg-
nung eines in den Warthegau umgesiedelten
baltischen Barons mit einem jüdischen Ban-
kier, der sich in seinem Gutshaus, verborgen
hält, eines der schwierigsten Probleme auf,
die es heute gibt. Völlig phrasenfrei und in
jeder Szene Zug für Zug glaubhaft, läßt der
Autor den baltischen Baron, der zuerst in-
mitten der allgemeinen Ungerechtigkeit nur
seinem Verlangen nach einer „privaten Ge-
rechtigkeit" nachgibt, in immer schwerere
Konflikte mit seiner Umwelt, den Ange-
hörigen seiner Familie kommen. In der
Gewissensentscheidung wird von ihm und
seinem Schützling das Letzte verlangt, aber
angesichts dieses Letzten erfahren beide,
daß sie in einem tieferen Sinne Brüder sind,
als sie es vor der Welt erscheinen ließen.
Vor ajlem ist dabei eindrucksvoll, wie tief
hier das Wesen der Nächstenliebe erkannt
wird: für sie gelten keinerlei Abneigungen
oder Gefühle — sie wird von einem Abso-
luten her bestimmt. Entsprechen sich so Stoff
und Gestaltung in einer hörspielmäßig fast
vollkommen zu nennenden Art, so wird die
Forderung, das Letzte herzugeben, um über
sich selbst hinauszugelangen, von dem alten,
ebenfalls aus dem Baltenland stammenden
Schauspieler Robert Taube — in der Rolle
des Barons — so überaus reich erfüllt, daß
man nur wünschen kann: alle Rundfunk-
anstalten mögen diese Neuinszenierung von
Detlof Krüger übernehmen.
Operette ohne Musik
„Idyll zu Ludwigslusl" (Hessischer Rundtunk)
Mit Recht schreibt man bei Operetten den
Namen des Text-„Dichters" sehr klein, denn
was er da Millionäre oder Fürsten erleben
und sagen läßt, wird erst durch die Musik
erträglich und oft nicht einmal durch sie,
seien die Noten auch von Kälmän oder
Zeller. Daß man aber gar die Noten ganz
wegläßt und uns nur die Texte zumutet,
obendrein ohne sie auch nur abzustauben,
dazu gehört fast die Harmlosigkeit eben
jener Landesväter, wie sie als Serenissimus,
zwischen Operettenkulissen leben, — eine
entwaffnende Harmlosigkeit, zu der sich —
selten treuherzig — die Hörspielabteilung
des Hessischen Rundfunks bekannte. Wir
erwarteten jeden Augenblick, daß zu Arien
angesetzt würde — vergeblich. Nein, es
sollte ein richtiges Hörspiel sein: der Landes-
vater, die Hofloge, die Lakaien und die
vielen feinen Leute, Gräfinnen und Minister,
alles war fabelhaft echt. Nichts da von
Ironie oder gar Parodie! So ein Landesvater
will ernstgenommen werden und nicht
weniger die Illusionslimonade der Hörer.
Hat man wirklich Durst darauf? Gar so heiß
war es doch an diesem Tage nicht.
Man kann's auch übertreiben!
„Die Kurve" (Bayerischer Rundlunk)
Sich als Moralisten zu bekennen, ist gut
und nützlich, gerade im Hörspiel, das sich
ja nicht vornehmlich an Ästheten wendet,
sondern an suchende, oft ratlose Mitmenschen.
Das Hörspiel sollte also, der „Moralischen
Anstalt" heute näherstehen als die Bühne.
Aber — man kann es auch übertreiben. In
Leonhard Franks Hörspiel „Die Kurve" wird
die Moral so dick aufgetragen, daß es fast
peinlich wirkt. Zunächst natürlich die Unmoral :
eine Frau, die sich sehr fix und allzu gern
von fremden Männern erpressen läßt, und
die ihrerseits ihren Mann, den Inhaber einer
Autowerkstatt, erpreßt, so daß er Hufnägel
auf die benachbarte Landstraßenkurve legt.
Die Pannen bringen Geld ins Haus. Die Un-
moral nimmt barbarisch zu, bis ein Kind
dabei zu Tode kommt. Nun ist es die Moral,
die zunimmt, zunächst als moralischer Kater
bis hin zu endlich abgerungenen Schuld-
bekenntnissen und einem Sühneversuch, wie
er im (Lese-) Buch steht: der Mann stürzt
in ein brennendes Haus, um aus dem 5. Stock
ein Kind zu retten. Ohne Zweifel eine volks-
tümliche, deutliche und einfache Sache, höch-
stens ein wenig zu lang, und da sie mit
derben theatralischen und melodramatischen
Effekten ausgestattet wurde (Regie: W.Ohm,
Musik: M. Lothar), wird sie ihre Hörer ge-
funden haben, und das ist — wohlverstan-
den — keineswegs zu bedauern; denn die
fraglos sehr anständige Gesinnung des Hör-
spiels kann nur Gutes erwirken. Aber ein
Kunstwerk war das Ganze trotzdem nicht,
mochten sich auch Hermann Speelmanns (den
man öfter ans Mikrophon holen sollte) und
Elfriede v. Kuzmany in sympathischer Weise
-um psychologische Vertiefung mühen.
JDrogrartiPHvorscliau jür f4örspielt
15.8.
20.35
21.45
16.8.
20.45
17.8.
18.8.
20.00
19.8.
20.15
20.30
20.30
20.8.
20.10
20.30
20.40
20.45
21.8.
20.00
20.30
22.8.
21.45
23.8.
20.30
21.00
24.8.
25.8.
26.8.
20.30
21.00
27. 8.
20.45
28.8.
20.15
21.15
29.8.
20.25
21.45
30.8.
20.45
22.30
1.9.
21.15
2.9.
20.00
20.15
4.9.
20.30
20.45
6.9.
20.45
8.9.
9.9.
20.30
21.00
10.9.
21.40
11.9.
20.00
13.9.
20.30
NWDR: „Der Tiger Jussuf" von Günter Eich
NWDR/UKW-West: „Spiel im Spiele" von W. Franke-Ruta (4. Folge)
Südwestfunk/UKW: „Unkraut unter dem Weizen" von E. Bonett u. E. Wickert
Stuttgart: „Der Tiger Jussuf" von Güter Eich
Frankfurt: „Der Teufel fährt in der 3. Klasse" von Herbert Dührkop
NWDR/UKW-West: „Ich habe ein schönes Schloß" von Georges Neveux
Südwestfunk: „Der neue Mantel" von M. Gundermann nach Gogol
München: „Hiroshima" von Oskar Wessel
N WDR/UKW-Nord: „Die Krankheit des Herrn Satory" von Waldemar Maass
Bremen: „Retour" von Pierre-Maurice Richard
München/UKW: „Villa zu verkaufen" von Sascha Guitry
RIAS: „Asternplatz" von Heinz Oscar Wuttig
Frankfurt/UKW: „Stern der Unsterblichen" von Rudolf Krämer-Badoni -
NWDR: „Der neue Mantel" von M. Gundermann nach Gogol
NWDR/UKW-West: „Man müsse nach Rom gehen" von Johann D. Peters
Südwestfunk/UKW: „Die Puppen von Poshansk" von Robert Neumann
NWDR/UKW-Nord: „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück" (VII)
Stuttgart: „Der Mörder" von Curt Goetz
Frankfurt: „Das kleinere Übel" Lustspiel von Ludwig Berger
Südwestfunk: „Das Lächeln der Gioconda" von Alfons Huxley
München (von Bremen): „Versprich mir nichts" von Charlotte Rissmann
Stuttgart: „Fis mit Obertönen" von Günter Eich
RIAS: „Der Mann mit dem Hämmerchen" von Hans Hömberg
NWDR: „Denn sie sollen getröstet werden" nach Alan Paton
Münchne/UKW: „Hiroshima" von Oskar Wessel
NWDR/UKW-Nord: „Das Geld, das auf der Straße liegt" von Werner-Jörg
Lüddecke
NWDR/UKW-West: „Das letzte Gepäck" nach Vittorio Calbino
„Amtmann Enders" von Fred von Hoerschelmann
„Das Zebra" von Henning Sengstack
Frankfurt: „Die Flasche" nach Ringelnatz von Just Scheu
München/UKW: „Versprich mir nichts" von Charlotte Rißmann
München: „Ein Blumenbrett am Fenster" von H. Schmoll und H. Dreigrade
NWDR/UKW-West: „Kampf gegen den Tod" 2. Folge, von Peter Lotar
Südwestfunk: „Der kleine Napoleon" von Paul Sarauw
NWDR: „Nie wieder vernünftig sein", Heitere Ehekomödie von C. S. Bielen
Südwestfunk/UKW: „Die kühne Operation" von Erwin Wickert
Frankfurt: „Duell" von Svend Rindom
Südwestfunk: „Ich bin nicht mehr dabei" von Fred von Hoerschelmann
München: „Victoria" nach Hamsun (Bearbeitung: Robert Stemmle)
München/UKW. „Ein Blumenbrett am Fenster" von H. Schmoll u. H. Dreigrade
NWDR: „La boiteuse" von El Zati
Südwestfunk/UKW: „Der arme Mann von Gorgonzola" von Walter Kolbenhoff
Südwestfunk/UKW
NWDR/UKW-Nord:
14
Neuer Industrieberuf
Demontage von Stromzählern
Durch den Zuzug von neun Kriegsblinden
in die Kriegsbeschädigten-Siedlung in Audorf
bei Rendsburg wurde auch die Frage der
Arbeitsbeschaffung für diese Männer aktuell.
Während ein Kriegsblinder schon seit Jahren
als Behördenangestellter in Rendsburg als
Steno typist tätig ist, betrieben zwei andere
Kriegsblinde seit einigen Jahren das Bürsten-
macherhändwerk. Zwei weitere haben das
Handwerk erlernt, aber zu einer lohnenden
Auswirkung ihrer Umschulung ist es bisher
nicht gekommen. Für einen kriegsblinden
Masseur, für einen Telefonisten und für
einen früheren Behördenangestellten sind
zwar Arbeistplätze in Aussicht gestellt, die
aber erst im Laufe der nächsten Zeit spruch-
reif werden.
Durch den Unterzeichneten wurden in der
Tuchfabrik in Audorf mit einem Kriegs-
blinden praktische Versuche an einer Spu-
len - Wickelmaschine durchgeführt,
die ein gutes Ergebnis zeigten; zu einem
festen Arbeitsverhältnis konnte es jedoch
bislang nicht kommen.
Durch eine Verhandlung mit der Schleswig-
Holsteinischen Stromversorgungs - Aktienge-
sellschaft (Rendsburg) wurde die Erlaubnis
erteilt, in der Zählerabteilung dieses Be-
triebes nach einer Arbeitsmöglichkeit für
einen Kriegsblinden Umschau zu halten. Beim
Begehen der Werkstatträume konnte in der
Zählerreparatur durch geringe Umstel-
lung ein Arbeitsplatz für einen Kriegsblinden
festgestellt werden. Es wurde einem gelern-
ten Bäcker Gelegenheit geqeben, bei einer
Probezeit von vier Wochen sich mit der De-
montage von Zählern und Zählerelementen
zu beschäftigen. Der Leiter der Abteilung
und auch der Meister waren sich schon nach
acht Tagen darüber klar, daß das Ein-
fühlungsvermögen dieses Kriegsblinden in
die" für ihn vollkommen neue Materie so
beachtlich war, daß mit einem dauernden
Arbeitsverhältnis gerechnet werden konnte.
Bemerkenswert war es avcb, wie die Ein-
weisungskräfte für diesen Kriegsblinden es
mit einem seltenen Geschick verstanden, auf-
tretende Schwierigkeiten und Hemmun-
gen zu überbrücken und zum Ab-
klingen zu bringen. Nach einer verhältnis-
mäßig kurzen Anlaufzeit konnte dieser
Kriegsblinde bei der Demontage der Zähler
als nahezu vollwertige Kraft eingegliedert
werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß
es sich um die Demontage von Zählern
verschiedener Fabrikate handelt, die in ihrem
Aufbau Abweichungen aufweisen. Der Ab-
lauf der Arbeitsvorgänge bei der Demon-
taqe vollzieht sich so, daß der Kriegsblinde
jeweils an einer Reihe von 16 Zählern, die
an einer Montagewand hängen, folgende
Handgriffe durchführt: 1. Entplomben, 2. Ab-
nahme der Zählerkappe, 3. Ausbau des Zähl-
werkes, 4. Lösung des Ober- und Unter-
lagers, 5 Herausnahme der Läuferscheibe.
Um keinen Leerlauf durch Abnahme der
teildemonfierten Zähler aufkommen zu
lassen, befinden sich an drei weiteren frei-
stehenden Arbeitswänden je 16 Zähler, so
daß sich der Kriegsblinde ohne Führung von
einem Arbeitsplatz zum anderen begeben
kann. Nach einer Beschäftiquncrsdauer von
vier Wochen war der Kriegsblinde in der
Lage, für drei Zählermonteure als Zu-
bringer für die Reparatur der Zähler zu
funqieren. Unmittelbar an den insgesamt vier
Arbeitswänden befindet sich der Arbeits-
platz des Kriegsblinden, an dem er außer-
dem auch die Demontage von Zählwer-
ken vornimmt; die zerlegten Einzelteile
werden geordnet abgelegt.
Dieses wirklich gute und erfreuliche Er-
gebnis, das sowohl die Geschäftsleitung als
auch den Blinden selbst überraschte,
ist einmal zurückzuführen auf die innere
Einstellung zur Arbeit mit ihrem Pflichten-
kreis und ihrer Gewissenhaftigkeit, nicht
zuletzt wohl auf Grund einer früher durch-
gestandenen Lehr- und Gesellenzeit, und
andererseits durch das wirklich hervor-
ragende psychologische Einfühlungsvermö-
gen seiner Arbeitskameraden. Das
wichtigste an dieser Unterbringung ist aber
dieses: einem Kriegsblinden einen Arbeits-
platz beschafft zu haben, wo beide Vertrags-
partner vollauf zufriedengestellt wurden. Es
zeigte sich auch hier, daß arbeitsvermittelnde
Kräfte in der Laqe sein müssen, sich über die
Mentalität des zu Vermittelnden ein klares
Bild zu machen; er muß vor allen Dingen auf
den verschiedensten Gebieten technisch ver-
siert sein, um selbst entscheiden zu können,
ob und wo eine handwerkliche Betätigung
durchgeführt werden kann.
Heyko Martens
Mit Tandem und Zelt an die Ostsee
Je näher das Examen rückte, je mehr ge-
wann der Plan . dieser Fahrt, von der ich
jetzt berichten will, Gestalt. Man sollte
gerade in unserer Situation immer einen
Plan oder ein Problem haben, mit dem man
sich beschäftigt, wenn der Alltag die über-
hand zu gewinnen droht. Dadurch wird die
Phantasie und mit ihr die Erinnerung an-
geregt und wachgehalten. Diesmal also be-
schäftigte meine Gedanken die Tandem-Zelt-
Reise an die Ostsee. Das war ein vielfältiger
Stoff! Bilder aus früheren Tagen tauchten
auf ....
Hundertmal fuhr ich durch meine Heimat-
stadt Kassel, die für mich gar nicht zerstört
ist, um in das liebliche Füldatal zu gelangen
und von dort in das alte Städtchen Hanno-
versch-Münden, das mir von mancher Ju-
gendwanderung lebhaft in der Erinnerung
steht. Von dort weiter die Weser entlang,
an deren Ufern wir nach dem Bade, im
Grase liegend, dem Liebesspiel zartbunter
Libellen zugeschaut haben, nach dem alten
Hugenottenstädtchen Karlshafen, wo wir
einst als Sekundaner heimlich die ersten
Zigaretten rauchten ....
Hat nicht ein großer Mann einmal gesagt,
die Erinnerung sei das einzige Paradies, aus
dem wir nicht vertrieben werden können?
Das gilt für uns Kriegsblinde wohl doppelt.
Gerade bei diesen Urlaubsplänen kehrte ich
gern in jenes Paradies ein.
Und weiter ging es also über Herstellen,
dem alten Lager der Franken, über das
idyllische Höxter zum Schloß und Kloster
Corvey mit seinen würdigen Bauten, die
einst sehenden Auges bestaunt wurden. Weit
hinten lockte dann die alte Rattenfänger-
stadt Hameln, deren alte, schöne Häuser ich
15jährig bewunderte, und weiter ging es
über die Porta Westfalika nach Minden.
Nienburg und Verden an der Aller. Von
dort durch die Heide nach Hamburg, durch
dessen Straßen ich einst als frischgebackener
Rekrut streifte, von dort nach Lübeck, der
Stadt meiner Ahnen — und schon war die
Ostsee im Gedankenflug da ... .
So sah es allerdings nur im Schwung der
Phantasie aus. Die Wirklichkeit erwies sich
später als weitaus prosaischer, aber trotz-
dem noch schön genug, um uns morgigen
Tages — wenn's ginge — wieder aufs Rad
zu setzen und all die Erlebnisse mit Regen,
Schweiß und geplatzten Reifen noch einmal
zu wiederholen.
Manch einer hatte warnend den Finger
gehoben und auf den Muskelkater und die
kalten Nächte im Zelt hingewiesen — mit
der Eisenbahn sei doch alles viel einfacher
und weit weniger anstrengend! Selbst kriegs-
blinde Kameraden meinten, daß ich bei
einem solchen Unternehmen nur der Kraft-
motor sei und mangels sichtbarer Eindrücke
doch reichlich kurz kommen würde. Aber hat
man denn nicht — außer den Erinnerungen
an das Landschaftsbild — auch noch ver-
schiedene andere Möglichkeiten, die Ein-
drücke in Bilder umzusetzen? überdies sitzt
einem ja der Reporter direkt vor der Nase
und gibt laufend Berichte, so daß man keine
Sekunde nur als Motor durch die Gegend
fährt, sondern aufgeschlossen und angeregt
Eindrücke sammelt, die lange noch der
Quell schönster Erinnerungen sein werden.
Als das Examen geschafft war, wurde aus
Phantasie nun Wirklichkeit. Unser wackeres
Tandem war überholt, Zelt und Gepäck ver-
staut. Doch aller Anfang ist schwer .... Noch
innerhalb der Stadt brach der Gepäckträger
unter seiner Last. Infolge der Reparatur
starteten wir erst mittags und radelten be-
freit und glücklich an der Fulda entlang,
unserem ersten Ziel, Lippoldsberg an der
Weser, entgegen. Doch bezog sich leider
allzubald der Himmel, und nach längerer
Fahrt durch Regen gerieten wir bald in
einen Wolkenbruch, dessen Böen uns fast
vom Rad warfen. Bis auf die Haut durch-
näßt, fanden wir Schutz in einem Forsthaus.
Aber auch das hatte Vorteile: wir lernten
hervorragende Menschen kennen und Schick-
sale, die uns sehr nachdenklich stimmten.
Erst vom dritten Tage unserer Reise an '
begleitete uns ein strahlender Himmel. Laßt
mich deshalb schweigen von den Pannen
der ersten Tage auf regennassen Landstraßen,
wo der böige Wind uns den Regen ins Ge-
sicht schlug, von der gerissenen Kette und
dem Plattfuß am Hinterrad . . .
Kurz vor Hameln zelteten wir zum ersten-
mal, und zwar auf einer Weserwiese. Es
war lange her, daß ich das letzte Zelt gebaut
hatte, doch bald war auch das wieder ge-
konnt, und als die erste Dämmerung fiel,
zogen wir uns für die Nacht — — warm an
und wickelten uns in die Decken. So haben
wir dann auch nie gefroren; nur an den
harten Boden mußte man sich erst gewöh-
nen, und mit steigender Übung schliefen wir
jeden Abend besser, ob es hinter dem
Schäferhaus bei Verden, im Steinbecktal
kurz vor Hamburg, an der Trave oder am-
Strand zwischen Timmendorf und Scharbeutz
war.
Unsere Zeltplätze lagen immer unweit
eines Dorfes am Wasser, so daß wir abends
frische Milch, Lebensmittel und Waschwasser
hatten, überall waren wir Sensation, ob in
den Dörfern oder in den Großstädten. Ste's
waren wir bei Rastpausen umringt von
Schaulustigen zwischen 3 und 70 Jahren und
hatten unsere helle Freude an den verschie-
densten Meinungen — für die meisten
waren wir der Born unbeschwerter Heiter-
keit, doch hätte es uns mancher auch gen
gleichgetan. Verblüffend waren die tech-
nischen Kenntnisse mancher Bürschchen un'er
10 Jahren, die sich fachmännisch über die
Schaltung unseres Rades und die anderen
Finesseri ausließen. Manche konnten nicht
begreifen, warum die Frau vorne saß statt
des Mannes.
überhaupt begaben sich die amüsantesten
Episoden, die einem „normalen" Urlaubs-
reisenden nicht zustoßen können. Aber
auch Begegnungen wie diese: In Hameln
wurde ein alter Mann ernstlich böse, als ich
vermeintlich teilnahmslos an den Schönhei-
ten seiner Heimatstadt vorüberschritt. Oder:
ein kleines Mädchen erzählte mir, daß sie
schon einmal ein solches Rad gesehen habe,
auf dessen Rücksitz habe aber ein Blinder
gesesseh . . .
Für viele war es auch schwer, sich mit
der Tatsache eines radwandernden Blinden
15
abzufinden, der wie viele andere Rad-
touristen des Nachts im Zelt schlief. Kein
Wunder bei der verbreiteten Meinung, daß
ein Erblindeter hilflos sein müsse! Des Er-
staunens und Bewunderns war oft kein Ende.
Wir freuten uns natürlich darüber, denn es
ist doch immer schön, wenn man der Mitwelt
seine Gleichwertigkeit unter Beweis stellen
kann. Sogar der Muskelkater gab dem der
„anderen" in nichts nach.
Auch ohne größere Panne ging es nicht ab.
Wir hatten gerade eine der quälenden
Flachlandsteigungen überwunden, sausten in
voller Fahrt der nächsten zu, als mit schar-
fem Knall der Schlauch des Vorderrades
platzte. Voller Entsetzen vergaß meine Frau,
daß das Rad auch Bremsen hat und hielt sich
verzweifelt am Lenker fest, während das
schwer beladene Rad von einer Straßenseite
zu anderen schlug und ein paar entgegen-
kommende Radler nur so auseinander
spritzten. Schließlich kamen wir aber doch
noch heil zum Stehen und konnten mit Ge-
duld den Schaden beheben. Für die nächsten
Tage fuhren wir, wie das so zu sein pflegt,
übertrieben vorsichtig.
Die 70 km durch die sonst so wunder-
schöne Heide waren arg; der Schweiß floß
in Strömen, so daß wir am Abend glücklich
und müde ins Zelt krochen. Am nächsten
Tag gings durch den Hamburger Großstadt-
verkehr. Das war die größte Anstrengung
für meine Frau, und doch schafften wir es
ohne Zwischenfall, sanken aber im letzten
Vorort erschöpft in einen Straßengraben und
fuhren erst spät weiter. In Lübeck fanden
wir einen netten Fremdenführer, einen ehe-
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maligen Mariner, der uns auch den Hafen
mit seinen wenigen Schiffen wunderbar vor-
führte.
Und dann kamen wir an unser Ziel, den
Strand zwischen Timmendorf und Scharbeutz,
wo wir eine große Zeltkolonie vorfanden.
Alles war gut organisiert. Einkaufsmöglich-
keiten und Süßwasser waren in unmittel-
barer Nähe des Strandes — , ja, die Ver-
käufer lieferten sogar ins „Haus". Und nun
begann ein herrliches Leben: schlafen, son-
nen, essen, lesen, baden und wieder schla-
fen. Wer nicht mit dem Zelt an der See
gewesen ist, weiß nichts von ihren Schön-
heiten. Wenn man sich abends sonnver-
brannt und müde auf dem Strohlager lang-
machte, war das Rauschen der See das
schönste Wiegenlied. Morgens beim Er-
wachen griff man über sich an die Plane, die
noch taunaß war, und stand nicht auf, ehe
sie von der aufgehenden Sonne getrocknet
war. Abends lohten hier und da Lagerfeuer
auf und alte Lieder wurden gesungen. Da-
zwischen, nicht ganz stilecht, ein paar Schla-
ger. Aber die Freude gemeinsamen Erlebens
überwog alles, und es herrschte ein Geist
echter Kameradschaft.
Das Tandem, das hinter dem Zelt auf dem
Kopf stand, bildete nach wie vor einen
großen Anziehungspunkt und auch oft genug
Stoff für längere technische Erörterungen.
Unser Badestrand war ideal. Herrlicher
weißer Sand, keine Steine und keine der
unangenehmen Quallen. Man kann weit in
die See gehen, ehe man den Grund verliert,
und sie ist klar wie Leitungswasser. Freilich
biß das Salzwasser den Sonnenbrand tüchtig
und wirkte deshalb dopp'elt kalt, schmälerte
die Freude jedoch keineswegs.
Zurück wollten wir eigentlich bis Han-
nover noch mit dem Rad fahren, entschlossen
uns jedoch in Anbetracht des zweifelhaften
Vorderradschlauches und der angefaulenzten
Erholung zur Rückfahrt mit der Eisenbahn.
Während die letzten Schleier der Nacht über
der kühlen See lagen und fern am Horizont
der Morgen graute, bauten wir unser Zelt
ab, beluden wieder unser gutes Tandem und
fuhren in Richtung Bahnhof davon, — um
ein schönes Erlebnis reicher.
Berthold Schulze
Interessantes aus Kanada
Der Brief eines Kameraden aus Winnipeq
Unser Kamerad J. J. Friesen, der schon
von 1924 bis 1939 in Kanada wohnte und
1950 als Erblindeter zu seinen Verwandten
dorthin zurückgekehrt ist, teilt uns auf
unsere Bitte folgende persönliche Eindrücke
mit:
„Wie Ihnen bekannt sein dürfte, werden
hier alle, ob Kriegs- oder Zivilblinde, vom
National Institute for the Blind erfaßt, deren
Hauptsitz in Toronto ist. In jeder größeren
Stadt befindet sich eine Unterabteilung, Divi-
sion genannt. Die Stadt Winnipeq, in der ich
wohne, zählt allein etwa 350 Blinde, meist
überwiegend Zivilblinde bejahrteren Alters.
Im Institut werden von Blinden die verschie-
denartigsten Dinqe hergestellt, z. B. stricken
die Frauen Wollsachen oder nähen Kleider,
die Männer Tertigen Besen an oder auch
Blechsiebe für Getreidereinigungsmaschinen
und anderes.
Neben' dem Institut befindet sich auch ein
Internat für Blinde, die keine Bleibe haben.
Die Unterkunft mit Verpflegung kostet pro
Monat 47,50 Dollar. An Rente erhalten die
Blinden aber nur 40 Dollar pro Monat. So
müssen die zusätzlichen Kosten im Institut
erarbeitet werden.
An Vergünstigungen gibt es folgende: Die
Rundfunkgebühr wird erlassen, kleine Re-
paraturen am Empfänger werden ausgeführt.
Ferner: Hundesteuer-Erlaß, Ausgabe eines
weißen Gehstockes (an Stelle der in Deutsch-
land üblichen Armbinde), einmal im Jahr
gibt es einen Tagesausflug ins Freie und
jährlich ein „Danksagunqsessen" mit Trut-
hahnbraten (Turkey), Kaffee, Kuchen und
Gefrorenem. Straßenbahn- und Omnibus-
fahrten erhalten wir um mehr als die Hälfte
verbilligt. Bei Bahnfahrten löst der Blinde
eine Normalfahrkarte für sich und die Be-
gleitperson.
Meine Schäferhündin „Asta" ist der ein-
zige Führhund in Winnipeq, ja, sogar
in der ganzen Provinz Maniloba. Es scheint
hier in Kanada etwas Ungewöhnliches und
Neues zu sein, daß ein Blinder von einem
Tier geführt wird. So hatte ich anfangs
oft Scherereien, wenn ich die Straßen-
bahn oder den Omnibus mit Führhund be-
nutzte, obwohl mir die Stadtverwaltung
eine Genehmigung dazu erteilt hat, die mir
nach zwei Monaten des Wartens bewilligt
alter Pudding - aufgetischt ■
schmeckt stets lecker und erfrischt,
DARUM: GE G ■ P U D D I1V G P ULVER A U S DEM
KONSUM
wurde. In den ersten sechs Monaten hatte
ich immer wieder Auseinandersetzungen mit
den Schaffnern, denn einen Hund in der
Straßenbahn mitzunehmen, ist fast bei
Todesstrafe verboten. Inzwischen aber hat
man sich daran gewöhnt, da ich mich nicht
beirren ließ.
Die meisten Blinden laufer hier ohne
Begleitung umher, nur mit dem weißen
Stock bewaffnet, und lassen sich von den
Mitmenschen zurechtweisen, wenn sie sich
verirren oder wenn sie gegen die recht
lärmende Straßenbahn zu laufen drohen.
Nicht selten geraten sie unter die Räder
der vorbeiflitzenden Autos.
Ich selbst bin hier leider noch kein Ren-
tenempfänger, denn die Gesetze schreiben
vor, daß man zuvor zehn Jahre im Lande
ansässig gewesen sein muß. Der Amtsschim-
mel ist auch hierzulande nicht unbekannt.
Meine Rentenangelegenheit ist von der
Sozialen Wohlfahrt der Stadt Winnipeg zu
ordnen, und das bringt einen umständlichen
Papierkrieq mit sich.
Was die Arbeitsmöqlichkeiten angeht,
so wird es interessieren, daß ich auf mein
Verlangen hin beim Blindeninstitut eine
Beschäftigung erhielt. Anfangs mußte ich
Kabel für Autobeheizung installie-
ren Es war eine saure Stückarbeit, ich saß
den ganzen Tag und hantierte mit Schrauben-
zieher und Zange und hatte in acht Stun-
den sage und schreibe einen halben Dollar
verdient. Das war natürlich höchst unbefrie-
digend, ich streikte und verlanqte eine
ertragreichere Beschäftigung. Ich wurde
daraufhin von einer Instrukteurin des Insti-
tutes in Lederhandarbeit unterrich-
tet, und zwar lernte ich zuerst, Schuppen-
T.ederqürtel zusammenzusetzen und Hosen-
träger ähnlicher Art. Dann kamen schwie-
rigere Aufgaben, z. B. die Umrandung bei
Geldbrieftaschen oder Damenhandtaschen.
Nun, ich habe es cjeschafft und beziehe jetzt
die halbfertiqe Ware vom Institute for the
Blind, mache sie verkaufsfertiq, und dann —
habe ich die kauflustiqe Menschheit mir
selber zu suchen, um meine Ware abzu-
setzen. Die Verdienstmöglichkeiten wären
ganz gut, wenn genügend Käufer aufzufin-
den wären, aber daran hapert es leider.
Hier heißt es eben immer wieder: hilf
dir selber, marschier oder krepier!
Dementsprechend gibt es hier auch nichts,
was den Hauptfürsorgestellen in Deutschland
oder den orthopädischen Versorgungsämtern
ähnlich wäre, auch keine Zugehörigkeit zur
Krankenkasse, geschweige denn Erholungs-
heime, wie ihr sie in Deutschland in Braun-
lage oder Borkum habt.
Aber unsere Kameraden in der Ostzone
sind ja viel schlechter dran. Wenn ich auch
selber hier gebrauchte Schuhe tragen muß,
so will ich mich doch weiterhin bemühen,
mit Hilfe von Freunden und Bekannten
Kleiderspenden und Wäsche zu erhalten und
an den Bund der Heimat weiterzuleiten."
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